Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Ende und der Bankrott der deutschen Marokkopolitik

Alle deutschen Verträge -- heißt es weiter -- mit der scherifischen Regierung sind
abgeschafft. Eine Teilnahme Deutschlands an den Verhandlungen bzw. der Neu¬
regelung der Verhältnisse in Marokko findet nicht statt, es erkennt das französische
Protektorat endgültig und ohne Vorbehalt an und verzichtet auf die Kapitulationen.
Die deutschen Bergwerksrechte werden abgelöst, desgleichen der deutsche Anteil an
der Staatsbank von Marokko. Das alte Sultansland gilt fortan als französische
Kolonie, denn das deutsche Reich verpflichtet sich, die marokkanischen Waren bei
der Einfuhr in Zukunft als französische zu behandeln.

Damit sind alle Errungenschaften der deutsch-französischen Marokko-
Abmachungen für absehbare Zeit aus der Welt getilgt -- wenn der Friedens¬
entwurf Gesetz wird. Die Deutschen sind wieder vogelfrei, wie sie es während
der marokkanischen Unruhen im Anfang des Jahrhunderts waren, eine offene
Tür im Lande des Scherifen wird es nicht mehr geben, Frankreich wird dort
herrschen, wie es in Tunis und Algier herrscht, und es wird weder deutsche
Handels- noch deutsche Finanzinteressen mehr dort geben. Die einzigen und
bedeutsamsten Ausbeutungsgegenstände, die Bergwerke, deren ErzVorräte einmal
für die deutsche Industrie etwas hätten bedeuten können, gehen restlos in fran¬
zösische Hände über. Bahn- und Chaussee- und alle sonstigen Kulturarbeiten wird
der französische Staat selbst ausführen und eifrig darüber wachen, daß kein
anderer Staat eine darauf bezügliche Konzession bewilligt erhält. Keine Macht
der Welt wird das unglückliche Land mehr vor der Tunisierung retten. Denn
Deutschland erkennt ja im voraus alle Abmachungen seiner Feinde, jede Neu¬
regelung durch Frankreich an.

Dieses Ende ist zugleich der Bankrott der deutschen Marokkopolilik. Die
Geschichte dieser Politik ist eine Geschichte der Irrungen und Wirrungen, Eifer¬
süchteleien, Streitereien, Fanfaren, Trompetenstöße, Siege, Rückzüge und Nieder¬
lagen. Säbelrasseln, Friedensschalmeien, Rückzüge, das war nach diplomatischem
Urteil das Kennzeichen dieser unglückseligen politischen Kampagne. Sie hat uns
kein Ansehen in der Welt verschafft, wohl aber uns den unauslöschlichen Haß
Frankreichs und die verschärfte Gegnerschaft Englands zugezogen. Sie hat uns
in der Welt isoliert und doch den deutschen Interessen nur geringe Erfolge ein¬
getragen. Ein großer Aufwand ward umsonst vertan, kann man über die
Geschichte dieser Händel schreiben. Sie war in ihrer ganzen Jnaugurierung und
Entwicklung ein typisches Beispiel für die Ziel- und Systemlosigkeit der nach-
vismarckschen Politik. War man tatsächlich im Auswärtigen Amte entschlossen, die
deutschen Interessen in Marokko zu schützen und Garantien für diesen Schutz zu
schaffen, dann durfte man auch vor nichts zurückschrecken und mußte bis zum Ende
gehen. Wollte man das nicht, dann mußte man die Finger von Marokko lassen'
und jede Einmischung unterlassen. Statt dessen erhob man zuerst mit großer
Geste politische und kommerzielle Ansprüche und betonte den internationalen
Charakter der Frage mit nicht geringer Deutlichkeit. Man beharrte auf diesem
Standpunkte auch noch, als es sich gezeigt hatte, daß von den übrigen Mächten
außer Österreich-Ungarn niemand die Frage vom internationalen Gesichtspunkt
aus ansah und Widerstand von allen Seiten sich geltend machte. Als dann trotz
Algeciras die Provokationen von französischer Seite nicht aufhörten, gab man
Schritt für Schritt nach und räumte den Franzosen in dem Februarabkommen
