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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Brauchen wir ein Reichssprachamt?

Reinigung unserer Sprache tätig waren, hat es uns also wohl zu keiner Zeit
völlig gefehlt; und wenn man daher für die -- seinerzeit schon von Joh. Moscherosch
geforderte -- Übernahme dieser Tätigkeit in den Aufgabenkreis des Staates ein¬
tritt, so bedeutet das keineswegs eine völlige Neuerung gegenüber den Kräften,
die schon bisher bei uns im Sinne der Pflege und Regelung unserer Sprache
wirkten. Wohl aber sind es gewichtige Gründe, die heute zugunsten einer amt¬
lichen Sprachpflege durch das Reich selbst angeführt werden müssen.

Zunächst entspricht es unzweifelhaft nicht der Würde des deutschen Reiches,
wenn es eine so wichtige Sache, wie die Pflege der deutschen Sprache, der Arbeit
und selbstlosen Aufopferung von Einzelpersonen oder Vereinen überläßt; eine
solche Arbeit muß vielmehr bei uns wie anderwärts der Staat selbst, den: sie ja
doch in erster Reihe gelten soll, durch eine eigene Behörde vornehmen lassen.
Sodann liegt aus der Hand, daß die wünschenswerte Einheit der sprachlichen
Ordnung durch eine solche gleichzeitig von vielen Köpfen betriebene Sprachpflege
unmöglich gewährleistet werden kann; und drittens ist klar, daß die heute an
diesem Werk tätigen Kräfte weder umfassend genug die darin enthaltenen Arbeiten
in Angriff nehmen können noch auch genügend Einfluß besitzen, um ihren Erkennt¬
nissen und Festsetzungen die erforderliche Wirkung zu sichern. Den Sprachverein
in allen EhrenI Seine Ziele und Absichten sind die besten, und er hat geleistet,
was bei den tatsächlichen Verhältnissen, insbesondere gegenüber der sprachlichen
Gleichgültigkeit großer Volkskreise, an aufklärender und bessernden Arbeit von
einer nichtamtlichen Vereinigung billigerweise erwartet werden konnte. Ader
der tatsächliche Zustand unserer Sprache nach dreißigjähriger Wirksamkeit des
Allgemeinen deutschen Sprachvereins ist doch gerade ein Beweis dafür, daß wir
ohne die Beteiligung des Staates an dieser Arbeit nicht zum Ziele kommen,
wenn die sprachlichen Notstände, unter denen wir leiden, nicht nur in bescheidenem
Maße eingeschränkt, sondern an der Wurzel gefaßt und im großen ausgerottet
werden sollen.

Welcher Art sollen aber die Aufgaben, die Einrichtung und die Arbeits¬
weise einer sprachlichen Reichsbehörde sein?

Zunächst soll in allen Fällen, in denen innerhalb der Reichsbehörden
Zweifel in bezug aus Sprachrichtigkeit auftreten, oder wo das Sprachamt in
amtlichen, insbesondere zur Veröffentlichung bestimmten Verlautbarungen dieser
Behörde schlechte Sprachformen entdeckt, das Sprachamt für die Wahl eines
"richtigen" oder "besseren" Sprachgebrauchs sorgen. Diese Entscheidungen würden
nach Stichworten zu sammeln und so allmählich eine Art Wortschatz des guten
deutschen Sprachgebrauchs zu schaffen sein, dessen einzelne Entscheidungen und
Begründungen selbstverständlicherweise auch der Allgemeinheit zugänglich sein
müßten. Eine Erstarrung und Verarmung unseres Sprachschatzes braucht von
solcher Regelung nicht im geringsten befürchtet zu werden, ebensowenig eine
Unterdrückung notwendiger sprachlicher Entwicklungen, da ja der ganze
unmittelbare Einfluß des Sprachamts von vornherein aus den amtlichen
Sprachgebrauch beschränkt sein, das gesamte übrige Sprachlebcn dagegen
völlig frei und ohne jede "polizeiliche Bevormundung" wie bisher seinen
Gang gehen soll. Zudem wird ja nicht jede der Entscheidungen des Reichssprach"
ames auf Ja oder Nein lauten, vielmehr wird oft genug auch im "guten"
deutschen Sprachgebrauch die eine wie die andere Form oder Ausdrucksweise ihr
Recht haben und bekommen müssen. Im allgemeinen wird daher bei solcher
Regelung die Entwicklung der Sprache Wohl so verlaufen, daß zunächst im amt¬
lichen, durch dessen Einwirkung aber auch in weitem Maße im nichtamtlichen
Sprachgebrauch die vom Sprachamt als schlecht oder doch minder gut fest¬
gestellten Formen und Ausdrucksweisen den besseren Platz machen und so eine
größere Festigkeit. Nichtigkeit und Einheitlichkeit unserer üblichen Sprache ohne
Einbuße an ihrem Reichtum erzielt wird. Neu auftauchende Zweiselsfälle, an
denen es nie fehlen wird, werden dabei immer wieder in gleicher Weise durch
das Reichssprachamt zu behandeln sein und so die Entwicklung unserer Sprache


Brauchen wir ein Reichssprachamt?

