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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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nimmt, daß man ihn allein sein eigen nenne und daß überall, wo Preußen hin¬
komme, solcher Besitz unrettbar verloren sei. Also vorläufig ist es ein Elend mit
diesem Preußen und seiner Übermacht, trotz aller seiner Zurückhaltung, die es
tatsächlich in hoch anzuerkennender Weise bewiesen hat.

Daß ein so viel größeres Staatswesen gewisse Strömungen ausstrahlt, ist
ja im übrigen eine psychische Notwendigkeit. Daß man dies nicht begreifen will,
daß man in allem, was es ausstrahlt, nur etwas übles sieht und es nun ab¬
schlachten will, als habe es überhaupt für Deutschland nichts geleistet, ist von
solchen, die so viel weniger geleistet haben, ein äußerst bedenkliches Unterfangen. Es
ist eine traurige Tatsache und eine sehr anfechtenswerte Nachwirkung der Revolution
und der Niederlage des Militarismus auch im demokratischen Lager Süddeutsch¬
lands, daß man völlig übersieht, daß Preußen gezeigt hat, daß deutsche Stämme
"von der Memel an den Rhein" zu vereinigen sind, ohne politische Zwischen¬
grenzen, und daß es damit den Weg gewiesen hat, der überall, wo die deutsche
Zunge klingt, beschritten werden muß. Sonst hat kein anderer deutscher Staat,
Bayern in kleinerem Maßstabe ausgenommen (und nicht aus den gleichen Ur¬
sachen heraus), diese schwierige Tat vollbracht, von der in Liedern und Festreden
so viel Wesens gemacht wurde, nach dem Rezept: Wir wollen sein ein einig
Volk von Brüdern!

Es gilt hier einen förmlichen Ringkampf gegen Eigentum. Vorurteile, Klein¬
lichkeit und Selbstüberschätzung, besonders im Süden. Überdies gegen den eben
skizzierten Alpdruck der Preußenangst, der fast eine Krankheitserscheinung genannt
werden kann; eine fixe Idee, die nicht nur im Spießbürgerherzen, sondern auch
in Nedaktionsstuben, an Negierungstischen und in Lnndtagsgebäuden sehr mächtig
und wirksam ist.

So hat aber auch der mit Preußen bisher so eng verbundene Reichsgedanke
immer mehr an Zauber verloren, und was von Reichs wegen geschieht, ist immer
mehr als "preußisch" angesehen und entsprechend geweriet worden.

Die überragende Größe Preußens fällt dabei gar nicht ins Gewicht. Da¬
von gibt man sich keine Rechenschaft. Man ist in Bayern, aber auch in Baden
und Sachsen usw. eifersüchtig auf die volle, durch die Reichsverfassung festgelegte
Gleichberechtigung und erkennt die weise Mäßigung Preußens kaum an, welches,
z. B. in Hinsicht auf die Bundesratsstimmen, bis in die neueste Zeit von unge¬
meiner Selbstentsagung und Großmut gewesen ist.

Die Gleichberechtigung der Mittelstaaten mit Preußen war eine Not¬
wendigkeit, um das Werk von 1871 zustande zu bringen, aber sie war ein schiefes
Fundament. Sie erzeugte bei den Kleineren einen unberechtigten Größenwahn
und führte zu völliger Verkennung und Außerachtlassung der europäischen, selbst¬
ständigen Bedeutung des preußischen Staates. Man bedenkt nicht, daß dieser
Staat Machirechte besitzt, welche den anderen aus natürlichen Gründen nicht zu¬
kommen und daß eine offenkundige Anfeindung Preußens Dienst für unsere Feinde
ist. Dennoch ist man stets dabei, Preußen auf die Finger zu sehen und es wo¬
möglich meistern zu wollen.

Diese Erscheinung ist durch die gegen Preußen -- aber auch gegen die
Reichsgewalt -- Front machende süddeutsche Ministerkoalition im Jahrs 1919 ganz
besonders deutlich geworden.

Denn der Zusammenbruch hat alle diese Instinkte noch verstärkt. Süd-
deutschland liegt sozusagen auf der Lauer. Preußen aufzulösen; anstatt sein Augen-
merk auf die große Verfassungsänderung zu richten, auf die Trennung der Reichs¬
regierung von Preußen, welche doch eigentlich außerhalb Preußens überall be¬
sprochen werden sollte, da sie eine Erlösung darstellt I

Man kann sich nicht froh zu der Erkenntnis aufschwingen, daß der Bann
gebrochen, Preußen erheblich beiseite geschoben worden ist, weil man immer noch
im Reich die gefürchtete Vorhand Preußens und in Berlin den Herd der Zentra-
lisation sieht, durch welche den anderen Staaten ihre Rechte verkürzt werden, so
daß ihnen nur "Brosamen" zukommen, während Preußen alles für sich ausnützt
und nach seinem Wohlergehen bestimmt.