von 1909 eine Reihe von Konzessionen ein, die den Konflikt wohl vorübergehend
beschwichtigten, aber weit entfernt davon waren, dauernd Ruhe zu schaffen. Mit
dem "Panthersprung" nach Agadir (1911) kam wieder ein aufreizendes Element
und die Geste in die Affäre hinein. Wieder Säbelrasseln ohne entsprechende
Machtentfaltung und politisch, diplomatischen Nachdruck. Das Resultat ein neuer
Rückzug. Verzicht auf die deutschen Wirtschaftsbelcmge in Marokko und Ausgleich
bezw. Entschädigung in zweifelhaftem Landerwerb im Kongo. Von der Wahr¬
nehmung der internationalen wirtschaftlichen Interessen im Algeciras-Vertrag blieb
nur ein Torso zurück, der Anteil Deutschlands an der marokkanischen Staatsbank
und an den Bergwerken des Landes. Die Überwachung der Okkupationsmacht


Das Ende und der Bankrott der deutschen Marokkopolitik

Alle deutschen Verträge — heißt es weiter — mit der scherifischen Regierung sind
abgeschafft. Eine Teilnahme Deutschlands an den Verhandlungen bzw. der Neu¬
regelung der Verhältnisse in Marokko findet nicht statt, es erkennt das französische
Protektorat endgültig und ohne Vorbehalt an und verzichtet auf die Kapitulationen.
Die deutschen Bergwerksrechte werden abgelöst, desgleichen der deutsche Anteil an
der Staatsbank von Marokko. Das alte Sultansland gilt fortan als französische
Kolonie, denn das deutsche Reich verpflichtet sich, die marokkanischen Waren bei
der Einfuhr in Zukunft als französische zu behandeln.

Damit sind alle Errungenschaften der deutsch-französischen Marokko-
Abmachungen für absehbare Zeit aus der Welt getilgt — wenn der Friedens¬
entwurf Gesetz wird. Die Deutschen sind wieder vogelfrei, wie sie es während
der marokkanischen Unruhen im Anfang des Jahrhunderts waren, eine offene
Tür im Lande des Scherifen wird es nicht mehr geben, Frankreich wird dort
herrschen, wie es in Tunis und Algier herrscht, und es wird weder deutsche
Handels- noch deutsche Finanzinteressen mehr dort geben. Die einzigen und
bedeutsamsten Ausbeutungsgegenstände, die Bergwerke, deren ErzVorräte einmal
für die deutsche Industrie etwas hätten bedeuten können, gehen restlos in fran¬
zösische Hände über. Bahn- und Chaussee- und alle sonstigen Kulturarbeiten wird
der französische Staat selbst ausführen und eifrig darüber wachen, daß kein
anderer Staat eine darauf bezügliche Konzession bewilligt erhält. Keine Macht
der Welt wird das unglückliche Land mehr vor der Tunisierung retten. Denn
Deutschland erkennt ja im voraus alle Abmachungen seiner Feinde, jede Neu¬
regelung durch Frankreich an.

Dieses Ende ist zugleich der Bankrott der deutschen Marokkopolilik. Die
Geschichte dieser Politik ist eine Geschichte der Irrungen und Wirrungen, Eifer¬
süchteleien, Streitereien, Fanfaren, Trompetenstöße, Siege, Rückzüge und Nieder¬
lagen. Säbelrasseln, Friedensschalmeien, Rückzüge, das war nach diplomatischem
Urteil das Kennzeichen dieser unglückseligen politischen Kampagne. Sie hat uns
kein Ansehen in der Welt verschafft, wohl aber uns den unauslöschlichen Haß
Frankreichs und die verschärfte Gegnerschaft Englands zugezogen. Sie hat uns
in der Welt isoliert und doch den deutschen Interessen nur geringe Erfolge ein¬
getragen. Ein großer Aufwand ward umsonst vertan, kann man über die
Geschichte dieser Händel schreiben. Sie war in ihrer ganzen Jnaugurierung und
Entwicklung ein typisches Beispiel für die Ziel- und Systemlosigkeit der nach-
vismarckschen Politik. War man tatsächlich im Auswärtigen Amte entschlossen, die
deutschen Interessen in Marokko zu schützen und Garantien für diesen Schutz zu
schaffen, dann durfte man auch vor nichts zurückschrecken und mußte bis zum Ende
