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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Die neue deutsche Glaubcnsspciltung

Natioualstaatsgedanken entscheidend über die Bismcircksche Lösung hinaus zu
fördern. Der Untergang des Deutschen Reiches im Mittelalter war von innen
heraus durch die Ausbildung der territorialen Sondergewalten erfolgt. Demnach
Hütte die Erfüllung des Nationalstaatsgedankens folgerichtig gegen die territorialen
Dynastien durchgesetzt werden müssen. Die Revolution von 1848 hat daS versucht
und ist gescheitert. Durch Bismarcks unvergleichliche Staatskunst ist es vielmehr
möglich geworden, das? daS neue Deutsche Reich gerade auf dynastischer Grundlage
gebaut worden ist. Es gelang wirklich, den territorialen Monarchismus mit dem
nationalen Gedanken zu versöhnen und beide kunstreich zusammenzuschmieden.
Aber freilich war Bismarcks geniale Persönlichkeit allzusehr notwendig, um diesen
Arm zu tragen. "Gewissermaßen", sagt Hoffmann, "hat Vismarck in dem Skelett
des NeichSgefügcs eine Lücke für das Rückgrat gelassen, die nur er ausfüllen
konnte. Nach seinem Abgang stand die Lücke leer." Kaiser Wilhelm der Zweite
wollte den Platz ausfüllen, 'aber er brachte es nur dazu, daß das "persönliche
Regiment" bald eine der mächtigsten Ursachen der sogenannten Nerchsverdrvssenheit
wurde. Gerade zehn Jahre vor der Revolution, im November 1908, mühte der
Reichskanzler Fürst Bülow im Austrag des Reichstags den Kaiser bitten, seinem
Persönlichen Eingreifen in die Politik stärkere Beschränkung aufzuerlegen. Auf
dieses Ereignis hinzuweisen, unterläßt Hoffmann. Damals war bereits offenbar,
daß niemand den Plan Bismarcks im Reichsbau auszufüllen vermochte. Darum
wäre damals die rechte Zeit gewesen, den Schwerpunkt des Reiches ans der
Sphäre des dynastisch--erri!orraleu Bundes auf eine breiie demokratische Grundlage
zu rücken. Damals hätte die friedliche Revolution vollzogen werden müssen, die
un Oktober 1918 leider zu spät die Regierung des Prinzen Max anbahnte. Man
hätte damals schon versuchen müssen, möglichst auch die Sozio.idemokro.im an der
Negi^-ung zu beteiligen. Dann hätte man wahrscheinlich die furchtbare Glaubcns-
splllwng um Kriege und das satanisch gescheite Unternehmen unserer Feinde, die
Gläubigen der demokratisch, internationalen Idee in Deutschland selbst wider den
eigenen Staat zu setzen. unmöglich gemacht. Leider folgte aber auf das persönliche
Regiment 1908 nicht der Übergang zur nationalen Demokratie, sondern um deu
beherrschenden Einfluß auf die Politik des Reiches zankten sich seitdem eine
Künftige Diplomatie von sehr zweifelhaften Fähigkeiten, eine völlig in den An-
schmmngcn eines überlebten Obrigkeitsstaates befangene Bureaukratie und jene
Leute, die man gern unter dem Sammelnamen "Altdeutsche" zusammenfaßt,
hinter denen eine Anzahl rationalistischer Vereine und die großen Interessen¬
gruppen der Schwerindustrie und des Außenhandels standen. Der Zank zwischen
diesen Richtungen erreichte während des Krieges seinen Höhepunkt. Alle waren
unzulänglich, und nicht zum wenigsten deshalb würden während des Kampfes
Mehrfach schwere Fehler begangen, so daß die Hoffnung auf Sieg schließlich
aufgegeben werden mußte. Jetzt fühlte, wie Hoffmann richtig bemerkt, daß Volk
und mißbraucht, die Reformen des Prinzen Max kamen zu spät, die Revolution
warf deu ganzen Ncichsbau über den Haufen.

