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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Auf dem Weg zum Ginheitsstaat

ander verweigern den Bezug der Nahrung; Regierungen verweigern die An¬
stellung der Beamten, auch ihrer eigenen Landeskinder; Beamtenkategorien ver¬
wahren sich gegen die Aufnahme der vertriebenen "Brüder"; die National¬
versammlung läßt die Frage, ob sie Landes- oder Neichsbeamte sind -- die in
achtundvierzig Jahren nicht entschieden werden konnte -- offen und 'macht die
materielle Weiterexistenz der Heimat-, Besitz- und Stellenlosgewordenen von der
Gnade des Reiches abhängig, ohne ihre wohlerworbenen, öffentlichen Rechte zu
verbürgen.

Das alles geschieht mit größtem bursaukratischen Ernst, größter juristischer
Wichtigkeit, und in dem pedantischen Bewußtsein, vollständig richtig und überaus
sachlich zu handeln. Letzteres ist dem Deutschen die Hauptsache, noch im Augen¬
blick des Weltuntergangs und beim Anblick des Ertrinkender.

Von Nächstenliebe, Dankesschuld und Gewissen aus patriotischem Geiste
heraus ist nichts zu spüren. Dieser unpatriotische Geist aber kommt aus der Zeit
der Einzelstaaterci vor 1871 und ist ins Bismarcksche Reich notgedrungen schonend
übernommen worden, Der Deutsche ist auch heute gerade in Kreisen, wo es als
ein Bestandteil der Mannesehre gilt. Patriot zu'sein, am wenigsten gewillt, von
diesem Geist der Enge und der Abgegrenztheit zu lassen.

Und doch hat eben dieser deutsche Geist, der in der Zeit der völligen
Souveränität der deutschen Staaten, im Deutschen Bunde nach 1816, also in der
Biedermeierzeit, seine buntfarbigen Blüten am sorgfältigsten Pflegen lernte, uns
schon viel gekostet. Er hat das Elsaß gehindert, deutsch zu werden und er hat
die Angliederung Deutsch-Österreichs vereitelt.

Das liegt an der Struktur, die das Reich als Bundesstaat bekommen hat.

Es wäre unrichtig, zu sagen, die Revolution habe das Trennende, welches
unserem Bundesstaate eingepflanzt ist. beseitigt. Der einzelstaatliche Parti¬
kularismus -- im Gegensatz zur Neugestaltung der Dinge, auch der staatsbewußte
preußische -- ist im Gegenteil deutlicher wahrzunehmen; dafür hatte freilich auch
der Krieg schon gesorgt. Und wenn man den Wirrwarr betrachtet, der in den
Parteibenennungen der Einzelstaaten im Unterschied von denen der National-
Versammlung herrscht, so kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, daß die
Sucht in den Einzelstaaten sich von allem übrigen im Reich zu trennen, größer
ist. als das Interesse, die politische Struktur und damit das politische Verständnis
zu vereinfachen.

Das ist aber symptomatisch. Es ist ja nicht das Streben der Einzel¬
regierungen, deutsches Verständnis zu fördern, sondern sie sind bestrebt, ihre
Bürger und Wähler möglichst einzugrenzen und deren Blicke möglichst nur auf
das eigene Machtzentrum zu lenken. Aus diesen, zunächst nach Karlsruhe,
Stuttgart, Dresden gerichteten Patriotismen, bei denen möglichst viel Abscheu vor
Berlin eine Hauptbedingung ist, setzt sich kristallartig das "deutsche Bewußtsein",
der "Neichsgedanke" zusammen.

Die Einheitsfreunde verfolgen zweifellos das Ziel der Staatserhaltung im
höchsten nationalen Sinne, ohne Nebeninteressen, ohne Zwecke zweiter oder dritter
Ordnung. Sie sind eine unsichtbare und satzungslose Partei, deren ganzes poli¬
tisches Glaubensbekenntnis in dem einen Satze erschöpft ist: politische Einheit im
Innern und dadurch unzerstörbare Macht nach außen und ungetrübte Einigkeit
des deutschen Gesamtbewußtseins zu erstreben.

Dies ist eines großen Volkes würdig, es ist auch nötig.

Das Bismarcksche Reich ist in dieser Hinsicht ein großer Schein gewesen,
und ans diesem Schein herauszukommen, das ist - mit oder ohne die revo-
lutionären Vorgänge -- unser deutsches Ziel, um in Zukunft unseren Aufgaben
als Nation wieder gerecht werden zu können.

Es wird in weiten Kreisen anerkannt, daß die Staatsform dabei eigentlich
eine Sorge zweiten Ranges ist, sofern die demokratischen Grundlagen gewahrt
werden. Die Einheitsfreunde fügen hinzu: und soweit es sich bei der Monarchie
nur um einen Kaiser, nicht mehr aber um die Einzeldynasten handelt.


