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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Der sozialdemokratische Parteitag

Völker exportieren, um sie für die britische Weltherrschaft innerlich reif zu machen.
Dieser Internationalismus dient einseitig den Interessen der Westmächte und ist
leider fanatisch genug, auf die Interessen des eigenen deutschen Volkes gar keine
Rücksicht zu nehmen. Der Parteitag hat aber Bernsteins Anschauungen völlig
abgelehnt. Er will auch in der auswärtigen Politik den Internationalismus san's
ptrrase revidieren. Scheidemann hat in seiner großen Progrannnrede ein
Bekenntnis zum praktischen, das deutsche Volk wirklich fördernden Sozialismus
abgelegt, das auch für die auswärtige Politik Geltung gewinnen nutz: "Wir
müssen in Zukunft jede Matznahme darauf ansehen, nicht nur ob sie sozialistisch,
sondern auch darauf, ob sie praktisch ist, und wir dürfen uns nur für solche
Maßnahmen entscheiden, von denen wir mit ruhiger Zuversicht eine Förderung
des Volkes, des arbeitenden Volkes erwarten dürfen." Damit ist zweifellos auch
der Internationalismus Vcrnsteinscher Art abgelehnt.

Auch Scheidemann wünscht eine auswärtige Politik nach den Grundsätzen
der Gerechtigkeit: Macht vergeht, Recht besteht! Die Regierung wolle nicht um
den Frieden feilschen, um ein paar Nachteile weniger in Kauf nehmen zu müssen.
Sie mache nicht Zugeständnisse, weil sich Deutschland als der Schwache vor den
Starken ducken müsse, sondern weil sie sich zu der Überzeugung durchgerungen
habe, daß nicht alle Forderungen der Gegner unberechtigt sind. Wären wir die
Sieger und lägen die Gegner am Boden, dann nutzten wir seiner Ansicht nach
erst recht das zerstörte Frankreich und Belgien auf unsere Kosten aufbauen. Man
kann natürlich auch hier wieder sagen, mit solchen Äußerungen liefere der Reichs-
Ministerpräsident dorr Feinden Argumente. Doch wird man damit nie Eindruck
auf Scheidemann machen und wird ihm auch nicht gerecht. Der rechtsstehenden
Presse ist die Politik gut, die Deutschland Vorteil bringt. Nach Meinung der
Altdeutschen kann man in der Politik nur Hammer oder Amboß sein. Scheidemann
dagegen hofft, die. Völker für das Ideal der Gerechtigkeit zu begeistern, sie zu der
Einsicht zu überreden, daß bei gegenseitiger Rücksichtnahme und Gerechtigkeit der
Weltfrieden allein gesichert und dem wahren Vorteil jedes einzelnen Volkes, auch
wenn eS im Augenblick benachteiligt erscheint, am besten gedient sei. Unsere
gegenwärtige Negierung will prinzipiell zugestehen, daß Belgien und zum Teil
auch Frankreich, auf dessen Boden der Krieg geführt worden ist, von uns Unrecht
geschehen ist Auch der f ühere Reichskanzler von Bethmann Hollweg hält in
seinen "Betrachtungen zum Weltkrieg" (I Seite 168) seinen vielbefehdeten Ausspruch
vom 4. August 1914 vom "Unrecht" gegen Belgien ausdrücklich aufrecht. Die
