Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf den Pfaden der Sozialisierung

erwiesen und der Staatskapitalismus könnte aus dem Regen unter die Traufe
führen. Es sei daher zweckmäßiger, ohne Winkelzüge sich auf den Boden des
sozialistischen Prinzips zu stellen. Die Wünsche der Arbeiter aber gingen dahin,
die Betriebe durchgreifend zu dewokratisieren, das Kapital als gebietende Macht
auszuschalten und die Wirtschaftssähigteit auf die schaffenden Persönlichkeiten
auszudehnen. Das soll wie folgt geschehen: der gesamte deutsche .Kohlenbergbau
wird zu einem einheitlichen leistungsfähigen .Wirtschaftskörper umgeformt. Die
privaten Unternehmungen ebenso wie die des Staates gehen in das Eigentum
des Wirtschaftskörpers über. Es entsteht eine große gemeinwirtschaftliche Kohlen¬
organisation, deren Geschäfte durch Arbeiterschaft, 'Betriebsleitungen und die
Allgemeinheit geführt werden. 'Sie erwartet von ihrem Vorschläge, "daß der
Initiative, der Leistung und der Arbeitsfreudigkeit aller in dem Betriebe Tätigen
der weiteste Spielraum gegeben wird". Vor allem rechnet sie mit der "inneren
Anteilnahme des letzten Arbeiters am Erfolg des gemeinsamen Werkes". Die
"deutsche Kohlengemeinschaft", das leitende Wirtschaftsinstrument, dem auch
Verbraucher angehören sollen, würde demnach ein gemischt-wirtschaftliches Unter¬
nehmen darstellen, dessen Spitze sich gegen das Privatkapital richtet und insofern
dem Sozialismus dienstbar ist, an dessen .Fähigkeiten aber, die Kohlenwirtschaft
auf eine höhere Stufe der Entwicklung emporzuheben, man füglich zweifeln rann.
Um auch der Demokratie zu ihrem Rechte zu verhelfen, wird von der Kommission
ein weitläufiger Aufbau von Arbeitervertretungen innerhalb der Bergbaubetriebe
vorgeschlagen, doch sollen die Löhne nach den individuellen Leistungen bestimmt
werden. -- Diese Grundzüge würden dem alten Wirtschaftssystem zwar einen
kräftigen Stoß versetzen, zur Sozialisierung aber Neuerungen.empfehlen, die
weder der Allgemeinheit Vorteile, noch den Sozialisten Erfüllung ihres Begehrens
in Aussicht stellen können. Der Abstand dieses Mehrheitsvotums von dem
zustande gekommenen Reichskohlengesetz prägt sich im Übergang des Privatbesitzes
an die Gemeinschaft laus.

Einer weit größeren Anpassung an die konkreten Verhältnisse hat die
Kommissionsminderheit sich befleißigt. Ihr ist in der Hauptsache auch der
Gesetzentwurf der Reichsregierung gefolgt. Die Minderheit verzichtet auf die
Erwerbung aller Kohlenbergwerke, zumal das eine riesenhafte Entschädigungs¬
summe erfordern würde, und legt das Hauptgewicht auf eine einheitliche Gesamt¬
organisation, in der die Arbeiter und Angestellten der Werke, der Staat und die
Abnehmer einen entscheidenden Einfluß erhalten sollen. Dieses Sondergutachten
betont, daß man die Initiative des Privatkapitalisten aus dem Bergbau nicht
ausschalten dürfe, um so weniger als die Technik gerade gegenwärtig in einer so
bedeutsamen Umgestaltung begriffen sei, daß nur zwingende Gründe es recht¬
fertigen könnten, den unentbehrlichen Unternehmungsgeist der freien Unter¬
nehmer zu unterbinden.

In der Nationalversammlung sind die Sozialisierungsgesetze einem kurze",
aber heftigen Kreuzfeuer von Verteidigern und Angreifern ausgesetzt gewesen.
Man wird es verstehen können, daß ihnen von einem Redner der unabhängigen
Sozialdemokratie Halbheit und Hohlheit vorgeworfen wurde. Die unter dem
Titel der Gemeinwirtschaft sich einführende amtliche Sozialisierung läßt eben die
heißen Wünsche der marxistischen Schwärmer nach umgehender Aufrichtung einer
Wirtschaftsordnung im Sinne des konununistischen Manifestes vorerst unerfüllt.
