Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Denikin in Südrußland

Völker wie Chinesen und Baschkiren stellen einen starken Prozentsatz. Massen¬
desertionen werden selbst von Trotzki offen beklagt. Die Moral ist in den anti-
bolschewistischen Armeen sicher besser als bei den Sowjettruppen: erstere verfügen
auch über so reichliche Berufsoffiziere alter Schule, daß sie aus diesen ganze
Verbände zusammenstellen konnten, wogegen in den roten Armeen 90 Prozent
Offiziere aus dem Mannschaftsstande nach nur drei- bis viermonatlicher Aus¬
bildung befördert sind. Wenn die tschecho-slowakischen Verbände aus Sibirien
sich Denikin zur Verfügung stellen, würde die Freiwilligen-Armee damit einen
wertvollen Zuwachs erhalten.

Der ganzen Lage entsprechend trägt die Regierung Denikins die Form
einer Militärdiktatur. Die Zivilverwaltung Südruszlcmds liegt in Händen des
Regierungskonütees in Nostow, an dessen Spitze General Lukowski steht. Dieser
hochgebildete und durch seine militärwissenschaftliche Tätigkeit bekannte General
hat schon vor dem Kriege in verschiedenen Stellungen des Generalstabes und
Kriegsministeriums sein Geschick in der Behandlung von Verwaltungsaufgaben
bewiesen. Das Wehrgesetz von 1912 dankt ihm seine Entstehung: im Kriege war
er vorübergehend im Stäbe des Oberbefehlshabers, Generals Gutor, und führte
dann die 7. Armee. Er ist jetzt 51 Jahre alt und entstammt einer kleinrussischen
Adelsfamilie des Gouvernements Poltawa: aus langjähriger Tätigkeit beim Ober¬
kommando des Militärbezirks Kiew mit den wirtschaftlichen und politischen Ver¬
hältnissen Südruszlcmds gut vertraut, dürfte er für seinen jetzigen Posten eine
durchaus geeignete Persönlichkeit sein. Ihm wird starker politischer Einfluß auf
Denikin nachgesagt; es liegt auf der Hand, daß unter den jetzigen besonderen
Verhältnissen in Südrußland die Persönlichkeit des Regierungsleiters von ganz
außerordentlicher Bedeutung sein muß. Von den sieben Verwaltungsvorständen
-- die Bezeichnungen Ministerium und Minister sind vermieden -- gehören drei
der Kadettenpartei an: einer ist Sozialrevolutionär. An der Spitze der Finanz¬
verwaltung steht der Kadett Verncitzki, ein ehemaliger Beamter der Neichsbank;
die äußere Politik leitet Neratow, der schon vor dem Kriege im diplomatischen
Dienste stand. Der Bedeutung der Agrarfrage trägt die Ernennung Kriwoscheins
zum Negierungsmitglied ohne Portefeuille Rechnung, dessen besondere Aufgabe
in der Bearbeitung der Agrarreform liegt. Auch hier ist eine Persönlichkeit ge¬
funden worden, die dank ihrer außerordentlichen Erfahrung zur Lösung der
nächsten Verwaltungsaufgaben ganz besonders geeignet erscheint. Schon seit
1906 arbeitet Kriwoschein in der so komplizierten und für die sozialen Verhältnisse
Rußlands so ungemein wichtigen Agrarfrage. Als späterer Landwirtschaftsminister
hat er in allen wirtschaftspolitischen und kolonialwirtschaftlichen Fragen viel
Initiative entwickelt.

Neben dem Negierungskomitee haben die Gebiete der Don-, Kuban- und
Terekkosaken ihre autonome Verwaltung, die aber mit der Zentrale in Rostow
zur Behandlung aktueller Fragen Verbindung hält. Mit Rücksicht auf den
Kriegszustand in Südrußland ist dieses in drei Militärbezirke eingeteilt, den
Bezirk Kiew (Kleinrußland) unter General Dragomirow, Bezirk Neurußland (am
Schwarzen Meere) unter General Dobrowolski und den Bezirk Terek-Dagestan,
an dessen Spitze General Erdeli steht. Letzterer ist eine bekannte Persönlichkeit
aus Petersburger Hof- und Militärkreisen: der Gouverneur des Kiewer Bezirks
ist der jüngere Sohn des bekannten Militärschriftstellers und ehemaligen General¬
gouverneurs von Kiew aus den achtziger Jahren. Des weiteren ist die
Gouvernementseinteilung mit den Organen der Selbstverwaltung in Stadt und
Land beibehalten.