Reinigung unserer Sprache tätig waren, hat es uns also wohl zu keiner Zeit
völlig gefehlt; und wenn man daher für die — seinerzeit schon von Joh. Moscherosch
geforderte — Übernahme dieser Tätigkeit in den Aufgabenkreis des Staates ein¬
tritt, so bedeutet das keineswegs eine völlige Neuerung gegenüber den Kräften,
die schon bisher bei uns im Sinne der Pflege und Regelung unserer Sprache
wirkten. Wohl aber sind es gewichtige Gründe, die heute zugunsten einer amt¬
lichen Sprachpflege durch das Reich selbst angeführt werden müssen.

Zunächst entspricht es unzweifelhaft nicht der Würde des deutschen Reiches,
wenn es eine so wichtige Sache, wie die Pflege der deutschen Sprache, der Arbeit
und selbstlosen Aufopferung von Einzelpersonen oder Vereinen überläßt; eine
solche Arbeit muß vielmehr bei uns wie anderwärts der Staat selbst, den: sie ja
doch in erster Reihe gelten soll, durch eine eigene Behörde vornehmen lassen.
Sodann liegt aus der Hand, daß die wünschenswerte Einheit der sprachlichen
Ordnung durch eine solche gleichzeitig von vielen Köpfen betriebene Sprachpflege
unmöglich gewährleistet werden kann; und drittens ist klar, daß die heute an
diesem Werk tätigen Kräfte weder umfassend genug die darin enthaltenen Arbeiten
in Angriff nehmen können noch auch genügend Einfluß besitzen, um ihren Erkennt¬
nissen und Festsetzungen die erforderliche Wirkung zu sichern. Den Sprachverein
in allen EhrenI Seine Ziele und Absichten sind die besten, und er hat geleistet,
was bei den tatsächlichen Verhältnissen, insbesondere gegenüber der sprachlichen
Gleichgültigkeit großer Volkskreise, an aufklärender und bessernden Arbeit von
einer nichtamtlichen Vereinigung billigerweise erwartet werden konnte. Ader
der tatsächliche Zustand unserer Sprache nach dreißigjähriger Wirksamkeit des
Allgemeinen deutschen Sprachvereins ist doch gerade ein Beweis dafür, daß wir
ohne die Beteiligung des Staates an dieser Arbeit nicht zum Ziele kommen,
wenn die sprachlichen Notstände, unter denen wir leiden, nicht nur in bescheidenem
Maße eingeschränkt, sondern an der Wurzel gefaßt und im großen ausgerottet
werden sollen.

Welcher Art sollen aber die Aufgaben, die Einrichtung und die Arbeits¬
weise einer sprachlichen Reichsbehörde sein?

Zunächst soll in allen Fällen, in denen innerhalb der Reichsbehörden
Zweifel in bezug aus Sprachrichtigkeit auftreten, oder wo das Sprachamt in
amtlichen, insbesondere zur Veröffentlichung bestimmten Verlautbarungen dieser
Behörde schlechte Sprachformen entdeckt, das Sprachamt für die Wahl eines
„richtigen" oder „besseren" Sprachgebrauchs sorgen. Diese Entscheidungen würden
nach Stichworten zu sammeln und so allmählich eine Art Wortschatz des guten
deutschen Sprachgebrauchs zu schaffen sein, dessen einzelne Entscheidungen und
Begründungen selbstverständlicherweise auch der Allgemeinheit zugänglich sein
müßten. Eine Erstarrung und Verarmung unseres Sprachschatzes braucht von
solcher Regelung nicht im geringsten befürchtet zu werden, ebensowenig eine
Unterdrückung notwendiger sprachlicher Entwicklungen, da ja der ganze
unmittelbare Einfluß des Sprachamts von vornherein aus den amtlichen
Sprachgebrauch beschränkt sein, das gesamte übrige Sprachlebcn dagegen
völlig frei und ohne jede „polizeiliche Bevormundung" wie bisher seinen
Gang gehen soll. Zudem wird ja nicht jede der Entscheidungen des Reichssprach»
ames auf Ja oder Nein lauten, vielmehr wird oft genug auch im „guten"
deutschen Sprachgebrauch die eine wie die andere Form oder Ausdrucksweise ihr
Recht haben und bekommen müssen. Im allgemeinen wird daher bei solcher
Regelung die Entwicklung der Sprache Wohl so verlaufen, daß zunächst im amt¬
lichen, durch dessen Einwirkung aber auch in weitem Maße im nichtamtlichen
Sprachgebrauch die vom Sprachamt als schlecht oder doch minder gut fest¬
gestellten Formen und Ausdrucksweisen den besseren Platz machen und so eine
größere Festigkeit. Nichtigkeit und Einheitlichkeit unserer üblichen Sprache ohne
Einbuße an ihrem Reichtum erzielt wird. Neu auftauchende Zweiselsfälle, an
denen es nie fehlen wird, werden dabei immer wieder in gleicher Weise durch
das Reichssprachamt zu behandeln sein und so die Entwicklung unserer Sprache


