Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frage Die wirtschaftliche Bedeutung Westpreußens für das deutsche Volk trat An der Aufbringung der für das deutsche Volksleben unbedingt erforder¬ In Westpreußen wird vorwiegend Ackerbau getrieben. Die Fläche der Gewaltige Kartoffelmengen konnten der Volksernährung während des Nicht weniger ertragreich ist die Viehzucht der Provinz. Trotz der großen Materialien zur ostdeutschen Frage Die wirtschaftliche Bedeutung Westpreußens für das deutsche Volk trat An der Aufbringung der für das deutsche Volksleben unbedingt erforder¬ In Westpreußen wird vorwiegend Ackerbau getrieben. Die Fläche der Gewaltige Kartoffelmengen konnten der Volksernährung während des Nicht weniger ertragreich ist die Viehzucht der Provinz. Trotz der großen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0532" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335944"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_3041"> Die wirtschaftliche Bedeutung Westpreußens für das deutsche Volk trat<lb/> besonders deutlich während des Krieges hervor. Mit Fug und Recht kann<lb/> behauptet werden, daß die Abtretung der deuischen Ostprovinzen sich sogleich in<lb/> jedem einzelnen Haushalt empfindlich bemerkbar machen würde. Die schon kurz<lb/> bemessenen Mengen an Lebensmitteln würden noch um ein Drittel bis ein Viertel<lb/> vermindert werden; lieferte doch die Ostmark, die Provinzen Ost- und West-<lb/> preußen, Posen und Schlesien. 38 Prozent der Gesamterzeugung des Deutschen<lb/> Reiches an Brodgetreide, 30 Prozent der Gesamterntemenge an Kartoffeln,<lb/> 30 Prozent der reichsdeutschen Schweineumlage, 23 Prozent der Rinderumlage,<lb/> 24 Prozent der Butterlieferungen und 27 Prozent der Nohzuckererzeugung. ES<lb/> darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß durch eine Abtretung West-<lb/> preußens auch die Provinz Ostpreußen von dem deutschen Wirtschaftsgebiete<lb/> getrennt wäre. Der Verlust der Ostmark würde den Zusammenbruch der deutschen<lb/> Volksernährung zur Folge haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_3042"> An der Aufbringung der für das deutsche Volksleben unbedingt erforder¬<lb/> lichen Nahrungsstoffe ist Westpreußen in erheblichem Maße beteiligt. Während<lb/> die Provinz an Fläche nur 4 7 Prozent der Gesamtfläche des Reiches umfaßt,<lb/> schließt sie ein 7.3 Prozent der deutschen Erntefläche an Roggen und 6 Prozent<lb/> an Kartoffeln; und obwohl die Bevölkcrui g Westpreußens nur 2,6 Prozent der<lb/> Einwohnerzahl des Deutschen Reiches ausmacht, bringt.sie auf 9,1 Prozent der<lb/> deutschen Gesamterzcugung an Brodgetreide, 5,4 Prozent an Gerste, 5,6 Prozent<lb/> an Zucker und 6,2 Prozent an Kartoffeln. Unter den preußischen Provinzen<lb/> steh, Westpreußen an Fläche an achter Stelle, an Einwohnerzahl sogar an elfter<lb/> Sicile; hinsichtlich der Erntemenge an Roggen, Gerste, Kartoffeln befindet sie sich<lb/> dagegen schon an sechster Stelle.