gehen. Wollte man das nicht, dann mußte man die Finger von Marokko lassen'
und jede Einmischung unterlassen. Statt dessen erhob man zuerst mit großer
Geste politische und kommerzielle Ansprüche und betonte den internationalen
Charakter der Frage mit nicht geringer Deutlichkeit. Man beharrte auf diesem
Standpunkte auch noch, als es sich gezeigt hatte, daß von den übrigen Mächten
außer Österreich-Ungarn niemand die Frage vom internationalen Gesichtspunkt
aus ansah und Widerstand von allen Seiten sich geltend machte. Als dann trotz
Algeciras die Provokationen von französischer Seite nicht aufhörten, gab man
Schritt für Schritt nach und räumte den Franzosen in dem Februarabkommen
von 1909 eine Reihe von Konzessionen ein, die den Konflikt wohl vorübergehend
beschwichtigten, aber weit entfernt davon waren, dauernd Ruhe zu schaffen. Mit
dem „Panthersprung" nach Agadir (1911) kam wieder ein aufreizendes Element
und die Geste in die Affäre hinein. Wieder Säbelrasseln ohne entsprechende
Machtentfaltung und politisch, diplomatischen Nachdruck. Das Resultat ein neuer
Rückzug. Verzicht auf die deutschen Wirtschaftsbelcmge in Marokko und Ausgleich
bezw. Entschädigung in zweifelhaftem Landerwerb im Kongo. Von der Wahr¬
nehmung der internationalen wirtschaftlichen Interessen im Algeciras-Vertrag blieb
nur ein Torso zurück, der Anteil Deutschlands an der marokkanischen Staatsbank
und an den Bergwerken des Landes. Die Überwachung der Okkupationsmacht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335619"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Ende und der Bankrott der deutschen Marokkopolitik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_865" prev="#ID_864"> Alle deutschen Verträge &#x2014; heißt es weiter &#x2014; mit der scherifischen Regierung sind<lb/>
abgeschafft. Eine Teilnahme Deutschlands an den Verhandlungen bzw. der Neu¬<lb/>
regelung der Verhältnisse in Marokko findet nicht statt, es erkennt das französische<lb/>
Protektorat endgültig und ohne Vorbehalt an und verzichtet auf die Kapitulationen.<lb/>
Die deutschen Bergwerksrechte werden abgelöst, desgleichen der deutsche Anteil an<lb/>
der Staatsbank von Marokko. Das alte Sultansland gilt fortan als französische<lb/>
Kolonie, denn das deutsche Reich verpflichtet sich, die marokkanischen Waren bei<lb/>
der Einfuhr in Zukunft als französische zu behandeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_866"> Damit sind alle Errungenschaften der deutsch-französischen Marokko-<lb/>
Abmachungen für absehbare Zeit aus der Welt getilgt &#x2014; wenn der Friedens¬<lb/>
entwurf Gesetz wird. Die Deutschen sind wieder vogelfrei, wie sie es während<lb/>
der marokkanischen Unruhen im Anfang des Jahrhunderts waren, eine offene<lb/>
Tür im Lande des Scherifen wird es nicht mehr geben, Frankreich wird dort<lb/>
herrschen, wie es in Tunis und Algier herrscht, und es wird weder deutsche<lb/>
Handels- noch deutsche Finanzinteressen mehr dort geben. Die einzigen und<lb/>
bedeutsamsten Ausbeutungsgegenstände, die Bergwerke, deren ErzVorräte einmal<lb/>
für die deutsche Industrie etwas hätten bedeuten können, gehen restlos in fran¬<lb/>
zösische Hände über. Bahn- und Chaussee- und alle sonstigen Kulturarbeiten wird<lb/>
der französische Staat selbst ausführen und eifrig darüber wachen, daß kein<lb/>
anderer Staat eine darauf bezügliche Konzession bewilligt erhält. Keine Macht<lb/>
der Welt wird das unglückliche Land mehr vor der Tunisierung retten. Denn<lb/>
Deutschland erkennt ja im voraus alle Abmachungen seiner Feinde, jede Neu¬<lb/>
