Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Brauchen wir ein Reichssprachamt? sich die Kräfte und Fähigkeiten finden werden, die eine befriedigende Lösung der Die Antwort hat meines Erachtens zu lautern In erster Reihe aus Leuten, Im einzelnen wird man sich die Einrichtung des Neichssprachamtes so zu Die äußere Einrichtung und Gestaltung dieses Reichssprachamts läßt sich Brauchen wir ein Reichssprachamt? sich die Kräfte und Fähigkeiten finden werden, die eine befriedigende Lösung der Die Antwort hat meines Erachtens zu lautern In erster Reihe aus Leuten, Im einzelnen wird man sich die Einrichtung des Neichssprachamtes so zu Die äußere Einrichtung und Gestaltung dieses Reichssprachamts läßt sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336410"/> <fw type="header" place="top"> Brauchen wir ein Reichssprachamt?</fw><lb/> <p xml:id="ID_404"> sich die Kräfte und Fähigkeiten finden werden, die eine befriedigende Lösung der<lb/> Aufgaben eines Reichssprachamts verbürgen können. Aus welchen Kräften soll<lb/> mit anderen Worten das Neichssprachamt gebildet und fortlaufend ergänzt werden?</p><lb/> <p xml:id="ID_405"> Die Antwort hat meines Erachtens zu lautern In erster Reihe aus Leuten,<lb/> die durch ihr bisheriges Wirken gezeigt haben, daß sie die deutsche Sprache gut<lb/> kennen, die Erkenntnis ihrer Gesetze zu fördern und sie schöpferisch weiter zu<lb/> bilden vermögen. Diese Voraussetzung muß selbstverständlich unabhängig sein von<lb/> irgendeinem akademischen oder sonstigen Lehramt; doch ist die Beteiligung gerade<lb/> der Lehrer des Deutschen an unseren Hoch- und Mittelschulen an der Arbeit des<lb/> Sprachamts natürlich in hohem Maße erwünscht, wie es ja auch schon bisher<lb/> keineswegs an ihr gefehlt hat. Besonders wird man an die Männer zu denken<lb/> haben, die schon bisher im Allgemeinen deutschen Sprachverein eine verdienstvolle,<lb/> wenn auch notwendigerweise nicht im wünschenswerten Umfange erfolgreiche<lb/> Arbeit an der Pflege der deutschen Sprache ausgeübt haben. Man hat bekanntlich<lb/> diese Arbeit im einzelnen mitunter bemängelt und gegen manche vom Sprachverein<lb/> ausgegangene Vorschläge und Anregungen auch in Kreisen, die an sich dem Ge-<lb/> danken bewußter Sprachpflege keineswegs unfreundlich gegenüberstehen, gelegentlich<lb/> Bedenken erhoben; nun, auch solche Leute wird man, sofern nur ihre Bedenken<lb/> nicht aus grundsätzlicher Gegnerschaft hervorgehen, nicht von vornherein von der<lb/> Mitarbeit ausschließen dürfen, und neben den führenden Kräften des Sprach¬<lb/> vereins werden daher auch solche „vernünftige Tadler" zur Mitarbeit am Sprachamt<lb/> einzuladen sein; denn sachliche Auseinandersetzung mit ernsten Gegnern kann die<lb/> Arbeit, um die es sich handelt, nur fördern.