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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Hundort Jahre Fr, Wilh. Grunow Verlag

Gebiet deutschen Kulturlebens unberücksichtigt. Dabei war es sein Verdienst, von
Anfang an nicht in eine nur geschäftstüchtige, gegenwarigewcmdte Viclvcrlegerei
zu geraten, sondern von vornherein nur Büchern einer bestimmten Wesensart den
Weg in das Publikum, in die Welt zu bereiten, Diener am deutschen Geiste gemäß
einer festen Überzeugung und Weltanschauung zu sein. Wer zu Büchern dieses
Verlages griff, wer sich'zu seiner Zeitschrift, den "Grenzboten" gesellte, wer heute
zu den Käufern seiner Neuerscheinungen gehört, bekennt sich damit sogleich zu
einer Gemeinde, zu einer Stellungnahme zu der Welt und ihrem Gehalt, für die
Gesundheit aller Seienden und Werdenden hauptentscheidendes Urteil jeder
Wertung bleibt.

Der Verlag Fr. Wilh. Grunow in Leipzig ist keine Gründung der Familie
Grunow unmittelbar. Er ist hervorgegangen aus dem noch heute blühenden
Kommissionsgeschäft Friedr. Ludwig Herbig, dem ein mehr und mehr aufstrebender
Verlag sofort bei seiner Gründung am .1. Mai 1819 angegliedert worden war.
Der Begründer Friedrich Ludwig Eusebius Herbig (1781--1839) legte in
zwanzigjähriger solider Arbeit den Grundstein für den heute hundert Jahre be¬
stehenden Bau. Als er nach einem einsamen Junggesellenleben, dessen Freuden
neben seiner verlegerischen Tätigkeit die nennr und die Jagdliebhaberei gewesen
waren, am 1, April 1839 seinem Schwesterssohne Friedrich Wilhelm Grunow
fein Werk hinterließ, hatte es bereits respektablen Umfang. Leider fehlen alte
Kataloge, Journale, Geschäftspapiere gänzlich. Aber die Reihe Bücher, die die
Verlagsbibliothek noch aus jenen ersten zwanzig Jahren des Bestehens aufweist,
tun doch dar, daß kein Lebensgebiet unberücksichtigt geblieben war.

Das Gesicht des Verlages wurde sofort anders, als der junge Erbe, der
erst nach damaligem sächsischem Gesetze mit 24 Jahren volljährig, ein Jahr
nach dem Tode des Onkels, dessen Lehrling und Hausgenosse er als Sohn eines
Güflener Kaufmanns gewesen war, zum gesetzlichen Inhaber wurde, die Leitung
in die Hand nahm. Wenn auch noch nicht der pommerscher Herkunft entsprechende
Familiencharakter im Geschäft vorherrschend wurde, so kam doch nun durch die
Übernahme der "Grenzboten" und der mit ihnen zusammenhängenden Arbeiten
eine bestimmte Farbe in den Verlag. Fr. Wilh. Grunow, von dem der Verlag
fortan seinen Namen erhielt, indes das ihm auch ferner verbleibende Kommissions¬
geschäft weiter nach Fr. Ludw. Herbig firmierte, wirkte bis an seinen frühen Tod
1877 achtunddreißig Jahre lang in Leipzig: er schuf sich als Verleger wie als
Kommissionär den Ruf eines streng soliden Geschäftsmannes, dem alles Vertrauen
seiner Freunde und Interessenten zulief. Er strebte nicht nach Glanz und äußeren
Ehren; seine Arbeit, der Ruf und die Stellung seiner Firma waren seine Be¬
friedigung, sein Glück, füllten sein Leben aus.