Auf dem Weg zum Ginheitsstaat

ander verweigern den Bezug der Nahrung; Regierungen verweigern die An¬
stellung der Beamten, auch ihrer eigenen Landeskinder; Beamtenkategorien ver¬
wahren sich gegen die Aufnahme der vertriebenen „Brüder"; die National¬
versammlung läßt die Frage, ob sie Landes- oder Neichsbeamte sind — die in
achtundvierzig Jahren nicht entschieden werden konnte — offen und 'macht die
materielle Weiterexistenz der Heimat-, Besitz- und Stellenlosgewordenen von der
Gnade des Reiches abhängig, ohne ihre wohlerworbenen, öffentlichen Rechte zu
verbürgen.

Das alles geschieht mit größtem bursaukratischen Ernst, größter juristischer
Wichtigkeit, und in dem pedantischen Bewußtsein, vollständig richtig und überaus
sachlich zu handeln. Letzteres ist dem Deutschen die Hauptsache, noch im Augen¬
blick des Weltuntergangs und beim Anblick des Ertrinkender.

Von Nächstenliebe, Dankesschuld und Gewissen aus patriotischem Geiste
heraus ist nichts zu spüren. Dieser unpatriotische Geist aber kommt aus der Zeit
der Einzelstaaterci vor 1871 und ist ins Bismarcksche Reich notgedrungen schonend
übernommen worden, Der Deutsche ist auch heute gerade in Kreisen, wo es als
ein Bestandteil der Mannesehre gilt. Patriot zu'sein, am wenigsten gewillt, von
diesem Geist der Enge und der Abgegrenztheit zu lassen.

Und doch hat eben dieser deutsche Geist, der in der Zeit der völligen
Souveränität der deutschen Staaten, im Deutschen Bunde nach 1816, also in der
Biedermeierzeit, seine buntfarbigen Blüten am sorgfältigsten Pflegen lernte, uns
schon viel gekostet. Er hat das Elsaß gehindert, deutsch zu werden und er hat
die Angliederung Deutsch-Österreichs vereitelt.

Das liegt an der Struktur, die das Reich als Bundesstaat bekommen hat.

Es wäre unrichtig, zu sagen, die Revolution habe das Trennende, welches
unserem Bundesstaate eingepflanzt ist. beseitigt. Der einzelstaatliche Parti¬
kularismus — im Gegensatz zur Neugestaltung der Dinge, auch der staatsbewußte
preußische — ist im Gegenteil deutlicher wahrzunehmen; dafür hatte freilich auch
der Krieg schon gesorgt. Und wenn man den Wirrwarr betrachtet, der in den
Parteibenennungen der Einzelstaaten im Unterschied von denen der National-
Versammlung herrscht, so kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, daß die
Sucht in den Einzelstaaten sich von allem übrigen im Reich zu trennen, größer
ist. als das Interesse, die politische Struktur und damit das politische Verständnis
zu vereinfachen.

Das ist aber symptomatisch. Es ist ja nicht das Streben der Einzel¬
regierungen, deutsches Verständnis zu fördern, sondern sie sind bestrebt, ihre
Bürger und Wähler möglichst einzugrenzen und deren Blicke möglichst nur auf
das eigene Machtzentrum zu lenken. Aus diesen, zunächst nach Karlsruhe,
Stuttgart, Dresden gerichteten Patriotismen, bei denen möglichst viel Abscheu vor
Berlin eine Hauptbedingung ist, setzt sich kristallartig das „deutsche Bewußtsein",
der „Neichsgedanke" zusammen.

Die Einheitsfreunde verfolgen zweifellos das Ziel der Staatserhaltung im
höchsten nationalen Sinne, ohne Nebeninteressen, ohne Zwecke zweiter oder dritter
Ordnung. Sie sind eine unsichtbare und satzungslose Partei, deren ganzes poli¬
tisches Glaubensbekenntnis in dem einen Satze erschöpft ist: politische Einheit im
Innern und dadurch unzerstörbare Macht nach außen und ungetrübte Einigkeit
des deutschen Gesamtbewußtseins zu erstreben.

Dies ist eines großen Volkes würdig, es ist auch nötig.

Das Bismarcksche Reich ist in dieser Hinsicht ein großer Schein gewesen,
und ans diesem Schein herauszukommen, das ist - mit oder ohne die revo-
lutionären Vorgänge — unser deutsches Ziel, um in Zukunft unseren Aufgaben
als Nation wieder gerecht werden zu können.

Es wird in weiten Kreisen anerkannt, daß die Staatsform dabei eigentlich
eine Sorge zweiten Ranges ist, sofern die demokratischen Grundlagen gewahrt
werden. Die Einheitsfreunde fügen hinzu: und soweit es sich bei der Monarchie
nur um einen Kaiser, nicht mehr aber um die Einzeldynasten handelt.