</p><lb/> <p xml:id="ID_406"> Im einzelnen wird man sich die Einrichtung des Neichssprachamtes so zu<lb/> denken haben, daß eine ganz kleine Zahl von Beamten im Hauptamt die Geschäfte<lb/> des Sprachamts führen wird, während eine größere Zahl von freiwilligen Hilfs¬<lb/> kräften aus den genannten Kreisen ihnen zur Seite stehen soll; als Mitarbeiter<lb/> aber soll dem Neichssprachcunt jedermann willkommen sein, der aus dein Schatze<lb/> seines Wissens Mitteilungen, Anregungen und Vorschläge zur Klärung und<lb/> Bereicherung beizutragen hat. Von diesen Leuten werden alle Fragen sprachlicher<lb/> Art, die in den Reichsämtern zu Unklarheit oder Zweifel Anlaß geben, sowie<lb/> weiterhin alle sonst auftauchenden sprachlichen llbelstände erörtert und gegebenen¬<lb/> falls entschieden und gebessert werden; diese Entscheidungen werden zu sammeln<lb/> und so der Grundstock zu einem Wort- und Formenschatz der guten deutschen<lb/> Sprache nebst den ihr zugrunde liegenden Regeln und Gesetzen zu schaffen sein.<lb/> Nochmals sei betont, daß aus solcher Regelung nicht im geringsten eine Ver¬<lb/> armung unserer Sprache, eine Einengung ihrer Ausdrucksmöglichkeitcn und<lb/> Erstarrung in den Formen befürchtet zu werden braucht; im Gegenteil soll der<lb/> deutsche Wortschatz unserer Amts- und Schriftsprache ja durch Ausnutzung der<lb/> Mundarten, Berufssprachen usw. gerade reicher, die Formen natürlicher und<lb/> volkstümlicher, die Satzfügung klarer und flüssiger werden als es in unserem bei<lb/> aller „Freiheit" so erstarrten Deutsch von heute der Fall ist. Außer den Deutsch-<lb/> kundigen werden dem Sprachamt übrigens auch gute Kenner fremder Sprachen<lb/> zur einwandsfreien Übersetzung fremdsprachiger Aktenstücke und sonstigen Rat¬<lb/> erteilung nicht fehlen dürfen. Daß die üblichen Kenntnisse, wie sie die Beamten<lb/> unseres auswärtigen Dienstes namentlich im Englischen und Französischen zu<lb/> besitzen pflegen, nicht immer genügen, haben manche Erfahrungen aus der letzten<lb/> Zeit deutlich genug gezeigt; heute vor allem, wo durch den Gang der Ereignisse<lb/> vielfach Männer zu hohen Staatsämtern gelangt sind, denen eine gründliche<lb/> Kenntnis fremder Sprachen notwendig fehlen muß, sind eigene sprachliche Reichs'<lb/> beaute ein unbedingtes Erfordernis.</p><lb/> <p xml:id="ID_407" next="#ID_408"> Die äußere Einrichtung und Gestaltung dieses Reichssprachamts läßt sich<lb/> natürlich in verschiedener Weise denken. Es wäre z. B. möglich, es als besondere<lb/> Abteilung dein Reichsamt des Innern anzugliedern; besser aber wäre es zweifellos,<lb/> schon wegen seiner notwendigen nahen Beziehungen zur Reichskanzlei und zum<lb/> Auswärtigen Amt, es als ein besonderes Amt einzurichten. Damit soll keineswegs</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
Brauchen wir ein Reichssprachamt?
sich die Kräfte und Fähigkeiten finden werden, die eine befriedigende Lösung der
Aufgaben eines Reichssprachamts verbürgen können. Aus welchen Kräften soll
mit anderen Worten das Neichssprachamt gebildet und fortlaufend ergänzt werden?
