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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Zukunftsgedanken

Nehmen wir also an, im Zeitalter der Sättigung betrüge die Bevölkerung
der Erde zwei Milliarden Menschen (gegen 1,7 Milliarden jetzt), und unter
Berücksichtigung, daß der Tropenbewohner und die unkultivierten Volker keinen so
hohen Verbrauch an Maschinenkraft haben, sei ein Bedarf von einer Pferdestärke
anf den Kopf zugrunde gelegt. Dann ergibt sich ein Weltmaximum von zwei
Milliarden Pferdestärken, welche in Maschinen und Fahrzeugen aller Art vor¬
handen sein müssen. Sollen diese Maschinen alle mit Kohlen betrieben werden,
und rechnet man nur 1600 Betriebsstunden im Jahr, so entspricht dies einem
Kohlenverbrauch von drei Milliarden Tonnen. Die Weltförderung dürfte zurzeit
eine Milliarde Tonnen sein, müßte also verdreifacht werden! Nun haben aber
die Fachleute ausgerechnet, daß schon beim heutigen Verbrauch die Kohlenvorräte
in absehbarer Zeit erschöpft werden. Frankreich, Osterreich und Belgien werden
schon in 100--160 Jahren keine Kohlen mehr haben, England folgt nach, und in
Deutschland reichen sie noch etwa 800 Jahre, vorausgesetzt, daß uns mit dem
Frieden nicht wichtige Kohlenvorkommen genommen werden. Verdreifacht man
nun den Verbrauch, so vermindert sich die Zeit, in welcher wir noch über Brenn¬
stoffe verfügen, auf ein Dritrel.

Sehr große Lager haben die Vereinigten Staaten und vor allen Dingen
China, außerdem bringt die nähere Erforschung fremder Länder Kunde von immer
neuen Kohlenvorkommen. Also so groß ist die Gefahr der Erschöpfung nicht,
doch müssen wir immer daran denken, daß wir vom Kapital unserer Enkel
leben und äußerste Sparsamkeit geboten ist. Wichtig ist nun, zu überlegen, was
die Folge dieser Erkenntnis sein wird. Sei es nun, daß die Kohlenlager dem
Staate oder Privaten gehören, man wird in Europa und wenn man vernünftig
ist, auch in Amerika die Ausfuhr zu verhindern suchen und einschränken. Die
überseeischen und kohlenarmen Länder sind also auf den Bezug aus anderen
Quellen angewiesen, so daß in China und anderenorts neue Zechen eröffnet
werden und an Umfang zunehmen. Den Kohlen folgt die Eisenindustrie nach,
und bald wird eine Abwanderung eines erheblichen Teiles der Industrie in neue
Gebiete eintreten. Die Verschiebung wird für Europa sehr bald fühlbar werden
und wird die unerquicklichen Verhältnisse der Industrie verschärfen.

Die wichtigste Aufgabe bleibt es jedoch, den Raubbau an der Kohle ein¬
zuschränken und auf Mittel und Wege zu sinnen, die benötigte Energie auf
andere Weise zu erzeugen. Visher haben wir noch kein anderes Mittel, als die
Ausnutzung der Wasserkräfte. Nach Schätzungen können auf der ganzen Erde
200 Millionen Pferdestärken an Wasserkräften ausgebant werden. Wir benötigen
aber das Zehnfache! Nun sind bei den Wasserkräften allerdings Jahres-Pferde¬
stärken gerechnet, während wir 1500 Stunden Betriebsdauer zugrunde gelegt
haben; durch Aufspeicherung und bessere Ausnutzung würden also die 200 Millionen
Pferdestärken etwa 400 Millionen Pferdestärken unserer Rechnung entsprechen.
Bleiben immerhin noch 1600 Millionen Pferdestärken durch Kohlen zu erzeugen.

Theoretisch müßten, nach der Niederschlagsmenge auf den Ländern der Erde
gemessen, mindestens eine Milliarde Pferdestärken vorhanden sein. Die Rechnung,
daß nur ein Fünftel davon nutzbar sei, ist daher sehr ungünstig: sie ist wohl
auch zu einer Zeit gemacht, da man in der Ausnutzung geringer Gefälle noch
nicht so weit war und noch mit der Konkurrenz billiger Kohle gerechnet
Werden mußte. Wenn heule die Kohle wohl überall das Doppelte bis Drei¬
fache des früheren Friedenspreises kosten wird, kann natürlich manche Wasser¬
kraft noch ausgebaut werden, an welche man früher der hohen Kosten
wegen nicht Herangehen wollte. Man kann also wohl damit rechnen, daß statt
der 200 Millionen Perdestärken. 400--500 mit der Zeit ausgebaut werden. Was
bedeutet dies aber? Wiederum ein Wandern der Industrie! siedelte sich diese
bisher in der Ebene und an den Küsten an, so wird sie nunmehr in die Berg¬
länder hinaufsteigen. Länder, welche früher arm waren, und außer ihrer Land-
wirischaft kaum Einnahmen hatten, sind zu reichen Industrieländern geworden.
Schweden, Norwegen und die Schweiz, auch Japan seien als Beispiele genannt.