Einen Augenblick schien es, als ob die Revolution sich vielleicht doch um
die schrvarzrotgoldene Fahne sammeln würde, und das Wort "Nationalversamm¬
lung", das Ebert gleich in den ersten Tagen aussprach, klang wie eme Fanfare
un Stile von 1848. Aber sehr bald mußte man erkennen, daß es doch eigentlich
wie rote Revolution war. keine nationalpolitische, sondern der Sklavenaufstand
d^s Proletariats, dessen radikale Führer bereits vorher den antiken Sklavcnnmneu
Spartakus als Symbol hervorgesucht hatten. Eine innere Notwendigkeit für
d'eher Aufstand bestand nicht. Weder ging es den Industriearbeitern in Deutsch,
wnd mit seiner fortgeschrittenen Sozialpolitik an sich schlecht, noch litten sie im
^lege etwa mehr als andere Volksklassen, z. B. das .Meinbürgertum. Hoffmann
hat gewiß recht, wenn er sagt, daß die Arbeiterklasse hauptsächlich deshalb Re¬
volution machte, weil sich ihr eine einzigartige unwiederbringliche Gelegenheit bot.
'hre seit Jahrzehnten gehegte Umsturztheorre in die Tat umzusetzen. Denn durch
die Aushebung des zum Teil längst sozialdemokratisch organisierten Landsturms


Die neue deutsche Glaubcnsspciltung

Natioualstaatsgedanken entscheidend über die Bismcircksche Lösung hinaus zu
fördern. Der Untergang des Deutschen Reiches im Mittelalter war von innen
heraus durch die Ausbildung der territorialen Sondergewalten erfolgt. Demnach
Hütte die Erfüllung des Nationalstaatsgedankens folgerichtig gegen die territorialen
Dynastien durchgesetzt werden müssen. Die Revolution von 1848 hat daS versucht
und ist gescheitert. Durch Bismarcks unvergleichliche Staatskunst ist es vielmehr
möglich geworden, das? daS neue Deutsche Reich gerade auf dynastischer Grundlage
gebaut worden ist. Es gelang wirklich, den territorialen Monarchismus mit dem
nationalen Gedanken zu versöhnen und beide kunstreich zusammenzuschmieden.
Aber freilich war Bismarcks geniale Persönlichkeit allzusehr notwendig, um diesen
Arm zu tragen. „Gewissermaßen", sagt Hoffmann, „hat Vismarck in dem Skelett
des NeichSgefügcs eine Lücke für das Rückgrat gelassen, die nur er ausfüllen
konnte. Nach seinem Abgang stand die Lücke leer." Kaiser Wilhelm der Zweite
wollte den Platz ausfüllen, 'aber er brachte es nur dazu, daß das „persönliche
Regiment" bald eine der mächtigsten Ursachen der sogenannten Nerchsverdrvssenheit
wurde. Gerade zehn Jahre vor der Revolution, im November 1908, mühte der
Reichskanzler Fürst Bülow im Austrag des Reichstags den Kaiser bitten, seinem
Persönlichen Eingreifen in die Politik stärkere Beschränkung aufzuerlegen. Auf
dieses Ereignis hinzuweisen, unterläßt Hoffmann. Damals war bereits offenbar,
daß niemand den Plan Bismarcks im Reichsbau auszufüllen vermochte. Darum
wäre damals die rechte Zeit gewesen, den Schwerpunkt des Reiches ans der
Sphäre des dynastisch--erri!orraleu Bundes auf eine breiie demokratische Grundlage
zu rücken. Damals hätte die friedliche Revolution vollzogen werden müssen, die
un Oktober 1918 leider zu spät die Regierung des Prinzen Max anbahnte. Man
hätte damals schon versuchen müssen, möglichst auch die Sozio.idemokro.im an der
Negi^-ung zu beteiligen. Dann hätte man wahrscheinlich die furchtbare Glaubcns-
splllwng um Kriege und das satanisch gescheite Unternehmen unserer Feinde, die
Gläubigen der demokratisch, internationalen Idee in Deutschland selbst wider den
eigenen Staat zu setzen. unmöglich gemacht. Leider folgte aber auf das persönliche
Regiment 1908 nicht der Übergang zur nationalen Demokratie, sondern um deu
beherrschenden Einfluß auf die Politik des Reiches zankten sich seitdem eine
Künftige Diplomatie von sehr zweifelhaften Fähigkeiten, eine völlig in den An-
schmmngcn eines überlebten Obrigkeitsstaates befangene Bureaukratie und jene
Leute, die man gern unter dem Sammelnamen „Altdeutsche" zusammenfaßt,
hinter denen eine Anzahl rationalistischer Vereine und die großen Interessen¬
gruppen der Schwerindustrie und des Außenhandels standen. Der Zank zwischen
diesen Richtungen erreichte während des Krieges seinen Höhepunkt. Alle waren
unzulänglich, und nicht zum wenigsten deshalb würden während des Kampfes
Mehrfach schwere Fehler begangen, so daß die Hoffnung auf Sieg schließlich
aufgegeben werden mußte. Jetzt fühlte, wie Hoffmann richtig bemerkt, daß Volk
und mißbraucht, die Reformen des Prinzen Max kamen zu spät, die Revolution
warf deu ganzen Ncichsbau über den Haufen.

