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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Inlandsbedarf steig!, was allerdings Praktisch
nicht zu befürchten ist, oder, wenn billige
AuSlandsware in ausreichender Menge an¬
geboten wird. Für den Preis der Boden¬
erzeugnisse und damit indirekt auch des
Bodens selbst ist Angebot und Nachfrage auf
dem Markt der Erzeugnisse bestimmend. Wir
haben schaudernd miterlebt, daß selbst eine
behördliche Preisregelung in Verbindung mit
behördlicher Verteilung der Lebensmittel
dieses Gesetz von Angebot und Nachfrage
nicht aus der Welt schaffen kann, daß viel¬
mehr trotz Androhung höchster Strafen der
Schleichhandel zu blühen begann und Preise
herbeiführte, wie sie in dieser Höhe im freien
Verkehr kaum erzielt worden wären.

Es verspricht deshalb keinen Erfolg, wenn
man durch Senkung der Güterpreise auf den
Preis der Erzeugnisse einwirken will. Dieser
Erfolg würde nicht erreicht werden und es
würde nicht verhindert werden können, daß
ein Güterschleichhandel einsetzen würde, das
heißt, es würden trotz aller Strafandrohungen
"eben dem offiziellen niedrigen Preise heim¬
lich Vergütungen gewährt werden, welche
voraussichtlich nicht allzuviel hinter dem freien
Preise zurückbleiben würden. Es erscheint
außerdem nicht gerechtfertigt, dem Käufer
eines Gutes (angenommen, er zahle nur den
Preis von 1914) die ganz erheblichen Vor¬
teile zuzuwenden, welche aus dem allgemeinen
Sinken des Geldwertes während der Kriegs¬
zeit, der Steigerung des Preises aller Voden-
erzeugnisse, hervorgehen.

Danach wäre der Hebel bei dem Preise
der Bodenerzeugnisse anzusetzen. Leider steht
es aber nicht in unserer Macht, hier eine
erhebliche Senkung zu erzielen, solange unser
Bedarf an solchen Erzeugnissen nicht im
eigenen Lande gedeckt werden kann und der
Stand unserer Valuta, auch die Höhe der
Frachtkosten, die Preise ausländischer Erzeug¬
nisse gleicher Art, welche etwa eingeführt
werden können, aus einem hohen Stande
erhallen.

Stehen wir nun der Entwicklung ganz
machtlos gegenüber? Ich möchte es nicht
annehmen. Die hohen Preise und Boden-
erzeugnisse haben eine entsprechende Erhöhung
der Bodenrenke, das heißt des Anteiles an
den Einnahmen aus dem Boden, welche dein

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Besitzer ohne eigene Aufwendung von Arbeit
und Kapital zufällt, zur Folge gehabt. Die
Kapitalisierung dieser Bodenrenke, welche teil¬
weise im Wege der Spekulation sogar noch
übertrieben wird (in Voraussicht weiterer
Preissteigerung), führt zur Erhöhung der
Bodenpreise. Der Verkäufer läßt sich den
kapitalisierten Betrag der Bodenrenke im
Kaufpreise mit auszahlen. Nimmt man nun
diese Bodenrenke ganz oder teilweise im Wege
der Grundsteuer dem Besitzer ab, so tritt
ganz von selbst die erstrebte Senkung des
BodsnpreiseS ein. Hier ist der Hebel an¬
zusetzen. Daneben kann ein Vorkaufsrecht
zum Preise von 19t 4 bestehen, oder besser
zu dem durch die Selbsteinschätzung zum
Wehrbeitrag von 1913 festgestellten Werte.
Doch ist diese Frage, zu welchem Werte das
Vorkaufsrecht zu gewähren ist, wenigstens
für Preußen nicht mehr von Bedeutung, da
durch die Verordnung vom 23. Dezember 191S
bestimmt ist, daß der durch Schätzung be¬
stimmte gemeine Wert maßgebend ist, jedoch
ohne Berücksichtigung vorübergehender Wert¬
steigerungen, die auf die außerordentlichen
Verhältnisse des Krieges zurückzuführen sind.