regelung durch Frankreich an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_867" next="#ID_868"> Dieses Ende ist zugleich der Bankrott der deutschen Marokkopolilik. Die<lb/>
Geschichte dieser Politik ist eine Geschichte der Irrungen und Wirrungen, Eifer¬<lb/>
süchteleien, Streitereien, Fanfaren, Trompetenstöße, Siege, Rückzüge und Nieder¬<lb/>
lagen. Säbelrasseln, Friedensschalmeien, Rückzüge, das war nach diplomatischem<lb/>
Urteil das Kennzeichen dieser unglückseligen politischen Kampagne. Sie hat uns<lb/>
kein Ansehen in der Welt verschafft, wohl aber uns den unauslöschlichen Haß<lb/>
Frankreichs und die verschärfte Gegnerschaft Englands zugezogen. Sie hat uns<lb/>
in der Welt isoliert und doch den deutschen Interessen nur geringe Erfolge ein¬<lb/>
getragen. Ein großer Aufwand ward umsonst vertan, kann man über die<lb/>
Geschichte dieser Händel schreiben. Sie war in ihrer ganzen Jnaugurierung und<lb/>
Entwicklung ein typisches Beispiel für die Ziel- und Systemlosigkeit der nach-<lb/>
vismarckschen Politik. War man tatsächlich im Auswärtigen Amte entschlossen, die<lb/>
deutschen Interessen in Marokko zu schützen und Garantien für diesen Schutz zu<lb/>
schaffen, dann durfte man auch vor nichts zurückschrecken und mußte bis zum Ende<lb/>
gehen. Wollte man das nicht, dann mußte man die Finger von Marokko lassen'<lb/>
und jede Einmischung unterlassen. Statt dessen erhob man zuerst mit großer<lb/>
Geste politische und kommerzielle Ansprüche und betonte den internationalen<lb/>
Charakter der Frage mit nicht geringer Deutlichkeit. Man beharrte auf diesem<lb/>
Standpunkte auch noch, als es sich gezeigt hatte, daß von den übrigen Mächten<lb/>
außer Österreich-Ungarn niemand die Frage vom internationalen Gesichtspunkt<lb/>
aus ansah und Widerstand von allen Seiten sich geltend machte. Als dann trotz<lb/>
Algeciras die Provokationen von französischer Seite nicht aufhörten, gab man<lb/>
Schritt für Schritt nach und räumte den Franzosen in dem Februarabkommen<lb/>
von 1909 eine Reihe von Konzessionen ein, die den Konflikt wohl vorübergehend<lb/>
beschwichtigten, aber weit entfernt davon waren, dauernd Ruhe zu schaffen. Mit<lb/>
dem &#x201E;Panthersprung" nach Agadir (1911) kam wieder ein aufreizendes Element<lb/>
und die Geste in die Affäre hinein. Wieder Säbelrasseln ohne entsprechende<lb/>
Machtentfaltung und politisch, diplomatischen Nachdruck. Das Resultat ein neuer<lb/>
Rückzug. Verzicht auf die deutschen Wirtschaftsbelcmge in Marokko und Ausgleich<lb/>
bezw. Entschädigung in zweifelhaftem Landerwerb im Kongo. Von der Wahr¬<lb/>
nehmung der internationalen wirtschaftlichen Interessen im Algeciras-Vertrag blieb<lb/>
nur ein Torso zurück, der Anteil Deutschlands an der marokkanischen Staatsbank<lb/>
und an den Bergwerken des Landes. Die Überwachung der Okkupationsmacht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0209] Das Ende und der Bankrott der deutschen Marokkopolitik Alle deutschen Verträge — heißt es weiter — mit der scherifischen Regierung sind abgeschafft. Eine Teilnahme Deutschlands an den Verhandlungen bzw. der Neu¬ regelung der Verhältnisse in Marokko findet nicht statt, es erkennt das französische Protektorat endgültig und ohne Vorbehalt an und verzichtet auf die Kapitulationen. Die deutschen Bergwerksrechte werden abgelöst, desgleichen der deutsche Anteil an der Staatsbank von Marokko. Das alte Sultansland gilt fortan als französische Kolonie, denn das deutsche Reich verpflichtet sich, die marokkanischen Waren bei der Einfuhr in Zukunft als französische zu behandeln. Damit sind alle Errungenschaften der deutsch-französischen Marokko- Abmachungen für absehbare Zeit aus der Welt getilgt — wenn der Friedens¬ entwurf Gesetz