Die kapitalistische Produktion in der Kohlenindustrie wird vom Gesetzgeber
einigermaßen schonend angefaßt, um eines der stärksten Fundamente unseres
Wirtschaftsblühens nicht willkürlich zu zertrümmern. Der bereitgestellte Kontroll¬
apparat wird aber, wie zu befürchten, die Zügel seiner Vollmachten strammer
anziehen als mit keiner normalen Entwicklung verträglich ist. Die allgemeinen
Grundzüge des Mantelgesetzes deuten zur Genüge an, wohin die Reise gehen soll.
Bon berufenster Seite find die Gesetze als Meilensteine bezeichnet worden; diese
liegen in der Richtung zu den Endzielen der sozialen Revolution. Die Auslegung
der Regierung, daß die Sozialisierung nichts anderes als eine gemeinwirtschaftliche
Regelung für solche Fälle darstelle, die dazu "geeignet" erscheinen, könnte


Auf den Pfaden der Sozialisierung

erwiesen und der Staatskapitalismus könnte aus dem Regen unter die Traufe
führen. Es sei daher zweckmäßiger, ohne Winkelzüge sich auf den Boden des
sozialistischen Prinzips zu stellen. Die Wünsche der Arbeiter aber gingen dahin,
die Betriebe durchgreifend zu dewokratisieren, das Kapital als gebietende Macht
auszuschalten und die Wirtschaftssähigteit auf die schaffenden Persönlichkeiten
auszudehnen. Das soll wie folgt geschehen: der gesamte deutsche .Kohlenbergbau
wird zu einem einheitlichen leistungsfähigen .Wirtschaftskörper umgeformt. Die
privaten Unternehmungen ebenso wie die des Staates gehen in das Eigentum
des Wirtschaftskörpers über. Es entsteht eine große gemeinwirtschaftliche Kohlen¬
organisation, deren Geschäfte durch Arbeiterschaft, 'Betriebsleitungen und die
Allgemeinheit geführt werden. 'Sie erwartet von ihrem Vorschläge, „daß der
Initiative, der Leistung und der Arbeitsfreudigkeit aller in dem Betriebe Tätigen
der weiteste Spielraum gegeben wird". Vor allem rechnet sie mit der „inneren
Anteilnahme des letzten Arbeiters am Erfolg des gemeinsamen Werkes". Die
„deutsche Kohlengemeinschaft", das leitende Wirtschaftsinstrument, dem auch
Verbraucher angehören sollen, würde demnach ein gemischt-wirtschaftliches Unter¬
nehmen darstellen, dessen Spitze sich gegen das Privatkapital richtet und insofern
dem Sozialismus dienstbar ist, an dessen .Fähigkeiten aber, die Kohlenwirtschaft
auf eine höhere Stufe der Entwicklung emporzuheben, man füglich zweifeln rann.
Um auch der Demokratie zu ihrem Rechte zu verhelfen, wird von der Kommission
ein weitläufiger Aufbau von Arbeitervertretungen innerhalb der Bergbaubetriebe
vorgeschlagen, doch sollen die Löhne nach den individuellen Leistungen bestimmt
werden. — Diese Grundzüge würden dem alten Wirtschaftssystem zwar einen
kräftigen Stoß versetzen, zur Sozialisierung aber Neuerungen.empfehlen, die
weder der Allgemeinheit Vorteile, noch den Sozialisten Erfüllung ihres Begehrens
in Aussicht stellen können. Der Abstand dieses Mehrheitsvotums von dem
zustande gekommenen Reichskohlengesetz prägt sich im Übergang des Privatbesitzes
an die Gemeinschaft laus.

Einer weit größeren Anpassung an die konkreten Verhältnisse hat die
Kommissionsminderheit sich befleißigt. Ihr ist in der Hauptsache auch der
Gesetzentwurf der Reichsregierung gefolgt. Die Minderheit verzichtet auf die
Erwerbung aller Kohlenbergwerke, zumal das eine riesenhafte Entschädigungs¬
summe erfordern würde, und legt das Hauptgewicht auf eine einheitliche Gesamt¬
organisation, in der die Arbeiter und Angestellten der Werke, der Staat und die
Abnehmer einen entscheidenden Einfluß erhalten sollen. Dieses Sondergutachten
betont, daß man die Initiative des Privatkapitalisten aus dem Bergbau nicht
ausschalten dürfe, um so weniger als die Technik gerade gegenwärtig in einer so
bedeutsamen Umgestaltung begriffen sei, daß nur zwingende Gründe es recht¬
fertigen könnten, den unentbehrlichen Unternehmungsgeist der freien Unter¬
nehmer zu unterbinden.