Einen Augenblick schien es, als ob die Revolution sich vielleicht doch um
die schrvarzrotgoldene Fahne sammeln würde, und das Wort „Nationalversamm¬
lung", das Ebert gleich in den ersten Tagen aussprach, klang wie eme Fanfare
un Stile von 1848. Aber sehr bald mußte man erkennen, daß es doch eigentlich
wie rote Revolution war. keine nationalpolitische, sondern der Sklavenaufstand
d^s Proletariats, dessen radikale Führer bereits vorher den antiken Sklavcnnmneu
Spartakus als Symbol hervorgesucht hatten. Eine innere Notwendigkeit für
d'eher Aufstand bestand nicht. Weder ging es den Industriearbeitern in Deutsch,
wnd mit seiner fortgeschrittenen Sozialpolitik an sich schlecht, noch litten sie im
^lege etwa mehr als andere Volksklassen, z. B. das .Meinbürgertum. Hoffmann
hat gewiß recht, wenn er sagt, daß die Arbeiterklasse hauptsächlich deshalb Re¬
volution machte, weil sich ihr eine einzigartige unwiederbringliche Gelegenheit bot.
'hre seit Jahrzehnten gehegte Umsturztheorre in die Tat umzusetzen. Denn durch
die Aushebung des zum Teil längst sozialdemokratisch organisierten Landsturms


