Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Revolutionslitcratcn lasse, oder Wollt >ihr es nicht? Wenn ihr es nicht wollt! wenn ihr die Verschärfung Aber der Kapitalismus? Aber die Bourgeoisie? Es ist dasselbe Schau¬ Endlich aber die Schuld Teutsch lands! Ich bin so wenig kriegsbegcistert gewesen wie nur irgendein Pazifist, von Es sind Fehler gemacht worden bei uns. Heute weiß das jedes Kind, und Die Schuld Deutschlands! Was läßt sich ans Archiven und mit Dokumenten 11"
Revolutionslitcratcn lasse, oder Wollt >ihr es nicht? Wenn ihr es nicht wollt! wenn ihr die Verschärfung Aber der Kapitalismus? Aber die Bourgeoisie? Es ist dasselbe Schau¬ Endlich aber die Schuld Teutsch lands! Ich bin so wenig kriegsbegcistert gewesen wie nur irgendein Pazifist, von Es sind Fehler gemacht worden bei uns. Heute weiß das jedes Kind, und Die Schuld Deutschlands! Was läßt sich ans Archiven und mit Dokumenten 11»
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335545"/> <fw type="header" place="top"> Revolutionslitcratcn</fw><lb/> <p xml:id="ID_527" prev="#ID_526"> lasse, oder Wollt >ihr es nicht? Wenn ihr es nicht wollt! wenn ihr die Verschärfung<lb/> der Not, den wachsenden Hunger, Ruin, Verzweiflung und Chaos begreift und<lb/> euch vorzustellen vermögt, so habt auch den Mut, das Mittel zur Bändigung zu<lb/> wollen! Borläufig scheint mir, daß jeder Freiwillige sogenannter weister Garden,<lb/> der- mit feiner Kompagnie dahin geht, wo Spartakisten hinter Barrikaden<lb/> Maschinengewehre verflucht fachgemäß bedienen, mehr Männlichkeit beweist als<lb/> ihr, die ihr mit der Feder gegen den Reichswehrminister zu Felde zieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_528"> Aber der Kapitalismus? Aber die Bourgeoisie? Es ist dasselbe Schau¬<lb/> spiel! Wer wäre denn nicht gegen die parasitische Sattheit geschützter Philister?<lb/> Wer fühlte sich denn nicht Todfeind jedem Ausbeuter und Bundesgenossen den<lb/> Ausgebeuteten? Die Tyrannei des Kapitals wird gebrochen werden, darüber<lb/> bedarf es keiner Worte (obwohl einiger darüber, ob der Weg des Erfurter<lb/> Programmes der einzige, oder auch mir der rechte ist; und einiger auch darüber,<lb/> daß die Menschheit vom Dämon des Kapitalismus ahnungslos überlistet worden,<lb/> nicht ihn: von ein Paar Ruchlosen mit hämischer Absichtlichkeit zugeführt worden<lb/> ist). Nur das soll man uns nicht 'weiß machen wollen, daß eS der Bürger, als<lb/> Bürger, ist, der ausbeutet, der unterdrückt, der schlemmt, der sich fürchtet, der<lb/> zusammenrafft, der gemein ist und gemein macht, während ganz im Gegenteil<lb/> der Proletarier, als Proletarier, den fleißigen, redlichen, genügsamen, mensch¬<lb/> lichen, gerechten und selbstlosen Bruder seiner Brüder verkörpert. Die Fabel von<lb/> dein braven Proletariat und der schlimmen Bourgeoisie ist eine demagogische<lb/> Phrase, zu taktischen Zwecken in die Massen geworfen und mit endlosen Wieder¬<lb/> holungen eingehämmert; sie macht der Geschicklichkeit sozialdemokratischer Führer<lb/> ebensoviel Ehre, wie sie die Leichtgläubigkeit des großen Haufens, der sich<lb/> geschmeichelt fühlt, an den Pranger stellt. Literaten bürgerlicher Abstammung,<lb/> Erziehung und Lebenshaltung sollten sich schämen, sie nachzusprechen. Ich<lb/> wenigstens kenne weder den verdorbene!