Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf den Pfaden der Sozialifiermig

Organisationen ausschließt, andererseits aber auch die Verfügungsrechte der bureau¬
kratischen Aussichts- und Anordnungsorgane einschränkt. Welche Art von Gesell-
schaftsgebilden aus den allgemeinen Richtlinien herzuleiten wären, wird nicht näher
angedeutet, offenbar in der Absicht, die organisatorischen Matznahmen von Fall
zu Fall den praktischen Bedürfnissen anzupassen So bleibt die Frage beispiels¬
weise offen, ob die monopolistische Zusammenfassung jedesmal für einen ganzen
Erwerbszweig und einheiilich für das ganze Reichsgebiet erfolgen oder ob daneben
privaten Unternehmungen grundsätzlich die EMenzberechnung zugestanden werden
soll. Das im Sozialisierungsgesetz niedergelegte Prinzip soll auf die möglichste
Steigerung der Wirtschaftlichkeit hinwirken, ob aber der prakiische Erfolg den
Erwartungen der Wirtschaflsreformer entsprechen wird, ist allerdings sehr fraglich.
Daher ist der temperamentvolle Widerspruch der rechtsstehenden Parteien in der
Nationalversammlung gegen ein Gesetz begreiflich, das einer Kriegserklärung an
die überlieferten und in Zeiten des Aufblühens unserer Volkswirtschaft bewährten
Wirtschaftsformen ähnlich sieht, ohne den wirtschaftlichen Fortschritt verbürgen
zu können.

Für die praktische Gestaltung der Sozialisierungspläne bietet das Gesetz
über die Regelung der Kohlenwirtschaft einige Anhaltspunkte. In ihm wird im
wesentlichen bestimmt, daß die Kohlenproduzenten bezirksweise zu Verbänden und
diese zu einem Gesamtverband zusammengeschlossen werden. Den Verbänden liegt
die Regrlung von Fmderung, Selbstverbrauch und Absatz unter Aufsicht eines zu
errichtenden Neichscvhlenrais ob, dem die Direktiven von einem durch die Re¬
gierung einberufenen Sachverständigenrat sür die Kohlen wirtschaft erteilt werden.
In den beratenden und leitenden Zentralorganen sollen Arbeitgeber, Arbeitnehmer,
auch Regierungsdelegierte und Kohlenverbraucher zu Worte kommen. -- Nach
dem zum Gesetz erhobenen Organisationsentwurf wird die privatwirtschaftliche
Initiative also nicht ausgeschaltet, jedoch einer so weitgehenden Einschnürung
unterworfen, daß für die Bewegungsfreiheit des Unternehmers schwerlich noch
viel Raum übrigbleiben dürfte. Jedenfalls geht mit diesem Bewirtschaftungs-
system die Hauptlast der Verantwortung für das Gedeihen der deutschen Kohlen¬
industrie auf eine Gemeinschaft über, auf deren Betätigung in wirklich gemein¬
nützigen Sinne, wozu auch die Schonung der privatkapitalistischen Interessen
gehört, man keine grotze Hoffnungen bauen darf.

Zur besseren Jllustrierung des Sozialisierungswillens empfiehlt es sich,
die Vorschläge kennen zu lernen, die von der amtlich niedergesetzten, beratenden
Sozialisierungskommission zur Reglementierung der Kohlenwirtschaft gemacht
wurden. Der vom Regierungsentwurs abweichende Kommissionsbericht bietet
ein drastisches Beispiel, wie unsicher und uneinig das Gelehrtenkonzil in seinen
Auffassungen über Ziele und Methoden der Sozialisierung ist. Die Kommission
war sich freilich darüber einig, daß ein staatliches Eingreifen in die Verhältnisse
der Kohlenindustrie und des Kohlenabsatzes unter allen Umständen geboten sei,
weil das bestehende Privatmonopol "mit dem Wesen des modernen Staates,
nicht nur des sozialistischen, unvereinbar ist". Das ist -- mit Verlaub! -- ein
Gemeinplatz, mit dessen Hilfe auch gemeinschädliche Neuerungen sich begründen
ließen, denn welche Art von Wirtschaftselementen macht das Wesen des moder¬
nen Staates aus? Ebensowenig stichhaltig ist das psychologische Motiv, daß das
Beharren ans der kapitalistischen Produktion von der Arbeiterschaft als eine un¬
erträgliche Zumutung empfunden werden müsse. In den Köpfen der Arbeiter¬
massen hat sich nun einmal, nach Meinung der Kommrssionsmehrheit, die Idee,
wenngleich "in verschrobenen Formen", festgesetzt, daß es mit der Vorherrschaft
des Privatkapitals für alle Zeiten vorüber sein müsse. Wenn aber diese Vor¬
aussetzungen zuträfen, so folge aus ihnen ohne weiteres die Notwendigkeit der.
Sozialisierung. Wie dieselbe aber zu veranlagen wäre, darüber sind die Herren
"in grünen Tisch der Kommission nicht einig geworden.