Regierung handelt in dieser Beziehung in ihrer auswärtigen Politik nach einem
Grundsatz, der allerdings unerprobt ist, der aber doch gradlinig ein Ziel verfolgt,
nämlich das Ziel, durch das Beispiel einer Gerechtigkeit auch aus eigene Kosten,
wenn es sein mich, die andern Völker zur Achtung und durch moralischen Zwang
schließlich zur Nachahmung zu zwingen. Diese Politik enthält immerhin einen
einhntlichdn großen Grundgedanken, und ich möchte hier nur feststellen, datz sie
auf so völlig anderen Grundlagen beruht, als die nationalistische auswärtige Politik,
wie sie zum Beispiel die Altdeutschen empfohlen haben, daß es keinen Zweck hat,
denn nationalistischen Standpunkte immer wieder über Scheidemann und seine
Gesinnungsgenossen abzuurteilen. Die Sozialdemokratie greift ein grotzes Unter¬
nehmen an:' sie will das Beispiel einer moralischen, unegoistischen auswärtigen
Politik geben. Sie wird dieses Beispiel schwerlich durchführen können, weil die
materialistische Gesinnung, in der sie ja selber die Arbeiterklasse bestärkt hat,
"nrner wieder bald eine egoistische Politik erzwingen wird. Noch spüren die
Arbiter nicht die Fremdherrschaft der Westmächte am eigenen Leibe. Wenn sie
sie spüren werden, dann wird die Hinwendung zum Nationalismus sehr bald
erfolgen. Auch der Bolschewismus in Rutzland und Ungarn ist rationalistisch
geworden. Nur eine religiöse Erziehung der Völker wird die Welt allmählich für
eure Politik internationaler Gerechtigkeit reifer machen. Die Sozialdemokratie, die
das Christentum haßt und ersetzen möchte, wird dadurch gestraft werden, daß ihre
internationalen Ideale durch die Klassenhaßpropaganda, durch die Erziehung zum


Der sozialdemokratische Parteitag

Völker exportieren, um sie für die britische Weltherrschaft innerlich reif zu machen.
Dieser Internationalismus dient einseitig den Interessen der Westmächte und ist
leider fanatisch genug, auf die Interessen des eigenen deutschen Volkes gar keine
Rücksicht zu nehmen. Der Parteitag hat aber Bernsteins Anschauungen völlig
abgelehnt. Er will auch in der auswärtigen Politik den Internationalismus san's
ptrrase revidieren. Scheidemann hat in seiner großen Progrannnrede ein
Bekenntnis zum praktischen, das deutsche Volk wirklich fördernden Sozialismus
abgelegt, das auch für die auswärtige Politik Geltung gewinnen nutz: „Wir
müssen in Zukunft jede Matznahme darauf ansehen, nicht nur ob sie sozialistisch,
sondern auch darauf, ob sie praktisch ist, und wir dürfen uns nur für solche
Maßnahmen entscheiden, von denen wir mit ruhiger Zuversicht eine Förderung
des Volkes, des arbeitenden Volkes erwarten dürfen." Damit ist zweifellos auch
der Internationalismus Vcrnsteinscher Art abgelehnt.

Auch Scheidemann wünscht eine auswärtige Politik nach den Grundsätzen
der Gerechtigkeit: Macht vergeht, Recht besteht! Die Regierung wolle nicht um
den Frieden feilschen, um ein paar Nachteile weniger in Kauf nehmen zu müssen.
