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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Denikin in Südrußland

Parteigänger Petluras ausgaben, verfolgen in Wirklichkeit nur Raub und Plünderung
ohne politischen Zweck; sie haben unter den besseren Schichten der Bevölkerung
keinen Anhang und können deshalb keine ernste Gefahr für das Oberkommando bilden.
Vei der Republik Grusien wird ein Vertreter gehalten, trotzdem ihre Selbständigkeit
nicht anerkannt wird; die Beziehungen zu ihr sind befriedigend. England hat
bezüglich Grusiens seinen Standpunkt zu gunsten eines unteilbaren Rußlands
geändert, Baku geräumt und die Flotte auf dem Kaspischen Meere an Denikin
ausgeliefert. Einer Verständigung mit Polen stehen vorläufig noch die polnischen
Ansprüche auf russisches Gebiet im Wege. Grundsätzlich aber wird die Selbst-
ständigkeit Polens anerkannt, ebenso wie die Finnlands. Über die Abtretung
von Teilen Kareliens und der Eismeerküste an Finnland sind die Verhandlungen
noch nicht abgeschlossen.

In der äußeren Politik fühlt sind Denikin an die Weisungen des "Obersten
Verwesers" (Koltschak) gebunden. Sein erster Vertreter ist der frühere Minister
des Äußeren Sasonow in Paris, zugleich Vorsitzender der dortigen russischen
Friedensstelle, der auch der kürzlich zu Denikin entsandte Maklakow angehört.
Für die äußere Politik ist leitender Grundsatz: "Das einige, unteilbare Nußland
ven Russen." Wenn auch Denikin die Unterstützung Englands annimmt, so lassen
sich daraus doch noch keine Schlüsse auf die künftige Gestaltung der russischen
Politik zu England ziehen. Für ihre Hilfeleistungen werden die Engländer ent¬
schädigt werden, vorausgesetzt, daß diese Hilfe ausreichend, rechtzeitig und un¬
eigennützig erfolgt. Frankreich kann man sein Verhalten im Schwarzen Meere
un Frühjahr dieses Jahres nicht vergessen. In Deutschland verfolgt man mit
Interesse den Kampf gegen den Sparlakismns und die Behandlung der baltischen
Frage; über das Ausbleiben eines aktiven Vorgehens gegen die Bolschewiken ist
wan enttäuscht. Die ausländischen Militärmissionen befinden sich in Taganrog.
Die Bemühungen der britischen Mission für Waffenlieferungen an Denikin und
ehre Zurückhaltung gegenüber der inneren Lage werden dankbar empfunden. Die
Stellung der französischen Mission war bisher weniger günstig, sie litt durch die
bekannten Vorgänge in den Häfen des Schwarzen Meeres') und die Versuche der
französischen Negierung, sich auch später noch in die inneren Verhältnisse Süd¬
rußlands einzumischen. Die Franzosen vermeiden es, in Südrußland Uniform
S" tragen.. Die neue Mission unter Führung des Generals Mnngin, die kürzlich
in Taganrog eintraf, hat sich durch die Lieferung von 200 Geschützen und anderem
Kriegsmaterial gut eingeführt. Die italienische Mission verfolgt vornehmlich die
Anknüpfung von Handelsbeziehungen.

Man ist in den Kreisen Denikins sehr zuversichtlich und rechnet auf die
Wiederherstellung eines einigen unteilbaren Rußland, verläßt sich auf die eigene
?rast, nimmt aber jede Hilfe von außerhalb gern an, ohne ihren Wert jedoch zu
"verschätzen. Die Generale Denikin und Lukomski sind populär und genießen
großes Ansehen.

^ . Wenn die Verhandlungen Sowjetrußlands mit der Entente tatsächlich zum
"Neben führen, wird Denikins militärische und politische Stellung noch schwieriger.
großrussische antibolschewistische Gruppe mit Koltschak. Denikin, Judenitsch und
°en Pariser Vertretern kann mit der Sowjetrepublik keinen Frieden schließen,
"ur sie kann es nur einen Grundsatz geben: Die Bolschewiken oder wir. Das
^deutet aber Fortsetzung des Kampfes gegen die rote Republik bis zu ihrer Zer¬
trümmerung oder bis zum eigenen völligen Zusammenbruch. Es nutz abgewartet
werden, ob die Entente trotz Friedensschluß mit der Sowjetrepublik die Gegen¬
revolutionäre weiter mit Geld und ^Kriegsmaterial unterstützen wird; davon werden
erster Linie die Aussichten bei einer Fortführung des Kampfes bestimmt werden.
Entente hat damit, ohne sich direkt in die inneren Angelegenheiten Rußlands
einzumischen, eine Handhabe, dauernden Einfluß auf die Entwicklung der Verhält¬
nise in Rußland zu behalten. Der Ehrlichkeit der bolschewistischen Politik und



