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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Soll die Provinz Posen dem Polnischen Staate einverleibt werden?

Für die NichtPolen, also die Deutschen aller Schattierungen und aller Kon¬
fessionen, kommen noch andere Momente hinzu, die sie geradezu mit Schrecken an
ein polnisches Regime denken lassen. Sie wissen, daß sie von dem übertriebenen,
unausgereiften Nationalismus der Polen nichts Gutes zu erwarten haben. Kennen
sie doch uur zur gut die Intoleranz oder richtiger gesagt Rigorosität, mit der die
Polen die galizischen Nuthenen behandeln.

Daß der Nationalismus der Polen ein so extravaganter ist, ist ja bis zu
einem gewissen Grade begreiflich, weil er sich über hundert Jahre lang nicht aus¬
leben konnte. Er ist aber nun einmal vorhanden und ist übrigens in dem
Temperament der Polen begründet, wie diese selbst zugeben. Und gerade das
wurde immer von den sogenannten Hakatisten, also von denjenigen Deutschen ins
Feld geführt, die für die Ausnahmegesetze gegen die Polen stimmten und deren
Kreis übrigens bei weitem nicht so groß war, wie es die Polen annehmen, bezw.
wie sie es den andern Völkern geflissentlich glauben machen wollen. Die Befür¬
worter einer schärfen Polenpolitik, die von den besonnenen, weitaus in der Mehr¬
zahl befindlichen deutschen Elementen Posens am allerwenigsten gutgeheißen wurde,
beriefen sich immer wieder auf die durch die Geschichte bestätigls Erfahrung, daß
auch die gerechteste Behandlung der Polen diese niemals zufriedengestellt hat, weil
sie einen unauslöschlichen Haß gegen alles Deutsche hegen. Ein übertriebener
Nationalismus zeitigt bekanntlich immer Haß, und das polnische Sprichwort.-
"?ol<i s^vnd sxviatem I^iemiec: nie doclzue pvlalcovi dratom" (solange die Welt
bestehen wird, wird der Deutsche den Polen kein Bruder sein) beweist, daß der
Deutschenhaß in der polnischen Volksseele seit Jahrhunderten unausrottbar wurzelt.
Selbst jetzt vor der Entscheidung der Friedenskonferenz, wo doch den Polen daran
liegen müßte, die Deutschen möglichst für sich zu gewinnen, haben sie aus dieser
ihrer Gesinnung keinen Hehl gemacht. Sobald sie Stadt und Provinz Posen
in ihren Besitz genommen, das deutsche Militär verjagt und die Behörden besetzt
hallen, haben sie die polnische Sprache rücksichtslos in den Vordergrund gedrängt,
obwohl sie wissen, daß die deutsche Bevölkerung dank der ungeschickten Politik
der Regierung zu 99 Prozent einsprachig ist, während fast sämtliche Polen eben¬
sogut deutsch wie polnisch sprechen. Der deuischsprechende Bewohner der Provinz
Posen ist bei der Erteilung von Reisepässen, sonstigen Erlaubnisscheinen und
tausend anderen Dingen nicht bloß gegenüber den Polen im Nachteil, sondern
auch gegenüber dein -- allerdings seltenen -- polnischsprechenden Dänischen. Den
Deutschen wird nahegelegt, Eingaben an den obersten polnischen Volksrat in pol¬
nischer Sprache zu verfassen. Ebenso beantwortet der polnische Volksrat die
deutschen Eingaben deutscher Firmen in polnischer Sprache. Wenn das schon jetzt
der Fall ist, wie soll es dann später werden?

