Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Die akademische Zugend und die Parteien was notwendig sein mußte. Man mag in den Parteien ähnliche Einsichten Er vollzieht den schichtweisen Ausbau. Diese Tendenz zum schichtweisen Interessant zu beobachten ist es, wie in dieser allgemein-studentischen ') Eine eingehende quellenmäßige Darstellung dieser Verhandlungen gibt Dr. Pinkerneil
in Heft Ur. 10 der "Deutschen akademischen Zeitschrift". Die akademische Zugend und die Parteien was notwendig sein mußte. Man mag in den Parteien ähnliche Einsichten Er vollzieht den schichtweisen Ausbau. Diese Tendenz zum schichtweisen Interessant zu beobachten ist es, wie in dieser allgemein-studentischen ') Eine eingehende quellenmäßige Darstellung dieser Verhandlungen gibt Dr. Pinkerneil
in Heft Ur. 10 der „Deutschen akademischen Zeitschrift". <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336474"/> <fw type="header" place="top"> Die akademische Zugend und die Parteien</fw><lb/> <p xml:id="ID_652" prev="#ID_651"> was notwendig sein mußte. Man mag in den Parteien ähnliche Einsichten<lb/> haben; doch man ist nicht imstande, danach zu handeln. Denn obschon die<lb/> Partei in der Parlamentstechnik praktisch immer nachgibt und hinter Tatsachen,<lb/> Verhältnissen und Umständen herläuft, so lebt sie doch mit ihrer geistigen<lb/> Wirklichkeit von einer Verschärfung der Gegensätze und Spaltungen, da sie die<lb/> einseitigste Unantastbarkeit in der Geltung ihrer eigenen Grundsätze beansprucht,<lb/> und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch anschaulich, malerisch und hand¬<lb/> greiflich im „Wahlkampf". Hingegen der organisch empfindende Gemeinschafts¬<lb/> verband in der akademischen Welt ist eben deshalb, weil er sich verpflichtet<lb/> fühlt, mit der nnliachgiebigen Folgerichtigkeit jugendlichen Seins Ideen zu er¬<lb/> füllen, in seinen Entwicklungs^orgängen darauf angewiesen, vorhandene Gegensätze<lb/> zu lösen und das Widerstrebende gestalterisch zu bewältigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_653"> Er vollzieht den schichtweisen Ausbau. Diese Tendenz zum schichtweisen<lb/> Aufbau bleibt nicht auf das Leben innerhalb der Verbände beschränkt, sondern<lb/> sie zeigt sich mehr und mehr bei der gesamten Studentenschaft. Sie offenbart<lb/> sich dort in der sogenannten Koalitionsbewegung, d. h. in dem allenthalben<lb/> vorhandenen Bestreben zur Abformung von umgreifenden Interessengemein¬<lb/> schaften jener großen Verbände. Die geschichtlichen studentischen „Gruppen"<lb/> sind jetzt auf und daran, ihr sogenanntes Verrufswefen unter sich abzutun und<lb/> je nach der Gemeinsamkeit von entscheidenden Grundrichtungen zusammen¬<lb/> zugehen. Es entwickelt sich gewissermaßen oberhalb der bruderschaftlichen<lb/> Korporationsverbändc und auch über die einzelnen Universitäten und Hoch¬<lb/> schulen hinweg eine Abstufung und Ausbildung in der durchgängigen Gliederung,<lb/> die mit einem bestimmten abschließenden Ereignis zu Ende zu gehen scheint,<lb/> während sie gleichzeitig von den Vorauswirkungen dieses Ereignisses mit her¬<lb/> vorgerufen wurde. Dieses Ereignis ist die Gründung einer Dauerorganisation<lb/> der „Deutschen Studentenschaft", die auf dem ersten Allgemeinen deutschen<lb/> Studententage im Juli dieses Jahres zu Würzburg geschah/) Es kann möglich<lb/> sein, daß der Allgemeine Studententag ohne die Revolution und ihre Begleit¬<lb/> erscheinungen, ohne die lärmende Verherrlichung des „Mitbestimmungsrechts"<lb/> ans der einen und die soziale Bedrohung der wissenschaftlich gebildeten Klasse<lb/> auf der anderen Seite, nicht zustande gekommen wäre. Aber er ist nun eben<lb/> zustande gekommen, und sein Ergebnis, die Verfassung der „Deutschen<lb/> Studentenschaft" mit ihrem beschlossenen Arbeitsplan und Aufgabenkreis, würde<lb/> immerhin etliche Leitartikel der großen politischen Parteipresse wert gewesen sein.<lb/> Man fand höchstens gelegentliche „Berichte". Es ist einfach nicht zu verstehen,<lb/> daß für dergleichen vermutlich kein Raum übrig blieb, obwohl jedesmal, wenn<lb/> beispielsweise der Berliner Note Vollzugsrat zu irgendeiner Frage mit dem<lb/> üblichen Krakehl „Stellung nahm", die schreibgewandte Schar der öffentlich<lb/> Meinenden vor reger Anteilnahme aus dem Häuschen geriet.