ihr begünstigt, daß sie im Schutze des Elternhauses bleibt, aber auch sie strebt wie die Magd hinaus, weil sie zu wenig Selbständigkeit genießt. Ihr Lohn wird vom Vater, dem Jnstmann, der verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, in Empfang genommen. Daß aber das schulentlassene Mädchen selbständig sparen und verfügen will, ist ihr gewiß nicht zu verargen. Überdies ist die Arbeitsdauer auch für sie zu reichlich bemessen. Die Tochter des Kleinbauern ist im Grunde noch schlimmer dran als sie. weil sie die unbezahlte Magd im Elternhause ist, ohne daß die Vorteile der Sozialgesetzgebung für sie gelten. Deshalb will sie fort, um sich bei eigenem Verdienst eine eigene Spar¬ kasse anlegen zu können und auch um etwas zu lernen, denn die Mutter auf dem Lande versteht es meistens ebenso wenig wie die städtische Mutter, die Tochter systematisch anzulernen, das Nähen vermag sie ihr ost überhaupt nicht beizubnngen und gerade hiernach steht der Sinn vieler Mädchen. Zudem sehen diese, daß das Los ihrer Mütter kein beneidenswertes ist und es wird daher nicht zur Richt¬ schnur für ihre Zukunftsträume. Die Kleinbäuerin muß nämlich von allen Landarbeiterinnen am längsten und am schärfsten arbeiten, sie wird nach der Niederkunft am wenigsten geschont, ihr bleibt am wenigsten Zeit für die Pflege des Kindes. Da ersteht denn in der Tochter naturgemäß der Wunsch, in ein Hauswesen ohne Landwirtschaft zu heiraten, wenn auch nur die Frau eines abhängigen Lohnarbeiters zu werden. Als solche sind ihre Lebensverhältnisse nicht ungünstig. Die Gepflogenheit, die Ehefrau durch den Arbeitsvertrag des Mannes zu binden, tritt immer mehr zurück, wie denn überhaupt der Umfang der eheweiblichen Lohnarbeit abgenommen hat, freilich unter zeitweiser Verstärkung der Intensität. Familien ohne Besitz, wie sie sich ja auch vielfach unter den Taglöhnern finden, fühlen sich aber am wenigsten an die Scholle gefesselt und so stoßen wir auch hier wieder auf Zugänglichkeit für Anreize zur Abwanderung in die Stadt. Die Frau macht sich nicht klar, was eine Übersiedelung in die Stadt für sie bedeutet, daß schon ihre Stellung als Frau dort eine weniger gesicherte und im Grunde auch niedrigere ist. Als städtische Frau lebt sie in größerer Abhängigkeit vom Manne, denn sie erhält nunmehr nach seinem Ermessen ein bestimmtes Haushaltungsgeld, während sie auf dem Lande die Einnahmen.verwaltet -- eine Gepflogenheit, die aus der Zeit der Naturalwirtschaft stammt. Sie macht sich auch nicht klar, daß in dein Falle, daß sie mitverdienen muß, ihre außerhäusliche Tätigkeit auf dem Lande lange nicht so zersetzend auf die Familie wirkt, wie etwa die Fabrikarbeit der Frau in der Stadt Natürlich geschieht auch auf dem Lande die Lohnarbeit der Frau zum Nachteil der eigenen Häuslichkeit, zumal wenn Eigenwirtschaft betrieben wird, aber die JiNeressengemeinschaft der Familie bleibt erhalten, die Mitglieder haben die gleichen Arbeitspausen und bleiben in den langen, freien Winterabenden bei¬ einander. Wenn sich Beruf und Mutterschaft somit selbst für die Lvhnarbeiterin auf dem Lande immerhin vereinigen lassen, so erst recht für die Frau, die land¬ wirtschaftliche Arbeit lediglich in eigener Wirtschaft leistet. Eine tüchtige Bauern kann ihren Hof für ihre Kinder zur "vollkommensten Bildungsstätte der Welt" gestalten, als die ihn Friedrich Paulsen, der friesische Bauernsohn, einst bezeichnet hat. Soll nun der, insbesondere auch bei der weiblichen ländlichen