Sie mache nicht Zugeständnisse, weil sich Deutschland als der Schwache vor den
Starken ducken müsse, sondern weil sie sich zu der Überzeugung durchgerungen
habe, daß nicht alle Forderungen der Gegner unberechtigt sind. Wären wir die
Sieger und lägen die Gegner am Boden, dann nutzten wir seiner Ansicht nach
erst recht das zerstörte Frankreich und Belgien auf unsere Kosten aufbauen. Man
kann natürlich auch hier wieder sagen, mit solchen Äußerungen liefere der Reichs-
Ministerpräsident dorr Feinden Argumente. Doch wird man damit nie Eindruck
auf Scheidemann machen und wird ihm auch nicht gerecht. Der rechtsstehenden
Presse ist die Politik gut, die Deutschland Vorteil bringt. Nach Meinung der
Altdeutschen kann man in der Politik nur Hammer oder Amboß sein. Scheidemann
dagegen hofft, die. Völker für das Ideal der Gerechtigkeit zu begeistern, sie zu der
Einsicht zu überreden, daß bei gegenseitiger Rücksichtnahme und Gerechtigkeit der
Weltfrieden allein gesichert und dem wahren Vorteil jedes einzelnen Volkes, auch
wenn eS im Augenblick benachteiligt erscheint, am besten gedient sei. Unsere
gegenwärtige Negierung will prinzipiell zugestehen, daß Belgien und zum Teil
auch Frankreich, auf dessen Boden der Krieg geführt worden ist, von uns Unrecht
geschehen ist Auch der f ühere Reichskanzler von Bethmann Hollweg hält in
seinen „Betrachtungen zum Weltkrieg" (I Seite 168) seinen vielbefehdeten Ausspruch
vom 4. August 1914 vom „Unrecht" gegen Belgien ausdrücklich aufrecht. Die
Regierung handelt in dieser Beziehung in ihrer auswärtigen Politik nach einem
Grundsatz, der allerdings unerprobt ist, der aber doch gradlinig ein Ziel verfolgt,
nämlich das Ziel, durch das Beispiel einer Gerechtigkeit auch aus eigene Kosten,
wenn es sein mich, die andern Völker zur Achtung und durch moralischen Zwang
schließlich zur Nachahmung zu zwingen. Diese Politik enthält immerhin einen
einhntlichdn großen Grundgedanken, und ich möchte hier nur feststellen, datz sie
auf so völlig anderen Grundlagen beruht, als die nationalistische auswärtige Politik,
wie sie zum Beispiel die Altdeutschen empfohlen haben, daß es keinen Zweck hat,
denn nationalistischen Standpunkte immer wieder über Scheidemann und seine
Gesinnungsgenossen abzuurteilen. Die Sozialdemokratie greift ein grotzes Unter¬
nehmen an:' sie will das Beispiel einer moralischen, unegoistischen auswärtigen
Politik geben. Sie wird dieses Beispiel schwerlich durchführen können, weil die
materialistische Gesinnung, in der sie ja selber die Arbeiterklasse bestärkt hat,
"nrner wieder bald eine egoistische Politik erzwingen wird. Noch spüren die
Arbiter nicht die Fremdherrschaft der Westmächte am eigenen Leibe. Wenn sie
sie spüren werden, dann wird die Hinwendung zum Nationalismus sehr bald
erfolgen. Auch der Bolschewismus in Rutzland und Ungarn ist rationalistisch
geworden. Nur eine religiöse Erziehung der Völker wird die Welt allmählich für
eure Politik internationaler Gerechtigkeit reifer machen. Die Sozialdemokratie, die
das Christentum haßt und ersetzen möchte, wird dadurch gestraft werden, daß ihre
internationalen Ideale durch die Klassenhaßpropaganda, durch die Erziehung zum


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[0319] Der sozialdemokratische Parteitag Völker exportieren, um sie für die britische Weltherrschaft innerlich reif zu machen. Dieser Internationalismus dient einseitig den Interessen der Westmächte und ist leider fanatisch genug, auf die Interessen des eigenen deutschen Volkes gar keine Rücksicht zu nehmen. Der Parteitag hat aber Bernsteins Anschauungen völlig abgelehnt. Er will auch in der auswärtigen Politik den Internationalismus san's ptrrase revidieren. Scheidemann hat in seiner großen Progrannnrede ein Bekenntnis zum praktischen, das deutsche Volk wirklich fördernden Sozialismus abgelegt, das auch für die auswärtige Politik Geltung