Das Programm der Regierung ist durchaus parteilos; ihr Hauptziel ist
die Wiederaufrichtung eines einigen unteilbaren Rußland mit lokaler Autonomie
da, wo dies tatsächlich Bedürfnis ist. Die Ukraine oder Kleinrußland wird als
integrierender Bestandteil Rußlands angesehen. Mit Petlura kann es eine Ver¬
ständigung nicht geben; seine Macht ist im Schwinden; politisch ist er ein Anhänger
der Bolschewiken. Bandenführer wie Seljony und Angel, die sich zeitweilig als


Denikin in Südrußland

Völker wie Chinesen und Baschkiren stellen einen starken Prozentsatz. Massen¬
desertionen werden selbst von Trotzki offen beklagt. Die Moral ist in den anti-
bolschewistischen Armeen sicher besser als bei den Sowjettruppen: erstere verfügen
auch über so reichliche Berufsoffiziere alter Schule, daß sie aus diesen ganze
Verbände zusammenstellen konnten, wogegen in den roten Armeen 90 Prozent
Offiziere aus dem Mannschaftsstande nach nur drei- bis viermonatlicher Aus¬
bildung befördert sind. Wenn die tschecho-slowakischen Verbände aus Sibirien
sich Denikin zur Verfügung stellen, würde die Freiwilligen-Armee damit einen
wertvollen Zuwachs erhalten.

Der ganzen Lage entsprechend trägt die Regierung Denikins die Form
einer Militärdiktatur. Die Zivilverwaltung Südruszlcmds liegt in Händen des
Regierungskonütees in Nostow, an dessen Spitze General Lukowski steht. Dieser
hochgebildete und durch seine militärwissenschaftliche Tätigkeit bekannte General
hat schon vor dem Kriege in verschiedenen Stellungen des Generalstabes und
Kriegsministeriums sein Geschick in der Behandlung von Verwaltungsaufgaben
bewiesen. Das Wehrgesetz von 1912 dankt ihm seine Entstehung: im Kriege war
er vorübergehend im Stäbe des Oberbefehlshabers, Generals Gutor, und führte
dann die 7. Armee. Er ist jetzt 51 Jahre alt und entstammt einer kleinrussischen
Adelsfamilie des Gouvernements Poltawa: aus langjähriger Tätigkeit beim Ober¬
kommando des Militärbezirks Kiew mit den wirtschaftlichen und politischen Ver¬
hältnissen Südruszlcmds gut vertraut, dürfte er für seinen jetzigen Posten eine
durchaus geeignete Persönlichkeit sein. Ihm wird starker politischer Einfluß auf
Denikin nachgesagt; es liegt auf der Hand, daß unter den jetzigen besonderen
Verhältnissen in Südrußland die Persönlichkeit des Regierungsleiters von ganz
außerordentlicher Bedeutung sein muß. Von den sieben Verwaltungsvorständen
— die Bezeichnungen Ministerium und Minister sind vermieden — gehören drei
der Kadettenpartei an: einer ist Sozialrevolutionär. An der Spitze der Finanz¬
verwaltung steht der Kadett Verncitzki, ein ehemaliger Beamter der Neichsbank;
die äußere Politik leitet Neratow, der schon vor dem Kriege im diplomatischen
Dienste stand. Der Bedeutung der Agrarfrage trägt die Ernennung Kriwoscheins
zum Negierungsmitglied ohne Portefeuille Rechnung, dessen besondere Aufgabe
in der Bearbeitung der Agrarreform liegt. Auch hier ist eine Persönlichkeit ge¬
funden worden, die dank ihrer außerordentlichen Erfahrung zur Lösung der
nächsten Verwaltungsaufgaben ganz besonders geeignet erscheint. Schon seit
1906 arbeitet Kriwoschein in der so komplizierten und für die sozialen Verhältnisse
Rußlands so ungemein wichtigen Agrarfrage. Als späterer Landwirtschaftsminister
hat er in allen wirtschaftspolitischen und kolonialwirtschaftlichen Fragen viel
Initiative entwickelt.