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[0164] Auf dem Weg zum Ginheitsstaat ander verweigern den Bezug der Nahrung; Regierungen verweigern die An¬ stellung der Beamten, auch ihrer eigenen Landeskinder; Beamtenkategorien ver¬ wahren sich gegen die Aufnahme der vertriebenen „Brüder"; die National¬ versammlung läßt die Frage, ob sie Landes- oder Neichsbeamte sind — die in achtundvierzig Jahren nicht entschieden werden konnte — offen und 'macht die materielle Weiterexistenz der Heimat-, Besitz- und Stellenlosgewordenen von der Gnade des Reiches abhängig, ohne ihre wohlerworbenen, öffentlichen Rechte zu verbürgen. Das alles geschieht mit größtem bursaukratischen Ernst, größter juristischer Wichtigkeit, und in dem pedantischen Bewußtsein, vollständig richtig und überaus sachlich zu handeln. Letzteres ist dem Deutschen die Hauptsache, noch im Augen¬ blick des Weltuntergangs und beim Anblick des Ertrinkender. Von Nächstenliebe, Dankesschuld und Gewissen aus patriotischem Geiste heraus ist nichts zu spüren. Dieser unpatriotische Geist aber kommt aus der Zeit der Einzelstaaterci vor 1871 und ist ins Bismarcksche Reich notgedrungen schonend übernommen worden, Der Deutsche ist auch heute gerade in Kreisen, wo es als ein Bestandteil der Mannesehre gilt. Patriot zu'sein, am wenigsten gewillt, von diesem Geist der Enge und der Abgegrenztheit zu lassen. Und doch hat eben dieser deutsche Geist, der in der Zeit der völligen Souveränität der deutschen Staaten, im Deutschen Bunde nach 1816, also in der Biedermeierzeit, seine buntfarbigen Blüten am sorgfältigsten Pflegen lernte, uns schon viel gekostet. Er hat das Elsaß gehindert, deutsch zu werden und er hat die Angliederung Deutsch-Österreichs vereitelt. Das liegt an der Struktur, die das Reich als Bundesstaat bekommen hat. Es wäre unrichtig, zu sagen, die Revolution habe das Trennende, welches unserem Bundesstaate eingepflanzt ist. beseitigt. Der einzelstaatliche Parti¬ kularismus — im Gegensatz zur Neugestaltung der Dinge, auch der staatsbewußte preußische — ist im Gegenteil deutlicher wahrzunehmen; dafür hatte freilich auch der Krieg schon gesorgt. Und wenn man den Wirrwarr betrachtet, der in den Parteibenennungen der Einzelstaaten im Unterschied von denen der National- Versammlung herrscht, so kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, daß die Sucht in den Einzelstaaten sich von allem übrigen im Reich zu trennen, größer ist. als das Interesse, die politische Struktur und damit das politische Verständnis zu vereinfachen. Das ist aber symptomatisch. Es ist ja nicht das Streben der Einzel¬ regierungen, deutsches Verständnis zu fördern, sondern sie sind bestrebt, ihre Bürger und Wähler möglichst einzugrenzen und deren Blicke möglichst nur auf das eigene Machtzentrum zu lenken. Aus diesen, zunächst nach Karlsruhe, Stuttgart, Dresden gerichteten Patriotismen, bei denen möglichst viel Abscheu vor Berlin eine Hauptbedingung ist, setzt sich kristallartig das „deutsche Bewußtsein", der „Neichsgedanke" zusammen. Die Einheitsfreunde verfolgen zweifellos das Ziel der Staatserhaltung im höchsten nationalen Sinne, ohne Nebeninteressen, ohne Zwecke zweiter oder dritter Ordnung. Sie sind eine unsichtbare und satzungslose Partei, deren ganzes poli¬ tisches Glaubensbekenntnis in dem einen Satze erschöpft ist: politische Einheit im Innern und dadurch unzerstörbare Macht nach außen und ungetrübte Einigkeit des deutschen Gesamtbewußtseins zu erstreben. Dies ist eines großen Volkes würdig, es ist auch nötig. Das Bismarcksche Reich ist in dieser Hinsicht ein großer Schein gewesen, und ans diesem Schein herauszukommen, das ist - mit oder ohne die revo- lutionären Vorgänge — unser deutsches Ziel, um in Zukunft unseren Aufgaben als Nation wieder gerecht werden zu können. Es wird in weiten Kreisen anerkannt, daß die Staatsform dabei eigentlich eine Sorge zweiten Ranges ist, sofern die demokratischen Grundlagen gewahrt werden. Die Einheitsfreunde fügen hinzu: und soweit es sich bei der Monarchie nur um einen Kaiser, nicht mehr aber um die Einzeldynasten handelt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/164>, abgerufen am 15.01.2025.