Die Mehrheit der Sozialisierungskommission verwirft die einfache Ver¬
staatlichung des Bergbaus, denn der Staatsbetrieb habe sich als unwirtschaftlich


Auf den Pfaden der Sozialifiermig

Organisationen ausschließt, andererseits aber auch die Verfügungsrechte der bureau¬
kratischen Aussichts- und Anordnungsorgane einschränkt. Welche Art von Gesell-
schaftsgebilden aus den allgemeinen Richtlinien herzuleiten wären, wird nicht näher
angedeutet, offenbar in der Absicht, die organisatorischen Matznahmen von Fall
zu Fall den praktischen Bedürfnissen anzupassen So bleibt die Frage beispiels¬
weise offen, ob die monopolistische Zusammenfassung jedesmal für einen ganzen
Erwerbszweig und einheiilich für das ganze Reichsgebiet erfolgen oder ob daneben
privaten Unternehmungen grundsätzlich die EMenzberechnung zugestanden werden
soll. Das im Sozialisierungsgesetz niedergelegte Prinzip soll auf die möglichste
Steigerung der Wirtschaftlichkeit hinwirken, ob aber der prakiische Erfolg den
Erwartungen der Wirtschaflsreformer entsprechen wird, ist allerdings sehr fraglich.
Daher ist der temperamentvolle Widerspruch der rechtsstehenden Parteien in der
Nationalversammlung gegen ein Gesetz begreiflich, das einer Kriegserklärung an
die überlieferten und in Zeiten des Aufblühens unserer Volkswirtschaft bewährten
Wirtschaftsformen ähnlich sieht, ohne den wirtschaftlichen Fortschritt verbürgen
zu können.

Für die praktische Gestaltung der Sozialisierungspläne bietet das Gesetz
über die Regelung der Kohlenwirtschaft einige Anhaltspunkte. In ihm wird im
wesentlichen bestimmt, daß die Kohlenproduzenten bezirksweise zu Verbänden und
diese zu einem Gesamtverband zusammengeschlossen werden. Den Verbänden liegt
die Regrlung von Fmderung, Selbstverbrauch und Absatz unter Aufsicht eines zu
errichtenden Neichscvhlenrais ob, dem die Direktiven von einem durch die Re¬
gierung einberufenen Sachverständigenrat sür die Kohlen wirtschaft erteilt werden.
In den beratenden und leitenden Zentralorganen sollen Arbeitgeber, Arbeitnehmer,
auch Regierungsdelegierte und Kohlenverbraucher zu Worte kommen. — Nach
dem zum Gesetz erhobenen Organisationsentwurf wird die privatwirtschaftliche
Initiative also nicht ausgeschaltet, jedoch einer so weitgehenden Einschnürung
unterworfen, daß für die Bewegungsfreiheit des Unternehmers schwerlich noch
viel Raum übrigbleiben dürfte. Jedenfalls geht mit diesem Bewirtschaftungs-
system die Hauptlast der Verantwortung für das Gedeihen der deutschen Kohlen¬
industrie auf eine Gemeinschaft über, auf deren Betätigung in wirklich gemein¬
nützigen Sinne, wozu auch die Schonung der privatkapitalistischen Interessen
gehört, man keine grotze Hoffnungen bauen darf.