Die ganze Liebe und Sorge des treuen, ernstesten Grundsätzen unerschütterlich
folgenden Mannes gehörten den "Grenzboten". Sie standen vom Tage ihrer
Übernahme an bis zu ihrem Ausscheiden im Jahre 1909 im Mittelpunkte des
Verlages, achtundsechzig Jahre lang. Dank der qualitativ wertvollen Arbeit
des Herausgebers Kurcmda, der, meist aus Reisen in Wien, Berlin, Brüssel,
Paris, Stuttgart unermüdlich tätig, seinen Freund I. Kaufmann als Mit¬
redakteur in Leipzig zur Seite halte, und dank der zähen Tatkraft des Ver¬
legers, der oft als Redakteur und Korrektor einspringen mußte, drang die Zeit¬
schrift bald durch und erzielte besonders in dein Revolutivnsjahre 1848 einen
großen Abonnenienkreis. Vor allem aber: die "Grenzboten" konnten im politischen
Leben Norddeutschlands und Österreichs fortan nicht mehr übersehen werden. Dein
ruhigen, gesetzlichen Fortschritt dienend, nach dein Vorbilde französischer Revuen,
ohne Lückenlosigkeit anzustreben oder zu einer Nezensionsanstalt auszuarten, er¬
warben sie sich schon damals den Ruf wirklicher Sachlichkeit. Dadurch, 'daß
Kurcmda immer mehr den österreichischen Interessen anheimfiel, wurde der Anlaß
gegeben, einen neuen Herausgeber anzunehmen. Er fand sich in Julian Schmidt,
dem nachmals berühmten Literarhistoriker, der sich mit Gustav Freyiag zusammentat.
Beide Schriftsteller machten durch die "Grenzboten", die sie seit Herbst


Hundort Jahre Fr, Wilh. Grunow Verlag

Gebiet deutschen Kulturlebens unberücksichtigt. Dabei war es sein Verdienst, von
Anfang an nicht in eine nur geschäftstüchtige, gegenwarigewcmdte Viclvcrlegerei
zu geraten, sondern von vornherein nur Büchern einer bestimmten Wesensart den
Weg in das Publikum, in die Welt zu bereiten, Diener am deutschen Geiste gemäß
einer festen Überzeugung und Weltanschauung zu sein. Wer zu Büchern dieses
Verlages griff, wer sich'zu seiner Zeitschrift, den „Grenzboten" gesellte, wer heute
zu den Käufern seiner Neuerscheinungen gehört, bekennt sich damit sogleich zu
einer Gemeinde, zu einer Stellungnahme zu der Welt und ihrem Gehalt, für die
Gesundheit aller Seienden und Werdenden hauptentscheidendes Urteil jeder
Wertung bleibt.

Der Verlag Fr. Wilh. Grunow in Leipzig ist keine Gründung der Familie
Grunow unmittelbar. Er ist hervorgegangen aus dem noch heute blühenden
Kommissionsgeschäft Friedr. Ludwig Herbig, dem ein mehr und mehr aufstrebender
Verlag sofort bei seiner Gründung am .1. Mai 1819 angegliedert worden war.
Der Begründer Friedrich Ludwig Eusebius Herbig (1781—1839) legte in
zwanzigjähriger solider Arbeit den Grundstein für den heute hundert Jahre be¬
stehenden Bau. Als er nach einem einsamen Junggesellenleben, dessen Freuden
neben seiner verlegerischen Tätigkeit die nennr und die Jagdliebhaberei gewesen
waren, am 1, April 1839 seinem Schwesterssohne Friedrich Wilhelm Grunow
fein Werk hinterließ, hatte es bereits respektablen Umfang. Leider fehlen alte
Kataloge, Journale, Geschäftspapiere gänzlich. Aber die Reihe Bücher, die die
Verlagsbibliothek noch aus jenen ersten zwanzig Jahren des Bestehens aufweist,
tun doch dar, daß kein Lebensgebiet unberücksichtigt geblieben war.