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[0235] Die neue deutsche Glaubcnsspciltung Natioualstaatsgedanken entscheidend über die Bismcircksche Lösung hinaus zu fördern. Der Untergang des Deutschen Reiches im Mittelalter war von innen heraus durch die Ausbildung der territorialen Sondergewalten erfolgt. Demnach Hütte die Erfüllung des Nationalstaatsgedankens folgerichtig gegen die territorialen Dynastien durchgesetzt werden müssen. Die Revolution von 1848 hat daS versucht und ist gescheitert. Durch Bismarcks unvergleichliche Staatskunst ist es vielmehr möglich geworden, das? daS neue Deutsche Reich gerade auf dynastischer Grundlage gebaut worden ist. Es gelang wirklich, den territorialen Monarchismus mit dem nationalen Gedanken zu versöhnen und beide kunstreich zusammenzuschmieden. Aber freilich war Bismarcks geniale Persönlichkeit allzusehr notwendig, um diesen Arm zu tragen. „Gewissermaßen", sagt Hoffmann, „hat Vismarck in dem Skelett des NeichSgefügcs eine Lücke für das Rückgrat gelassen, die nur er ausfüllen konnte. Nach seinem Abgang stand die Lücke leer." Kaiser Wilhelm der Zweite wollte den Platz ausfüllen, 'aber er brachte es nur dazu, daß das „persönliche Regiment" bald eine der mächtigsten Ursachen der sogenannten Nerchsverdrvssenheit wurde. Gerade zehn Jahre vor der Revolution, im November 1908, mühte der Reichskanzler Fürst Bülow im Austrag des Reichstags den Kaiser bitten, seinem Persönlichen Eingreifen in die Politik stärkere Beschränkung aufzuerlegen. Auf dieses Ereignis hinzuweisen, unterläßt Hoffmann. Damals war bereits offenbar, daß niemand den Plan Bismarcks im Reichsbau auszufüllen vermochte. Darum wäre damals die rechte Zeit gewesen, den Schwerpunkt des Reiches ans der Sphäre des dynastisch--erri!orraleu Bundes auf eine breiie demokratische Grundlage zu rücken. Damals hätte die friedliche Revolution vollzogen werden müssen, die un Oktober 1918 leider zu spät die Regierung des Prinzen Max anbahnte. Man hätte damals schon versuchen müssen, möglichst auch die Sozio.idemokro.im an der Negi^-ung zu beteiligen. Dann hätte man wahrscheinlich die furchtbare Glaubcns- splllwng um Kriege und das satanisch gescheite Unternehmen unserer Feinde, die Gläubigen der demokratisch, internationalen Idee in Deutschland selbst wider den eigenen Staat zu setzen. unmöglich gemacht. Leider folgte aber auf das persönliche Regiment 1908 nicht der Übergang zur nationalen Demokratie, sondern um deu beherrschenden Einfluß auf die Politik des Reiches zankten sich seitdem eine Künftige Diplomatie von sehr zweifelhaften Fähigkeiten, eine völlig in den An- schmmngcn eines überlebten Obrigkeitsstaates befangene Bureaukratie und jene Leute, die man gern unter dem Sammelnamen „Altdeutsche" zusammenfaßt, hinter denen eine Anzahl rationalistischer Vereine und die großen Interessen¬ gruppen der Schwerindustrie und des Außenhandels standen. Der Zank zwischen diesen Richtungen erreichte während des Krieges seinen Höhepunkt. Alle waren unzulänglich, und nicht zum wenigsten deshalb würden während des Kampfes Mehrfach schwere Fehler begangen, so daß die Hoffnung auf Sieg schließlich aufgegeben werden mußte. Jetzt fühlte, wie Hoffmann richtig bemerkt, daß Volk und mißbraucht, die Reformen des Prinzen Max kamen zu spät, die Revolution warf deu ganzen Ncichsbau über den Haufen. Einen Augenblick schien es, als ob die Revolution sich vielleicht doch um die schrvarzrotgoldene Fahne sammeln würde, und das Wort „Nationalversamm¬ lung", das Ebert gleich in den ersten Tagen aussprach, klang wie eme Fanfare un Stile von 1848. Aber sehr bald mußte man erkennen, daß es doch eigentlich wie rote Revolution war. keine nationalpolitische, sondern der Sklavenaufstand d^s Proletariats, dessen radikale Führer bereits vorher den antiken Sklavcnnmneu Spartakus als Symbol hervorgesucht hatten. Eine innere Notwendigkeit für d'eher Aufstand bestand nicht. Weder ging es den Industriearbeitern in Deutsch, wnd mit seiner fortgeschrittenen Sozialpolitik an sich schlecht, noch litten sie im ^lege etwa mehr als andere Volksklassen, z. B. das .Meinbürgertum. Hoffmann hat gewiß recht, wenn er sagt, daß die Arbeiterklasse hauptsächlich deshalb Re¬ volution machte, weil sich ihr eine einzigartige unwiederbringliche Gelegenheit bot. 'hre seit Jahrzehnten gehegte Umsturztheorre in die Tat umzusetzen. Denn durch die Aushebung des zum Teil längst sozialdemokratisch organisierten Landsturms

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/235>, abgerufen am 01.09.2024.