Zur besseren Jllustrierung des Sozialisierungswillens empfiehlt es sich,
die Vorschläge kennen zu lernen, die von der amtlich niedergesetzten, beratenden
Sozialisierungskommission zur Reglementierung der Kohlenwirtschaft gemacht
wurden. Der vom Regierungsentwurs abweichende Kommissionsbericht bietet
ein drastisches Beispiel, wie unsicher und uneinig das Gelehrtenkonzil in seinen
Auffassungen über Ziele und Methoden der Sozialisierung ist. Die Kommission
war sich freilich darüber einig, daß ein staatliches Eingreifen in die Verhältnisse
der Kohlenindustrie und des Kohlenabsatzes unter allen Umständen geboten sei,
weil das bestehende Privatmonopol „mit dem Wesen des modernen Staates,
nicht nur des sozialistischen, unvereinbar ist". Das ist — mit Verlaub! — ein
Gemeinplatz, mit dessen Hilfe auch gemeinschädliche Neuerungen sich begründen
ließen, denn welche Art von Wirtschaftselementen macht das Wesen des moder¬
nen Staates aus? Ebensowenig stichhaltig ist das psychologische Motiv, daß das
Beharren ans der kapitalistischen Produktion von der Arbeiterschaft als eine un¬
erträgliche Zumutung empfunden werden müsse. In den Köpfen der Arbeiter¬
massen hat sich nun einmal, nach Meinung der Kommrssionsmehrheit, die Idee,
wenngleich „in verschrobenen Formen", festgesetzt, daß es mit der Vorherrschaft
des Privatkapitals für alle Zeiten vorüber sein müsse. Wenn aber diese Vor¬
aussetzungen zuträfen, so folge aus ihnen ohne weiteres die Notwendigkeit der.
Sozialisierung. Wie dieselbe aber zu veranlagen wäre, darüber sind die Herren
«in grünen Tisch der Kommission nicht einig geworden.