Das Gesicht des Verlages wurde sofort anders, als der junge Erbe, der
erst nach damaligem sächsischem Gesetze mit 24 Jahren volljährig, ein Jahr
nach dem Tode des Onkels, dessen Lehrling und Hausgenosse er als Sohn eines
Güflener Kaufmanns gewesen war, zum gesetzlichen Inhaber wurde, die Leitung
in die Hand nahm. Wenn auch noch nicht der pommerscher Herkunft entsprechende
Familiencharakter im Geschäft vorherrschend wurde, so kam doch nun durch die
Übernahme der „Grenzboten" und der mit ihnen zusammenhängenden Arbeiten
eine bestimmte Farbe in den Verlag. Fr. Wilh. Grunow, von dem der Verlag
fortan seinen Namen erhielt, indes das ihm auch ferner verbleibende Kommissions¬
geschäft weiter nach Fr. Ludw. Herbig firmierte, wirkte bis an seinen frühen Tod
1877 achtunddreißig Jahre lang in Leipzig: er schuf sich als Verleger wie als
Kommissionär den Ruf eines streng soliden Geschäftsmannes, dem alles Vertrauen
seiner Freunde und Interessenten zulief. Er strebte nicht nach Glanz und äußeren
Ehren; seine Arbeit, der Ruf und die Stellung seiner Firma waren seine Be¬
friedigung, sein Glück, füllten sein Leben aus.

Die ganze Liebe und Sorge des treuen, ernstesten Grundsätzen unerschütterlich
folgenden Mannes gehörten den „Grenzboten". Sie standen vom Tage ihrer
Übernahme an bis zu ihrem Ausscheiden im Jahre 1909 im Mittelpunkte des
Verlages, achtundsechzig Jahre lang. Dank der qualitativ wertvollen Arbeit
des Herausgebers Kurcmda, der, meist aus Reisen in Wien, Berlin, Brüssel,
Paris, Stuttgart unermüdlich tätig, seinen Freund I. Kaufmann als Mit¬
redakteur in Leipzig zur Seite halte, und dank der zähen Tatkraft des Ver¬
legers, der oft als Redakteur und Korrektor einspringen mußte, drang die Zeit¬
schrift bald durch und erzielte besonders in dein Revolutivnsjahre 1848 einen
großen Abonnenienkreis. Vor allem aber: die „Grenzboten" konnten im politischen
Leben Norddeutschlands und Österreichs fortan nicht mehr übersehen werden. Dein
ruhigen, gesetzlichen Fortschritt dienend, nach dein Vorbilde französischer Revuen,
ohne Lückenlosigkeit anzustreben oder zu einer Nezensionsanstalt auszuarten, er¬
warben sie sich schon damals den Ruf wirklicher Sachlichkeit. Dadurch, 'daß
Kurcmda immer mehr den österreichischen Interessen anheimfiel, wurde der Anlaß
gegeben, einen neuen Herausgeber anzunehmen. Er fand sich in Julian Schmidt,
dem nachmals berühmten Literarhistoriker, der sich mit Gustav Freyiag zusammentat.
Beide Schriftsteller machten durch die „Grenzboten", die sie seit Herbst