In der Nationalversammlung sind die Sozialisierungsgesetze einem kurze«,
aber heftigen Kreuzfeuer von Verteidigern und Angreifern ausgesetzt gewesen.
Man wird es verstehen können, daß ihnen von einem Redner der unabhängigen
Sozialdemokratie Halbheit und Hohlheit vorgeworfen wurde. Die unter dem
Titel der Gemeinwirtschaft sich einführende amtliche Sozialisierung läßt eben die
heißen Wünsche der marxistischen Schwärmer nach umgehender Aufrichtung einer
Wirtschaftsordnung im Sinne des konununistischen Manifestes vorerst unerfüllt.
Die kapitalistische Produktion in der Kohlenindustrie wird vom Gesetzgeber
einigermaßen schonend angefaßt, um eines der stärksten Fundamente unseres
Wirtschaftsblühens nicht willkürlich zu zertrümmern. Der bereitgestellte Kontroll¬
apparat wird aber, wie zu befürchten, die Zügel seiner Vollmachten strammer
anziehen als mit keiner normalen Entwicklung verträglich ist. Die allgemeinen
Grundzüge des Mantelgesetzes deuten zur Genüge an, wohin die Reise gehen soll.
Bon berufenster Seite find die Gesetze als Meilensteine bezeichnet worden; diese
liegen in der Richtung zu den Endzielen der sozialen Revolution. Die Auslegung
der Regierung, daß die Sozialisierung nichts anderes als eine gemeinwirtschaftliche
Regelung für solche Fälle darstelle, die dazu „geeignet" erscheinen, könnte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335434"/>
          <fw type="header" place="top"> Auf den Pfaden der Sozialisierung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_43" prev="#ID_42"> erwiesen und der Staatskapitalismus könnte aus dem Regen unter die Traufe<lb/>
führen. Es sei daher zweckmäßiger, ohne Winkelzüge sich auf den Boden des<lb/>
sozialistischen Prinzips zu stellen. Die Wünsche der Arbeiter aber gingen dahin,<lb/>
die Betriebe durchgreifend zu dewokratisieren, das Kapital als gebietende Macht<lb/>
auszuschalten und die Wirtschaftssähigteit auf die schaffenden Persönlichkeiten<lb/>
auszudehnen. Das soll wie folgt geschehen: der gesamte deutsche .Kohlenbergbau<lb/>
wird zu einem einheitlichen leistungsfähigen .Wirtschaftskörper umgeformt. Die<lb/>
privaten Unternehmungen ebenso wie die des Staates gehen in das Eigentum<lb/>
des Wirtschaftskörpers über. Es entsteht eine große gemeinwirtschaftliche Kohlen¬<lb/>
organisation, deren Geschäfte durch Arbeiterschaft, 'Betriebsleitungen und die<lb/>
Allgemeinheit geführt werden. 'Sie erwartet von ihrem Vorschläge, &#x201E;daß der<lb/>
Initiative, der Leistung und der Arbeitsfreudigkeit aller in dem Betriebe Tätigen<lb/>
der weiteste Spielraum gegeben wird". Vor allem rechnet sie mit der &#x201E;inneren<lb/>
Anteilnahme des letzten Arbeiters am Erfolg des gemeinsamen Werkes". Die<lb/>
&#x201E;deutsche Kohlengemeinschaft", das leitende Wirtschaftsinstrument, dem auch<lb/>
Verbraucher angehören sollen, würde demnach ein gemischt-wirtschaftliches Unter¬<lb/>
nehmen darstellen, dessen Spitze sich gegen das Privatkapital richtet und insofern<lb/>
dem Sozialismus dienstbar ist, an dessen .Fähigkeiten aber, die Kohlenwirtschaft<lb/>
auf eine höhere Stufe der Entwicklung emporzuheben, man füglich zweifeln rann.<lb/>
Um auch der Demokratie zu ihrem Rechte zu verhelfen, wird von der Kommission<lb/>
ein weitläufiger Aufbau von Arbeitervertretungen innerhalb der Bergbaubetriebe<lb/>
vorgeschlagen, doch sollen die Löhne nach den individuellen Leistungen bestimmt<lb/>
werden. &#x2014; Diese Grundzüge würden dem alten Wirtschaftssystem zwar einen<lb/>
kräftigen Stoß versetzen, zur Sozialisierung aber Neuerungen.empfehlen, die<lb/>
weder der Allgemeinheit Vorteile, noch den Sozialisten Erfüllung ihres Begehrens<lb/>
