Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Die" akademische Jngend und die Parteien Ohne Frage enthält die politische Partei eine brauchbare und in be¬ Damit so etwas geschieht, genügt es nicht, bei Gelegenheit zusammen¬ Die" akademische Jngend und die Parteien Ohne Frage enthält die politische Partei eine brauchbare und in be¬ Damit so etwas geschieht, genügt es nicht, bei Gelegenheit zusammen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336473"/> <fw type="header" place="top"> Die" akademische Jngend und die Parteien</fw><lb/> <p xml:id="ID_650"> Ohne Frage enthält die politische Partei eine brauchbare und in be¬<lb/> stimmter Hinsicht unersetzliche regulative Funktion: nämlich die Aufgabe, ver¬<lb/> möge ihres Programmes die auseinandersplilternden individuellen Meinungen<lb/> über politische Angelegenheiten zu sammeln und in hervortretende Hauptrichtungen<lb/> zu lenken. Doch im akademischen Korporations- und Verbandswesen sind ge-<lb/> meinschaftsbildcnde Kräfte und in diesen Kräften wieder sind wenigstens Ansätze<lb/> von sozialproduktiven Fähigkeiten vorhanden, die einem scharfsichtigen Auge der<lb/> bloßen Sammelfunktion der Parteien überlegen erscheinen. Der Wertunterschied<lb/> der beiderseitigen lebendigen Bedeutung für die eigentliche Politik liegt nur im<lb/> verschiedenen Ausmaß der Bttätigungsgebine. Die Partei wirkt unmittelbar<lb/> auf das politische Geschick der Nation, das akademische Verbandswesen wirkt<lb/> zunächst im begrenzten Kreise. Innerhalb dieser Kreise gehen aber mitunter<lb/> Akte genossenschaftzeugender Gestaltung mit einer zielgewifsen Selbstverständ¬<lb/> lichkeit und unproblematischen Sicherheit vor sich, so daß die Parteivrefse mit<lb/> ihrem ausgeleierten Gehirn erst gar nicht in die Lage kommt, das Wesentliche<lb/> und gleichsam Überstudentische daran zu erkennen. Zum Beispiel hat sich der<lb/> Universitätsverband der Deutschen Burschenschaft im Verlauf dieses einen Jahres<lb/> durch seine Vereinigung mit dem Niidesheimer Verband der Burschenschafter<lb/> auf Technischen Hochschulen und mit der österreichischen Burschenschaft mindestens<lb/> um das Doppelte vermehrt. Die Burschenschaft greift damit durch die Straff¬<lb/> heit ihrer Einheitsorganisatcon, die Spiegelbild einer Idee und Ergebnis realer<lb/> Geschichte ist, über die Neichsgrenzen in sinnbildliche Ahnungen der politischen<lb/> Zukunft des Deutschtums hinaus und gleichzeitig mit sehr ausgeprägtem Wirk¬<lb/> lichkeitssinn in einen eigentümlichen und selbständigen und jedenfalls anders¬<lb/> artigen wissenschaftlichen Lebenskreis hinein, um sich mit ihm zu verschwistern.<lb/> In einem Schwunge faltet sie sich aus zur stärksten und größten akademischen<lb/> Gemeinschaft, die nicht nur nach der Hast. sondern in den Bewahrheitungen<lb/> des nationalen Gedankens und in der gegenseitigen Durchsättigung wissen¬<lb/> schaftlich, sozialer Gemeinsamkeitsprinzipien den Vorrang an sich reißt. Bemerkt<lb/> der subalterne Parteikopf die Kühnheit dieser leidenschaftlichen Handlung, die in<lb/> solchen keineswegs papiernen Beschlüssen steckt?</p><lb/> <p xml:id="ID_651" next="#ID_652"> Damit so etwas geschieht, genügt es nicht, bei Gelegenheit zusammen¬<lb/> zukommen, Gelübde zu tun und gemeinsam zu singen. Man mußte harr ar¬<lb/> beiten, halbe Nächte lang, in schnellen Wochen oder kurzen Tagen. Es galt,<lb/> das Trägheitsgesetz der Entwicklung niederzuzwingen und mit einem herrischen<lb/> Willen über die Schwerfälligkeit mancher Traditionen zu gebieten, die vonein¬<lb/> ander unabhängig geworden oder überhaupt sonderartig entstanden waren; es galt,<lb/> auf „berechtigte Eigenarten" zu verzichten, sich zu fügen und liebgewordene Ge°<lb/> wütsschätze und Erinnerungen geschmeidig zu machen. Gewiß gelingt es der<lb/> ^ugend leichter, wenn erst einmal der Wille da ist. Der Wille springt auf,<lb/> flattert kurz, setzt sich fest und wird Ziel. Aber das Entscheidende liegt doch<lb/> in der Riickhaltlosigkeit der inneren Aneignung dieses Ziels und der Unter¬<lb/> werfung unter seine Befeblskraft. Das ist nicht nur die reinere Fülle unserer<lb/> jungen Generation, sondern es ist ebenso das Zusammenschließende, Ineinander-<lb/> verhaftende und sozialprodultio Weiterwirkende im organischen Gemeinschufts-<lb/> triede. Dieser Trieb bestimmt und schreibt vor, unerbittlich wie ein Naturgesetz.<lb/> Er schafft neue Formen, sobald ihm Ziele werden, an denen er wächst. So¬<lb/> bald erst einmal der Sinn erkannt war. daß es jetzt in der Not darauf an¬<lb/> kommt, alle zusammenbindenden und konzentrierenden Kräfte, die es gibt oder<lb/> geben könnte, bis zum äußersten anzuspannen und zu verwerten, zu vertiefen<lb/> «ut auszudehnen, da hatte unbedingt zu geschehen und geschah in der Tat,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
