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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Der Sieg des Imperialismus

immer ein amerikanisches Heerlager. Die ungeheuren Werte, die an Eisen¬
bahnen, Barackenbauten, Holzlagern und sonstigem Material auf französischem
Boden sich befinden, kann das gelblich geschwächte Frankreich niemals aufwiegen;
es wird an die Union ebenso verschuldet bleiben wie sein britischer Verbündeter.
Schon erwägt man in England ernstlich den Verkauf der westindischen Besitzungen
an die Union, um sich von der höchst unangenehmen finanziellen Fessel, die
der usamerikanische kapitalistische Imperialismus dem Inselreich auferlegt hat,
zu lösen. Die Angst, allzusehr in die Abhängigkeit des Dollars zu geraten,
wird diesen Plan mindestens ebenso stark begünstigt haben wie die politische
Erwägung, mit dem Verzicht der westindischen Besitzungen eine politische
Reibungsfläche aus dem Wege zu räumen, die dem Bestand des britischen
Reiches dereinst gefährlich werden könnte. Denn der Einsicht verschließt sich
heute kaum noch ein politisch ernst Denken'"er in England, daß in einem Wasser¬
gang zwischen dem britischen und uscunerikanischen Imperialismus England die
Waffen strecken wird. Die allmähliche Loslösung des britischen Imperialismus
von der Westhalbkugel der Erde einerseits und die Verstärkung der politischen
Machtstellung auf der Osthalbkugel -- siehe oben! -- andererseits, ist die
auch durch diese Tatsache wieder scharf hervortretende Hauptrichtung der britischen
Weltpolitik. Als unumschränkter Sieger aber herrscht der Dollar der
Vereinigten Staaten, dem damit die Westfeste der Erde mehr und mehr in
ihrer Gesamtheit ausgeliefert wird!

Westwärts hat er seinen Weg nach China gefunden. Aber rätselvoll und
dunkel sind zurzeit die Wege, die er in Ostasien einschlägt. Die sibirische Frage
ist so ungelöst wie die Schantungfrage, die der Philippinen so unklar wie die
australische. Und es ist nicht anzunehmen, daß sie bald ihrer Lösung entgegen¬
gehen. An dem mit unglaublicher Zielsicherheit, aber auch sehr vorsichtig und
klug vorgehenden japanischen Imperialismus wird vorerst die Klärung dieser
Fragen scheitern. In Abenteuer wird sich die Union zweifellos hier nicht ein¬
lassen, wenn sie sich nicht mit Sicherheit einen vollen Erfolg verspricht. Das
scheint deutlich genug ihr Verhalten Deutschland gegenüber im vergangenen
Weltringen zu beweisen.

Alles in allem scheint die gegenwärtige imperialistische Weltpolitik eine
Drittelung des Erdballs, zu erstreben, d. h. sich in drei Brennpunkten zu kon¬
zentrieren: In Europa-Asien, in Ostasien, in Amerika. Ihre Träger sind Eng¬
land im Bereich der alten europäisch-indischen Kulturwelt, Japan in dem der
ostasiatisch-pazifischen, die Union im Gebiet der Westfeste und der atlantischen
Welt. Frankreich scheidet, weil es ihm an jeglichem Kraftüberschuß mangelt,
gänzlich aus. Die Kraftquelle der britischen Macht ist die überaus hohe, in
jahrhundertlanger Übung erreichte politische Schulung des Gesamtvolkes, ge¬
bunden an einen klaren, allen sentimentalen Regungen unzugänglichen Verstand,
die des usamerikanischen Imperialismus der Allbezwinger, der Dollar, >die des
japanischen die völkische, unverbrauchte Naturkraft, die wie ein gewaltiger
Strom aus dem Schlummer hervorbrach und nun erstaunlich schnell, sicher und
erfolgreich den Gegenkräften sich in den Weg wirft.




Der Sieg des Imperialismus

immer ein amerikanisches Heerlager. Die ungeheuren Werte, die an Eisen¬
bahnen, Barackenbauten, Holzlagern und sonstigem Material auf französischem
Boden sich befinden, kann das gelblich geschwächte Frankreich niemals aufwiegen;
es wird an die Union ebenso verschuldet bleiben wie sein britischer Verbündeter.
Schon erwägt man in England ernstlich den Verkauf der westindischen Besitzungen
an die Union, um sich von der höchst unangenehmen finanziellen Fessel, die
der usamerikanische kapitalistische Imperialismus dem Inselreich auferlegt hat,
zu lösen. Die Angst, allzusehr in die Abhängigkeit des Dollars zu geraten,
wird diesen Plan mindestens ebenso stark begünstigt haben wie die politische
Erwägung, mit dem Verzicht der westindischen Besitzungen eine politische
Reibungsfläche aus dem Wege zu räumen, die dem Bestand des britischen
Reiches dereinst gefährlich werden könnte. Denn der Einsicht verschließt sich
heute kaum noch ein politisch ernst Denken'«er in England, daß in einem Wasser¬
gang zwischen dem britischen und uscunerikanischen Imperialismus England die
Waffen strecken wird. Die allmähliche Loslösung des britischen Imperialismus
von der Westhalbkugel der Erde einerseits und die Verstärkung der politischen
Machtstellung auf der Osthalbkugel — siehe oben! — andererseits, ist die
auch durch diese Tatsache wieder scharf hervortretende Hauptrichtung der britischen
Weltpolitik. Als unumschränkter Sieger aber herrscht der Dollar der
Vereinigten Staaten, dem damit die Westfeste der Erde mehr und mehr in
ihrer Gesamtheit ausgeliefert wird!

Westwärts hat er seinen Weg nach China gefunden. Aber rätselvoll und
dunkel sind zurzeit die Wege, die er in Ostasien einschlägt. Die sibirische Frage
ist so ungelöst wie die Schantungfrage, die der Philippinen so unklar wie die
australische. Und es ist nicht anzunehmen, daß sie bald ihrer Lösung entgegen¬
gehen. An dem mit unglaublicher Zielsicherheit, aber auch sehr vorsichtig und
klug vorgehenden japanischen Imperialismus wird vorerst die Klärung dieser
Fragen scheitern. In Abenteuer wird sich die Union zweifellos hier nicht ein¬
lassen, wenn sie sich nicht mit Sicherheit einen vollen Erfolg verspricht. Das
scheint deutlich genug ihr Verhalten Deutschland gegenüber im vergangenen
Weltringen zu beweisen.

Alles in allem scheint die gegenwärtige imperialistische Weltpolitik eine
Drittelung des Erdballs, zu erstreben, d. h. sich in drei Brennpunkten zu kon¬
zentrieren: In Europa-Asien, in Ostasien, in Amerika. Ihre Träger sind Eng¬
land im Bereich der alten europäisch-indischen Kulturwelt, Japan in dem der
ostasiatisch-pazifischen, die Union im Gebiet der Westfeste und der atlantischen
Welt. Frankreich scheidet, weil es ihm an jeglichem Kraftüberschuß mangelt,
gänzlich aus. Die Kraftquelle der britischen Macht ist die überaus hohe, in
jahrhundertlanger Übung erreichte politische Schulung des Gesamtvolkes, ge¬
bunden an einen klaren, allen sentimentalen Regungen unzugänglichen Verstand,
die des usamerikanischen Imperialismus der Allbezwinger, der Dollar, >die des
japanischen die völkische, unverbrauchte Naturkraft, die wie ein gewaltiger
Strom aus dem Schlummer hervorbrach und nun erstaunlich schnell, sicher und
erfolgreich den Gegenkräften sich in den Weg wirft.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/16>, abgerufen am 15.01.2025.