Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Frankreich und Deutschland

Werden es im Saargebiet erleben. Nicht umsonst ist in der französischen Kammer
immer aufs neue wiederholt worden: der Fnedensvertrcig wird sein, was wir aus
ihm zu machen verstehen. Für die Franzosen ist der Vertrag das Schwert, das
Deutschland auch noch Friedensschluß dauernd am Boden hält. Man lausche sich
in Deutschland darüber nicht und gebe sich nicht etwa der Hoffnung hin, daß
Amerika oder England eine zu weitgehende Schwächung Deutschlands, namentlich
in wirtschaftlicher Beziehung, nicht zulassen weiden. Awerika hat vorläufig höchstnis
ein Jnieosfe daran, daß Ruhe in Europa herrscht, man hat in tiefem und leise
angeekeltem Erstaunen festgestellt, daß diese kleinen Völker jenseits des großen
Wassers u ehe imstande sind, trotz gemeinsamer europäisch-wirtschafilicher Nöte
friedlich nebeneinander zu leben, daß Nuhe anscheinend nur dadurch möglich ist,
daß ein Staat den andern unerbittlich und wachsam niederhält, und dem
Amerikaner ist es völlig gleichgültig, wer oben sitzt und wer unten liegt. Und
Was England betrifft, so hat es vorderhand mit soviel inneren Schwierigkeiten
zu kämpfen, ficht durch die Kohlennot seine Exportmöglichkeiten derart in Frage
gestellt und hat dann aber trotz der überall eindiingenden amerikanischen Konkurrenz
so viel neue Handelsmärkte zu versorgen, daß ein wirtschaftlich gesunder deutscher
Markt für es lange nicht in dem Maße ins Gewicht fällt, wie etwa vor dem
Kriege. Aus diesem Grunde würde heule auch niemand mehr danach fragen,
wenn wir uns vollständig bvlschcwisierten und den Mächten den Friedensverlrog
zerrissen vor die Füße würfen. Sogar die russischen Bolschewislen haben die
Auslandsschulden des oller Regimes anerkannt, wir würden uns auch als Bolsche¬
wislen den durch den Friedensvertrag entstandenen Auslandsverpflichtungen nicht
entziehen können, weil Deutschland nicht die Widerstandsmöglichkeiten Rußlands
besitzt. Eine Rettung ist für uns nur möglich,' wenn wir es fertig bringen, trotz
der Friedensbedingungen wieder wirtschaftlich zu erstarken. Das ist eine Sache
der inneren Kraft und Energie. Aller Anfang ist schwer, besonders der Wieder-
anfang nach solchem Ende. Ist es aber gelungen, so wird Frankreich von Jahr
zu JahK von unsern Zahlungen in erhöhtem Maße abhängig werden und das
bedeutet wirtschaftliche Kraft für Deutschland. Wenn auch das Ausmaß der Ent¬
schädigungen nach 1870 gar nicht zu vergleichen ist mit den jetzt in Betracht
kommenden Niesensummen, die Folgen jener Entschädigungsaktion und die Tat¬
sache, böß Fi ankreich zehn Jahre noch dem Kriege wirtschaftlich unvergleichlich
besser dastand als das siegreiche Deutschland, sollte nie ganz außer Betracht ge¬
gossen werden. Clemenccau hat es d>neues ausgesprochen: Ich fürchte die wirt¬
schaftliche Eroberung durch Deutschland mehr als die militärische. Gelingt es uns,
den Friedensvertrag auch nur zur Hälfte auszuführen, und die steueischeucn
Franzosen werden uns mit allen Mitteln dazu zu zwingen suchen, so wird die
wirtschaftliche Eroberung Frankreichs ganz automatisch, es mag sich noch so sehr
Mrren, eintreten müssen. Die Nemesis in der Weltgeschichte ist keine philosophische
Hypothese, sondern eine Tatsache.

Die rechtsstehenden Kreise in Frankreich haben am Friedensverlrog vor
allem getadelt, daß er die deutsche Einheit anerkannt hat und best.hui läßt.