Neben dem Negierungskomitee haben die Gebiete der Don-, Kuban- und
Terekkosaken ihre autonome Verwaltung, die aber mit der Zentrale in Rostow
zur Behandlung aktueller Fragen Verbindung hält. Mit Rücksicht auf den
Kriegszustand in Südrußland ist dieses in drei Militärbezirke eingeteilt, den
Bezirk Kiew (Kleinrußland) unter General Dragomirow, Bezirk Neurußland (am
Schwarzen Meere) unter General Dobrowolski und den Bezirk Terek-Dagestan,
an dessen Spitze General Erdeli steht. Letzterer ist eine bekannte Persönlichkeit
aus Petersburger Hof- und Militärkreisen: der Gouverneur des Kiewer Bezirks
ist der jüngere Sohn des bekannten Militärschriftstellers und ehemaligen General¬
gouverneurs von Kiew aus den achtziger Jahren. Des weiteren ist die
Gouvernementseinteilung mit den Organen der Selbstverwaltung in Stadt und
Land beibehalten.

Das Programm der Regierung ist durchaus parteilos; ihr Hauptziel ist
die Wiederaufrichtung eines einigen unteilbaren Rußland mit lokaler Autonomie
da, wo dies tatsächlich Bedürfnis ist. Die Ukraine oder Kleinrußland wird als
integrierender Bestandteil Rußlands angesehen. Mit Petlura kann es eine Ver¬
ständigung nicht geben; seine Macht ist im Schwinden; politisch ist er ein Anhänger
der Bolschewiken. Bandenführer wie Seljony und Angel, die sich zeitweilig als