Die Antwort hat meines Erachtens zu lautern In erster Reihe aus Leuten,
die durch ihr bisheriges Wirken gezeigt haben, daß sie die deutsche Sprache gut
kennen, die Erkenntnis ihrer Gesetze zu fördern und sie schöpferisch weiter zu
bilden vermögen. Diese Voraussetzung muß selbstverständlich unabhängig sein von
irgendeinem akademischen oder sonstigen Lehramt; doch ist die Beteiligung gerade
der Lehrer des Deutschen an unseren Hoch- und Mittelschulen an der Arbeit des
Sprachamts natürlich in hohem Maße erwünscht, wie es ja auch schon bisher
keineswegs an ihr gefehlt hat. Besonders wird man an die Männer zu denken
haben, die schon bisher im Allgemeinen deutschen Sprachverein eine verdienstvolle,
wenn auch notwendigerweise nicht im wünschenswerten Umfange erfolgreiche
Arbeit an der Pflege der deutschen Sprache ausgeübt haben. Man hat bekanntlich
diese Arbeit im einzelnen mitunter bemängelt und gegen manche vom Sprachverein
ausgegangene Vorschläge und Anregungen auch in Kreisen, die an sich dem Ge-
danken bewußter Sprachpflege keineswegs unfreundlich gegenüberstehen, gelegentlich
Bedenken erhoben; nun, auch solche Leute wird man, sofern nur ihre Bedenken
nicht aus grundsätzlicher Gegnerschaft hervorgehen, nicht von vornherein von der
Mitarbeit ausschließen dürfen, und neben den führenden Kräften des Sprach¬
vereins werden daher auch solche „vernünftige Tadler" zur Mitarbeit am Sprachamt
einzuladen sein; denn sachliche Auseinandersetzung mit ernsten Gegnern kann die
Arbeit, um die es sich handelt, nur fördern.
Im einzelnen wird man sich die Einrichtung des Neichssprachamtes so zu
denken haben, daß eine ganz kleine Zahl von Beamten im Hauptamt die Geschäfte
des Sprachamts führen wird, während eine größere Zahl von freiwilligen Hilfs¬
kräften aus den genannten Kreisen ihnen zur Seite stehen soll; als Mitarbeiter
aber soll dem Neichssprachcunt jedermann willkommen sein, der aus dein Schatze
seines Wissens Mitteilungen, Anregungen und Vorschläge zur Klärung und
Bereicherung beizutragen hat. Von diesen Leuten werden alle Fragen sprachlicher
Art, die in den Reichsämtern zu Unklarheit oder Zweifel Anlaß geben, sowie
weiterhin alle sonst auftauchenden sprachlichen llbelstände erörtert und gegebenen¬
falls entschieden und gebessert werden; diese Entscheidungen werden zu sammeln
und so der Grundstock zu einem Wort- und Formenschatz der guten deutschen
Sprache nebst den ihr zugrunde liegenden Regeln und Gesetzen zu schaffen sein.
Nochmals sei betont, daß aus solcher Regelung nicht im geringsten eine Ver¬
armung unserer Sprache, eine Einengung ihrer Ausdrucksmöglichkeitcn und
Erstarrung in den Formen befürchtet zu werden braucht; im Gegenteil soll der
deutsche Wortschatz unserer Amts- und Schriftsprache ja durch Ausnutzung der
Mundarten, Berufssprachen usw. gerade reicher, die Formen natürlicher und
volkstümlicher, die Satzfügung klarer und flüssiger werden als es in unserem bei
aller „Freiheit" so erstarrten Deutsch von heute der Fall ist. Außer den Deutsch-
kundigen werden dem Sprachamt übrigens auch gute Kenner fremder Sprachen
zur einwandsfreien Übersetzung fremdsprachiger Aktenstücke und sonstigen Rat¬
erteilung nicht fehlen dürfen. Daß die üblichen Kenntnisse, wie sie die Beamten
unseres auswärtigen Dienstes namentlich im Englischen und Französischen zu
besitzen pflegen, nicht immer genügen, haben manche Erfahrungen aus der letzten
Zeit deutlich genug gezeigt; heute vor allem, wo durch den Gang der Ereignisse
vielfach Männer zu hohen Staatsämtern gelangt sind, denen eine gründliche
Kenntnis fremder Sprachen notwendig fehlen muß, sind eigene sprachliche Reichs'
beaute ein unbedingtes Erfordernis.
Die äußere Einrichtung und Gestaltung dieses Reichssprachamts läßt sich
natürlich in verschiedener Weise denken. Es wäre z. B. möglich, es als besondere
Abteilung dein Reichsamt des Innern anzugliedern; besser aber wäre es zweifellos,
schon wegen seiner notwendigen nahen Beziehungen zur Reichskanzlei und zum
Auswärtigen Amt, es als ein besonderes Amt einzurichten. Damit soll keineswegs
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