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[0129] Hundort Jahre Fr, Wilh. Grunow Verlag Gebiet deutschen Kulturlebens unberücksichtigt. Dabei war es sein Verdienst, von Anfang an nicht in eine nur geschäftstüchtige, gegenwarigewcmdte Viclvcrlegerei zu geraten, sondern von vornherein nur Büchern einer bestimmten Wesensart den Weg in das Publikum, in die Welt zu bereiten, Diener am deutschen Geiste gemäß einer festen Überzeugung und Weltanschauung zu sein. Wer zu Büchern dieses Verlages griff, wer sich'zu seiner Zeitschrift, den „Grenzboten" gesellte, wer heute zu den Käufern seiner Neuerscheinungen gehört, bekennt sich damit sogleich zu einer Gemeinde, zu einer Stellungnahme zu der Welt und ihrem Gehalt, für die Gesundheit aller Seienden und Werdenden hauptentscheidendes Urteil jeder Wertung bleibt. Der Verlag Fr. Wilh. Grunow in Leipzig ist keine Gründung der Familie Grunow unmittelbar. Er ist hervorgegangen aus dem noch heute blühenden Kommissionsgeschäft Friedr. Ludwig Herbig, dem ein mehr und mehr aufstrebender Verlag sofort bei seiner Gründung am .1. Mai 1819 angegliedert worden war. Der Begründer Friedrich Ludwig Eusebius Herbig (1781—1839) legte in zwanzigjähriger solider Arbeit den Grundstein für den heute hundert Jahre be¬ stehenden Bau. Als er nach einem einsamen Junggesellenleben, dessen Freuden neben seiner verlegerischen Tätigkeit die nennr und die Jagdliebhaberei gewesen waren, am 1, April 1839 seinem Schwesterssohne Friedrich Wilhelm Grunow fein Werk hinterließ, hatte es bereits respektablen Umfang. Leider fehlen alte Kataloge, Journale, Geschäftspapiere gänzlich. Aber die Reihe Bücher, die die Verlagsbibliothek noch aus jenen ersten zwanzig Jahren des Bestehens aufweist, tun doch dar, daß kein Lebensgebiet unberücksichtigt geblieben war. Das Gesicht des Verlages wurde sofort anders, als der junge Erbe, der erst nach damaligem sächsischem Gesetze mit 24 Jahren volljährig, ein Jahr nach dem Tode des Onkels, dessen Lehrling und Hausgenosse er als Sohn eines Güflener Kaufmanns gewesen war, zum gesetzlichen Inhaber wurde, die Leitung in die Hand nahm. Wenn auch noch nicht der pommerscher Herkunft entsprechende Familiencharakter im Geschäft vorherrschend wurde, so kam doch nun durch die Übernahme der „Grenzboten" und der mit ihnen zusammenhängenden Arbeiten eine bestimmte Farbe in den Verlag. Fr. Wilh. Grunow, von dem der Verlag fortan seinen Namen erhielt, indes das ihm auch ferner verbleibende Kommissions¬ geschäft weiter nach Fr. Ludw. Herbig firmierte, wirkte bis an seinen frühen Tod 1877 achtunddreißig Jahre lang in Leipzig: er schuf sich als Verleger wie als Kommissionär den Ruf eines streng soliden Geschäftsmannes, dem alles Vertrauen seiner Freunde und Interessenten zulief. Er strebte nicht nach Glanz und äußeren Ehren; seine Arbeit, der Ruf und die Stellung seiner Firma waren seine Be¬ friedigung, sein Glück, füllten sein Leben aus. Die ganze Liebe und Sorge des treuen, ernstesten Grundsätzen unerschütterlich folgenden Mannes gehörten den „Grenzboten". Sie standen vom Tage ihrer Übernahme an bis zu ihrem Ausscheiden im Jahre 1909 im Mittelpunkte des Verlages, achtundsechzig Jahre lang. Dank der qualitativ wertvollen Arbeit des Herausgebers Kurcmda, der, meist aus Reisen in Wien, Berlin, Brüssel, Paris, Stuttgart unermüdlich tätig, seinen Freund I. Kaufmann als Mit¬ redakteur in Leipzig zur Seite halte, und dank der zähen Tatkraft des Ver¬ legers, der oft als Redakteur und Korrektor einspringen mußte, drang die Zeit¬ schrift bald durch und erzielte besonders in dein Revolutivnsjahre 1848 einen großen Abonnenienkreis. Vor allem aber: die „Grenzboten" konnten im politischen Leben Norddeutschlands und Österreichs fortan nicht mehr übersehen werden. Dein ruhigen, gesetzlichen Fortschritt dienend, nach dein Vorbilde französischer Revuen, ohne Lückenlosigkeit anzustreben oder zu einer Nezensionsanstalt auszuarten, er¬ warben sie sich schon damals den Ruf wirklicher Sachlichkeit. Dadurch, 'daß Kurcmda immer mehr den österreichischen Interessen anheimfiel, wurde der Anlaß gegeben, einen neuen Herausgeber anzunehmen. Er fand sich in Julian Schmidt, dem nachmals berühmten Literarhistoriker, der sich mit Gustav Freyiag zusammentat. Beide Schriftsteller machten durch die „Grenzboten", die sie seit Herbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/129>, abgerufen am 09.11.2024.