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[0117] Brauchen wir ein Reichssprachamt? Reinigung unserer Sprache tätig waren, hat es uns also wohl zu keiner Zeit völlig gefehlt; und wenn man daher für die — seinerzeit schon von Joh. Moscherosch geforderte — Übernahme dieser Tätigkeit in den Aufgabenkreis des Staates ein¬ tritt, so bedeutet das keineswegs eine völlige Neuerung gegenüber den Kräften, die schon bisher bei uns im Sinne der Pflege und Regelung unserer Sprache wirkten. Wohl aber sind es gewichtige Gründe, die heute zugunsten einer amt¬ lichen Sprachpflege durch das Reich selbst angeführt werden müssen. Zunächst entspricht es unzweifelhaft nicht der Würde des deutschen Reiches, wenn es eine so wichtige Sache, wie die Pflege der deutschen Sprache, der Arbeit und selbstlosen Aufopferung von Einzelpersonen oder Vereinen überläßt; eine solche Arbeit muß vielmehr bei uns wie anderwärts der Staat selbst, den: sie ja doch in erster Reihe gelten soll, durch eine eigene Behörde vornehmen lassen. Sodann liegt aus der Hand, daß die wünschenswerte Einheit der sprachlichen Ordnung durch eine solche gleichzeitig von vielen Köpfen betriebene Sprachpflege unmöglich gewährleistet werden kann; und drittens ist klar, daß die heute an diesem Werk tätigen Kräfte weder umfassend genug die darin enthaltenen Arbeiten in Angriff nehmen können noch auch genügend Einfluß besitzen, um ihren Erkennt¬ nissen und Festsetzungen die erforderliche Wirkung zu sichern. Den Sprachverein in allen EhrenI Seine Ziele und Absichten sind die besten, und er hat geleistet, was bei den tatsächlichen Verhältnissen, insbesondere gegenüber der sprachlichen Gleichgültigkeit großer Volkskreise, an aufklärender und bessernden Arbeit von einer nichtamtlichen Vereinigung billigerweise erwartet werden konnte. Ader der tatsächliche Zustand unserer Sprache nach dreißigjähriger Wirksamkeit des Allgemeinen deutschen Sprachvereins ist doch gerade ein Beweis dafür, daß wir ohne die Beteiligung des Staates an dieser Arbeit nicht zum Ziele kommen, wenn die sprachlichen Notstände, unter denen wir leiden, nicht nur in bescheidenem Maße eingeschränkt, sondern an der Wurzel gefaßt und im großen ausgerottet werden sollen. Welcher Art sollen aber die Aufgaben, die Einrichtung und die Arbeits¬ weise einer sprachlichen Reichsbehörde sein? Zunächst soll in allen Fällen, in denen innerhalb der Reichsbehörden Zweifel in bezug aus Sprachrichtigkeit auftreten, oder wo das Sprachamt in amtlichen, insbesondere zur Veröffentlichung bestimmten Verlautbarungen dieser Behörde schlechte Sprachformen entdeckt, das Sprachamt für die Wahl eines „richtigen" oder „besseren" Sprachgebrauchs sorgen. Diese Entscheidungen würden nach Stichworten zu sammeln und so allmählich eine Art Wortschatz des guten deutschen Sprachgebrauchs zu schaffen sein, dessen einzelne Entscheidungen und Begründungen selbstverständlicherweise auch der Allgemeinheit zugänglich sein müßten. Eine Erstarrung und Verarmung unseres Sprachschatzes braucht von solcher Regelung nicht im geringsten befürchtet zu werden, ebensowenig eine Unterdrückung notwendiger sprachlicher Entwicklungen, da ja der ganze unmittelbare Einfluß des Sprachamts von vornherein aus den amtlichen Sprachgebrauch beschränkt sein, das gesamte übrige Sprachlebcn dagegen völlig frei und ohne jede „polizeiliche Bevormundung" wie bisher seinen Gang gehen soll. Zudem wird ja nicht jede der Entscheidungen des Reichssprach» ames auf Ja oder Nein lauten, vielmehr wird oft genug auch im „guten" deutschen Sprachgebrauch die eine wie die andere Form oder Ausdrucksweise ihr Recht haben und bekommen müssen. Im allgemeinen wird daher bei solcher Regelung die Entwicklung der Sprache Wohl so verlaufen, daß zunächst im amt¬ lichen, durch dessen Einwirkung aber auch in weitem Maße im nichtamtlichen Sprachgebrauch die vom Sprachamt als schlecht oder doch minder gut fest¬ gestellten Formen und Ausdrucksweisen den besseren Platz machen und so eine größere Festigkeit. Nichtigkeit und Einheitlichkeit unserer üblichen Sprache ohne Einbuße an ihrem Reichtum erzielt wird. Neu auftauchende Zweiselsfälle, an denen es nie fehlen wird, werden dabei immer wieder in gleicher Weise durch das Reichssprachamt zu behandeln sein und so die Entwicklung unserer Sprache

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/117>, abgerufen am 15.01.2025.