Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Deutschösterreich nach den Landtagswahlen auch ohne sie möglich geblieben. Jedenfalls waren die Voraussetzungen dazu Die Mehrheitsparteieu führten den Kampf gegen beide Gruppen von Gegnern Die Forderung der Kommunisten nach einer Rütercgierung und nach Deutschösterreich nach den Landtagswahlen auch ohne sie möglich geblieben. Jedenfalls waren die Voraussetzungen dazu Die Mehrheitsparteieu führten den Kampf gegen beide Gruppen von Gegnern Die Forderung der Kommunisten nach einer Rütercgierung und nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335705"/> <fw type="header" place="top"> Deutschösterreich nach den Landtagswahlen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1262" prev="#ID_1261"> auch ohne sie möglich geblieben. Jedenfalls waren die Voraussetzungen dazu<lb/> günstiger als in Deutschland, wo eine starke demokratische Partei den Sozialisten<lb/> nahe steht und auch das Zentrum leichter nach links als nach rechts Anschluß<lb/> fand. Aber auch in Deulschösterreich fanden sich die beiden starken Parteien rasch<lb/> zu einer Arbeitsmehrheit und gemeinsamer Regierung zusammen. Die dritte, die<lb/> sich den Namen der großdeutschen beilegte, mutzte es bei ihrer numerischen<lb/> Schwäche ablehnen, die Verantwortung mit zu übernehmen und daher schieden<lb/> auch einige sehr tüchtige Männer von leitenden Stellen. Das wiederholte sich<lb/> nach den Landtagswahlen. Ein Vorteil für diese nunmehrige Opposition lag<lb/> darin, daß sich die Bauernpartei, mit Einschluß und unter Führung der steirischen<lb/> Gruppe, zwar als selbständiger Verband, aber innerhalb der großdeutschen Partei<lb/> konstituierte. Die Werbekraft dieser Gruppe, die sehr geschickt auch in den Stadien<lb/> Anhänger sucht, kam also den Großdeutschen zugute. Für die Landtagswahlen,<lb/> die in einzelnen Ländern schon im Gange sind, hatte gerade diese antiklerikale<lb/> Partei gute Aussichten. Aber ihr Erfolg blieb hinter den Erwartungen zurück.<lb/> Selbst der nachdrückliche Hinweis darauf, daß die sozialdemokratisch-christlichsoziale<lb/> Regierung in de-n Ernährungsfragen keine neuen erfolgreichen Wege weisen konnte<lb/> — und ebenso jener auf die Unnatur des Bündnisses zwischen .'.Michel Schwarz<lb/> und Jsidor Noth" wirkte nicht im, erhofften Maße. Auch die antisemitische national¬<lb/> sozialistische Partei teilte das Schicksal der bürgerlichen Parteien, mit denen sie<lb/> sich vielfach unter nationalem Banner zusammenfand. Unter diesen schnitten die<lb/> Nationaldemokraten, deren Programm ich in dem früheren Aufsatz darlegte (Seite<lb/> 175 soll es heißen: Volksabstimmung und Vorschlagsrecht in allen wichtigen<lb/> Fragen) verhältnismäßig gut ab. Gegen die Mehrheitsparteien erhoben sich aber<lb/> auch die Kommunisten. Diese wissen, wie wir in Graz sehen konnten, sehr<lb/> geschickt zu arbeiten. Sie lassen ihre Umsturzideen stark in den Hintergrund<lb/> treten und betonen alles, was ihnen mit der Sozialdemokratie gemeinsam ist,<lb/> so daß deren Anhänger sich fragen mögen, warum eigentlich ihre Führer<lb/> sie zu so entschiedenem Kampf gegen die Kommunisten aufrufen. Und mancher<lb/> mag die Antwort in der Richtung finden, in welche die antisemitischen Parteien<lb/> weisen. Sind doch in Graz die sozialdemokratischen Führer, die in einer großen<lb/> Kommunistenversainmlung sprachen, durch wenig liebenswürdige vielstimmige<lb/> Zurufe an ihre Rassenangehörigkeit erinnert worden!</p><lb/> <p xml:id="ID_1263"> Die Mehrheitsparteieu führten den Kampf gegen beide Gruppen von Gegnern<lb/> mit recht verschiedenen Waffen. Die nationalen mit ihrer Parteizersplitternng<lb/> suchten sie dadurch zu treffen, daß für die Landtagswahlen mancher Länder die<lb/> Koppelung der Listen verboten wurde, ferner dadurch, daß Landtags- und<lb/> Gemeindewahlen (wo es Bezirksvertretungen gibt, auch die Wahlen in diese)<lb/> Zugleich und mit derselben Liste stattfanden. Das verwirrte die weniger<lb/> geschlossenen Wähler der „dritten Partei" und verhinderte zugleich, daß bei den<lb/> Landtags- und Gemeindewahlen andere als parteipolitische Gesichtspunkte zur<lb/> Geltung kommen. Die wirtschaftlichen Gesichtspunkte und das Streben, in der<lb/> Verwaltung und Wirtschaft erprobte Personen ohne Rücksicht auf ihre Partei-,<lb/> Stellung zu wählen, also auch die Aufstellung „unpolitischer" Listen kämen natur-<lb/> gemäß den nationalen zugute — und das sollte verhindert werden. Die<lb/> nationalen Parteien wußten aber diese Lehre nicht genug zu beherzigen und ver¬<lb/> säumten es vielfach, die verbotene Koppelung durch das allein übrig bleibende<lb/> Hilfsmittel, gemeinsame Kandidatenlisten, zu ersetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1264" next="#ID_1265"> Die Forderung der Kommunisten nach einer Rütercgierung und nach<lb/> Diktatur des Proletariats, die durch die Nachrichten aus Ungarn und aus<lb/> Bayern und die verbreiteten verführerischen Schilderungen der in Ungarn<lb/> angeblich entstehenden Musterordnung natürlich an Kraft gewann, hat in den<lb/> Massen Anklang gefunden. Demgegenüber bringen die sozialdemokratischen<lb/> Führer den folgenden Gedankengang vor. Ihre Ideale seien dieselben wie die<lb/> der Kommunisten. Aber sie ließen sich nicht im Fluge verwirklichen und die Ein-<lb/> führung einer Näteregierung würde zurzeit diese Verwirklichung sogar verzögern.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0293]