gewinnen nutz: „Wir müssen in Zukunft jede Matznahme darauf ansehen, nicht nur ob sie sozialistisch, sondern auch darauf, ob sie praktisch ist, und wir dürfen uns nur für solche Maßnahmen entscheiden, von denen wir mit ruhiger Zuversicht eine Förderung des Volkes, des arbeitenden Volkes erwarten dürfen." Damit ist zweifellos auch der Internationalismus Vcrnsteinscher Art abgelehnt. Auch Scheidemann wünscht eine auswärtige Politik nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit: Macht vergeht, Recht besteht! Die Regierung wolle nicht um den Frieden feilschen, um ein paar Nachteile weniger in Kauf nehmen zu müssen. Sie mache nicht Zugeständnisse, weil sich Deutschland als der Schwache vor den Starken ducken müsse, sondern weil sie sich zu der Überzeugung durchgerungen habe, daß nicht alle Forderungen der Gegner unberechtigt sind. Wären wir die Sieger und lägen die Gegner am Boden, dann nutzten wir seiner Ansicht nach erst recht das zerstörte Frankreich und Belgien auf unsere Kosten aufbauen. Man kann natürlich auch hier wieder sagen, mit solchen Äußerungen liefere der Reichs- Ministerpräsident dorr Feinden Argumente. Doch wird man damit nie Eindruck auf Scheidemann machen und wird ihm auch nicht gerecht. Der rechtsstehenden Presse ist die Politik gut, die Deutschland Vorteil bringt. Nach Meinung der Altdeutschen kann man in der Politik nur Hammer oder Amboß sein. Scheidemann dagegen hofft, die. Völker für das Ideal der Gerechtigkeit zu begeistern, sie zu der Einsicht zu überreden, daß bei gegenseitiger Rücksichtnahme und Gerechtigkeit der Weltfrieden allein gesichert und dem wahren Vorteil jedes einzelnen Volkes, auch wenn eS im Augenblick benachteiligt erscheint, am besten gedient sei. Unsere gegenwärtige Negierung will prinzipiell zugestehen, daß Belgien und zum Teil auch Frankreich, auf dessen Boden der Krieg geführt worden ist, von uns Unrecht geschehen ist Auch der f ühere Reichskanzler von Bethmann Hollweg hält in seinen „Betrachtungen zum Weltkrieg" (I Seite 168) seinen vielbefehdeten Ausspruch vom 4. August 1914 vom „Unrecht" gegen Belgien ausdrücklich aufrecht. Die Regierung handelt in dieser Beziehung in ihrer auswärtigen Politik nach einem Grundsatz, der allerdings unerprobt ist, der aber doch gradlinig ein Ziel verfolgt, nämlich das Ziel, durch das Beispiel einer Gerechtigkeit auch aus eigene Kosten, wenn es sein mich, die andern Völker zur Achtung und durch moralischen Zwang schließlich zur Nachahmung zu zwingen. Diese Politik enthält immerhin einen einhntlichdn großen Grundgedanken, und ich möchte hier nur feststellen, datz sie auf so völlig anderen Grundlagen beruht, als die nationalistische auswärtige Politik, wie sie zum Beispiel die Altdeutschen empfohlen haben, daß es keinen Zweck hat, denn nationalistischen Standpunkte immer wieder über Scheidemann und seine Gesinnungsgenossen abzuurteilen. Die Sozialdemokratie greift ein grotzes Unter¬ nehmen an:' sie will das Beispiel einer moralischen, unegoistischen auswärtigen Politik geben. Sie wird dieses Beispiel schwerlich durchführen können, weil die materialistische Gesinnung, in der sie ja selber die Arbeiterklasse bestärkt hat, "nrner wieder bald eine egoistische Politik erzwingen wird. Noch spüren die Arbiter nicht die Fremdherrschaft der Westmächte am eigenen Leibe. Wenn sie sie spüren werden, dann wird die Hinwendung zum Nationalismus sehr bald erfolgen. Auch der Bolschewismus in Rutzland und Ungarn ist rationalistisch geworden. Nur eine religiöse Erziehung der Völker wird die Welt allmählich für eure Politik internationaler Gerechtigkeit reifer machen. Die Sozialdemokratie, die das Christentum haßt und ersetzen möchte, wird dadurch gestraft werden, daß ihre internationalen Ideale durch die Klassenhaßpropaganda, durch die Erziehung zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/319>, abgerufen am 18.12.2024.