Noch trauriger gestaltet sich die Zukunft für die in Stadt und Provinz
Posen lebenden Deutschen jüdischer Konfession, die genau wissen, was ihnen blüht,
wenn die Provinz Posen dem Polnischen Staate zugeschlagen wird. Sie wissen,
daß ihre Gleichberechtigung nur auf dem Papier stehen wird und daß sie in der
Praxis auf der ganzen Linie unter einem brutalen Antisemitismus zu leiden
haben werden, wie ihn nur der Pole, allenfalls noch der Rumäne, zuwege
bringt. Rumänien hat bekanntlich im Jahre 1878 auf dein Berliner Kongreß
die Emanzipation und Gleichberechtigung der Juden feierlich versprochen, und
trotzdem seufzen noch heute die rumänischen Juden uuter schweren Ausnahme¬
gesetzen. So wird es auch hier sein. Die Polen werden auf dem Friedens¬
kongreß alles mögliche in der Beziehung versprechen, aber halten werden sie nichts.
Leider aber scheuen sich die Juden und selbst diejenigen, die für den FM, daß
die Provinz Posen polnisch würde, fest entschlossen sind, ihre Heimat zu verlassen,
wegen der jetzt von den Polen rücksichtslos ausgeübten Gewaltherrschaft ihre
Meinung den maßgebenden Stellen gegenüber offen zu äußern. Und diejenigen
Juden, die ihrer Fortexistenz wegen auf alle Fälle in der Provinz Posen bleiben
müssen, haben erst recht Veranlassung, mit ihrer Meinung zurückzuhalten, weil
sie andernfalls alles Mögliche von den Polen zu befürchten haben. Der Pole ist


Soll die Provinz Posen dem Polnischen Staate einverleibt werden?

Für die NichtPolen, also die Deutschen aller Schattierungen und aller Kon¬
fessionen, kommen noch andere Momente hinzu, die sie geradezu mit Schrecken an
ein polnisches Regime denken lassen. Sie wissen, daß sie von dem übertriebenen,
unausgereiften Nationalismus der Polen nichts Gutes zu erwarten haben. Kennen
sie doch uur zur gut die Intoleranz oder richtiger gesagt Rigorosität, mit der die
Polen die galizischen Nuthenen behandeln.

Daß der Nationalismus der Polen ein so extravaganter ist, ist ja bis zu
einem gewissen Grade begreiflich, weil er sich über hundert Jahre lang nicht aus¬
leben konnte. Er ist aber nun einmal vorhanden und ist übrigens in dem
Temperament der Polen begründet, wie diese selbst zugeben. Und gerade das
wurde immer von den sogenannten Hakatisten, also von denjenigen Deutschen ins
Feld geführt, die für die Ausnahmegesetze gegen die Polen stimmten und deren
Kreis übrigens bei weitem nicht so groß war, wie es die Polen annehmen, bezw.
wie sie es den andern Völkern geflissentlich glauben machen wollen. Die Befür¬
worter einer schärfen Polenpolitik, die von den besonnenen, weitaus in der Mehr¬
zahl befindlichen deutschen Elementen Posens am allerwenigsten gutgeheißen wurde,
beriefen sich immer wieder auf die durch die Geschichte bestätigls Erfahrung, daß
auch die gerechteste Behandlung der Polen diese niemals zufriedengestellt hat, weil
sie einen unauslöschlichen Haß gegen alles Deutsche hegen. Ein übertriebener
Nationalismus zeitigt bekanntlich immer Haß, und das polnische Sprichwort.-
„?ol<i s^vnd sxviatem I^iemiec: nie doclzue pvlalcovi dratom" (solange die Welt
bestehen wird, wird der Deutsche den Polen kein Bruder sein) beweist, daß der
Deutschenhaß in der polnischen Volksseele seit Jahrhunderten unausrottbar wurzelt.
Selbst jetzt vor der Entscheidung der Friedenskonferenz, wo doch den Polen daran
liegen müßte, die Deutschen möglichst für sich zu gewinnen, haben sie aus dieser
ihrer Gesinnung keinen Hehl gemacht. Sobald sie Stadt und Provinz Posen
in ihren Besitz genommen, das deutsche Militär verjagt und die Behörden besetzt
hallen, haben sie die polnische Sprache rücksichtslos in den Vordergrund gedrängt,
obwohl sie wissen, daß die deutsche Bevölkerung dank der ungeschickten Politik
der Regierung zu 99 Prozent einsprachig ist, während fast sämtliche Polen eben¬
sogut deutsch wie polnisch sprechen. Der deuischsprechende Bewohner der Provinz
Posen ist bei der Erteilung von Reisepässen, sonstigen Erlaubnisscheinen und
tausend anderen Dingen nicht bloß gegenüber den Polen im Nachteil, sondern
auch gegenüber dein — allerdings seltenen — polnischsprechenden Dänischen. Den
Deutschen wird nahegelegt, Eingaben an den obersten polnischen Volksrat in pol¬
nischer Sprache zu verfassen. Ebenso beantwortet der polnische Volksrat die
deutschen Eingaben deutscher Firmen in polnischer Sprache. Wenn das schon jetzt
der Fall ist, wie soll es dann später werden?