in Aussicht stellen können. Der Abstand dieses Mehrheitsvotums von dem<lb/>
zustande gekommenen Reichskohlengesetz prägt sich im Übergang des Privatbesitzes<lb/>
an die Gemeinschaft laus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_44"> Einer weit größeren Anpassung an die konkreten Verhältnisse hat die<lb/>
Kommissionsminderheit sich befleißigt. Ihr ist in der Hauptsache auch der<lb/>
Gesetzentwurf der Reichsregierung gefolgt. Die Minderheit verzichtet auf die<lb/>
Erwerbung aller Kohlenbergwerke, zumal das eine riesenhafte Entschädigungs¬<lb/>
summe erfordern würde, und legt das Hauptgewicht auf eine einheitliche Gesamt¬<lb/>
organisation, in der die Arbeiter und Angestellten der Werke, der Staat und die<lb/>
Abnehmer einen entscheidenden Einfluß erhalten sollen. Dieses Sondergutachten<lb/>
betont, daß man die Initiative des Privatkapitalisten aus dem Bergbau nicht<lb/>
ausschalten dürfe, um so weniger als die Technik gerade gegenwärtig in einer so<lb/>
bedeutsamen Umgestaltung begriffen sei, daß nur zwingende Gründe es recht¬<lb/>
fertigen könnten, den unentbehrlichen Unternehmungsgeist der freien Unter¬<lb/>
nehmer zu unterbinden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_45" next="#ID_46"> In der Nationalversammlung sind die Sozialisierungsgesetze einem kurze«,<lb/>
aber heftigen Kreuzfeuer von Verteidigern und Angreifern ausgesetzt gewesen.<lb/>
Man wird es verstehen können, daß ihnen von einem Redner der unabhängigen<lb/>
Sozialdemokratie Halbheit und Hohlheit vorgeworfen wurde. Die unter dem<lb/>
Titel der Gemeinwirtschaft sich einführende amtliche Sozialisierung läßt eben die<lb/>
heißen Wünsche der marxistischen Schwärmer nach umgehender Aufrichtung einer<lb/>
Wirtschaftsordnung im Sinne des konununistischen Manifestes vorerst unerfüllt.<lb/>
Die kapitalistische Produktion in der Kohlenindustrie wird vom Gesetzgeber<lb/>
einigermaßen schonend angefaßt, um eines der stärksten Fundamente unseres<lb/>
Wirtschaftsblühens nicht willkürlich zu zertrümmern. Der bereitgestellte Kontroll¬<lb/>
apparat wird aber, wie zu befürchten, die Zügel seiner Vollmachten strammer<lb/>
anziehen als mit keiner normalen Entwicklung verträglich ist. Die allgemeinen<lb/>
Grundzüge des Mantelgesetzes deuten zur Genüge an, wohin die Reise gehen soll.<lb/>
Bon berufenster Seite find die Gesetze als Meilensteine bezeichnet worden; diese<lb/>
liegen in der Richtung zu den Endzielen der sozialen Revolution. Die Auslegung<lb/>
der Regierung, daß die Sozialisierung nichts anderes als eine gemeinwirtschaftliche<lb/>
Regelung für solche Fälle darstelle, die dazu &#x201E;geeignet" erscheinen, könnte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] Auf den Pfaden der Sozialisierung erwiesen und der Staatskapitalismus könnte aus dem Regen unter die Traufe führen. Es sei daher zweckmäßiger, ohne Winkelzüge sich auf den Boden des sozialistischen Prinzips zu stellen. Die Wünsche der Arbeiter aber gingen dahin, die Betriebe durchgreifend zu dewokratisieren, das Kapital als gebietende Macht auszuschalten und die Wirtschaftssähigteit auf die schaffenden Persönlichkeiten auszudehnen. Das soll wie folgt geschehen: der gesamte deutsche .Kohlenbergbau wird zu einem einheitlichen leistungsfähigen .Wirtschaftskörper umgeformt. Die privaten Unternehmungen ebenso wie die des Staates gehen in das Eigentum des Wirtschaftskörpers über. Es entsteht eine große gemeinwirtschaftliche Kohlen¬ organisation, deren Geschäfte durch Arbeiterschaft, 'Betriebsleitungen und die Allgemeinheit geführt werden. 