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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Zusammenbruch und Aufbau

in den letzten Wochen erfahren müssen, wie plötzlich ein tiefer Riß und eine weite
Kluft Direktion und Beamte voneinander trennte. Oft ohne jede Rücksicht auf
die Möglichkeit der Ausführung sind nicht nur von den Arbeitern, sondern auch
von den Angestellten Forderungen aufgestellt worden, die eine vollkommene Ver¬
wirrung der Begriffe und Verkennung der Lage bekunden. Auch die alten Beamten,
auf welche die Direktion glaubte sich unbedingt verlassen zu können, haben sich durch¬
weg der Bewegung angeschlossen. Wenn also eine Bewegung so elementare Ge¬
walt und solche Verbreitung annimmt, so muß ihr auch ein tieferer Kern inne
wohnen. Der augenblickliche Entschuldung? launet allein kann die Triebfeder
nicht sein.

Die Ursachen der Katastrophe der Zeit ist der Raub der Freiheit der Menge.
Beschleunige und verschärft wurde der Zustand durch die Sucht des Kapitals nach
rascher Vermehrung. Man betrachte einmal, von hoher Warte, die Wirtschaft der
Well vor dem Kriege, und man muß zu dem Ergebnis kommen, daß die Menschen
von Wahnsinn besessen waren. Mit fieberhafter Hast wurden immer neue Jn-
dustri n aus dem Boden gestampft. Schoß eine solche über den Bedarf hinaus,
so zerbrach man sich den Kopf, wie der Verbrauch erhöht werden könne, nur
damit neue Mengen von Waren erzeugt, und neue Massen in die Fabriken ge¬
zwungen werben konnten. Die einzelnen Staaten erkannten als höchste Forderung
die Förderung von Industrie und Handel. Zölle und Gesetze wurden nur hieraus
zugeschnitten, ein wildes Rennen um Absatzgebiete und Weltmarkt begann. Immer
schneller und fieberhafter wurde das Tempo, und wo aliis nicht half die Mi߬
geburt am Leben zu halten, da wurde sie mit Prämien künstlich gestützt. Während
uns Boden zur Ernährung unseres Volkes fehlte, mußten wir 20 Mark auf den
Zentner Zucker Prämien zahlen, nur damit England für den halben Preis das
Nahrungsmittel erhalte.

Amerika wirft seine Jndustneprodukte zu Preisen auf den Weltmarkt, die
oft ein Bruchteil von dem sind, was das eigene Land dafür bezahlt. Japan
führt seine Seide zu verlustbringenden Preisen aus, um den eigenen Bedarf in
Baumwolle zu decken, welche es vom Auslande beziehen muß. Durch die Welt
tönt der Schrei nach "eigener Industrie", reine Agrarländer wie Ungarn und
Nußland vernichien den Frieden des Volkes, indem sie mit Gewalt, durch Zölle,
Prämien und Vorrechte die eigene Mechanik ins Land rufen. Alle Lander
posaunen ihre Jahresberichte hinaus, und rühmen sich der Fortschritte in Industrie,
Handel, Ausfuhr und Umsatz. Schiffahrtslinien werden staatlich gestützt, nur damit
der Austausch der Waren immer schneller vor sich geht.

An Japan sieht man deutlich, was das Feldgeschrei nach Industrie, Aus¬
fuhr und aktiver Handelsbilanz in kürzester Zeit auszurichten vermag. Vor
50 Jahren noch von der Außenwelt abgeschlossen, genügte das Land sich selbst.
Durch die Beglückung der Amerikaner geöffnet, setzt sofort das Hasten nach west¬
licher "Kultur" ein. Mit unbezähmbaren Ehrgeiz riß man alle "Errungenschaften"
der Neuzeit an sich. Gewiß: man hat heut Armee, Flotte, starken Handel,
Kolonien und Macht. Aber, daß die Masse des Volkes dadurch friedlicher und
glücklicher geworden wäre, wird niemand behaupten. In kaum einem Lande wird
ein sblcher Raubbau am Volke getrieben. Sollte die bolschewistische Welle bis
zum Lande der aufgehenden Sonne gelangen, die Folgen würden dort besonders
verderblich sein.

Aber heißt es, wir brauchten unsere Ausfuhr, um die Einfuhr zu bezahlen.
Dies wird bestritten! Die Ausfuhr in Deutschland ist in Wechselwirkung mit der
Einfuhr gestiegen und umgekehrt. Wäre es nicht richtiger gewesen, auf Mittel
zur Senkung der Einfuhr zu sinnen, als eine ungesunde und verderbliche Ausfuhr
hochzup eil scheu? Schließlich, was für das eine Land Zwang war, brauchte vom
anderen nicht als Sport betrieben zu werden und für die Vereinigten Staaten
z. B. ist die Ausfuhr von Jndustrieerzeugnissen nur Sport. Das ganze Land
kann gut ohne eine solche leben. Allerdings hätten wir in Deutschland dann wahr¬
scheinlich unsere Ausfuhr an Menschen aufrecht erhalten müssen. Wenn die Mög-