</p><lb/> <p xml:id="ID_3043"> In Westpreußen wird vorwiegend Ackerbau getrieben. Die Fläche der<lb/> Provinz beträgt 25554 Quadratkilometer, die Erntefläche an Roggen, Gerste,<lb/> Weizen und Hafer 7011 Quadratkilometer, an Kartoffeln 1677 Quadratkilometer;<lb/> ein Drittel des gesamten Bodens wird somit zum Anbau der wichtigsten Acker¬<lb/> früchte verwendet. Dazu kommt noch der Rübenbau, der ebenfalls recht<lb/> bedeutend ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_3044"> Gewaltige Kartoffelmengen konnten der Volksernährung während des<lb/> Krieges zur Verfügung gestellt werden. Im Wirtschaftsjahre 1917/18 wurden in<lb/> Westpreußen insgesamt 33 Millionen Zentner Kartoffeln amtlich erfaßt. Davon<lb/> wurden den Kartoffelerzeugern zur Ernährung, Brotstreckung, als Saatgut, für<lb/> Brennereien und Siärkefabriken 15792521 Zentner belassen; als Saatgut wurden<lb/> ausgeführt 1692926 Zentner. Auf Grund der Auflagen der Neichskartoffelstelle<lb/> wurden abgeliefert 7254157 Zentner; von ihnen gingen 1353301 Zentner nach<lb/> Brandenburg, 1656338 Zentner nach dem Rheinland; weitere Mengen wurden<lb/> nach Schleswig-Holstein und Westfalen ausgeführt. Der Ernährung der Heimat<lb/> würden ferner noch zwei Millionen Zentner zugute kommen, die bisher an die<lb/> Heeresverwaltung abgeliefert werden mußten.</p><lb/> <p xml:id="ID_3045"> Nicht weniger ertragreich ist die Viehzucht der Provinz. Trotz der großen<lb/> Viehschlachtungen in den ersten Kriegsjahren befanden sich am 1. Juni 1917 in<lb/> Wesipreußen nahezu dreiviertel Millionen Stück Rindvieh, 357000 Schafe und<lb/> 679000 Schweine. Von ihnen wurden im Jahre 1917 zum Verbrauche geliefert<lb/> 246000 Rinder und Kälber, 71000 Schafe und 214000 Schweine, insgesamt<lb/> rund 531000 Stück Vieh. An die Kommunalverbände wurden nicht weniger als<lb/> 99981 Kälber abgeliefert; insbesondere beruhte ein erheblicher Teil der Fleisch¬<lb/> versorgung Berlins auf der Lieferung Westpreußens. Weitere beträchtliche Mengen<lb/> gingen an die Heeresverwaltung. Im Jahre 1918 vermehrte sich sogar die Zahl<lb/> der ausgeführten Rinder um rund 35000 Stück. Außerdem trug die Viehwirt-<lb/> schast Westpreußens noch durch Lieferung von erheblichen Mengen Butter zur<lb/> Ernährung des deutschen Volkes bei. In den Jahren 1917 und 1913 wurden<lb/> insgesamt 83632 Zentner Butter ausgeführt, die hauptsächlich nach Berlin, Dresden<lb/> und Leipzig überwiesen wurden.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0532]
Materialien zur ostdeutschen Frage
Die wirtschaftliche Bedeutung Westpreußens für das deutsche Volk trat
besonders deutlich während des Krieges hervor. Mit Fug und Recht kann
behauptet werden, daß die Abtretung der deuischen Ostprovinzen sich sogleich in
jedem einzelnen Haushalt empfindlich bemerkbar machen würde. Die schon kurz
bemessenen Mengen an Lebensmitteln würden noch um ein Drittel bis ein Viertel
vermindert werden; lieferte doch die Ostmark, die Provinzen Ost- und West-
preußen, Posen und Schlesien. 38 Prozent der Gesamterzeugung des Deutschen
Reiches an Brodgetreide, 30 Prozent der Gesamterntemenge an Kartoffeln,
30 Prozent der reichsdeutschen Schweineumlage, 23 Prozent der Rinderumlage,
24 Prozent der Butterlieferungen und 27 Prozent der Nohzuckererzeugung. ES
darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß durch eine Abtretung West-
preußens auch die Provinz Ostpreußen von dem deutschen Wirtschaftsgebiete
getrennt wäre. Der Verlust der Ostmark würde den Zusammenbruch der deutschen
Volksernährung zur Folge haben.