Vergl. Grenzboten Ur. 48, Seite 210.
Denikin in Südrußland

Parteigänger Petluras ausgaben, verfolgen in Wirklichkeit nur Raub und Plünderung
ohne politischen Zweck; sie haben unter den besseren Schichten der Bevölkerung
keinen Anhang und können deshalb keine ernste Gefahr für das Oberkommando bilden.
Vei der Republik Grusien wird ein Vertreter gehalten, trotzdem ihre Selbständigkeit
nicht anerkannt wird; die Beziehungen zu ihr sind befriedigend. England hat
bezüglich Grusiens seinen Standpunkt zu gunsten eines unteilbaren Rußlands
geändert, Baku geräumt und die Flotte auf dem Kaspischen Meere an Denikin
ausgeliefert. Einer Verständigung mit Polen stehen vorläufig noch die polnischen
Ansprüche auf russisches Gebiet im Wege. Grundsätzlich aber wird die Selbst-
ständigkeit Polens anerkannt, ebenso wie die Finnlands. Über die Abtretung
von Teilen Kareliens und der Eismeerküste an Finnland sind die Verhandlungen
noch nicht abgeschlossen.

In der äußeren Politik fühlt sind Denikin an die Weisungen des „Obersten
Verwesers" (Koltschak) gebunden. Sein erster Vertreter ist der frühere Minister
des Äußeren Sasonow in Paris, zugleich Vorsitzender der dortigen russischen
Friedensstelle, der auch der kürzlich zu Denikin entsandte Maklakow angehört.
Für die äußere Politik ist leitender Grundsatz: „Das einige, unteilbare Nußland
ven Russen." Wenn auch Denikin die Unterstützung Englands annimmt, so lassen
sich daraus doch noch keine Schlüsse auf die künftige Gestaltung der russischen
Politik zu England ziehen. Für ihre Hilfeleistungen werden die Engländer ent¬
schädigt werden, vorausgesetzt, daß diese Hilfe ausreichend, rechtzeitig und un¬
eigennützig erfolgt. Frankreich kann man sein Verhalten im Schwarzen Meere
un Frühjahr dieses Jahres nicht vergessen. In Deutschland verfolgt man mit
Interesse den Kampf gegen den Sparlakismns und die Behandlung der baltischen
Frage; über das Ausbleiben eines aktiven Vorgehens gegen die Bolschewiken ist
wan enttäuscht. Die ausländischen Militärmissionen befinden sich in Taganrog.
Die Bemühungen der britischen Mission für Waffenlieferungen an Denikin und
ehre Zurückhaltung gegenüber der inneren Lage werden dankbar empfunden. Die
Stellung der französischen Mission war bisher weniger günstig, sie litt durch die
bekannten Vorgänge in den Häfen des Schwarzen Meeres') und die Versuche der
französischen Negierung, sich auch später noch in die inneren Verhältnisse Süd¬
rußlands einzumischen. Die Franzosen vermeiden es, in Südrußland Uniform
S" tragen.. Die neue Mission unter Führung des Generals Mnngin, die kürzlich
in Taganrog eintraf, hat sich durch die Lieferung von 200 Geschützen und anderem
Kriegsmaterial gut eingeführt. Die italienische Mission verfolgt vornehmlich die
Anknüpfung von Handelsbeziehungen.

Man ist in den Kreisen Denikins sehr zuversichtlich und rechnet auf die
Wiederherstellung eines einigen unteilbaren Rußland, verläßt sich auf die eigene
?rast, nimmt aber jede Hilfe von außerhalb gern an, ohne ihren Wert jedoch zu
"verschätzen. Die Generale Denikin und Lukomski sind populär und genießen
großes Ansehen.

^ . Wenn die Verhandlungen Sowjetrußlands mit der Entente tatsächlich zum
»Neben führen, wird Denikins militärische und politische Stellung noch schwieriger.
großrussische antibolschewistische Gruppe mit Koltschak. Denikin, Judenitsch und
°en Pariser Vertretern kann mit der Sowjetrepublik keinen Frieden schließen,
»ur sie kann es nur einen Grundsatz geben: Die Bolschewiken oder wir. Das
^deutet aber Fortsetzung des Kampfes gegen die rote Republik bis zu ihrer Zer¬
trümmerung oder bis zum eigenen völligen Zusammenbruch. Es nutz abgewartet
werden, ob die Entente trotz Friedensschluß mit der Sowjetrepublik die Gegen¬
revolutionäre weiter mit Geld und ^Kriegsmaterial unterstützen wird; davon werden
erster Linie die Aussichten bei einer Fortführung des Kampfes bestimmt werden.
Entente hat damit, ohne sich direkt in die inneren Angelegenheiten Rußlands
einzumischen, eine Handhabe, dauernden Einfluß auf die Entwicklung der Verhält¬
nise in Rußland zu behalten. Der Ehrlichkeit der bolschewistischen Politik und