Deutschösterreich nach den Landtagswahlen
auch ohne sie möglich geblieben. Jedenfalls waren die Voraussetzungen dazu
günstiger als in Deutschland, wo eine starke demokratische Partei den Sozialisten
nahe steht und auch das Zentrum leichter nach links als nach rechts Anschluß
fand. Aber auch in Deulschösterreich fanden sich die beiden starken Parteien rasch
zu einer Arbeitsmehrheit und gemeinsamer Regierung zusammen. Die dritte, die
sich den Namen der großdeutschen beilegte, mutzte es bei ihrer numerischen
Schwäche ablehnen, die Verantwortung mit zu übernehmen und daher schieden
auch einige sehr tüchtige Männer von leitenden Stellen. Das wiederholte sich
nach den Landtagswahlen. Ein Vorteil für diese nunmehrige Opposition lag
darin, daß sich die Bauernpartei, mit Einschluß und unter Führung der steirischen
Gruppe, zwar als selbständiger Verband, aber innerhalb der großdeutschen Partei
konstituierte. Die Werbekraft dieser Gruppe, die sehr geschickt auch in den Stadien
Anhänger sucht, kam also den Großdeutschen zugute. Für die Landtagswahlen,
die in einzelnen Ländern schon im Gange sind, hatte gerade diese antiklerikale
Partei gute Aussichten. Aber ihr Erfolg blieb hinter den Erwartungen zurück.
Selbst der nachdrückliche Hinweis darauf, daß die sozialdemokratisch-christlichsoziale
Regierung in de-n Ernährungsfragen keine neuen erfolgreichen Wege weisen konnte
— und ebenso jener auf die Unnatur des Bündnisses zwischen .'.Michel Schwarz
und Jsidor Noth" wirkte nicht im, erhofften Maße. Auch die antisemitische national¬
sozialistische Partei teilte das Schicksal der bürgerlichen Parteien, mit denen sie
sich vielfach unter nationalem Banner zusammenfand. Unter diesen schnitten die
Nationaldemokraten, deren Programm ich in dem früheren Aufsatz darlegte (Seite
175 soll es heißen: Volksabstimmung und Vorschlagsrecht in allen wichtigen
Fragen) verhältnismäßig gut ab. Gegen die Mehrheitsparteien erhoben sich aber
auch die Kommunisten. Diese wissen, wie wir in Graz sehen konnten, sehr
geschickt zu arbeiten. Sie lassen ihre Umsturzideen stark in den Hintergrund
treten und betonen alles, was ihnen mit der Sozialdemokratie gemeinsam ist,
so daß deren Anhänger sich fragen mögen, warum eigentlich ihre Führer
sie zu so entschiedenem Kampf gegen die Kommunisten aufrufen. Und mancher
mag die Antwort in der Richtung finden, in welche die antisemitischen Parteien
weisen. Sind doch in Graz die sozialdemokratischen Führer, die in einer großen
Kommunistenversainmlung sprachen, durch wenig liebenswürdige vielstimmige
Zurufe an ihre Rassenangehörigkeit erinnert worden!
Die Mehrheitsparteieu führten den Kampf gegen beide Gruppen von Gegnern
mit recht verschiedenen Waffen. Die nationalen mit ihrer Parteizersplitternng
suchten sie dadurch zu treffen, daß für die Landtagswahlen mancher Länder die
Koppelung der Listen verboten wurde, ferner dadurch, daß Landtags- und
Gemeindewahlen (wo es Bezirksvertretungen gibt, auch die Wahlen in diese)
Zugleich und mit derselben Liste stattfanden. Das verwirrte die weniger
geschlossenen Wähler der „dritten Partei" und verhinderte zugleich, daß bei den
Landtags- und Gemeindewahlen andere als parteipolitische Gesichtspunkte zur
Geltung kommen. Die wirtschaftlichen Gesichtspunkte und das Streben, in der
Verwaltung und Wirtschaft erprobte Personen ohne Rücksicht auf ihre Partei-,
Stellung zu wählen, also auch die Aufstellung „unpolitischer" Listen kämen natur-
gemäß den nationalen zugute — und das sollte verhindert werden. Die
nationalen Parteien wußten aber diese Lehre nicht genug zu beherzigen und ver¬
säumten es vielfach, die verbotene Koppelung durch das allein übrig bleibende
Hilfsmittel, gemeinsame Kandidatenlisten, zu ersetzen.
Die Forderung der Kommunisten nach einer Rütercgierung und nach
Diktatur des Proletariats, die durch die Nachrichten aus Ungarn und aus
Bayern und die verbreiteten verführerischen Schilderungen der in Ungarn
angeblich entstehenden Musterordnung natürlich an Kraft gewann, hat in den
Massen Anklang gefunden. Demgegenüber bringen die sozialdemokratischen
Führer den folgenden Gedankengang vor. Ihre Ideale seien dieselben wie die
der Kommunisten. Aber sie ließen sich nicht im Fluge verwirklichen und die Ein-
führung einer Näteregierung würde zurzeit diese Verwirklichung sogar verzögern.
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