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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsch-flämische Legende von der Nonne Beatrix

so darf mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß es eben der
vialvZus MraLulorum des Caesarms, lateinisch oder niederländisch, war, welcher
in der Vüchersammlung des Mönchs Giesbrscht sich vorfindend, die Anregung zur
Abfassung deS Gedichts gab. In allen wesentlichen Stücken hat sich der unbekannte
Dichter treulich an den Bericht des Caesarms angeschlossen, hat aber, was bei
Caescuius knapp und karg bemessen auf einige Seiten zusammengedrängt steht,
ausgeweidet und abgerundet zu einem vollen und geschlossenen, in 1033 Verszeilen
abrollenden Menschenschicksal. Er bringt menschliche Begründungen an, welche
die Zusammenhänge deutlicher verständlich machen. Wo Caesarms einfach meldet:
"Ein Junker sah die Nonne und begehrt ihrer, und fing an um sie zu werben", da
entlastet er die Schwere von Beatrix Fehltritt im vorhinein, indem er zwischen
den Junker und die Nonne eine alte, von Kindheit auf unerfüllte Liebesbeziehung
webt. Der Junker spricht:

In größerer Ausführlichkeit als bei Caesarms werden in dem Gedichte die
Vorbereitungen zur Flucht und die Tage des Ritts der beiden ausgesponnen.
Von holdem Naturgefühl getragen ist das folgende Bild:

Bei Caesarms ist es die Mutter Gottes in eigener Person, die der Ge¬
fallenen, nachdem sie vierzehn Jahre in der Welt gelebt hat und als sie nunmehr
reuig an die Türe des Klosters wieder anklopfen kommt, erscheint und ihr von
ihrer Stellvertretung Kunde gibt. Mit großem Feingefühle läßt hiergegen der
niederländische Dichter dieses Zwiegespräch sich im Traume der Heimstrebenden
vollziehen, wie überhaupt die Mutter Gottes nirgends selbst handelnd auftritt;
von ihrer Güte wird lediglich mittelbare Mitteilung gemacht. Auch werden der
Nonne in dem Gedichte zwei Kinder gegeben, um deren Unterhalt, nicht zur
eignen Lust, sie später, als sie der Geliebte verlassen hat, als Dirne auf die
Straße geht. Für die Kinder sorgt am Schlüsse ein wohlgesinnter Abt, und der
Dichter schließt seine Marienhuldigung mit dem Worte ab:




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werd?" kann.




Nachdruck sämtlicher Aufsätze "ur mit ausdrücklicher "xrlaulmis des "erla"S gestattet.
Verantwortlich: Dr. Mathilde Kelchncr in Berlin-Halonsee. -- Mauustriptscndungen und Briefe werden erbeten
unter der Adresse:
An die "chriftlcitunn der Grcnzlioteu in Berlin SW 11, Tempelhofer Ufer A>".
Fernsprecher """ Herauiigebers: Amt Licht-rfelde <W8, des Verlags und der Schristletwng: Amt Lutz"" "i"0.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. n>. b> H, in Berlin SW 11, TemPellwser User Se>".
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Die deutsch-flämische Legende von der Nonne Beatrix

so darf mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß es eben der
vialvZus MraLulorum des Caesarms, lateinisch oder niederländisch, war, welcher
in der Vüchersammlung des Mönchs Giesbrscht sich vorfindend, die Anregung zur
Abfassung deS Gedichts gab. In allen wesentlichen Stücken hat sich der unbekannte
Dichter treulich an den Bericht des Caesarms angeschlossen, hat aber, was bei
Caescuius knapp und karg bemessen auf einige Seiten zusammengedrängt steht,
ausgeweidet und abgerundet zu einem vollen und geschlossenen, in 1033 Verszeilen
abrollenden Menschenschicksal. Er bringt menschliche Begründungen an, welche
die Zusammenhänge deutlicher verständlich machen. Wo Caesarms einfach meldet:
„Ein Junker sah die Nonne und begehrt ihrer, und fing an um sie zu werben", da
entlastet er die Schwere von Beatrix Fehltritt im vorhinein, indem er zwischen
den Junker und die Nonne eine alte, von Kindheit auf unerfüllte Liebesbeziehung
webt. Der Junker spricht:

In größerer Ausführlichkeit als bei Caesarms werden in dem Gedichte die
Vorbereitungen zur Flucht und die Tage des Ritts der beiden ausgesponnen.
Von holdem Naturgefühl getragen ist das folgende Bild:

Bei Caesarms ist es die Mutter Gottes in eigener Person, die der Ge¬
fallenen, nachdem sie vierzehn Jahre in der Welt gelebt hat und als sie nunmehr
reuig an die Türe des Klosters wieder anklopfen kommt, erscheint und ihr von
ihrer Stellvertretung Kunde gibt. Mit großem Feingefühle läßt hiergegen der
niederländische Dichter dieses Zwiegespräch sich im Traume der Heimstrebenden
vollziehen, wie überhaupt die Mutter Gottes nirgends selbst handelnd auftritt;
von ihrer Güte wird lediglich mittelbare Mitteilung gemacht. Auch werden der
Nonne in dem Gedichte zwei Kinder gegeben, um deren Unterhalt, nicht zur
eignen Lust, sie später, als sie der Geliebte verlassen hat, als Dirne auf die
Straße geht. Für die Kinder sorgt am Schlüsse ein wohlgesinnter Abt, und der
Dichter schließt seine Marienhuldigung mit dem Worte ab:




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werd?« kann.




Nachdruck sämtlicher Aufsätze «ur mit ausdrücklicher «xrlaulmis des »erla„S gestattet.
Verantwortlich: Dr. Mathilde Kelchncr in Berlin-Halonsee. — Mauustriptscndungen und Briefe werden erbeten
unter der Adresse:
An die «chriftlcitunn der Grcnzlioteu in Berlin SW 11, Tempelhofer Ufer A>».
Fernsprecher »»» Herauiigebers: Amt Licht-rfelde <W8, des Verlags und der Schristletwng: Amt Lutz«« «i»0.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. n>. b> H, in Berlin SW 11, TemPellwser User Se>».
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[0336] Die deutsch-flämische Legende von der Nonne Beatrix so darf mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß es eben der vialvZus MraLulorum des Caesarms, lateinisch oder niederländisch, war, welcher in der Vüchersammlung des Mönchs Giesbrscht sich vorfindend, die Anregung zur Abfassung deS Gedichts gab. In allen wesentlichen Stücken hat sich der unbekannte Dichter treulich an den Bericht des Caesarms angeschlossen, hat aber, was bei Caescuius knapp und karg bemessen auf einige Seiten zusammengedrängt steht, ausgeweidet und abgerundet zu einem vollen und geschlossenen, in 1033 Verszeilen abrollenden Menschenschicksal. Er bringt menschliche Begründungen an, welche die Zusammenhänge deutlicher verständlich machen. Wo Caesarms einfach meldet: „Ein Junker sah die Nonne und begehrt ihrer, und fing an um sie zu werben", da entlastet er die Schwere von Beatrix Fehltritt im vorhinein, indem er zwischen den Junker und die Nonne eine alte, von Kindheit auf unerfüllte Liebesbeziehung webt. Der Junker spricht: In größerer Ausführlichkeit als bei Caesarms werden in dem Gedichte die Vorbereitungen zur Flucht und die Tage des Ritts der beiden ausgesponnen. Von holdem Naturgefühl getragen ist das folgende Bild: Bei Caesarms ist es die Mutter Gottes in eigener Person, die der Ge¬ fallenen, nachdem sie vierzehn Jahre in der Welt gelebt hat und als sie nunmehr reuig an die Türe des Klosters wieder anklopfen kommt, erscheint und ihr von ihrer Stellvertretung Kunde gibt. Mit großem Feingefühle läßt hiergegen der niederländische Dichter dieses Zwiegespräch sich im Traume der Heimstrebenden vollziehen, wie überhaupt die Mutter Gottes nirgends selbst handelnd auftritt; von ihrer Güte wird lediglich mittelbare Mitteilung gemacht. Auch werden der Nonne in dem Gedichte zwei Kinder gegeben, um deren Unterhalt, nicht zur eignen Lust, sie später, als sie der Geliebte verlassen hat, als Dirne auf die Straße geht. Für die Kinder sorgt am Schlüsse ein wohlgesinnter Abt, und der Dichter schließt seine Marienhuldigung mit dem Worte ab: Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werd?« kann. Nachdruck sämtlicher Aufsätze «ur mit ausdrücklicher «xrlaulmis des »erla„S gestattet. Verantwortlich: Dr. Mathilde Kelchncr in Berlin-Halonsee. — Mauustriptscndungen und Briefe werden erbeten unter der Adresse: An die «chriftlcitunn der Grcnzlioteu in Berlin SW 11, Tempelhofer Ufer A>». Fernsprecher »»» Herauiigebers: Amt Licht-rfelde <W8, des Verlags und der Schristletwng: Amt Lutz«« «i»0. Verlag: Verlag der Grenzboten G. n>. b> H, in Berlin SW 11, TemPellwser User Se>». Drü»: «Der ReiSSbsl«' «. in. b> H, in Berlin SW «. »essane,: Strahl M/M.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/336>, abgerufen am 18.12.2024.