Einzelne Politiker haben tatsächlich an die Möglichkeit gedacht, mit jedem einzelnen
deutschen Bundesstaat einzeln zu verhandeln. Clemenceau hat diese Möglichkeit
of Reich der Phantasie verwiesen. Jedes Jahr, gestand er. bin ich beobachtend
w Deutschland gewesen. (Wer von unsern führenden Politikern kann das von
Reh sagen? Wer von ihnen hört auch nur auf die wirklichen Kenner des Ans-
wildes?) J" Bayern konnte man viel auf Preußen schelten hören. Wenn aber
o,!,e Rede auf Loslösung vom Reich kam. wurde alles still. Er hätte hinzufügen
können: gerade die Härte des Friedensvertrages zwingt die Deutschen zusammen.
Die Fabel von dem Mann mit den zwölf Söhnen und dem Bündel Stäbe sollte
über jedem Nedattionstisch. in jedem Landtag. in jeder Vollversammlung aus-
gehängt werben. Besäßen die rheinischen Sonderbündler politischen Blick, sie
würden nicht gerade den jetzig. n Augenblick zur Verwirklichung ihrer Bestrebungen
gewählt haben. Die einzige Möglichkeit zur politisch-ertragreichen Durchsetzung


12*
Frankreich und Deutschland

Werden es im Saargebiet erleben. Nicht umsonst ist in der französischen Kammer
immer aufs neue wiederholt worden: der Fnedensvertrcig wird sein, was wir aus
ihm zu machen verstehen. Für die Franzosen ist der Vertrag das Schwert, das
Deutschland auch noch Friedensschluß dauernd am Boden hält. Man lausche sich
in Deutschland darüber nicht und gebe sich nicht etwa der Hoffnung hin, daß
Amerika oder England eine zu weitgehende Schwächung Deutschlands, namentlich
in wirtschaftlicher Beziehung, nicht zulassen weiden. Awerika hat vorläufig höchstnis
ein Jnieosfe daran, daß Ruhe in Europa herrscht, man hat in tiefem und leise
angeekeltem Erstaunen festgestellt, daß diese kleinen Völker jenseits des großen
Wassers u ehe imstande sind, trotz gemeinsamer europäisch-wirtschafilicher Nöte
friedlich nebeneinander zu leben, daß Nuhe anscheinend nur dadurch möglich ist,
daß ein Staat den andern unerbittlich und wachsam niederhält, und dem
Amerikaner ist es völlig gleichgültig, wer oben sitzt und wer unten liegt. Und
Was England betrifft, so hat es vorderhand mit soviel inneren Schwierigkeiten
zu kämpfen, ficht durch die Kohlennot seine Exportmöglichkeiten derart in Frage
gestellt und hat dann aber trotz der überall eindiingenden amerikanischen Konkurrenz
so viel neue Handelsmärkte zu versorgen, daß ein wirtschaftlich gesunder deutscher
Markt für es lange nicht in dem Maße ins Gewicht fällt, wie etwa vor dem
Kriege. Aus diesem Grunde würde heule auch niemand mehr danach fragen,
wenn wir uns vollständig bvlschcwisierten und den Mächten den Friedensverlrog
zerrissen vor die Füße würfen. Sogar die russischen Bolschewislen haben die
Auslandsschulden des oller Regimes anerkannt, wir würden uns auch als Bolsche¬
wislen den durch den Friedensvertrag entstandenen Auslandsverpflichtungen nicht
entziehen können, weil Deutschland nicht die Widerstandsmöglichkeiten Rußlands
besitzt. Eine Rettung ist für uns nur möglich,' wenn wir es fertig bringen, trotz
der Friedensbedingungen wieder wirtschaftlich zu erstarken. Das ist eine Sache
der inneren Kraft und Energie. Aller Anfang ist schwer, besonders der Wieder-
anfang nach solchem Ende. Ist es aber gelungen, so wird Frankreich von Jahr
zu JahK von unsern Zahlungen in erhöhtem Maße abhängig werden und das
bedeutet wirtschaftliche Kraft für Deutschland. Wenn auch das Ausmaß der Ent¬
schädigungen nach 1870 gar nicht zu vergleichen ist mit den jetzt in Betracht
kommenden Niesensummen, die Folgen jener Entschädigungsaktion und die Tat¬
sache, böß Fi ankreich zehn Jahre noch dem Kriege wirtschaftlich unvergleichlich
besser dastand als das siegreiche Deutschland, sollte nie ganz außer Betracht ge¬
gossen werden. Clemenccau hat es d>neues ausgesprochen: Ich fürchte die wirt¬
schaftliche Eroberung durch Deutschland mehr als die militärische. Gelingt es uns,
den Friedensvertrag auch nur zur Hälfte auszuführen, und die steueischeucn
Franzosen werden uns mit allen Mitteln dazu zu zwingen suchen, so wird die
wirtschaftliche Eroberung Frankreichs ganz automatisch, es mag sich noch so sehr
Mrren, eintreten müssen. Die Nemesis in der Weltgeschichte ist keine philosophische
Hypothese, sondern eine Tatsache.