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nimmt, daß man ihn allein sein eigen nenne und daß überall, wo Preußen hin¬
komme, solcher Besitz unrettbar verloren sei. Also vorläufig ist es ein Elend mit
diesem Preußen und seiner Übermacht, trotz aller seiner Zurückhaltung, die es
tatsächlich in hoch anzuerkennender Weise bewiesen hat.

Daß ein so viel größeres Staatswesen gewisse Strömungen ausstrahlt, ist
ja im übrigen eine psychische Notwendigkeit. Daß man dies nicht begreifen will,
daß man in allem, was es ausstrahlt, nur etwas übles sieht und es nun ab¬
schlachten will, als habe es überhaupt für Deutschland nichts geleistet, ist von
solchen, die so viel weniger geleistet haben, ein äußerst bedenkliches Unterfangen. Es
ist eine traurige Tatsache und eine sehr anfechtenswerte Nachwirkung der Revolution
und der Niederlage des Militarismus auch im demokratischen Lager Süddeutsch¬
lands, daß man völlig übersieht, daß Preußen gezeigt hat, daß deutsche Stämme
„von der Memel an den Rhein" zu vereinigen sind, ohne politische Zwischen¬
grenzen, und daß es damit den Weg gewiesen hat, der überall, wo die deutsche
Zunge klingt, beschritten werden muß. Sonst hat kein anderer deutscher Staat,
Bayern in kleinerem Maßstabe ausgenommen (und nicht aus den gleichen Ur¬
sachen heraus), diese schwierige Tat vollbracht, von der in Liedern und Festreden
so viel Wesens gemacht wurde, nach dem Rezept: Wir wollen sein ein einig
Volk von Brüdern!

Es gilt hier einen förmlichen Ringkampf gegen Eigentum. Vorurteile, Klein¬
lichkeit und Selbstüberschätzung, besonders im Süden. Überdies gegen den eben
skizzierten Alpdruck der Preußenangst, der fast eine Krankheitserscheinung genannt
werden kann; eine fixe Idee, die nicht nur im Spießbürgerherzen, sondern auch
in Nedaktionsstuben, an Negierungstischen und in Lnndtagsgebäuden sehr mächtig
und wirksam ist.

So hat aber auch der mit Preußen bisher so eng verbundene Reichsgedanke
immer mehr an Zauber verloren, und was von Reichs wegen geschieht, ist immer
mehr als „preußisch" angesehen und entsprechend geweriet worden.

Die überragende Größe Preußens fällt dabei gar nicht ins Gewicht. Da¬
von gibt man sich keine Rechenschaft. Man ist in Bayern, aber auch in Baden
und Sachsen usw. eifersüchtig auf die volle, durch die Reichsverfassung festgelegte
Gleichberechtigung und erkennt die weise Mäßigung Preußens kaum an, welches,
z. B. in Hinsicht auf die Bundesratsstimmen, bis in die neueste Zeit von unge¬
meiner Selbstentsagung und Großmut gewesen ist.

Die Gleichberechtigung der Mittelstaaten mit Preußen war eine Not¬
wendigkeit, um das Werk von 1871 zustande zu bringen, aber sie war ein schiefes
Fundament. Sie erzeugte bei den Kleineren einen unberechtigten Größenwahn
und führte zu völliger Verkennung und Außerachtlassung der europäischen, selbst¬
ständigen Bedeutung des preußischen Staates. Man bedenkt nicht, daß dieser
Staat Machirechte besitzt, welche den anderen aus natürlichen Gründen nicht zu¬
kommen und daß eine offenkundige Anfeindung Preußens Dienst für unsere Feinde
ist. Dennoch ist man stets dabei, Preußen auf die Finger zu sehen und es wo¬
möglich meistern zu wollen.

Diese Erscheinung ist durch die gegen Preußen — aber auch gegen die
Reichsgewalt — Front machende süddeutsche Ministerkoalition im Jahrs 1919 ganz
besonders deutlich geworden.

Denn der Zusammenbruch hat alle diese Instinkte noch verstärkt. Süd-
deutschland liegt sozusagen auf der Lauer. Preußen aufzulösen; anstatt sein Augen-
merk auf die große Verfassungsänderung zu richten, auf die Trennung der Reichs¬
regierung von Preußen, welche doch eigentlich außerhalb Preußens überall be¬
sprochen werden sollte, da sie eine Erlösung darstellt I

Man kann sich nicht froh zu der Erkenntnis aufschwingen, daß der Bann
gebrochen, Preußen erheblich beiseite geschoben worden ist, weil man immer noch
im Reich die gefürchtete Vorhand Preußens und in Berlin den Herd der Zentra-
lisation sieht, durch welche den anderen Staaten ihre Rechte verkürzt werden, so
daß ihnen nur „Brosamen" zukommen, während Preußen alles für sich ausnützt
und nach seinem Wohlergehen bestimmt.