Zukunftsgedanken

Nehmen wir also an, im Zeitalter der Sättigung betrüge die Bevölkerung
der Erde zwei Milliarden Menschen (gegen 1,7 Milliarden jetzt), und unter
Berücksichtigung, daß der Tropenbewohner und die unkultivierten Volker keinen so
hohen Verbrauch an Maschinenkraft haben, sei ein Bedarf von einer Pferdestärke
anf den Kopf zugrunde gelegt. Dann ergibt sich ein Weltmaximum von zwei
Milliarden Pferdestärken, welche in Maschinen und Fahrzeugen aller Art vor¬
handen sein müssen. Sollen diese Maschinen alle mit Kohlen betrieben werden,
und rechnet man nur 1600 Betriebsstunden im Jahr, so entspricht dies einem
Kohlenverbrauch von drei Milliarden Tonnen. Die Weltförderung dürfte zurzeit
eine Milliarde Tonnen sein, müßte also verdreifacht werden! Nun haben aber
die Fachleute ausgerechnet, daß schon beim heutigen Verbrauch die Kohlenvorräte
in absehbarer Zeit erschöpft werden. Frankreich, Osterreich und Belgien werden
schon in 100—160 Jahren keine Kohlen mehr haben, England folgt nach, und in
Deutschland reichen sie noch etwa 800 Jahre, vorausgesetzt, daß uns mit dem
Frieden nicht wichtige Kohlenvorkommen genommen werden. Verdreifacht man
nun den Verbrauch, so vermindert sich die Zeit, in welcher wir noch über Brenn¬
stoffe verfügen, auf ein Dritrel.

Sehr große Lager haben die Vereinigten Staaten und vor allen Dingen
China, außerdem bringt die nähere Erforschung fremder Länder Kunde von immer
neuen Kohlenvorkommen. Also so groß ist die Gefahr der Erschöpfung nicht,
doch müssen wir immer daran denken, daß wir vom Kapital unserer Enkel
leben und äußerste Sparsamkeit geboten ist. Wichtig ist nun, zu überlegen, was
die Folge dieser Erkenntnis sein wird. Sei es nun, daß die Kohlenlager dem
Staate oder Privaten gehören, man wird in Europa und wenn man vernünftig
ist, auch in Amerika die Ausfuhr zu verhindern suchen und einschränken. Die
überseeischen und kohlenarmen Länder sind also auf den Bezug aus anderen
Quellen angewiesen, so daß in China und anderenorts neue Zechen eröffnet
werden und an Umfang zunehmen. Den Kohlen folgt die Eisenindustrie nach,
und bald wird eine Abwanderung eines erheblichen Teiles der Industrie in neue
Gebiete eintreten. Die Verschiebung wird für Europa sehr bald fühlbar werden
und wird die unerquicklichen Verhältnisse der Industrie verschärfen.

Die wichtigste Aufgabe bleibt es jedoch, den Raubbau an der Kohle ein¬
zuschränken und auf Mittel und Wege zu sinnen, die benötigte Energie auf
andere Weise zu erzeugen. Visher haben wir noch kein anderes Mittel, als die
Ausnutzung der Wasserkräfte. Nach Schätzungen können auf der ganzen Erde
200 Millionen Pferdestärken an Wasserkräften ausgebant werden. Wir benötigen
aber das Zehnfache! Nun sind bei den Wasserkräften allerdings Jahres-Pferde¬
stärken gerechnet, während wir 1500 Stunden Betriebsdauer zugrunde gelegt
haben; durch Aufspeicherung und bessere Ausnutzung würden also die 200 Millionen
Pferdestärken etwa 400 Millionen Pferdestärken unserer Rechnung entsprechen.
Bleiben immerhin noch 1600 Millionen Pferdestärken durch Kohlen zu erzeugen.

Theoretisch müßten, nach der Niederschlagsmenge auf den Ländern der Erde
gemessen, mindestens eine Milliarde Pferdestärken vorhanden sein. Die Rechnung,
daß nur ein Fünftel davon nutzbar sei, ist daher sehr ungünstig: sie ist wohl
auch zu einer Zeit gemacht, da man in der Ausnutzung geringer Gefälle noch
nicht so weit war und noch mit der Konkurrenz billiger Kohle gerechnet
Werden mußte. Wenn heule die Kohle wohl überall das Doppelte bis Drei¬
fache des früheren Friedenspreises kosten wird, kann natürlich manche Wasser¬
kraft noch ausgebaut werden, an welche man früher der hohen Kosten
wegen nicht Herangehen wollte. Man kann also wohl damit rechnen, daß statt
der 200 Millionen Perdestärken. 400—500 mit der Zeit ausgebaut werden. Was
bedeutet dies aber? Wiederum ein Wandern der Industrie! siedelte sich diese
bisher in der Ebene und an den Küsten an, so wird sie nunmehr in die Berg¬
länder hinaufsteigen. Länder, welche früher arm waren, und außer ihrer Land-
wirischaft kaum Einnahmen hatten, sind zu reichen Industrieländern geworden.
Schweden, Norwegen und die Schweiz, auch Japan seien als Beispiele genannt.