-. Bourgeois, noch den gerechten<lb/> Proletarier; sondern was ich erlebt habe, ist die Erbärmlichkeit der Menschen von<lb/> oben bis unten, und von Osten bis Westen; und wovon ich glaube, das ist die<lb/> Kleinheit und Güte und Weisheit von ein paar ganz seltenen, die scher den Erd¬<lb/> ball zerstreut und in den Jahrtausenden verloren sind. Und ihr könnt es<lb/> unmöglich anders erfahren haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_529"> Endlich aber die Schuld Teutsch lands!</p><lb/> <p xml:id="ID_530"> Ich bin so wenig kriegsbegcistert gewesen wie nur irgendein Pazifist, von<lb/> denen es jetzt plötzlich auf allen Gassen wimmelt. Wer es nicht glaubt, und wem<lb/> damit gedient ist,'dem kann ich die Zeugnisse vorweisen. Ich wünschte, daß ich<lb/> meine Klinge schlagen dürfte gegen deutsche Imperialisten und Militaristen. Euer<lb/> Treiben zwingt mich in die. vertrackte Läge, die Partei der anderen Seite<lb/> zu nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_531"> Es sind Fehler gemacht worden bei uns. Heute weiß das jedes Kind, und<lb/> es ist leine Kunst mehr, sie anzukreiden, seitdem wir die Folgen zu tragen haben.<lb/> Ohne diese Fehler wäre der Krieg zu vermeiden gewesen, aber auch die Katastrophe<lb/> dieser Niederlage. Ohne die immer wiederholten und zu Bergen aufgehäuften<lb/> Fehler hätte der Krieg, einmal begonnM, zu einem halbwegs glücklichen Ende<lb/> flesührt werden können. Und wie anders sähe dann alles aus, mitsamt euren<lb/> ötiickwärtüprophezeiungen, daß es so kommen mußte!</p><lb/> <p xml:id="ID_532" next="#ID_533"> Die Schuld Deutschlands! Was läßt sich ans Archiven und mit Dokumenten<lb/> beweisen? Daß der Krieg zu verhüten war, wenn an irgendeiner Stelle der<lb/> kritischen Tage Deutschland anders gehandelt hätte. Jetzt wissen wir das. Damals,<lb/> im Sturz der Ereignisse, in der Verzauberung des allgemeinen Mißtrauens,<lb/> unter dem Druck ' aufgespeicherter Leidenschaften, wer übersah damals' den<lb/> Zusammenhang? Aber ich mache mich anheischig, genau denselben Beweis für<lb/> jede der anderen Mächte mit gleicher Bündigkeit zu führen. Deutschlands Schuld?<lb/> Ich und du und Millionen andere, Nur waren nicht schuldig, wir sind in den<lb/> Krieg gezogen und haben unsere Haut zu Markte getragen, weil wir unser Vater¬<lb/> land bedroht sahen. Zum Teufel mit denen, die sich selbst die Treue nicht halten</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 11»</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0135]
Revolutionslitcratcn
lasse, oder Wollt >ihr es nicht? Wenn ihr es nicht wollt! wenn ihr die Verschärfung
der Not, den wachsenden Hunger, Ruin, Verzweiflung und Chaos begreift und
euch vorzustellen vermögt, so habt auch den Mut, das Mittel zur Bändigung zu
wollen! Borläufig scheint mir, daß jeder Freiwillige sogenannter weister Garden,
der- mit feiner Kompagnie dahin geht, wo Spartakisten hinter Barrikaden
Maschinengewehre verflucht fachgemäß bedienen, mehr Männlichkeit beweist als
ihr, die ihr mit der Feder gegen den Reichswehrminister zu Felde zieht.
Aber der Kapitalismus? Aber die Bourgeoisie? Es ist dasselbe Schau¬
spiel! Wer wäre denn nicht gegen die parasitische Sattheit geschützter Philister?