'Sie erwartet von ihrem Vorschläge, „daß der Initiative, der Leistung und der Arbeitsfreudigkeit aller in dem Betriebe Tätigen der weiteste Spielraum gegeben wird". Vor allem rechnet sie mit der „inneren Anteilnahme des letzten Arbeiters am Erfolg des gemeinsamen Werkes". Die „deutsche Kohlengemeinschaft", das leitende Wirtschaftsinstrument, dem auch Verbraucher angehören sollen, würde demnach ein gemischt-wirtschaftliches Unter¬ nehmen darstellen, dessen Spitze sich gegen das Privatkapital richtet und insofern dem Sozialismus dienstbar ist, an dessen .Fähigkeiten aber, die Kohlenwirtschaft auf eine höhere Stufe der Entwicklung emporzuheben, man füglich zweifeln rann. Um auch der Demokratie zu ihrem Rechte zu verhelfen, wird von der Kommission ein weitläufiger Aufbau von Arbeitervertretungen innerhalb der Bergbaubetriebe vorgeschlagen, doch sollen die Löhne nach den individuellen Leistungen bestimmt werden. — Diese Grundzüge würden dem alten Wirtschaftssystem zwar einen kräftigen Stoß versetzen, zur Sozialisierung aber Neuerungen.empfehlen, die weder der Allgemeinheit Vorteile, noch den Sozialisten Erfüllung ihres Begehrens in Aussicht stellen können. Der Abstand dieses Mehrheitsvotums von dem zustande gekommenen Reichskohlengesetz prägt sich im Übergang des Privatbesitzes an die Gemeinschaft laus. Einer weit größeren Anpassung an die konkreten Verhältnisse hat die Kommissionsminderheit sich befleißigt. Ihr ist in der Hauptsache auch der Gesetzentwurf der Reichsregierung gefolgt. Die Minderheit verzichtet auf die Erwerbung aller Kohlenbergwerke, zumal das eine riesenhafte Entschädigungs¬ summe erfordern würde, und legt das Hauptgewicht auf eine einheitliche Gesamt¬ organisation, in der die Arbeiter und Angestellten der Werke, der Staat und die Abnehmer einen entscheidenden Einfluß erhalten sollen. Dieses Sondergutachten betont, daß man die Initiative des Privatkapitalisten aus dem Bergbau nicht ausschalten dürfe, um so weniger als die Technik gerade gegenwärtig in einer so bedeutsamen Umgestaltung begriffen sei, daß nur zwingende Gründe es recht¬ fertigen könnten, den unentbehrlichen Unternehmungsgeist der freien Unter¬ nehmer zu unterbinden. In der Nationalversammlung sind die Sozialisierungsgesetze einem kurze«, aber heftigen Kreuzfeuer von Verteidigern und Angreifern ausgesetzt gewesen. Man wird es verstehen können, daß ihnen von einem Redner der unabhängigen Sozialdemokratie Halbheit und Hohlheit vorgeworfen wurde. Die unter dem Titel der Gemeinwirtschaft sich einführende amtliche Sozialisierung läßt eben die heißen Wünsche der marxistischen Schwärmer nach umgehender Aufrichtung einer Wirtschaftsordnung im Sinne des konununistischen Manifestes vorerst unerfüllt. Die kapitalistische Produktion in der Kohlenindustrie wird vom Gesetzgeber einigermaßen schonend angefaßt, um eines der stärksten Fundamente unseres Wirtschaftsblühens nicht willkürlich zu zertrümmern. Der bereitgestellte Kontroll¬ apparat wird aber, wie zu befürchten, die Zügel seiner Vollmachten strammer anziehen als mit keiner normalen Entwicklung verträglich ist. Die allgemeinen Grundzüge des Mantelgesetzes deuten zur Genüge an, wohin die Reise gehen soll. Bon berufenster Seite find die Gesetze als Meilensteine bezeichnet worden; diese liegen in der Richtung zu den Endzielen der sozialen Revolution. Die Auslegung der Regierung, daß die Sozialisierung nichts anderes als eine gemeinwirtschaftliche Regelung für solche Fälle darstelle, die dazu „geeignet" erscheinen, könnte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/26
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/26>, abgerufen am 09.11.2024.