Die Mehrheit der Sozialisierungskommission verwirft die einfache Ver¬
staatlichung des Bergbaus, denn der Staatsbetrieb habe sich als unwirtschaftlich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335433"/>
          <fw type="header" place="top"> Auf den Pfaden der Sozialifiermig</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_39" prev="#ID_38"> Organisationen ausschließt, andererseits aber auch die Verfügungsrechte der bureau¬<lb/>
kratischen Aussichts- und Anordnungsorgane einschränkt. Welche Art von Gesell-<lb/>
schaftsgebilden aus den allgemeinen Richtlinien herzuleiten wären, wird nicht näher<lb/>
angedeutet, offenbar in der Absicht, die organisatorischen Matznahmen von Fall<lb/>
zu Fall den praktischen Bedürfnissen anzupassen So bleibt die Frage beispiels¬<lb/>
weise offen, ob die monopolistische Zusammenfassung jedesmal für einen ganzen<lb/>
Erwerbszweig und einheiilich für das ganze Reichsgebiet erfolgen oder ob daneben<lb/>
privaten Unternehmungen grundsätzlich die EMenzberechnung zugestanden werden<lb/>
soll. Das im Sozialisierungsgesetz niedergelegte Prinzip soll auf die möglichste<lb/>
Steigerung der Wirtschaftlichkeit hinwirken, ob aber der prakiische Erfolg den<lb/>
Erwartungen der Wirtschaflsreformer entsprechen wird, ist allerdings sehr fraglich.<lb/>
Daher ist der temperamentvolle Widerspruch der rechtsstehenden Parteien in der<lb/>
Nationalversammlung gegen ein Gesetz begreiflich, das einer Kriegserklärung an<lb/>
die überlieferten und in Zeiten des Aufblühens unserer Volkswirtschaft bewährten<lb/>
Wirtschaftsformen ähnlich sieht, ohne den wirtschaftlichen Fortschritt verbürgen<lb/>
zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_40"> Für die praktische Gestaltung der Sozialisierungspläne bietet das Gesetz<lb/>
über die Regelung der Kohlenwirtschaft einige Anhaltspunkte. In ihm wird im<lb/>
wesentlichen bestimmt, daß die Kohlenproduzenten bezirksweise zu Verbänden und<lb/>
diese zu einem Gesamtverband zusammengeschlossen werden. Den Verbänden liegt<lb/>
die Regrlung von Fmderung, Selbstverbrauch und Absatz unter Aufsicht eines zu<lb/>
errichtenden Neichscvhlenrais ob, dem die Direktiven von einem durch die Re¬<lb/>
gierung einberufenen Sachverständigenrat sür die Kohlen wirtschaft erteilt werden.<lb/>
In den beratenden und leitenden Zentralorganen sollen Arbeitgeber, Arbeitnehmer,<lb/>
auch Regierungsdelegierte und Kohlenverbraucher zu Worte kommen. &#x2014; Nach<lb/>
dem zum Gesetz erhobenen Organisationsentwurf wird die privatwirtschaftliche<lb/>
Initiative also nicht ausgeschaltet, jedoch einer so weitgehenden Einschnürung<lb/>
unterworfen, daß für die Bewegungsfreiheit des Unternehmers schwerlich noch<lb/>
viel Raum übrigbleiben dürfte. Jedenfalls geht mit diesem Bewirtschaftungs-<lb/>
system die Hauptlast der Verantwortung für das Gedeihen der deutschen Kohlen¬<lb/>
industrie auf eine Gemeinschaft über, auf deren Betätigung in wirklich gemein¬<lb/>
nützigen Sinne, wozu auch die Schonung der privatkapitalistischen Interessen<lb/>
gehört, man keine grotze Hoffnungen bauen darf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_41"> Zur besseren Jllustrierung des Sozialisierungswillens empfiehlt es sich,<lb/>
die Vorschläge kennen zu lernen, die von der amtlich niedergesetzten, beratenden<lb/>
Sozialisierungskommission zur Reglementierung der Kohlenwirtschaft gemacht<lb/>
wurden. Der vom Regierungsentwurs abweichende Kommissionsbericht bietet<lb/>
ein drastisches Beispiel, wie unsicher und uneinig das Gelehrtenkonzil in seinen<lb/>
Auffassungen über Ziele und Methoden der Sozialisierung ist. Die Kommission<lb/>
war sich freilich darüber einig, daß ein staatliches Eingreifen in die Verhältnisse<lb/>
der Kohlenindustrie und des Kohlenabsatzes unter allen Umständen geboten sei,<lb/>
weil das bestehende Privatmonopol &#x201E;mit dem Wesen des modernen Staates,<lb/>
nicht nur des sozialistischen, unvereinbar ist". Das ist &#x2014; mit Verlaub! &#x2014; ein<lb/>
Gemeinplatz, mit dessen Hilfe auch gemeinschädliche Neuerungen sich begründen<lb/>
ließen, denn welche Art von Wirtschaftselementen macht das Wesen des moder¬<lb/>
nen Staates aus? Ebensowenig stichhaltig ist das psychologische Motiv, daß das<lb/>
Beharren ans der kapitalistischen Produktion von der Arbeiterschaft als eine un¬<lb/>
erträgliche Zumutung empfunden werden müsse. In den Köpfen der Arbeiter¬<lb/>
massen hat sich nun einmal, nach Meinung der Kommrssionsmehrheit, die Idee,<lb/>
wenngleich &#x201E;in verschrobenen Formen", festgesetzt, daß es mit der Vorherrschaft<lb/>
des Privatkapitals für alle Zeiten vorüber sein müsse. Wenn aber diese Vor¬<lb/>
aussetzungen zuträfen, so folge aus ihnen ohne weiteres die Notwendigkeit der.<lb/>
Sozialisierung. Wie dieselbe aber zu veranlagen wäre, darüber sind die Herren<lb/>