Diese Grundsteuer wäre zunächst so zu
gestalten, daß sie der Erhöhung der Boden¬
renke durch die Steigerung der Preise aller
Produkte während des Krieges unter Berück¬
sichtigung der zu erwartenden höheren Auf¬
wendungen an Kapital (Löhnen usw.) ent¬
sprechen würde. Sie wäre veränderlich zu
gestalten, so daß sie den in der nächsten Zu¬
kunft zu erwartenden Schwankungen folgen
könnte. Der Steuersatz könnte vielleicht für
jährliche oder längere Zeiträume von Sach¬
verständigen oder auf deren Vorschlag von
der in Zukunft etwa dein früheren Bundesrat
entsprechenden Behörde festgesetzt werden.

Die leichte Beweglichkeit der Höhe dieser
Steuer ist erforderlich, um den erstrebten
Zweck zu erreichen, die Steigerung der Boden¬
preise zu verhindern, ohne doch die Ge¬
stehungskosten der landwirtsch.isllichen Er¬
zeugnisse dauernd für alle Zukunft zu erhöhen.
Ist die Zeit für den Abbau der Zwangs¬
wirtschaft gekommen, die Deckung des Bedarfs
an Nahrungsmitteln wieder möglich, so wäre
durch Minderung des Steuersatzes der Senkung
der Preise der Erzeugnisse Vorschub zu leisten.

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Inlandsbedarf steig!, was allerdings Praktisch
nicht zu befürchten ist, oder, wenn billige
AuSlandsware in ausreichender Menge an¬
geboten wird. Für den Preis der Boden¬
erzeugnisse und damit indirekt auch des
Bodens selbst ist Angebot und Nachfrage auf
dem Markt der Erzeugnisse bestimmend. Wir
haben schaudernd miterlebt, daß selbst eine
behördliche Preisregelung in Verbindung mit
behördlicher Verteilung der Lebensmittel
dieses Gesetz von Angebot und Nachfrage
nicht aus der Welt schaffen kann, daß viel¬
mehr trotz Androhung höchster Strafen der
Schleichhandel zu blühen begann und Preise
herbeiführte, wie sie in dieser Höhe im freien
Verkehr kaum erzielt worden wären.

Es verspricht deshalb keinen Erfolg, wenn
man durch Senkung der Güterpreise auf den
Preis der Erzeugnisse einwirken will. Dieser
Erfolg würde nicht erreicht werden und es
würde nicht verhindert werden können, daß
ein Güterschleichhandel einsetzen würde, das
heißt, es würden trotz aller Strafandrohungen
»eben dem offiziellen niedrigen Preise heim¬
lich Vergütungen gewährt werden, welche
voraussichtlich nicht allzuviel hinter dem freien
Preise zurückbleiben würden. Es erscheint
außerdem nicht gerechtfertigt, dem Käufer
eines Gutes (angenommen, er zahle nur den
Preis von 1914) die ganz erheblichen Vor¬
teile zuzuwenden, welche aus dem allgemeinen
Sinken des Geldwertes während der Kriegs¬
zeit, der Steigerung des Preises aller Voden-
erzeugnisse, hervorgehen.

Danach wäre der Hebel bei dem Preise
der Bodenerzeugnisse anzusetzen. Leider steht
es aber nicht in unserer Macht, hier eine
erhebliche Senkung zu erzielen, solange unser
Bedarf an solchen Erzeugnissen nicht im
eigenen Lande gedeckt werden kann und der
Stand unserer Valuta, auch die Höhe der
Frachtkosten, die Preise ausländischer Erzeug¬
nisse gleicher Art, welche etwa eingeführt
werden können, aus einem hohen Stande
erhallen.