Wer fühlte sich denn nicht Todfeind jedem Ausbeuter und Bundesgenossen den
Ausgebeuteten? Die Tyrannei des Kapitals wird gebrochen werden, darüber
bedarf es keiner Worte (obwohl einiger darüber, ob der Weg des Erfurter
Programmes der einzige, oder auch mir der rechte ist; und einiger auch darüber,
daß die Menschheit vom Dämon des Kapitalismus ahnungslos überlistet worden,
nicht ihn: von ein Paar Ruchlosen mit hämischer Absichtlichkeit zugeführt worden
ist). Nur das soll man uns nicht 'weiß machen wollen, daß eS der Bürger, als
Bürger, ist, der ausbeutet, der unterdrückt, der schlemmt, der sich fürchtet, der
zusammenrafft, der gemein ist und gemein macht, während ganz im Gegenteil
der Proletarier, als Proletarier, den fleißigen, redlichen, genügsamen, mensch¬
lichen, gerechten und selbstlosen Bruder seiner Brüder verkörpert. Die Fabel von
dein braven Proletariat und der schlimmen Bourgeoisie ist eine demagogische
Phrase, zu taktischen Zwecken in die Massen geworfen und mit endlosen Wieder¬
holungen eingehämmert; sie macht der Geschicklichkeit sozialdemokratischer Führer
ebensoviel Ehre, wie sie die Leichtgläubigkeit des großen Haufens, der sich
geschmeichelt fühlt, an den Pranger stellt. Literaten bürgerlicher Abstammung,
Erziehung und Lebenshaltung sollten sich schämen, sie nachzusprechen. Ich
wenigstens kenne weder den verdorbene!-. Bourgeois, noch den gerechten
Proletarier; sondern was ich erlebt habe, ist die Erbärmlichkeit der Menschen von
oben bis unten, und von Osten bis Westen; und wovon ich glaube, das ist die
Kleinheit und Güte und Weisheit von ein paar ganz seltenen, die scher den Erd¬
ball zerstreut und in den Jahrtausenden verloren sind. Und ihr könnt es
unmöglich anders erfahren haben.
Endlich aber die Schuld Teutsch lands!
Ich bin so wenig kriegsbegcistert gewesen wie nur irgendein Pazifist, von
denen es jetzt plötzlich auf allen Gassen wimmelt. Wer es nicht glaubt, und wem
damit gedient ist,'dem kann ich die Zeugnisse vorweisen. Ich wünschte, daß ich
meine Klinge schlagen dürfte gegen deutsche Imperialisten und Militaristen. Euer
Treiben zwingt mich in die. vertrackte Läge, die Partei der anderen Seite
zu nehmen.
Es sind Fehler gemacht worden bei uns. Heute weiß das jedes Kind, und
es ist leine Kunst mehr, sie anzukreiden, seitdem wir die Folgen zu tragen haben.
Ohne diese Fehler wäre der Krieg zu vermeiden gewesen, aber auch die Katastrophe
dieser Niederlage. Ohne die immer wiederholten und zu Bergen aufgehäuften
Fehler hätte der Krieg, einmal begonnM, zu einem halbwegs glücklichen Ende
flesührt werden können. Und wie anders sähe dann alles aus, mitsamt euren
ötiickwärtüprophezeiungen, daß es so kommen mußte!
Die Schuld Deutschlands! Was läßt sich ans Archiven und mit Dokumenten
beweisen? Daß der Krieg zu verhüten war, wenn an irgendeiner Stelle der
kritischen Tage Deutschland anders gehandelt hätte. Jetzt wissen wir das. Damals,
im Sturz der Ereignisse, in der Verzauberung des allgemeinen Mißtrauens,
unter dem Druck ' aufgespeicherter Leidenschaften, wer übersah damals' den
Zusammenhang? Aber ich mache mich anheischig, genau denselben Beweis für
jede der anderen Mächte mit gleicher Bündigkeit zu führen. Deutschlands Schuld?
Ich und du und Millionen andere, Nur waren nicht schuldig, wir sind in den
Krieg gezogen und haben unsere Haut zu Markte getragen, weil wir unser Vater¬
land bedroht sahen. Zum Teufel mit denen, die sich selbst die Treue nicht halten
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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