Zusammenbruch und Aufbau

in den letzten Wochen erfahren müssen, wie plötzlich ein tiefer Riß und eine weite
Kluft Direktion und Beamte voneinander trennte. Oft ohne jede Rücksicht auf
die Möglichkeit der Ausführung sind nicht nur von den Arbeitern, sondern auch
von den Angestellten Forderungen aufgestellt worden, die eine vollkommene Ver¬
wirrung der Begriffe und Verkennung der Lage bekunden. Auch die alten Beamten,
auf welche die Direktion glaubte sich unbedingt verlassen zu können, haben sich durch¬
weg der Bewegung angeschlossen. Wenn also eine Bewegung so elementare Ge¬
walt und solche Verbreitung annimmt, so muß ihr auch ein tieferer Kern inne
wohnen. Der augenblickliche Entschuldung? launet allein kann die Triebfeder
nicht sein.

Die Ursachen der Katastrophe der Zeit ist der Raub der Freiheit der Menge.
Beschleunige und verschärft wurde der Zustand durch die Sucht des Kapitals nach
rascher Vermehrung. Man betrachte einmal, von hoher Warte, die Wirtschaft der
Well vor dem Kriege, und man muß zu dem Ergebnis kommen, daß die Menschen
von Wahnsinn besessen waren. Mit fieberhafter Hast wurden immer neue Jn-
dustri n aus dem Boden gestampft. Schoß eine solche über den Bedarf hinaus,
so zerbrach man sich den Kopf, wie der Verbrauch erhöht werden könne, nur
damit neue Mengen von Waren erzeugt, und neue Massen in die Fabriken ge¬
zwungen werben konnten. Die einzelnen Staaten erkannten als höchste Forderung
die Förderung von Industrie und Handel. Zölle und Gesetze wurden nur hieraus
zugeschnitten, ein wildes Rennen um Absatzgebiete und Weltmarkt begann. Immer
schneller und fieberhafter wurde das Tempo, und wo aliis nicht half die Mi߬
geburt am Leben zu halten, da wurde sie mit Prämien künstlich gestützt. Während
uns Boden zur Ernährung unseres Volkes fehlte, mußten wir 20 Mark auf den
Zentner Zucker Prämien zahlen, nur damit England für den halben Preis das
Nahrungsmittel erhalte.

Amerika wirft seine Jndustneprodukte zu Preisen auf den Weltmarkt, die
oft ein Bruchteil von dem sind, was das eigene Land dafür bezahlt. Japan
führt seine Seide zu verlustbringenden Preisen aus, um den eigenen Bedarf in
Baumwolle zu decken, welche es vom Auslande beziehen muß. Durch die Welt
tönt der Schrei nach „eigener Industrie", reine Agrarländer wie Ungarn und
Nußland vernichien den Frieden des Volkes, indem sie mit Gewalt, durch Zölle,
Prämien und Vorrechte die eigene Mechanik ins Land rufen. Alle Lander
posaunen ihre Jahresberichte hinaus, und rühmen sich der Fortschritte in Industrie,
Handel, Ausfuhr und Umsatz. Schiffahrtslinien werden staatlich gestützt, nur damit
der Austausch der Waren immer schneller vor sich geht.

An Japan sieht man deutlich, was das Feldgeschrei nach Industrie, Aus¬
fuhr und aktiver Handelsbilanz in kürzester Zeit auszurichten vermag. Vor
50 Jahren noch von der Außenwelt abgeschlossen, genügte das Land sich selbst.
Durch die Beglückung der Amerikaner geöffnet, setzt sofort das Hasten nach west¬
licher „Kultur" ein. Mit unbezähmbaren Ehrgeiz riß man alle „Errungenschaften"
der Neuzeit an sich. Gewiß: man hat heut Armee, Flotte, starken Handel,
Kolonien und Macht. Aber, daß die Masse des Volkes dadurch friedlicher und
glücklicher geworden wäre, wird niemand behaupten. In kaum einem Lande wird
ein sblcher Raubbau am Volke getrieben. Sollte die bolschewistische Welle bis
zum Lande der aufgehenden Sonne gelangen, die Folgen würden dort besonders
verderblich sein.

Aber heißt es, wir brauchten unsere Ausfuhr, um die Einfuhr zu bezahlen.
Dies wird bestritten! Die Ausfuhr in Deutschland ist in Wechselwirkung mit der
Einfuhr gestiegen und umgekehrt. Wäre es nicht richtiger gewesen, auf Mittel
zur Senkung der Einfuhr zu sinnen, als eine ungesunde und verderbliche Ausfuhr
hochzup eil scheu? Schließlich, was für das eine Land Zwang war, brauchte vom
anderen nicht als Sport betrieben zu werden und für die Vereinigten Staaten
z. B. ist die Ausfuhr von Jndustrieerzeugnissen nur Sport. Das ganze Land
kann gut ohne eine solche leben. Allerdings hätten wir in Deutschland dann wahr¬
scheinlich unsere Ausfuhr an Menschen aufrecht erhalten müssen. Wenn die Mög-