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[0213] Zukunftsgedanken Nehmen wir also an, im Zeitalter der Sättigung betrüge die Bevölkerung der Erde zwei Milliarden Menschen (gegen 1,7 Milliarden jetzt), und unter Berücksichtigung, daß der Tropenbewohner und die unkultivierten Volker keinen so hohen Verbrauch an Maschinenkraft haben, sei ein Bedarf von einer Pferdestärke anf den Kopf zugrunde gelegt. Dann ergibt sich ein Weltmaximum von zwei Milliarden Pferdestärken, welche in Maschinen und Fahrzeugen aller Art vor¬ handen sein müssen. Sollen diese Maschinen alle mit Kohlen betrieben werden, und rechnet man nur 1600 Betriebsstunden im Jahr, so entspricht dies einem Kohlenverbrauch von drei Milliarden Tonnen. Die Weltförderung dürfte zurzeit eine Milliarde Tonnen sein, müßte also verdreifacht werden! Nun haben aber die Fachleute ausgerechnet, daß schon beim heutigen Verbrauch die Kohlenvorräte in absehbarer Zeit erschöpft werden. Frankreich, Osterreich und Belgien werden schon in 100—160 Jahren keine Kohlen mehr haben, England folgt nach, und in Deutschland reichen sie noch etwa 800 Jahre, vorausgesetzt, daß uns mit dem Frieden nicht wichtige Kohlenvorkommen genommen werden. Verdreifacht man nun den Verbrauch, so vermindert sich die Zeit, in welcher wir noch über Brenn¬ stoffe verfügen, auf ein Dritrel. Sehr große Lager haben die Vereinigten Staaten und vor allen Dingen China, außerdem bringt die nähere Erforschung fremder Länder Kunde von immer neuen Kohlenvorkommen. Also so groß ist die Gefahr der Erschöpfung nicht, doch müssen wir immer daran denken, daß wir vom Kapital unserer Enkel leben und äußerste Sparsamkeit geboten ist. Wichtig ist nun, zu überlegen, was die Folge dieser Erkenntnis sein wird. Sei es nun, daß die Kohlenlager dem Staate oder Privaten gehören, man wird in Europa und wenn man vernünftig ist, auch in Amerika die Ausfuhr zu verhindern suchen und einschränken. Die überseeischen und kohlenarmen Länder sind also auf den Bezug aus anderen Quellen angewiesen, so daß in China und anderenorts neue Zechen eröffnet werden und an Umfang zunehmen. Den Kohlen folgt die Eisenindustrie nach, und bald wird eine Abwanderung eines erheblichen Teiles der Industrie in neue Gebiete eintreten. Die Verschiebung wird für Europa sehr bald fühlbar werden und wird die unerquicklichen Verhältnisse der Industrie verschärfen. Die wichtigste Aufgabe bleibt es jedoch, den Raubbau an der Kohle ein¬ zuschränken und auf Mittel und Wege zu sinnen, die benötigte Energie auf andere Weise zu erzeugen. Visher haben wir noch kein anderes Mittel, als die Ausnutzung der Wasserkräfte. Nach Schätzungen können auf der ganzen Erde 200 Millionen Pferdestärken an Wasserkräften ausgebant werden. Wir benötigen aber das Zehnfache! Nun sind bei den Wasserkräften allerdings Jahres-Pferde¬ stärken gerechnet, während wir 1500 Stunden Betriebsdauer zugrunde gelegt haben; durch Aufspeicherung und bessere Ausnutzung würden also die 200 Millionen Pferdestärken etwa 400 Millionen Pferdestärken unserer Rechnung entsprechen. Bleiben immerhin noch 1600 Millionen Pferdestärken durch Kohlen zu erzeugen. Theoretisch müßten, nach der Niederschlagsmenge auf den Ländern der Erde gemessen, mindestens eine Milliarde Pferdestärken vorhanden sein. Die Rechnung, daß nur ein Fünftel davon nutzbar sei, ist daher sehr ungünstig: sie ist wohl auch zu einer Zeit gemacht, da man in der Ausnutzung geringer Gefälle noch nicht so weit war und noch mit der Konkurrenz billiger Kohle gerechnet Werden mußte. Wenn heule die Kohle wohl überall das Doppelte bis Drei¬ fache des früheren Friedenspreises kosten wird, kann natürlich manche Wasser¬ kraft noch ausgebaut werden, an welche man früher der hohen Kosten wegen nicht Herangehen wollte. Man kann also wohl damit rechnen, daß statt der 200 Millionen Perdestärken. 400—500 mit der Zeit ausgebaut werden. Was bedeutet dies aber? Wiederum ein Wandern der Industrie! siedelte sich diese bisher in der Ebene und an den Küsten an, so wird sie nunmehr in die Berg¬ länder hinaufsteigen. Länder, welche früher arm waren, und außer ihrer Land- wirischaft kaum Einnahmen hatten, sind zu reichen Industrieländern geworden. Schweden, Norwegen und die Schweiz, auch Japan seien als Beispiele genannt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/213>, abgerufen am 27.07.2024.