wird. Die Deutschen sind wieder vogelfrei, wie sie es während der marokkanischen Unruhen im Anfang des Jahrhunderts waren, eine offene Tür im Lande des Scherifen wird es nicht mehr geben, Frankreich wird dort herrschen, wie es in Tunis und Algier herrscht, und es wird weder deutsche Handels- noch deutsche Finanzinteressen mehr dort geben. Die einzigen und bedeutsamsten Ausbeutungsgegenstände, die Bergwerke, deren ErzVorräte einmal für die deutsche Industrie etwas hätten bedeuten können, gehen restlos in fran¬ zösische Hände über. Bahn- und Chaussee- und alle sonstigen Kulturarbeiten wird der französische Staat selbst ausführen und eifrig darüber wachen, daß kein anderer Staat eine darauf bezügliche Konzession bewilligt erhält. Keine Macht der Welt wird das unglückliche Land mehr vor der Tunisierung retten. Denn Deutschland erkennt ja im voraus alle Abmachungen seiner Feinde, jede Neu¬ regelung durch Frankreich an. Dieses Ende ist zugleich der Bankrott der deutschen Marokkopolilik. Die Geschichte dieser Politik ist eine Geschichte der Irrungen und Wirrungen, Eifer¬ süchteleien, Streitereien, Fanfaren, Trompetenstöße, Siege, Rückzüge und Nieder¬ lagen. Säbelrasseln, Friedensschalmeien, Rückzüge, das war nach diplomatischem Urteil das Kennzeichen dieser unglückseligen politischen Kampagne. Sie hat uns kein Ansehen in der Welt verschafft, wohl aber uns den unauslöschlichen Haß Frankreichs und die verschärfte Gegnerschaft Englands zugezogen. Sie hat uns in der Welt isoliert und doch den deutschen Interessen nur geringe Erfolge ein¬ getragen. Ein großer Aufwand ward umsonst vertan, kann man über die Geschichte dieser Händel schreiben. Sie war in ihrer ganzen Jnaugurierung und Entwicklung ein typisches Beispiel für die Ziel- und Systemlosigkeit der nach- vismarckschen Politik. War man tatsächlich im Auswärtigen Amte entschlossen, die deutschen Interessen in Marokko zu schützen und Garantien für diesen Schutz zu schaffen, dann durfte man auch vor nichts zurückschrecken und mußte bis zum Ende gehen. Wollte man das nicht, dann mußte man die Finger von Marokko lassen' und jede Einmischung unterlassen. Statt dessen erhob man zuerst mit großer Geste politische und kommerzielle Ansprüche und betonte den internationalen Charakter der Frage mit nicht geringer Deutlichkeit. Man beharrte auf diesem Standpunkte auch noch, als es sich gezeigt hatte, daß von den übrigen Mächten außer Österreich-Ungarn niemand die Frage vom internationalen Gesichtspunkt aus ansah und Widerstand von allen Seiten sich geltend machte. Als dann trotz Algeciras die Provokationen von französischer Seite nicht aufhörten, gab man Schritt für Schritt nach und räumte den Franzosen in dem Februarabkommen von 1909 eine Reihe von Konzessionen ein, die den Konflikt wohl vorübergehend beschwichtigten, aber weit entfernt davon waren, dauernd Ruhe zu schaffen. Mit dem „Panthersprung" nach Agadir (1911) kam wieder ein aufreizendes Element und die Geste in die Affäre hinein. Wieder Säbelrasseln ohne entsprechende Machtentfaltung und politisch, diplomatischen Nachdruck. Das Resultat ein neuer Rückzug. Verzicht auf die deutschen Wirtschaftsbelcmge in Marokko und Ausgleich bezw. Entschädigung in zweifelhaftem Landerwerb im Kongo. Von der Wahr¬ nehmung der internationalen wirtschaftlichen Interessen im Algeciras-Vertrag blieb nur ein Torso zurück, der Anteil Deutschlands an der marokkanischen Staatsbank und an den Bergwerken des Landes. Die Überwachung der Okkupationsmacht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/209
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/209>, abgerufen am 18.12.2024.