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[0064] Zusammenbruch und Aufbau in den letzten Wochen erfahren müssen, wie plötzlich ein tiefer Riß und eine weite Kluft Direktion und Beamte voneinander trennte. Oft ohne jede Rücksicht auf die Möglichkeit der Ausführung sind nicht nur von den Arbeitern, sondern auch von den Angestellten Forderungen aufgestellt worden, die eine vollkommene Ver¬ wirrung der Begriffe und Verkennung der Lage bekunden. Auch die alten Beamten, auf welche die Direktion glaubte sich unbedingt verlassen zu können, haben sich durch¬ weg der Bewegung angeschlossen. Wenn also eine Bewegung so elementare Ge¬ walt und solche Verbreitung annimmt, so muß ihr auch ein tieferer Kern inne wohnen. Der augenblickliche Entschuldung? launet allein kann die Triebfeder nicht sein. Die Ursachen der Katastrophe der Zeit ist der Raub der Freiheit der Menge. Beschleunige und verschärft wurde der Zustand durch die Sucht des Kapitals nach rascher Vermehrung. Man betrachte einmal, von hoher Warte, die Wirtschaft der Well vor dem Kriege, und man muß zu dem Ergebnis kommen, daß die Menschen von Wahnsinn besessen waren. Mit fieberhafter Hast wurden immer neue Jn- dustri n aus dem Boden gestampft. Schoß eine solche über den Bedarf hinaus, so zerbrach man sich den Kopf, wie der Verbrauch erhöht werden könne, nur damit neue Mengen von Waren erzeugt, und neue Massen in die Fabriken ge¬ zwungen werben konnten. Die einzelnen Staaten erkannten als höchste Forderung die Förderung von Industrie und Handel. Zölle und Gesetze wurden nur hieraus zugeschnitten, ein wildes Rennen um Absatzgebiete und Weltmarkt begann. Immer schneller und fieberhafter wurde das Tempo, und wo aliis nicht half die Mi߬ geburt am Leben zu halten, da wurde sie mit Prämien künstlich gestützt. Während uns Boden zur Ernährung unseres Volkes fehlte, mußten wir 20 Mark auf den Zentner Zucker Prämien zahlen, nur damit England für den halben Preis das Nahrungsmittel erhalte. Amerika wirft seine Jndustneprodukte zu Preisen auf den Weltmarkt, die oft ein Bruchteil von dem sind, was das eigene Land dafür bezahlt. Japan führt seine Seide zu verlustbringenden Preisen aus, um den eigenen Bedarf in Baumwolle zu decken, welche es vom Auslande beziehen muß. Durch die Welt tönt der Schrei nach „eigener Industrie", reine Agrarländer wie Ungarn und Nußland vernichien den Frieden des Volkes, indem sie mit Gewalt, durch Zölle, Prämien und Vorrechte die eigene Mechanik ins Land rufen. Alle Lander posaunen ihre Jahresberichte hinaus, und rühmen sich der Fortschritte in Industrie, Handel, Ausfuhr und Umsatz. Schiffahrtslinien werden staatlich gestützt, nur damit der Austausch der Waren immer schneller vor sich geht. An Japan sieht man deutlich, was das Feldgeschrei nach Industrie, Aus¬ fuhr und aktiver Handelsbilanz in kürzester Zeit auszurichten vermag. Vor 50 Jahren noch von der Außenwelt abgeschlossen, genügte das Land sich selbst. Durch die Beglückung der Amerikaner geöffnet, setzt sofort das Hasten nach west¬ licher „Kultur" ein. Mit unbezähmbaren Ehrgeiz riß man alle „Errungenschaften" der Neuzeit an sich. Gewiß: man hat heut Armee, Flotte, starken Handel, Kolonien und Macht. Aber, daß die Masse des Volkes dadurch friedlicher und glücklicher geworden wäre, wird niemand behaupten. In kaum einem Lande wird ein sblcher Raubbau am Volke getrieben. Sollte die bolschewistische Welle bis zum Lande der aufgehenden Sonne gelangen, die Folgen würden dort besonders verderblich sein. Aber heißt es, wir brauchten unsere Ausfuhr, um die Einfuhr zu bezahlen. Dies wird bestritten! Die Ausfuhr in Deutschland ist in Wechselwirkung mit der Einfuhr gestiegen und umgekehrt. Wäre es nicht richtiger gewesen, auf Mittel zur Senkung der Einfuhr zu sinnen, als eine ungesunde und verderbliche Ausfuhr hochzup eil scheu? Schließlich, was für das eine Land Zwang war, brauchte vom anderen nicht als Sport betrieben zu werden und für die Vereinigten Staaten z. B. ist die Ausfuhr von Jndustrieerzeugnissen nur Sport. Das ganze Land kann gut ohne eine solche leben. Allerdings hätten wir in Deutschland dann wahr¬ scheinlich unsere Ausfuhr an Menschen aufrecht erhalten müssen. Wenn die Mög-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/64>, abgerufen am 01.09.2024.