Die rechtsstehenden Kreise in Frankreich haben am Friedensverlrog vor
allem getadelt, daß er die deutsche Einheit anerkannt hat und best.hui läßt.
Einzelne Politiker haben tatsächlich an die Möglichkeit gedacht, mit jedem einzelnen
deutschen Bundesstaat einzeln zu verhandeln. Clemenceau hat diese Möglichkeit
of Reich der Phantasie verwiesen. Jedes Jahr, gestand er. bin ich beobachtend
w Deutschland gewesen. (Wer von unsern führenden Politikern kann das von
Reh sagen? Wer von ihnen hört auch nur auf die wirklichen Kenner des Ans-
wildes?) J„ Bayern konnte man viel auf Preußen schelten hören. Wenn aber
o,!,e Rede auf Loslösung vom Reich kam. wurde alles still. Er hätte hinzufügen
können: gerade die Härte des Friedensvertrages zwingt die Deutschen zusammen.
Die Fabel von dem Mann mit den zwölf Söhnen und dem Bündel Stäbe sollte
über jedem Nedattionstisch. in jedem Landtag. in jeder Vollversammlung aus-
gehängt werben. Besäßen die rheinischen Sonderbündler politischen Blick, sie
würden nicht gerade den jetzig. n Augenblick zur Verwirklichung ihrer Bestrebungen
gewählt haben. Die einzige Möglichkeit zur politisch-ertragreichen Durchsetzung


12*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0147" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336437"/>
          <fw type="header" place="top"> Frankreich und Deutschland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_502" prev="#ID_501"> Werden es im Saargebiet erleben. Nicht umsonst ist in der französischen Kammer<lb/>
immer aufs neue wiederholt worden: der Fnedensvertrcig wird sein, was wir aus<lb/>
ihm zu machen verstehen. Für die Franzosen ist der Vertrag das Schwert, das<lb/>
Deutschland auch noch Friedensschluß dauernd am Boden hält. Man lausche sich<lb/>
in Deutschland darüber nicht und gebe sich nicht etwa der Hoffnung hin, daß<lb/>
Amerika oder England eine zu weitgehende Schwächung Deutschlands, namentlich<lb/>
in wirtschaftlicher Beziehung, nicht zulassen weiden. Awerika hat vorläufig höchstnis<lb/>
ein Jnieosfe daran, daß Ruhe in Europa herrscht, man hat in tiefem und leise<lb/>
angeekeltem Erstaunen festgestellt, daß diese kleinen Völker jenseits des großen<lb/>
Wassers u ehe imstande sind, trotz gemeinsamer europäisch-wirtschafilicher Nöte<lb/>
friedlich nebeneinander zu leben, daß Nuhe anscheinend nur dadurch möglich ist,<lb/>
daß ein Staat den andern unerbittlich und wachsam niederhält, und dem<lb/>
Amerikaner ist es völlig gleichgültig, wer oben sitzt und wer unten liegt. Und<lb/>
Was England betrifft, so hat es vorderhand mit soviel inneren Schwierigkeiten<lb/>
zu kämpfen, ficht durch die Kohlennot seine Exportmöglichkeiten derart in Frage<lb/>
gestellt und hat dann aber trotz der überall eindiingenden amerikanischen Konkurrenz<lb/>
so viel neue Handelsmärkte zu versorgen, daß ein wirtschaftlich gesunder deutscher<lb/>
Markt für es lange nicht in dem Maße ins Gewicht fällt, wie etwa vor dem<lb/>
Kriege. Aus diesem Grunde würde heule auch niemand mehr danach fragen,<lb/>
wenn wir uns vollständig bvlschcwisierten und den Mächten den Friedensverlrog<lb/>
zerrissen vor die Füße würfen. Sogar die russischen Bolschewislen haben die<lb/>
Auslandsschulden des oller Regimes anerkannt, wir würden uns auch als Bolsche¬<lb/>
wislen den durch den Friedensvertrag entstandenen Auslandsverpflichtungen nicht<lb/>
entziehen können, weil Deutschland nicht die Widerstandsmöglichkeiten Rußlands<lb/>
besitzt. Eine Rettung ist für uns nur möglich,' wenn wir es fertig bringen, trotz<lb/>
der Friedensbedingungen wieder wirtschaftlich zu erstarken. Das ist eine Sache<lb/>