Vergl. Grenzboten Ur. 48, Seite 210.
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[0285] Denikin in Südrußland Parteigänger Petluras ausgaben, verfolgen in Wirklichkeit nur Raub und Plünderung ohne politischen Zweck; sie haben unter den besseren Schichten der Bevölkerung keinen Anhang und können deshalb keine ernste Gefahr für das Oberkommando bilden. Vei der Republik Grusien wird ein Vertreter gehalten, trotzdem ihre Selbständigkeit nicht anerkannt wird; die Beziehungen zu ihr sind befriedigend. England hat bezüglich Grusiens seinen Standpunkt zu gunsten eines unteilbaren Rußlands geändert, Baku geräumt und die Flotte auf dem Kaspischen Meere an Denikin ausgeliefert. Einer Verständigung mit Polen stehen vorläufig noch die polnischen Ansprüche auf russisches Gebiet im Wege. Grundsätzlich aber wird die Selbst- ständigkeit Polens anerkannt, ebenso wie die Finnlands. Über die Abtretung von Teilen Kareliens und der Eismeerküste an Finnland sind die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen. In der äußeren Politik fühlt sind Denikin an die Weisungen des „Obersten Verwesers" (Koltschak) gebunden. Sein erster Vertreter ist der frühere Minister des Äußeren Sasonow in Paris, zugleich Vorsitzender der dortigen russischen Friedensstelle, der auch der kürzlich zu Denikin entsandte Maklakow angehört. Für die äußere Politik ist leitender Grundsatz: „Das einige, unteilbare Nußland ven Russen." Wenn auch Denikin die Unterstützung Englands annimmt, so lassen sich daraus doch noch keine Schlüsse auf die künftige Gestaltung der russischen Politik zu England ziehen. Für ihre Hilfeleistungen werden die Engländer ent¬ schädigt werden, vorausgesetzt, daß diese Hilfe ausreichend, rechtzeitig und un¬ eigennützig erfolgt. Frankreich kann man sein Verhalten im Schwarzen Meere un Frühjahr dieses Jahres nicht vergessen. In Deutschland verfolgt man mit Interesse den Kampf gegen den Sparlakismns und die Behandlung der baltischen Frage; über das Ausbleiben eines aktiven Vorgehens gegen die Bolschewiken ist wan enttäuscht. Die ausländischen Militärmissionen befinden sich in Taganrog. Die Bemühungen der britischen Mission für Waffenlieferungen an Denikin und ehre Zurückhaltung gegenüber der inneren Lage werden dankbar empfunden. Die Stellung der französischen Mission war bisher weniger günstig, sie litt durch die bekannten Vorgänge in den Häfen des Schwarzen Meeres') und die Versuche der französischen Negierung, sich auch später noch in die inneren Verhältnisse Süd¬ rußlands einzumischen. Die Franzosen vermeiden es, in Südrußland Uniform S" tragen.. Die neue Mission unter Führung des Generals Mnngin, die kürzlich in Taganrog eintraf, hat sich durch die Lieferung von 200 Geschützen und anderem Kriegsmaterial gut eingeführt. Die italienische Mission verfolgt vornehmlich die Anknüpfung von Handelsbeziehungen. Man ist in den Kreisen Denikins sehr zuversichtlich und rechnet auf die Wiederherstellung eines einigen unteilbaren Rußland, verläßt sich auf die eigene ?rast, nimmt aber jede Hilfe von außerhalb gern an, ohne ihren Wert jedoch zu "verschätzen. Die Generale Denikin und Lukomski sind populär und genießen großes Ansehen. ^ . Wenn die Verhandlungen Sowjetrußlands mit der Entente tatsächlich zum »Neben führen, wird Denikins militärische und politische Stellung noch schwieriger. großrussische antibolschewistische Gruppe mit Koltschak. Denikin, Judenitsch und °en Pariser Vertretern kann mit der Sowjetrepublik keinen Frieden schließen, »ur sie kann es nur einen Grundsatz geben: Die Bolschewiken oder wir. Das ^deutet aber Fortsetzung des Kampfes gegen die rote Republik bis zu ihrer Zer¬ trümmerung oder bis zum eigenen völligen Zusammenbruch. Es nutz abgewartet werden, ob die Entente trotz Friedensschluß mit der Sowjetrepublik die Gegen¬ revolutionäre weiter mit Geld und ^Kriegsmaterial unterstützen wird; davon werden erster Linie die Aussichten bei einer Fortführung des Kampfes bestimmt werden. Entente hat damit, ohne sich direkt in die inneren Angelegenheiten Rußlands einzumischen, eine Handhabe, dauernden Einfluß auf die Entwicklung der Verhält¬ nise in Rußland zu behalten. Der Ehrlichkeit der bolschewistischen Politik und Vergl. Grenzboten Ur. 48, Seite 210.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/285>, abgerufen am 15.01.2025.