An der Aufbringung der für das deutsche Volksleben unbedingt erforder¬
lichen Nahrungsstoffe ist Westpreußen in erheblichem Maße beteiligt. Während
die Provinz an Fläche nur 4 7 Prozent der Gesamtfläche des Reiches umfaßt,
schließt sie ein 7.3 Prozent der deutschen Erntefläche an Roggen und 6 Prozent
an Kartoffeln; und obwohl die Bevölkcrui g Westpreußens nur 2,6 Prozent der
Einwohnerzahl des Deutschen Reiches ausmacht, bringt.sie auf 9,1 Prozent der
deutschen Gesamterzcugung an Brodgetreide, 5,4 Prozent an Gerste, 5,6 Prozent
an Zucker und 6,2 Prozent an Kartoffeln. Unter den preußischen Provinzen
steh, Westpreußen an Fläche an achter Stelle, an Einwohnerzahl sogar an elfter
Sicile; hinsichtlich der Erntemenge an Roggen, Gerste, Kartoffeln befindet sie sich
dagegen schon an sechster Stelle.
In Westpreußen wird vorwiegend Ackerbau getrieben. Die Fläche der
Provinz beträgt 25554 Quadratkilometer, die Erntefläche an Roggen, Gerste,
Weizen und Hafer 7011 Quadratkilometer, an Kartoffeln 1677 Quadratkilometer;
ein Drittel des gesamten Bodens wird somit zum Anbau der wichtigsten Acker¬
früchte verwendet. Dazu kommt noch der Rübenbau, der ebenfalls recht
bedeutend ist.
Gewaltige Kartoffelmengen konnten der Volksernährung während des
Krieges zur Verfügung gestellt werden. Im Wirtschaftsjahre 1917/18 wurden in
Westpreußen insgesamt 33 Millionen Zentner Kartoffeln amtlich erfaßt. Davon
wurden den Kartoffelerzeugern zur Ernährung, Brotstreckung, als Saatgut, für
Brennereien und Siärkefabriken 15792521 Zentner belassen; als Saatgut wurden
ausgeführt 1692926 Zentner. Auf Grund der Auflagen der Neichskartoffelstelle
wurden abgeliefert 7254157 Zentner; von ihnen gingen 1353301 Zentner nach
Brandenburg, 1656338 Zentner nach dem Rheinland; weitere Mengen wurden
nach Schleswig-Holstein und Westfalen ausgeführt. Der Ernährung der Heimat
würden ferner noch zwei Millionen Zentner zugute kommen, die bisher an die
Heeresverwaltung abgeliefert werden mußten.
Nicht weniger ertragreich ist die Viehzucht der Provinz. Trotz der großen
Viehschlachtungen in den ersten Kriegsjahren befanden sich am 1. Juni 1917 in
Wesipreußen nahezu dreiviertel Millionen Stück Rindvieh, 357000 Schafe und
679000 Schweine. Von ihnen wurden im Jahre 1917 zum Verbrauche geliefert
246000 Rinder und Kälber, 71000 Schafe und 214000 Schweine, insgesamt
rund 531000 Stück Vieh. An die Kommunalverbände wurden nicht weniger als
99981 Kälber abgeliefert; insbesondere beruhte ein erheblicher Teil der Fleisch¬
versorgung Berlins auf der Lieferung Westpreußens. Weitere beträchtliche Mengen
gingen an die Heeresverwaltung. Im Jahre 1918 vermehrte sich sogar die Zahl
der ausgeführten Rinder um rund 35000 Stück. Außerdem trug die Viehwirt-
schast Westpreußens noch durch Lieferung von erheblichen Mengen Butter zur
Ernährung des deutschen Volkes bei. In den Jahren 1917 und 1913 wurden
insgesamt 83632 Zentner Butter ausgeführt, die hauptsächlich nach Berlin, Dresden
und Leipzig überwiesen wurden.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |