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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Idee und Ursprung der Revolution

linge ini Alter von ungefähr 20 Jahren wären. Aus diesem Mißverhältnis er¬
gaben sich ethische Reibungen, die eben deshalb, weil sie im Innern verhalten
blieben, umso erbitternder wirkten. Gewiß erging es älteren und meinetwegen
auch gebildeteren Landsturmleuten, die keine Sozialdemokraten waren, genau so.
Aber das hat das Gefährliche der ganzen Lage noch eher verschärft. Denn die
inneren Reibungen waren dort nicht geringer, und die heimlich ge¬
züchtete Widerwilligkeit in der Erbitterung fraß um sich und pflanzte sich fort.
Durch die kläglichen Löhnungsverhältnisse und das Familienunterstützungssystein
für die Angehörigen fühlte sich ohnehin die Masse des älteren Landsturms gewalt¬
sam proletarisiert. Es entstand in den Gemütern ein empfänglicher Boden für
die sozialistische Werbung, Das ging Jahre hindurch, und die Männer von
Offiziersrang hatten meistens keine Ahnung davon, Sie können auch kaum eine
Vorstellung davon haben, welche seelische Pein beispielsweise die Leute in ge¬
setzteren Jahren aus geistigen Berufen, die ein halbes Menschenleben am Schreib¬
tisch hinter sich hatten und zuweilen mit wirklich jungen Rekrntenjahrgängen in
dieselben Formationen gerieten, im Mannschaftsstande mit seiner künstlichen De¬
klassierung, ganz abgesehen von den dienstlichen Anforderungen, oft durchmachen
mußten. Es mag nicht selten vorgekommen sein, daß die Charakterschwachen
unter ihnen, und sei es auch nur vorübergehend, den geschickten Einflüsterungen
von .Kameraden erlagen. Bei Leuten kleinbürgerlicher Schichten mit "sozial
gehobenen" Lebensgewohnheiten von Zuhause gelang das natürlich viel leichter.
Denn sie empfanden nur das Drückende und waren nicht imstande, eine gesetzliche
nötigten darin zu verstehen. Das Wahlergebnis zur Nationalversammlung in
den altpreußischen Provinzen des Ostens hat es an einem durchschlagenden Bei¬
spiel deutlich gewacht, wie stark die sozialdemokratische Wählerschaft während der
Kriegsjahre selbst unter der bäuerlichen Bevölkerung gewachsen sein muß.

Mit einem Heere aus solchem Ersatz kann man wohl einen großen, aber
keinen langen Krieg führen. Denn zweierlei ergibt sich daraus. Die Zahl der
sozialdemokralisch gesonnener oder beeinflußten Mannschaften nahm überhand, und
dieser sozialistischen Masse in der Armee wurden aus den Kreisen verstörter, zer¬
mürbter oder hysterisch veranlagter Intellektueller geistige Fähigkeiten zugeführt,
die sie vorher nicht in demselben Maße besaß. Damit waren die inneren Vor-
bedingungen einer Umkehrung der tatsächlichen Macht in der HeereLangehörigkeit
schon gegeben. Die Mängel im Gefolge der langen Dauer des Krieges: die
Schwächen des, Osfiziersersatzes und im Zusammenhange damit die zum Teil
immer falscher werdende Behandlung der Leute, eine Materialisierung und innere
Verwahrlosung des Herrengefühls in den Etappen und, wieder im Zusammen¬
hange damit und mit der wirtschaftlichen Not des Landes, die. unzureichende und
schlechte Verpflegung, -- alle diese Mängel halfen nur nach, nur die vorhandene
Disposition zur Meuterstimmung in die sichtbare Erscheinung zu heben. Was zu
verderben noch übrig geblieben war, verdarb dann der jüngste Rekrutenjahrgang
1918, mit dem die bekannte, vom Kriege herbeigeführte erzieherische Entartung
des großstädtischen Nachwuchses zu einer verhängnisvollen militärischen Unbrauch-
barkeit wurde.

Diese Durchsetzung des Heeres mit unwilligen und aufrührerischen Instinkten
und den Lockungen sozialistischer Gedanken, diese ganze Bewaffnung sozialdemo¬
kratisch geschulter Massen mußte für das revolutionäre Prinzip im Paricidogma
eines Tages ein starker Anreiz sein, die leibhaftige Revolution zu versuchen. Es
wäre im höchsten Grade merkwürdig gewesen, wenn diejenigen unter den sozial¬
demokratischen Führern oder Parteigruppen, die unverbrüchlich daran festhielten,
den revolutionären Gedanken handgreiflich zu nehmen, diese so überaus günstige,
einmalige und nie wiederkehrende Gelegenheit hätten ungenutzt vorbeigehen lassen.
Richt die N,!rvenzerrüttung deS Heimatvolkes unter dem Eindruck der amerikanischen
Propaganda, verkehrter Handhabungen des Zivildienstpflichtgesetzes und endlich
der hereinbrechenden Niederlage, vielleicht nicht einmal der Hunger war daK Ent¬
scheidende für den Ausbruch der Revolution, sondern das Entscheidende war, daß


Idee und Ursprung der Revolution

linge ini Alter von ungefähr 20 Jahren wären. Aus diesem Mißverhältnis er¬
gaben sich ethische Reibungen, die eben deshalb, weil sie im Innern verhalten
blieben, umso erbitternder wirkten. Gewiß erging es älteren und meinetwegen
auch gebildeteren Landsturmleuten, die keine Sozialdemokraten waren, genau so.
Aber das hat das Gefährliche der ganzen Lage noch eher verschärft. Denn die
inneren Reibungen waren dort nicht geringer, und die heimlich ge¬
züchtete Widerwilligkeit in der Erbitterung fraß um sich und pflanzte sich fort.
Durch die kläglichen Löhnungsverhältnisse und das Familienunterstützungssystein
für die Angehörigen fühlte sich ohnehin die Masse des älteren Landsturms gewalt¬
sam proletarisiert. Es entstand in den Gemütern ein empfänglicher Boden für
die sozialistische Werbung, Das ging Jahre hindurch, und die Männer von
Offiziersrang hatten meistens keine Ahnung davon, Sie können auch kaum eine
Vorstellung davon haben, welche seelische Pein beispielsweise die Leute in ge¬
setzteren Jahren aus geistigen Berufen, die ein halbes Menschenleben am Schreib¬
tisch hinter sich hatten und zuweilen mit wirklich jungen Rekrntenjahrgängen in
dieselben Formationen gerieten, im Mannschaftsstande mit seiner künstlichen De¬
klassierung, ganz abgesehen von den dienstlichen Anforderungen, oft durchmachen
mußten. Es mag nicht selten vorgekommen sein, daß die Charakterschwachen
unter ihnen, und sei es auch nur vorübergehend, den geschickten Einflüsterungen
von .Kameraden erlagen. Bei Leuten kleinbürgerlicher Schichten mit „sozial
gehobenen" Lebensgewohnheiten von Zuhause gelang das natürlich viel leichter.
Denn sie empfanden nur das Drückende und waren nicht imstande, eine gesetzliche
nötigten darin zu verstehen. Das Wahlergebnis zur Nationalversammlung in
den altpreußischen Provinzen des Ostens hat es an einem durchschlagenden Bei¬
spiel deutlich gewacht, wie stark die sozialdemokratische Wählerschaft während der
Kriegsjahre selbst unter der bäuerlichen Bevölkerung gewachsen sein muß.

Mit einem Heere aus solchem Ersatz kann man wohl einen großen, aber
keinen langen Krieg führen. Denn zweierlei ergibt sich daraus. Die Zahl der
sozialdemokralisch gesonnener oder beeinflußten Mannschaften nahm überhand, und
dieser sozialistischen Masse in der Armee wurden aus den Kreisen verstörter, zer¬
mürbter oder hysterisch veranlagter Intellektueller geistige Fähigkeiten zugeführt,
die sie vorher nicht in demselben Maße besaß. Damit waren die inneren Vor-
bedingungen einer Umkehrung der tatsächlichen Macht in der HeereLangehörigkeit
schon gegeben. Die Mängel im Gefolge der langen Dauer des Krieges: die
Schwächen des, Osfiziersersatzes und im Zusammenhange damit die zum Teil
immer falscher werdende Behandlung der Leute, eine Materialisierung und innere
Verwahrlosung des Herrengefühls in den Etappen und, wieder im Zusammen¬
hange damit und mit der wirtschaftlichen Not des Landes, die. unzureichende und
schlechte Verpflegung, — alle diese Mängel halfen nur nach, nur die vorhandene
Disposition zur Meuterstimmung in die sichtbare Erscheinung zu heben. Was zu
verderben noch übrig geblieben war, verdarb dann der jüngste Rekrutenjahrgang
1918, mit dem die bekannte, vom Kriege herbeigeführte erzieherische Entartung
des großstädtischen Nachwuchses zu einer verhängnisvollen militärischen Unbrauch-
barkeit wurde.

Diese Durchsetzung des Heeres mit unwilligen und aufrührerischen Instinkten
und den Lockungen sozialistischer Gedanken, diese ganze Bewaffnung sozialdemo¬
kratisch geschulter Massen mußte für das revolutionäre Prinzip im Paricidogma
eines Tages ein starker Anreiz sein, die leibhaftige Revolution zu versuchen. Es
wäre im höchsten Grade merkwürdig gewesen, wenn diejenigen unter den sozial¬
demokratischen Führern oder Parteigruppen, die unverbrüchlich daran festhielten,
den revolutionären Gedanken handgreiflich zu nehmen, diese so überaus günstige,
einmalige und nie wiederkehrende Gelegenheit hätten ungenutzt vorbeigehen lassen.
Richt die N,!rvenzerrüttung deS Heimatvolkes unter dem Eindruck der amerikanischen
Propaganda, verkehrter Handhabungen des Zivildienstpflichtgesetzes und endlich
der hereinbrechenden Niederlage, vielleicht nicht einmal der Hunger war daK Ent¬
scheidende für den Ausbruch der Revolution, sondern das Entscheidende war, daß


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[0046] Idee und Ursprung der Revolution linge ini Alter von ungefähr 20 Jahren wären. Aus diesem Mißverhältnis er¬ gaben sich ethische Reibungen, die eben deshalb, weil sie im Innern verhalten blieben, umso erbitternder wirkten. Gewiß erging es älteren und meinetwegen auch gebildeteren Landsturmleuten, die keine Sozialdemokraten waren, genau so. Aber das hat das Gefährliche der ganzen Lage noch eher verschärft. Denn die inneren Reibungen waren dort nicht geringer, und die heimlich ge¬ züchtete Widerwilligkeit in der Erbitterung fraß um sich und pflanzte sich fort. Durch die kläglichen Löhnungsverhältnisse und das Familienunterstützungssystein für die Angehörigen fühlte sich ohnehin die Masse des älteren Landsturms gewalt¬ sam proletarisiert. Es entstand in den Gemütern ein empfänglicher Boden für die sozialistische Werbung, Das ging Jahre hindurch, und die Männer von Offiziersrang hatten meistens keine Ahnung davon, Sie können auch kaum eine Vorstellung davon haben, welche seelische Pein beispielsweise die Leute in ge¬ setzteren Jahren aus geistigen Berufen, die ein halbes Menschenleben am Schreib¬ tisch hinter sich hatten und zuweilen mit wirklich jungen Rekrntenjahrgängen in dieselben Formationen gerieten, im Mannschaftsstande mit seiner künstlichen De¬ klassierung, ganz abgesehen von den dienstlichen Anforderungen, oft durchmachen mußten. Es mag nicht selten vorgekommen sein, daß die Charakterschwachen unter ihnen, und sei es auch nur vorübergehend, den geschickten Einflüsterungen von .Kameraden erlagen. Bei Leuten kleinbürgerlicher Schichten mit „sozial gehobenen" Lebensgewohnheiten von Zuhause gelang das natürlich viel leichter. Denn sie empfanden nur das Drückende und waren nicht imstande, eine gesetzliche nötigten darin zu verstehen. Das Wahlergebnis zur Nationalversammlung in den altpreußischen Provinzen des Ostens hat es an einem durchschlagenden Bei¬ spiel deutlich gewacht, wie stark die sozialdemokratische Wählerschaft während der Kriegsjahre selbst unter der bäuerlichen Bevölkerung gewachsen sein muß. Mit einem Heere aus solchem Ersatz kann man wohl einen großen, aber keinen langen Krieg führen. Denn zweierlei ergibt sich daraus. Die Zahl der sozialdemokralisch gesonnener oder beeinflußten Mannschaften nahm überhand, und dieser sozialistischen Masse in der Armee wurden aus den Kreisen verstörter, zer¬ mürbter oder hysterisch veranlagter Intellektueller geistige Fähigkeiten zugeführt, die sie vorher nicht in demselben Maße besaß. Damit waren die inneren Vor- bedingungen einer Umkehrung der tatsächlichen Macht in der HeereLangehörigkeit schon gegeben. Die Mängel im Gefolge der langen Dauer des Krieges: die Schwächen des, Osfiziersersatzes und im Zusammenhange damit die zum Teil immer falscher werdende Behandlung der Leute, eine Materialisierung und innere Verwahrlosung des Herrengefühls in den Etappen und, wieder im Zusammen¬ hange damit und mit der wirtschaftlichen Not des Landes, die. unzureichende und schlechte Verpflegung, — alle diese Mängel halfen nur nach, nur die vorhandene Disposition zur Meuterstimmung in die sichtbare Erscheinung zu heben. Was zu verderben noch übrig geblieben war, verdarb dann der jüngste Rekrutenjahrgang 1918, mit dem die bekannte, vom Kriege herbeigeführte erzieherische Entartung des großstädtischen Nachwuchses zu einer verhängnisvollen militärischen Unbrauch- barkeit wurde. Diese Durchsetzung des Heeres mit unwilligen und aufrührerischen Instinkten und den Lockungen sozialistischer Gedanken, diese ganze Bewaffnung sozialdemo¬ kratisch geschulter Massen mußte für das revolutionäre Prinzip im Paricidogma eines Tages ein starker Anreiz sein, die leibhaftige Revolution zu versuchen. Es wäre im höchsten Grade merkwürdig gewesen, wenn diejenigen unter den sozial¬ demokratischen Führern oder Parteigruppen, die unverbrüchlich daran festhielten, den revolutionären Gedanken handgreiflich zu nehmen, diese so überaus günstige, einmalige und nie wiederkehrende Gelegenheit hätten ungenutzt vorbeigehen lassen. Richt die N,!rvenzerrüttung deS Heimatvolkes unter dem Eindruck der amerikanischen Propaganda, verkehrter Handhabungen des Zivildienstpflichtgesetzes und endlich der hereinbrechenden Niederlage, vielleicht nicht einmal der Hunger war daK Ent¬ scheidende für den Ausbruch der Revolution, sondern das Entscheidende war, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/46>, abgerufen am 01.09.2024.