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336574"/>
          <fw type="header" place="top"> Denikin in Südrußland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1054" prev="#ID_1053"> Völker wie Chinesen und Baschkiren stellen einen starken Prozentsatz. Massen¬<lb/>
desertionen werden selbst von Trotzki offen beklagt. Die Moral ist in den anti-<lb/>
bolschewistischen Armeen sicher besser als bei den Sowjettruppen: erstere verfügen<lb/>
auch über so reichliche Berufsoffiziere alter Schule, daß sie aus diesen ganze<lb/>
Verbände zusammenstellen konnten, wogegen in den roten Armeen 90 Prozent<lb/>
Offiziere aus dem Mannschaftsstande nach nur drei- bis viermonatlicher Aus¬<lb/>
bildung befördert sind. Wenn die tschecho-slowakischen Verbände aus Sibirien<lb/>
sich Denikin zur Verfügung stellen, würde die Freiwilligen-Armee damit einen<lb/>
wertvollen Zuwachs erhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1055"> Der ganzen Lage entsprechend trägt die Regierung Denikins die Form<lb/>
einer Militärdiktatur. Die Zivilverwaltung Südruszlcmds liegt in Händen des<lb/>
Regierungskonütees in Nostow, an dessen Spitze General Lukowski steht. Dieser<lb/>
hochgebildete und durch seine militärwissenschaftliche Tätigkeit bekannte General<lb/>
hat schon vor dem Kriege in verschiedenen Stellungen des Generalstabes und<lb/>
Kriegsministeriums sein Geschick in der Behandlung von Verwaltungsaufgaben<lb/>
bewiesen. Das Wehrgesetz von 1912 dankt ihm seine Entstehung: im Kriege war<lb/>
er vorübergehend im Stäbe des Oberbefehlshabers, Generals Gutor, und führte<lb/>
dann die 7. Armee. Er ist jetzt 51 Jahre alt und entstammt einer kleinrussischen<lb/>
Adelsfamilie des Gouvernements Poltawa: aus langjähriger Tätigkeit beim Ober¬<lb/>
kommando des Militärbezirks Kiew mit den wirtschaftlichen und politischen Ver¬<lb/>
hältnissen Südruszlcmds gut vertraut, dürfte er für seinen jetzigen Posten eine<lb/>
durchaus geeignete Persönlichkeit sein. Ihm wird starker politischer Einfluß auf<lb/>
Denikin nachgesagt; es liegt auf der Hand, daß unter den jetzigen besonderen<lb/>
Verhältnissen in Südrußland die Persönlichkeit des Regierungsleiters von ganz<lb/>
außerordentlicher Bedeutung sein muß. Von den sieben Verwaltungsvorständen<lb/>
&#x2014; die Bezeichnungen Ministerium und Minister sind vermieden &#x2014; gehören drei<lb/>
der Kadettenpartei an: einer ist Sozialrevolutionär. An der Spitze der Finanz¬<lb/>
verwaltung steht der Kadett Verncitzki, ein ehemaliger Beamter der Neichsbank;<lb/>
die äußere Politik leitet Neratow, der schon vor dem Kriege im diplomatischen<lb/>
Dienste stand. Der Bedeutung der Agrarfrage trägt die Ernennung Kriwoscheins<lb/>
zum Negierungsmitglied ohne Portefeuille Rechnung, dessen besondere Aufgabe<lb/>
in der Bearbeitung der Agrarreform liegt. Auch hier ist eine Persönlichkeit ge¬<lb/>
funden worden, die dank ihrer außerordentlichen Erfahrung zur Lösung der<lb/>
nächsten Verwaltungsaufgaben ganz besonders geeignet erscheint. Schon seit<lb/>
1906 arbeitet Kriwoschein in der so komplizierten und für die sozialen Verhältnisse<lb/>
Rußlands so ungemein wichtigen Agrarfrage. Als späterer Landwirtschaftsminister<lb/>
hat er in allen wirtschaftspolitischen und kolonialwirtschaftlichen Fragen viel<lb/>
Initiative entwickelt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1056"> Neben dem Negierungskomitee haben die Gebiete der Don-, Kuban- und<lb/>
Terekkosaken ihre autonome Verwaltung, die aber mit der Zentrale in Rostow<lb/>
zur Behandlung aktueller Fragen Verbindung hält. Mit Rücksicht auf den<lb/>
Kriegszustand in Südrußland ist dieses in drei Militärbezirke eingeteilt, den<lb/>
Bezirk Kiew (Kleinrußland) unter General Dragomirow, Bezirk Neurußland (am<lb/>
Schwarzen Meere) unter General Dobrowolski und den Bezirk Terek-Dagestan,<lb/>
an dessen Spitze General Erdeli steht. Letzterer ist eine bekannte Persönlichkeit<lb/>
aus Petersburger Hof- und Militärkreisen: der Gouverneur des Kiewer Bezirks<lb/>
ist der jüngere Sohn des bekannten Militärschriftstellers und ehemaligen General¬<lb/>
gouverneurs von Kiew aus den achtziger Jahren. Des weiteren ist die<lb/>
Gouvernementseinteilung mit den Organen der Selbstverwaltung in Stadt und<lb/>
Land beibehalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1057" next="#ID_1058"> Das Programm der Regierung ist durchaus parteilos; ihr Hauptziel ist<lb/>
die Wiederaufrichtung eines einigen unteilbaren Rußland mit lokaler Autonomie<lb/>
da, wo dies tatsächlich Bedürfnis ist. Die Ukraine oder Kleinrußland wird als<lb/>