«in grünen Tisch der Kommission nicht einig geworden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_42" next="#ID_43"> Die Mehrheit der Sozialisierungskommission verwirft die einfache Ver¬<lb/>
staatlichung des Bergbaus, denn der Staatsbetrieb habe sich als unwirtschaftlich</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] Auf den Pfaden der Sozialifiermig Organisationen ausschließt, andererseits aber auch die Verfügungsrechte der bureau¬ kratischen Aussichts- und Anordnungsorgane einschränkt. Welche Art von Gesell- schaftsgebilden aus den allgemeinen Richtlinien herzuleiten wären, wird nicht näher angedeutet, offenbar in der Absicht, die organisatorischen Matznahmen von Fall zu Fall den praktischen Bedürfnissen anzupassen So bleibt die Frage beispiels¬ weise offen, ob die monopolistische Zusammenfassung jedesmal für einen ganzen Erwerbszweig und einheiilich für das ganze Reichsgebiet erfolgen oder ob daneben privaten Unternehmungen grundsätzlich die EMenzberechnung zugestanden werden soll. Das im Sozialisierungsgesetz niedergelegte Prinzip soll auf die möglichste Steigerung der Wirtschaftlichkeit hinwirken, ob aber der prakiische Erfolg den Erwartungen der Wirtschaflsreformer entsprechen wird, ist allerdings sehr fraglich. Daher ist der temperamentvolle Widerspruch der rechtsstehenden Parteien in der Nationalversammlung gegen ein Gesetz begreiflich, das einer Kriegserklärung an die überlieferten und in Zeiten des Aufblühens unserer Volkswirtschaft bewährten Wirtschaftsformen ähnlich sieht, ohne den wirtschaftlichen Fortschritt verbürgen zu können. Für die praktische Gestaltung der Sozialisierungspläne bietet das Gesetz über die Regelung der Kohlenwirtschaft einige Anhaltspunkte. In ihm wird im wesentlichen bestimmt, daß die Kohlenproduzenten bezirksweise zu Verbänden und diese zu einem Gesamtverband zusammengeschlossen werden. Den Verbänden liegt die Regrlung von Fmderung, Selbstverbrauch und Absatz unter Aufsicht eines zu errichtenden Neichscvhlenrais ob, dem die Direktiven von einem durch die Re¬ gierung einberufenen Sachverständigenrat sür die Kohlen wirtschaft erteilt werden. In den beratenden und leitenden Zentralorganen sollen Arbeitgeber, Arbeitnehmer, auch Regierungsdelegierte und Kohlenverbraucher zu Worte kommen. — Nach dem zum Gesetz erhobenen Organisationsentwurf wird die privatwirtschaftliche Initiative also nicht ausgeschaltet, jedoch einer so weitgehenden Einschnürung unterworfen, daß für die Bewegungsfreiheit des Unternehmers schwerlich noch viel Raum übrigbleiben dürfte. Jedenfalls geht mit diesem Bewirtschaftungs- system die Hauptlast der Verantwortung für das Gedeihen der deutschen Kohlen¬ industrie auf eine Gemeinschaft über, auf deren Betätigung in wirklich gemein¬ nützigen Sinne, wozu auch die Schonung der privatkapitalistischen Interessen gehört, man keine grotze Hoffnungen bauen darf. Zur besseren Jllustrierung des Sozialisierungswillens empfiehlt es sich, die Vorschläge kennen zu lernen, die von der amtlich niedergesetzten, beratenden Sozialisierungskommission zur Reglementierung der Kohlenwirtschaft gemacht wurden. Der vom Regierungsentwurs abweichende Kommissionsbericht bietet ein drastisches Beispiel, wie unsicher und uneinig das Gelehrtenkonzil in seinen Auffassungen über Ziele und Methoden der Sozialisierung ist. Die Kommission war sich freilich darüber einig, daß ein staatliches Eingreifen in die Verhältnisse der Kohlenindustrie und des Kohlenabsatzes unter allen Umständen geboten sei, weil das bestehende Privatmonopol „mit dem Wesen des modernen Staates, nicht nur des sozialistischen, unvereinbar ist". Das ist — mit Verlaub! — ein Gemeinplatz, mit dessen Hilfe auch gemeinschädliche Neuerungen sich begründen ließen, denn welche Art von Wirtschaftselementen macht das Wesen des moder¬ nen Staates aus? Ebensowenig stichhaltig ist das psychologische Motiv, daß das Beharren ans der kapitalistischen Produktion von der Arbeiterschaft als eine un¬ erträgliche Zumutung empfunden werden müsse. In den Köpfen der Arbeiter¬ massen hat sich nun einmal, nach Meinung der Kommrssionsmehrheit, die Idee, wenngleich „in verschrobenen Formen", festgesetzt, daß es mit der Vorherrschaft des Privatkapitals für alle Zeiten vorüber sein müsse. Wenn aber diese Vor¬ aussetzungen zuträfen, so folge aus ihnen ohne weiteres die Notwendigkeit der. Sozialisierung. Wie dieselbe aber zu veranlagen wäre, darüber sind die Herren «in grünen Tisch der Kommission nicht einig geworden. Die Mehrheit der Sozialisierungskommission verwirft die einfache Ver¬ staatlichung des Bergbaus, denn der Staatsbetrieb habe sich als unwirtschaftlich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/25
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/25>, abgerufen am 18.12.2024.