Stehen wir nun der Entwicklung ganz
machtlos gegenüber? Ich möchte es nicht
annehmen. Die hohen Preise und Boden-
erzeugnisse haben eine entsprechende Erhöhung
der Bodenrenke, das heißt des Anteiles an
den Einnahmen aus dem Boden, welche dein

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Besitzer ohne eigene Aufwendung von Arbeit
und Kapital zufällt, zur Folge gehabt. Die
Kapitalisierung dieser Bodenrenke, welche teil¬
weise im Wege der Spekulation sogar noch
übertrieben wird (in Voraussicht weiterer
Preissteigerung), führt zur Erhöhung der
Bodenpreise. Der Verkäufer läßt sich den
kapitalisierten Betrag der Bodenrenke im
Kaufpreise mit auszahlen. Nimmt man nun
diese Bodenrenke ganz oder teilweise im Wege
der Grundsteuer dem Besitzer ab, so tritt
ganz von selbst die erstrebte Senkung des
BodsnpreiseS ein. Hier ist der Hebel an¬
zusetzen. Daneben kann ein Vorkaufsrecht
zum Preise von 19t 4 bestehen, oder besser
zu dem durch die Selbsteinschätzung zum
Wehrbeitrag von 1913 festgestellten Werte.
Doch ist diese Frage, zu welchem Werte das
Vorkaufsrecht zu gewähren ist, wenigstens
für Preußen nicht mehr von Bedeutung, da
durch die Verordnung vom 23. Dezember 191S
bestimmt ist, daß der durch Schätzung be¬
stimmte gemeine Wert maßgebend ist, jedoch
ohne Berücksichtigung vorübergehender Wert¬
steigerungen, die auf die außerordentlichen
Verhältnisse des Krieges zurückzuführen sind.

Diese Grundsteuer wäre zunächst so zu
gestalten, daß sie der Erhöhung der Boden¬
renke durch die Steigerung der Preise aller
Produkte während des Krieges unter Berück¬
sichtigung der zu erwartenden höheren Auf¬
wendungen an Kapital (Löhnen usw.) ent¬
sprechen würde. Sie wäre veränderlich zu
gestalten, so daß sie den in der nächsten Zu¬
kunft zu erwartenden Schwankungen folgen
könnte. Der Steuersatz könnte vielleicht für
jährliche oder längere Zeiträume von Sach¬
verständigen oder auf deren Vorschlag von
der in Zukunft etwa dein früheren Bundesrat
entsprechenden Behörde festgesetzt werden.

Die leichte Beweglichkeit der Höhe dieser
Steuer ist erforderlich, um den erstrebten
Zweck zu erreichen, die Steigerung der Boden¬
preise zu verhindern, ohne doch die Ge¬
stehungskosten der landwirtsch.isllichen Er¬
zeugnisse dauernd für alle Zukunft zu erhöhen.
Ist die Zeit für den Abbau der Zwangs¬
wirtschaft gekommen, die Deckung des Bedarfs
an Nahrungsmitteln wieder möglich, so wäre
durch Minderung des Steuersatzes der Senkung
der Preise der Erzeugnisse Vorschub zu leisten.