Noch trauriger gestaltet sich die Zukunft für die in Stadt und Provinz
Posen lebenden Deutschen jüdischer Konfession, die genau wissen, was ihnen blüht,
wenn die Provinz Posen dem Polnischen Staate zugeschlagen wird. Sie wissen,
daß ihre Gleichberechtigung nur auf dem Papier stehen wird und daß sie in der
Praxis auf der ganzen Linie unter einem brutalen Antisemitismus zu leiden
haben werden, wie ihn nur der Pole, allenfalls noch der Rumäne, zuwege
bringt. Rumänien hat bekanntlich im Jahre 1878 auf dein Berliner Kongreß
die Emanzipation und Gleichberechtigung der Juden feierlich versprochen, und
trotzdem seufzen noch heute die rumänischen Juden uuter schweren Ausnahme¬
gesetzen. So wird es auch hier sein. Die Polen werden auf dem Friedens¬
kongreß alles mögliche in der Beziehung versprechen, aber halten werden sie nichts.
Leider aber scheuen sich die Juden und selbst diejenigen, die für den FM, daß
die Provinz Posen polnisch würde, fest entschlossen sind, ihre Heimat zu verlassen,
wegen der jetzt von den Polen rücksichtslos ausgeübten Gewaltherrschaft ihre
Meinung den maßgebenden Stellen gegenüber offen zu äußern. Und diejenigen
Juden, die ihrer Fortexistenz wegen auf alle Fälle in der Provinz Posen bleiben
müssen, haben erst recht Veranlassung, mit ihrer Meinung zurückzuhalten, weil
sie andernfalls alles Mögliche von den Polen zu befürchten haben. Der Pole ist