der inneren Kraft und Energie. Aller Anfang ist schwer, besonders der Wieder-<lb/>
anfang nach solchem Ende. Ist es aber gelungen, so wird Frankreich von Jahr<lb/>
zu JahK von unsern Zahlungen in erhöhtem Maße abhängig werden und das<lb/>
bedeutet wirtschaftliche Kraft für Deutschland. Wenn auch das Ausmaß der Ent¬<lb/>
schädigungen nach 1870 gar nicht zu vergleichen ist mit den jetzt in Betracht<lb/>
kommenden Niesensummen, die Folgen jener Entschädigungsaktion und die Tat¬<lb/>
sache, böß Fi ankreich zehn Jahre noch dem Kriege wirtschaftlich unvergleichlich<lb/>
besser dastand als das siegreiche Deutschland, sollte nie ganz außer Betracht ge¬<lb/>
gossen werden. Clemenccau hat es d&gt;neues ausgesprochen: Ich fürchte die wirt¬<lb/>
schaftliche Eroberung durch Deutschland mehr als die militärische. Gelingt es uns,<lb/>
den Friedensvertrag auch nur zur Hälfte auszuführen, und die steueischeucn<lb/>
Franzosen werden uns mit allen Mitteln dazu zu zwingen suchen, so wird die<lb/>
wirtschaftliche Eroberung Frankreichs ganz automatisch, es mag sich noch so sehr<lb/>
Mrren, eintreten müssen. Die Nemesis in der Weltgeschichte ist keine philosophische<lb/>
Hypothese, sondern eine Tatsache.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_503" next="#ID_504"> Die rechtsstehenden Kreise in Frankreich haben am Friedensverlrog vor<lb/>
allem getadelt, daß er die deutsche Einheit anerkannt hat und best.hui läßt.<lb/>
Einzelne Politiker haben tatsächlich an die Möglichkeit gedacht, mit jedem einzelnen<lb/>
deutschen Bundesstaat einzeln zu verhandeln. Clemenceau hat diese Möglichkeit<lb/>
of Reich der Phantasie verwiesen. Jedes Jahr, gestand er. bin ich beobachtend<lb/>
w Deutschland gewesen. (Wer von unsern führenden Politikern kann das von<lb/>
Reh sagen? Wer von ihnen hört auch nur auf die wirklichen Kenner des Ans-<lb/>
wildes?) J&#x201E; Bayern konnte man viel auf Preußen schelten hören. Wenn aber<lb/>
o,!,e Rede auf Loslösung vom Reich kam. wurde alles still. Er hätte hinzufügen<lb/>
können: gerade die Härte des Friedensvertrages zwingt die Deutschen zusammen.<lb/>
Die Fabel von dem Mann mit den zwölf Söhnen und dem Bündel Stäbe sollte<lb/>
über jedem Nedattionstisch. in jedem Landtag. in jeder Vollversammlung aus-<lb/>
gehängt werben. Besäßen die rheinischen Sonderbündler politischen Blick, sie<lb/>
würden nicht gerade den jetzig. n Augenblick zur Verwirklichung ihrer Bestrebungen<lb/>
gewählt haben. Die einzige Möglichkeit zur politisch-ertragreichen Durchsetzung</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 12*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0147] Frankreich und Deutschland Werden es im Saargebiet erleben. Nicht umsonst ist in der französischen Kammer immer aufs neue wiederholt worden: der Fnedensvertrcig wird sein, was wir aus ihm zu machen verstehen. Für die Franzosen ist der Vertrag das Schwert, das Deutschland auch noch Friedensschluß dauernd am Boden hält. Man lausche sich in Deutschland darüber nicht und gebe sich nicht etwa der Hoffnung hin, daß Amerika oder England eine zu weitgehende Schwächung Deutschlands, namentlich in wirtschaftlicher Beziehung, nicht zulassen weiden. Awerika hat vorläufig höchstnis ein Jnieosfe daran, daß Ruhe in Europa herrscht, man hat in tiefem und leise angeekeltem Erstaunen festgestellt, daß diese kleinen Völker jenseits des großen Wassers u ehe imstande sind, trotz gemeinsamer europäisch-wirtschafilicher Nöte friedlich nebeneinander zu leben, daß Nuhe anscheinend nur dadurch möglich ist, daß ein Staat den andern