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[0155] Maßgebliches und Unmaßgebliches Inlandsbedarf steig!, was allerdings Praktisch nicht zu befürchten ist, oder, wenn billige AuSlandsware in ausreichender Menge an¬ geboten wird. Für den Preis der Boden¬ erzeugnisse und damit indirekt auch des Bodens selbst ist Angebot und Nachfrage auf dem Markt der Erzeugnisse bestimmend. Wir haben schaudernd miterlebt, daß selbst eine behördliche Preisregelung in Verbindung mit behördlicher Verteilung der Lebensmittel dieses Gesetz von Angebot und Nachfrage nicht aus der Welt schaffen kann, daß viel¬ mehr trotz Androhung höchster Strafen der Schleichhandel zu blühen begann und Preise herbeiführte, wie sie in dieser Höhe im freien Verkehr kaum erzielt worden wären. Es verspricht deshalb keinen Erfolg, wenn man durch Senkung der Güterpreise auf den Preis der Erzeugnisse einwirken will. Dieser Erfolg würde nicht erreicht werden und es würde nicht verhindert werden können, daß ein Güterschleichhandel einsetzen würde, das heißt, es würden trotz aller Strafandrohungen »eben dem offiziellen niedrigen Preise heim¬ lich Vergütungen gewährt werden, welche voraussichtlich nicht allzuviel hinter dem freien Preise zurückbleiben würden. Es erscheint außerdem nicht gerechtfertigt, dem Käufer eines Gutes (angenommen, er zahle nur den Preis von 1914) die ganz erheblichen Vor¬ teile zuzuwenden, welche aus dem allgemeinen Sinken des Geldwertes während der Kriegs¬ zeit, der Steigerung des Preises aller Voden- erzeugnisse, hervorgehen. Danach wäre der Hebel bei dem Preise der Bodenerzeugnisse anzusetzen. Leider steht es aber nicht in unserer Macht, hier eine erhebliche Senkung zu erzielen, solange unser Bedarf an solchen Erzeugnissen nicht im eigenen Lande gedeckt werden kann und der Stand unserer Valuta, auch die Höhe der Frachtkosten, die Preise ausländischer Erzeug¬ nisse gleicher Art, welche etwa eingeführt werden können, aus einem hohen Stande erhallen. Stehen wir nun der Entwicklung ganz machtlos gegenüber? Ich möchte es nicht annehmen. Die hohen Preise und Boden- erzeugnisse haben eine entsprechende Erhöhung der Bodenrenke, das heißt des Anteiles an den Einnahmen aus dem Boden, welche dein Besitzer ohne eigene Aufwendung von Arbeit und Kapital zufällt, zur Folge gehabt. Die Kapitalisierung dieser Bodenrenke, welche teil¬ weise im Wege der Spekulation sogar noch übertrieben wird (in Voraussicht weiterer Preissteigerung), führt zur Erhöhung der Bodenpreise. Der Verkäufer läßt sich den kapitalisierten Betrag der Bodenrenke im Kaufpreise mit auszahlen. Nimmt man nun diese Bodenrenke ganz oder teilweise im Wege der Grundsteuer dem Besitzer ab, so tritt ganz von selbst die erstrebte Senkung des BodsnpreiseS ein. Hier ist der Hebel an¬ zusetzen. Daneben kann ein Vorkaufsrecht zum Preise von 19t 4 bestehen, oder besser zu dem durch die Selbsteinschätzung zum Wehrbeitrag von 1913 festgestellten Werte. Doch ist diese Frage, zu welchem Werte das Vorkaufsrecht zu gewähren ist, wenigstens für Preußen nicht mehr von Bedeutung, da durch die Verordnung vom 23. Dezember 191S bestimmt ist, daß der durch Schätzung be¬ stimmte gemeine Wert maßgebend ist, jedoch ohne Berücksichtigung vorübergehender Wert¬ steigerungen, die auf die außerordentlichen Verhältnisse des Krieges zurückzuführen sind. Diese Grundsteuer wäre zunächst so zu gestalten, daß sie der Erhöhung der Boden¬ renke durch die Steigerung der Preise aller Produkte während des Krieges unter Berück¬ sichtigung der zu erwartenden höheren Auf¬ wendungen an Kapital (Löhnen usw.) ent¬ sprechen würde. Sie wäre veränderlich zu gestalten, so daß sie den in der nächsten Zu¬ kunft zu erwartenden Schwankungen folgen könnte. Der Steuersatz könnte vielleicht für jährliche oder längere Zeiträume von Sach¬ verständigen oder auf deren Vorschlag von der in Zukunft etwa dein früheren Bundesrat entsprechenden Behörde festgesetzt werden. Die leichte Beweglichkeit der Höhe dieser Steuer ist erforderlich, um den erstrebten Zweck zu erreichen, die Steigerung der Boden¬ preise zu verhindern, ohne doch die Ge¬ stehungskosten der landwirtsch.isllichen Er¬ zeugnisse dauernd für alle Zukunft zu erhöhen. Ist die Zeit für den Abbau der Zwangs¬ wirtschaft gekommen, die Deckung des Bedarfs an Nahrungsmitteln wieder möglich, so wäre durch Minderung des Steuersatzes der Senkung der Preise der Erzeugnisse Vorschub zu leisten.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/155>, abgerufen am 18.12.2024.