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[0146] Soll die Provinz Posen dem Polnischen Staate einverleibt werden? Für die NichtPolen, also die Deutschen aller Schattierungen und aller Kon¬ fessionen, kommen noch andere Momente hinzu, die sie geradezu mit Schrecken an ein polnisches Regime denken lassen. Sie wissen, daß sie von dem übertriebenen, unausgereiften Nationalismus der Polen nichts Gutes zu erwarten haben. Kennen sie doch uur zur gut die Intoleranz oder richtiger gesagt Rigorosität, mit der die Polen die galizischen Nuthenen behandeln. Daß der Nationalismus der Polen ein so extravaganter ist, ist ja bis zu einem gewissen Grade begreiflich, weil er sich über hundert Jahre lang nicht aus¬ leben konnte. Er ist aber nun einmal vorhanden und ist übrigens in dem Temperament der Polen begründet, wie diese selbst zugeben. Und gerade das wurde immer von den sogenannten Hakatisten, also von denjenigen Deutschen ins Feld geführt, die für die Ausnahmegesetze gegen die Polen stimmten und deren Kreis übrigens bei weitem nicht so groß war, wie es die Polen annehmen, bezw. wie sie es den andern Völkern geflissentlich glauben machen wollen. Die Befür¬ worter einer schärfen Polenpolitik, die von den besonnenen, weitaus in der Mehr¬ zahl befindlichen deutschen Elementen Posens am allerwenigsten gutgeheißen wurde, beriefen sich immer wieder auf die durch die Geschichte bestätigls Erfahrung, daß auch die gerechteste Behandlung der Polen diese niemals zufriedengestellt hat, weil sie einen unauslöschlichen Haß gegen alles Deutsche hegen. Ein übertriebener Nationalismus zeitigt bekanntlich immer Haß, und das polnische Sprichwort.- „?ol<i s^vnd sxviatem I^iemiec: nie doclzue pvlalcovi dratom" (solange die Welt bestehen wird, wird der Deutsche den Polen kein Bruder sein) beweist, daß der Deutschenhaß in der polnischen Volksseele seit Jahrhunderten unausrottbar wurzelt. Selbst jetzt vor der Entscheidung der Friedenskonferenz, wo doch den Polen daran liegen müßte, die Deutschen möglichst für sich zu gewinnen, haben sie aus dieser ihrer Gesinnung keinen Hehl gemacht. Sobald sie Stadt und Provinz Posen in ihren Besitz genommen, das deutsche Militär verjagt und die Behörden besetzt hallen, haben sie die polnische Sprache rücksichtslos in den Vordergrund gedrängt, obwohl sie wissen, daß die deutsche Bevölkerung dank der ungeschickten Politik der Regierung zu 99 Prozent einsprachig ist, während fast sämtliche Polen eben¬ sogut deutsch wie polnisch sprechen. Der deuischsprechende Bewohner der Provinz Posen ist bei der Erteilung von Reisepässen, sonstigen Erlaubnisscheinen und tausend anderen Dingen nicht bloß gegenüber den Polen im Nachteil, sondern auch gegenüber dein — allerdings seltenen — polnischsprechenden Dänischen. Den Deutschen wird nahegelegt, Eingaben an den obersten polnischen Volksrat in pol¬ nischer Sprache zu verfassen. Ebenso beantwortet der polnische Volksrat die deutschen Eingaben deutscher Firmen in polnischer Sprache. Wenn das schon jetzt der Fall ist, wie soll es dann später werden? Noch trauriger gestaltet sich die Zukunft für die in Stadt und Provinz Posen lebenden Deutschen jüdischer Konfession, die genau wissen, was ihnen blüht, wenn die Provinz Posen dem Polnischen Staate zugeschlagen wird. Sie wissen, daß ihre Gleichberechtigung nur auf dem Papier stehen wird und daß sie in der Praxis auf der ganzen Linie unter einem brutalen Antisemitismus zu leiden haben werden, wie ihn nur der Pole, allenfalls noch der Rumäne, zuwege bringt. Rumänien hat bekanntlich im Jahre 1878 auf dein Berliner Kongreß die Emanzipation und Gleichberechtigung der Juden feierlich versprochen, und trotzdem seufzen noch heute die rumänischen Juden uuter schweren Ausnahme¬ gesetzen. So wird es auch hier sein. Die Polen werden auf dem Friedens¬ kongreß alles mögliche in der Beziehung versprechen, aber halten werden sie nichts. Leider aber scheuen sich die Juden und selbst diejenigen, die für den FM, daß die Provinz Posen polnisch würde, fest entschlossen sind, ihre Heimat zu verlassen, wegen der jetzt von den Polen rücksichtslos ausgeübten Gewaltherrschaft ihre Meinung den maßgebenden Stellen gegenüber offen zu äußern. Und diejenigen Juden, die ihrer Fortexistenz wegen auf alle Fälle in der Provinz Posen bleiben müssen, haben erst recht Veranlassung, mit ihrer Meinung zurückzuhalten, weil sie andernfalls alles Mögliche von den Polen zu befürchten haben. Der Pole ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/146>, abgerufen am 01.09.2024.