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[0167] Auf dem tveg zum Einheitsstaat nimmt, daß man ihn allein sein eigen nenne und daß überall, wo Preußen hin¬ komme, solcher Besitz unrettbar verloren sei. Also vorläufig ist es ein Elend mit diesem Preußen und seiner Übermacht, trotz aller seiner Zurückhaltung, die es tatsächlich in hoch anzuerkennender Weise bewiesen hat. Daß ein so viel größeres Staatswesen gewisse Strömungen ausstrahlt, ist ja im übrigen eine psychische Notwendigkeit. Daß man dies nicht begreifen will, daß man in allem, was es ausstrahlt, nur etwas übles sieht und es nun ab¬ schlachten will, als habe es überhaupt für Deutschland nichts geleistet, ist von solchen, die so viel weniger geleistet haben, ein äußerst bedenkliches Unterfangen. Es ist eine traurige Tatsache und eine sehr anfechtenswerte Nachwirkung der Revolution und der Niederlage des Militarismus auch im demokratischen Lager Süddeutsch¬ lands, daß man völlig übersieht, daß Preußen gezeigt hat, daß deutsche Stämme „von der Memel an den Rhein" zu vereinigen sind, ohne politische Zwischen¬ grenzen, und daß es damit den Weg gewiesen hat, der überall, wo die deutsche Zunge klingt, beschritten werden muß. Sonst hat kein anderer deutscher Staat, Bayern in kleinerem Maßstabe ausgenommen (und nicht aus den gleichen Ur¬ sachen heraus), diese schwierige Tat vollbracht, von der in Liedern und Festreden so viel Wesens gemacht wurde, nach dem Rezept: Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern! Es gilt hier einen förmlichen Ringkampf gegen Eigentum. Vorurteile, Klein¬ lichkeit und Selbstüberschätzung, besonders im Süden. Überdies gegen den eben skizzierten Alpdruck der Preußenangst, der fast eine Krankheitserscheinung genannt werden kann; eine fixe Idee, die nicht nur im Spießbürgerherzen, sondern auch in Nedaktionsstuben, an Negierungstischen und in Lnndtagsgebäuden sehr mächtig und wirksam ist. So hat aber auch der mit Preußen bisher so eng verbundene Reichsgedanke immer mehr an Zauber verloren, und was von Reichs wegen geschieht, ist immer mehr als „preußisch" angesehen und entsprechend geweriet worden. Die überragende Größe Preußens fällt dabei gar nicht ins Gewicht. Da¬ von gibt man sich keine Rechenschaft. Man ist in Bayern, aber auch in Baden und Sachsen usw. eifersüchtig auf die volle, durch die Reichsverfassung festgelegte Gleichberechtigung und erkennt die weise Mäßigung Preußens kaum an, welches, z. B. in Hinsicht auf die Bundesratsstimmen, bis in die neueste Zeit von unge¬ meiner Selbstentsagung und Großmut gewesen ist. Die Gleichberechtigung der Mittelstaaten mit Preußen war eine Not¬ wendigkeit, um das Werk von 1871 zustande zu bringen, aber sie war ein schiefes Fundament. Sie erzeugte bei den Kleineren einen unberechtigten Größenwahn und führte zu völliger Verkennung und Außerachtlassung der europäischen, selbst¬ ständigen Bedeutung des preußischen Staates. Man bedenkt nicht, daß dieser Staat Machirechte besitzt, welche den anderen aus natürlichen Gründen nicht zu¬ kommen und daß eine offenkundige Anfeindung Preußens Dienst für unsere Feinde ist. Dennoch ist man stets dabei, Preußen auf die Finger zu sehen und es wo¬ möglich meistern zu wollen. Diese Erscheinung ist durch die gegen Preußen — aber auch gegen die Reichsgewalt — Front machende süddeutsche Ministerkoalition im Jahrs 1919 ganz besonders deutlich geworden. Denn der Zusammenbruch hat alle diese Instinkte noch verstärkt. Süd- deutschland liegt sozusagen auf der Lauer. Preußen aufzulösen; anstatt sein Augen- merk auf die große Verfassungsänderung zu richten, auf die Trennung der Reichs¬ regierung von Preußen, welche doch eigentlich außerhalb Preußens überall be¬ sprochen werden sollte, da sie eine Erlösung darstellt I Man kann sich nicht froh zu der Erkenntnis aufschwingen, daß der Bann gebrochen, Preußen erheblich beiseite geschoben worden ist, weil man immer noch im Reich die gefürchtete Vorhand Preußens und in Berlin den Herd der Zentra- lisation sieht, durch welche den anderen Staaten ihre Rechte verkürzt werden, so daß ihnen nur „Brosamen" zukommen, während Preußen alles für sich ausnützt und nach seinem Wohlergehen bestimmt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/167>, abgerufen am 15.01.2025.