Die" akademische Jngend und die Parteien
Ohne Frage enthält die politische Partei eine brauchbare und in be¬
stimmter Hinsicht unersetzliche regulative Funktion: nämlich die Aufgabe, ver¬
möge ihres Programmes die auseinandersplilternden individuellen Meinungen
über politische Angelegenheiten zu sammeln und in hervortretende Hauptrichtungen
zu lenken. Doch im akademischen Korporations- und Verbandswesen sind ge-
meinschaftsbildcnde Kräfte und in diesen Kräften wieder sind wenigstens Ansätze
von sozialproduktiven Fähigkeiten vorhanden, die einem scharfsichtigen Auge der
bloßen Sammelfunktion der Parteien überlegen erscheinen. Der Wertunterschied
der beiderseitigen lebendigen Bedeutung für die eigentliche Politik liegt nur im
verschiedenen Ausmaß der Bttätigungsgebine. Die Partei wirkt unmittelbar
auf das politische Geschick der Nation, das akademische Verbandswesen wirkt
zunächst im begrenzten Kreise. Innerhalb dieser Kreise gehen aber mitunter
Akte genossenschaftzeugender Gestaltung mit einer zielgewifsen Selbstverständ¬
lichkeit und unproblematischen Sicherheit vor sich, so daß die Parteivrefse mit
ihrem ausgeleierten Gehirn erst gar nicht in die Lage kommt, das Wesentliche
und gleichsam Überstudentische daran zu erkennen. Zum Beispiel hat sich der
Universitätsverband der Deutschen Burschenschaft im Verlauf dieses einen Jahres
durch seine Vereinigung mit dem Niidesheimer Verband der Burschenschafter
auf Technischen Hochschulen und mit der österreichischen Burschenschaft mindestens
um das Doppelte vermehrt. Die Burschenschaft greift damit durch die Straff¬
heit ihrer Einheitsorganisatcon, die Spiegelbild einer Idee und Ergebnis realer
Geschichte ist, über die Neichsgrenzen in sinnbildliche Ahnungen der politischen
Zukunft des Deutschtums hinaus und gleichzeitig mit sehr ausgeprägtem Wirk¬
lichkeitssinn in einen eigentümlichen und selbständigen und jedenfalls anders¬
artigen wissenschaftlichen Lebenskreis hinein, um sich mit ihm zu verschwistern.
In einem Schwunge faltet sie sich aus zur stärksten und größten akademischen
Gemeinschaft, die nicht nur nach der Hast. sondern in den Bewahrheitungen
des nationalen Gedankens und in der gegenseitigen Durchsättigung wissen¬
schaftlich, sozialer Gemeinsamkeitsprinzipien den Vorrang an sich reißt. Bemerkt
der subalterne Parteikopf die Kühnheit dieser leidenschaftlichen Handlung, die in
solchen keineswegs papiernen Beschlüssen steckt?
Damit so etwas geschieht, genügt es nicht, bei Gelegenheit zusammen¬
zukommen, Gelübde zu tun und gemeinsam zu singen. Man mußte harr ar¬
beiten, halbe Nächte lang, in schnellen Wochen oder kurzen Tagen. Es galt,
das Trägheitsgesetz der Entwicklung niederzuzwingen und mit einem herrischen
Willen über die Schwerfälligkeit mancher Traditionen zu gebieten, die vonein¬
ander unabhängig geworden oder überhaupt sonderartig entstanden waren; es galt,
auf „berechtigte Eigenarten" zu verzichten, sich zu fügen und liebgewordene Ge°
wütsschätze und Erinnerungen geschmeidig zu machen. Gewiß gelingt es der
^ugend leichter, wenn erst einmal der Wille da ist. Der Wille springt auf,
flattert kurz, setzt sich fest und wird Ziel. Aber das Entscheidende liegt doch
in der Riickhaltlosigkeit der inneren Aneignung dieses Ziels und der Unter¬
werfung unter seine Befeblskraft. Das ist nicht nur die reinere Fülle unserer
jungen Generation, sondern es ist ebenso das Zusammenschließende, Ineinander-
verhaftende und sozialprodultio Weiterwirkende im organischen Gemeinschufts-
triede. Dieser Trieb bestimmt und schreibt vor, unerbittlich wie ein Naturgesetz.
Er schafft neue Formen, sobald ihm Ziele werden, an denen er wächst. So¬
bald erst einmal der Sinn erkannt war. daß es jetzt in der Not darauf an¬
kommt, alle zusammenbindenden und konzentrierenden Kräfte, die es gibt oder
geben könnte, bis zum äußersten anzuspannen und zu verwerten, zu vertiefen
«ut auszudehnen, da hatte unbedingt zu geschehen und geschah in der Tat,
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