integrierender Bestandteil Rußlands angesehen. Mit Petlura kann es eine Ver¬<lb/>
ständigung nicht geben; seine Macht ist im Schwinden; politisch ist er ein Anhänger<lb/>
der Bolschewiken. Bandenführer wie Seljony und Angel, die sich zeitweilig als</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0284] Denikin in Südrußland Völker wie Chinesen und Baschkiren stellen einen starken Prozentsatz. Massen¬ desertionen werden selbst von Trotzki offen beklagt. Die Moral ist in den anti- bolschewistischen Armeen sicher besser als bei den Sowjettruppen: erstere verfügen auch über so reichliche Berufsoffiziere alter Schule, daß sie aus diesen ganze Verbände zusammenstellen konnten, wogegen in den roten Armeen 90 Prozent Offiziere aus dem Mannschaftsstande nach nur drei- bis viermonatlicher Aus¬ bildung befördert sind. Wenn die tschecho-slowakischen Verbände aus Sibirien sich Denikin zur Verfügung stellen, würde die Freiwilligen-Armee damit einen wertvollen Zuwachs erhalten. Der ganzen Lage entsprechend trägt die Regierung Denikins die Form einer Militärdiktatur. Die Zivilverwaltung Südruszlcmds liegt in Händen des Regierungskonütees in Nostow, an dessen Spitze General Lukowski steht. Dieser hochgebildete und durch seine militärwissenschaftliche Tätigkeit bekannte General hat schon vor dem Kriege in verschiedenen Stellungen des Generalstabes und Kriegsministeriums sein Geschick in der Behandlung von Verwaltungsaufgaben bewiesen. Das Wehrgesetz von 1912 dankt ihm seine Entstehung: im Kriege war er vorübergehend im Stäbe des Oberbefehlshabers, Generals Gutor, und führte dann die 7. Armee. Er ist jetzt 51 Jahre alt und entstammt einer kleinrussischen Adelsfamilie des Gouvernements Poltawa: aus langjähriger Tätigkeit beim Ober¬ kommando des Militärbezirks Kiew mit den wirtschaftlichen und politischen Ver¬ hältnissen Südruszlcmds gut vertraut, dürfte er für seinen jetzigen Posten eine durchaus geeignete Persönlichkeit sein. Ihm wird starker politischer Einfluß auf Denikin nachgesagt; es liegt auf der Hand, daß unter den jetzigen besonderen Verhältnissen in Südrußland die Persönlichkeit des Regierungsleiters von ganz außerordentlicher Bedeutung sein muß. Von den sieben Verwaltungsvorständen — die Bezeichnungen Ministerium und Minister sind vermieden — gehören drei der Kadettenpartei an: einer ist Sozialrevolutionär. An der Spitze der Finanz¬ verwaltung steht der Kadett Verncitzki, ein ehemaliger Beamter der Neichsbank; die äußere Politik leitet Neratow, der schon vor dem Kriege im diplomatischen Dienste stand. Der Bedeutung der Agrarfrage trägt die Ernennung Kriwoscheins zum Negierungsmitglied ohne Portefeuille Rechnung, dessen besondere Aufgabe in der Bearbeitung der Agrarreform liegt. Auch hier ist eine Persönlichkeit ge¬ funden worden, die dank ihrer außerordentlichen Erfahrung zur Lösung der nächsten Verwaltungsaufgaben ganz besonders geeignet erscheint. Schon seit 1906 arbeitet Kriwoschein in der so komplizierten und für die sozialen Verhältnisse Rußlands so ungemein wichtigen Agrarfrage. Als späterer Landwirtschaftsminister hat er in allen wirtschaftspolitischen und kolonialwirtschaftlichen Fragen viel Initiative entwickelt. Neben dem Negierungskomitee haben die Gebiete der Don-, Kuban- und Terekkosaken ihre autonome Verwaltung, die aber mit der Zentrale in Rostow zur Behandlung aktueller Fragen Verbindung hält. Mit Rücksicht auf den Kriegszustand in Südrußland ist dieses in drei Militärbezirke eingeteilt, den Bezirk Kiew (Kleinrußland) unter General Dragomirow, Bezirk Neurußland (am Schwarzen Meere) unter General Dobrowolski und den Bezirk Terek-Dagestan, an dessen Spitze General Erdeli steht. Letzterer ist eine bekannte Persönlichkeit aus Petersburger Hof- und Militärkreisen: der Gouverneur des Kiewer Bezirks ist der jüngere Sohn des bekannten Militärschriftstellers und ehemaligen General¬ gouverneurs von Kiew aus den achtziger Jahren. Des weiteren ist die Gouvernementseinteilung mit den Organen der Selbstverwaltung in Stadt und Land beibehalten. Das Programm der Regierung ist durchaus parteilos; ihr Hauptziel ist die Wiederaufrichtung eines einigen unteilbaren Rußland mit lokaler Autonomie da, wo dies tatsächlich Bedürfnis ist. Die Ukraine oder Kleinrußland wird als integrierender Bestandteil Rußlands angesehen. Mit Petlura kann es eine Ver¬ ständigung nicht geben; seine Macht ist im Schwinden; politisch ist er ein Anhänger der Bolschewiken. Bandenführer wie Seljony und Angel, die sich zeitweilig als

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/284
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/284>, abgerufen am 15.01.2025.