unerbittlich und wachsam niederhält, und dem Amerikaner ist es völlig gleichgültig, wer oben sitzt und wer unten liegt. Und Was England betrifft, so hat es vorderhand mit soviel inneren Schwierigkeiten zu kämpfen, ficht durch die Kohlennot seine Exportmöglichkeiten derart in Frage gestellt und hat dann aber trotz der überall eindiingenden amerikanischen Konkurrenz so viel neue Handelsmärkte zu versorgen, daß ein wirtschaftlich gesunder deutscher Markt für es lange nicht in dem Maße ins Gewicht fällt, wie etwa vor dem Kriege. Aus diesem Grunde würde heule auch niemand mehr danach fragen, wenn wir uns vollständig bvlschcwisierten und den Mächten den Friedensverlrog zerrissen vor die Füße würfen. Sogar die russischen Bolschewislen haben die Auslandsschulden des oller Regimes anerkannt, wir würden uns auch als Bolsche¬ wislen den durch den Friedensvertrag entstandenen Auslandsverpflichtungen nicht entziehen können, weil Deutschland nicht die Widerstandsmöglichkeiten Rußlands besitzt. Eine Rettung ist für uns nur möglich,' wenn wir es fertig bringen, trotz der Friedensbedingungen wieder wirtschaftlich zu erstarken. Das ist eine Sache der inneren Kraft und Energie. Aller Anfang ist schwer, besonders der Wieder- anfang nach solchem Ende. Ist es aber gelungen, so wird Frankreich von Jahr zu JahK von unsern Zahlungen in erhöhtem Maße abhängig werden und das bedeutet wirtschaftliche Kraft für Deutschland. Wenn auch das Ausmaß der Ent¬ schädigungen nach 1870 gar nicht zu vergleichen ist mit den jetzt in Betracht kommenden Niesensummen, die Folgen jener Entschädigungsaktion und die Tat¬ sache, böß Fi ankreich zehn Jahre noch dem Kriege wirtschaftlich unvergleichlich besser dastand als das siegreiche Deutschland, sollte nie ganz außer Betracht ge¬ gossen werden. Clemenccau hat es d>neues ausgesprochen: Ich fürchte die wirt¬ schaftliche Eroberung durch Deutschland mehr als die militärische. Gelingt es uns, den Friedensvertrag auch nur zur Hälfte auszuführen, und die steueischeucn Franzosen werden uns mit allen Mitteln dazu zu zwingen suchen, so wird die wirtschaftliche Eroberung Frankreichs ganz automatisch, es mag sich noch so sehr Mrren, eintreten müssen. Die Nemesis in der Weltgeschichte ist keine philosophische Hypothese, sondern eine Tatsache. Die rechtsstehenden Kreise in Frankreich haben am Friedensverlrog vor allem getadelt, daß er die deutsche Einheit anerkannt hat und best.hui läßt. Einzelne Politiker haben tatsächlich an die Möglichkeit gedacht, mit jedem einzelnen deutschen Bundesstaat einzeln zu verhandeln. Clemenceau hat diese Möglichkeit of Reich der Phantasie verwiesen. Jedes Jahr, gestand er. bin ich beobachtend w Deutschland gewesen. (Wer von unsern führenden Politikern kann das von Reh sagen? Wer von ihnen hört auch nur auf die wirklichen Kenner des Ans- wildes?) J„ Bayern konnte man viel auf Preußen schelten hören. Wenn aber o,!,e Rede auf Loslösung vom Reich kam. wurde alles still. Er hätte hinzufügen können: gerade die Härte des Friedensvertrages zwingt die Deutschen zusammen. Die Fabel von dem Mann mit den zwölf Söhnen und dem Bündel Stäbe sollte über jedem Nedattionstisch. in jedem Landtag. in jeder Vollversammlung aus- gehängt werben. Besäßen die rheinischen Sonderbündler politischen Blick, sie würden nicht gerade den jetzig. n Augenblick zur Verwirklichung ihrer Bestrebungen gewählt haben. Die einzige Möglichkeit zur politisch-ertragreichen Durchsetzung 12*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/147
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/147>, abgerufen am 15.01.2025.