</p><lb/> <p xml:id="ID_654" next="#ID_655"> Interessant zu beobachten ist es, wie in dieser allgemein-studentischen<lb/> Verfassung eine merkwürdige Verschachtelung mechanisch-parlamentarischer Züge,<lb/> die man dem modischen Demokratismus entnommen hat, mit berufsständischen<lb/> und organisch bestimmten Bestandteilen stattfindet. Der Grundgedanke knüpft<lb/> zwar bei organischen Gesichtspunkten an, doch wird die Ausführung dieses<lb/> Grundgedankens in einen parlamentarisch gedachten Rahmen gespannt. Denn<lb/> allerdings richtet sich die Vertretung und Abstimmung auf den Hochschulen auf!<lb/> dem Grundsatze nach wird nicht nach durchgehenden Parteien gewählt, vertreten</p><lb/> <note xml:id="FID_14" place="foot"> ') Eine eingehende quellenmäßige Darstellung dieser Verhandlungen gibt Dr. Pinkerneil<lb/> in Heft Ur. 10 der „Deutschen akademischen Zeitschrift".</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0184]
Die akademische Zugend und die Parteien
was notwendig sein mußte. Man mag in den Parteien ähnliche Einsichten
haben; doch man ist nicht imstande, danach zu handeln. Denn obschon die
Partei in der Parlamentstechnik praktisch immer nachgibt und hinter Tatsachen,
Verhältnissen und Umständen herläuft, so lebt sie doch mit ihrer geistigen
Wirklichkeit von einer Verschärfung der Gegensätze und Spaltungen, da sie die
einseitigste Unantastbarkeit in der Geltung ihrer eigenen Grundsätze beansprucht,
und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch anschaulich, malerisch und hand¬
greiflich im „Wahlkampf". Hingegen der organisch empfindende Gemeinschafts¬
verband in der akademischen Welt ist eben deshalb, weil er sich verpflichtet
fühlt, mit der nnliachgiebigen Folgerichtigkeit jugendlichen Seins Ideen zu er¬
füllen, in seinen Entwicklungs^orgängen darauf angewiesen, vorhandene Gegensätze
zu lösen und das Widerstrebende gestalterisch zu bewältigen.
Er vollzieht den schichtweisen Ausbau. Diese Tendenz zum schichtweisen
Aufbau bleibt nicht auf das Leben innerhalb der Verbände beschränkt, sondern
sie zeigt sich mehr und mehr bei der gesamten Studentenschaft. Sie offenbart
sich dort in der sogenannten Koalitionsbewegung, d. h. in dem allenthalben
vorhandenen Bestreben zur Abformung von umgreifenden Interessengemein¬
schaften jener großen Verbände. Die geschichtlichen studentischen „Gruppen"
sind jetzt auf und daran, ihr sogenanntes Verrufswefen unter sich abzutun und
je nach der Gemeinsamkeit von entscheidenden Grundrichtungen zusammen¬
zugehen. Es entwickelt sich gewissermaßen oberhalb der bruderschaftlichen
Korporationsverbändc und auch über die einzelnen Universitäten und Hoch¬
schulen hinweg eine Abstufung und Ausbildung in der durchgängigen Gliederung,
die mit einem bestimmten abschließenden Ereignis zu Ende zu gehen scheint,
während sie gleichzeitig von den Vorauswirkungen dieses Ereignisses mit her¬
vorgerufen wurde. Dieses Ereignis ist die Gründung einer Dauerorganisation
der „Deutschen Studentenschaft", die auf dem ersten Allgemeinen deutschen
Studententage im Juli dieses Jahres zu Würzburg geschah/) Es kann möglich
sein, daß der Allgemeine Studententag ohne die Revolution und ihre Begleit¬
erscheinungen, ohne die lärmende Verherrlichung des „Mitbestimmungsrechts"
ans der einen und die soziale Bedrohung der wissenschaftlich gebildeten Klasse
auf der anderen Seite, nicht zustande gekommen wäre. Aber er ist nun eben
zustande gekommen, und sein Ergebnis, die Verfassung der „Deutschen
Studentenschaft" mit ihrem beschlossenen Arbeitsplan und Aufgabenkreis, würde
immerhin etliche Leitartikel der großen politischen Parteipresse wert gewesen sein.
Man fand höchstens gelegentliche „Berichte". Es ist einfach nicht zu verstehen,
daß für dergleichen vermutlich kein Raum übrig blieb, obwohl jedesmal, wenn
beispielsweise der Berliner Note Vollzugsrat zu irgendeiner Frage mit dem
üblichen Krakehl „Stellung nahm", die schreibgewandte Schar der öffentlich
Meinenden vor reger Anteilnahme aus dem Häuschen geriet.
Interessant zu beobachten ist es, wie in dieser allgemein-studentischen
Verfassung eine merkwürdige Verschachtelung mechanisch-parlamentarischer Züge,
die man dem modischen Demokratismus entnommen hat, mit berufsständischen
und organisch bestimmten Bestandteilen stattfindet. Der Grundgedanke knüpft
zwar bei organischen Gesichtspunkten an, doch wird die Ausführung dieses
Grundgedankens in einen parlamentarisch gedachten Rahmen gespannt. Denn
allerdings richtet sich die Vertretung und Abstimmung auf den Hochschulen auf!
dem Grundsatze nach wird nicht nach durchgehenden Parteien gewählt, vertreten
') Eine eingehende quellenmäßige Darstellung dieser Verhandlungen gibt Dr. Pinkerneil
in Heft Ur. 10 der „Deutschen akademischen Zeitschrift".
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