Bevölkerung durchaus unerwünschten Neigung, die angestammte Umgebung zu verlassen, die nicht nur der Landwirtschaft notwendige .Kräfte entzieht, sondern auch die städtischen Arbeitsverhältnisse drückt und verwirrt, letzten Endes aber die körperliche und seelische Volksgesundheit untergräbt, entgegengetreten werden, so muß man sich entschließen, die ländlichen Verhältnisse im Geiste moderner Kultnrerrungenschaften zu gestalten und die Frau sowohl in ihrem individuellen Berufsverhültuis als auch als Mutter so zu fördern, daß sie sür die Bedeutung und Größe ihrer Auf¬ gaben Verständnis gewinnt. Der Fran auf dem Lande fehlte bisher beinahe alles, worüber der Mann, wenn auch noch nicht in ausreichendem Maße, bereits verfügte: Ausbildungsmöglichkeiten für ihren Beruf, Eingliederung in den Berufs- stand, Vertretung ihrer Interessen. Wenn für die Frau derartiges verlangt wird,
Lin Bericht über Frauenbestrebungen der Gegenwart
ihr begünstigt, daß sie im Schutze des Elternhauses bleibt, aber auch sie strebt wie die Magd hinaus, weil sie zu wenig Selbständigkeit genießt. Ihr Lohn wird vom Vater, dem Jnstmann, der verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, in Empfang genommen. Daß aber das schulentlassene Mädchen selbständig sparen und verfügen will, ist ihr gewiß nicht zu verargen. Überdies ist die Arbeitsdauer auch für sie zu reichlich bemessen. Die Tochter des Kleinbauern ist im Grunde noch schlimmer dran als sie. weil sie die unbezahlte Magd im Elternhause ist, ohne daß die Vorteile der Sozialgesetzgebung für sie gelten. Deshalb will sie fort, um sich bei eigenem Verdienst eine eigene Spar¬ kasse anlegen zu können und auch um etwas zu lernen, denn die Mutter auf dem Lande versteht es meistens ebenso wenig wie die städtische Mutter, die Tochter systematisch anzulernen, das Nähen vermag sie ihr ost überhaupt nicht beizubnngen und gerade hiernach steht der Sinn vieler Mädchen. Zudem sehen diese, daß das Los ihrer Mütter kein beneidenswertes ist und es wird daher nicht zur Richt¬ schnur für ihre Zukunftsträume. Die Kleinbäuerin muß nämlich von allen Landarbeiterinnen am längsten und am schärfsten arbeiten, sie wird nach der Niederkunft am wenigsten geschont, ihr bleibt am wenigsten Zeit für die Pflege des Kindes. Da ersteht denn in der Tochter naturgemäß der Wunsch, in ein Hauswesen ohne Landwirtschaft zu heiraten, wenn auch nur die Frau eines abhängigen Lohnarbeiters zu werden. Als solche sind ihre Lebensverhältnisse nicht ungünstig. Die Gepflogenheit, die Ehefrau durch den Arbeitsvertrag des Mannes zu binden, tritt immer mehr zurück, wie denn überhaupt der Umfang der eheweiblichen Lohnarbeit abgenommen hat, freilich unter zeitweiser Verstärkung der Intensität. Familien ohne Besitz, wie sie sich ja auch vielfach unter den Taglöhnern finden, fühlen sich aber am wenigsten an die Scholle gefesselt und so stoßen wir auch hier wieder auf Zugänglichkeit für Anreize zur Abwanderung in die Stadt. Die Frau macht sich nicht klar, was eine Übersiedelung in die Stadt für sie bedeutet, daß schon ihre Stellung als Frau dort eine weniger gesicherte und im Grunde auch niedrigere ist. Als städtische Frau lebt sie in größerer Abhängigkeit vom Manne, denn sie erhält nunmehr nach seinem Ermessen ein bestimmtes Haushaltungsgeld, während sie auf dem Lande die Einnahmen.verwaltet — eine Gepflogenheit, die aus der Zeit der Naturalwirtschaft stammt. Sie macht sich auch nicht klar, daß in dein Falle, daß sie mitverdienen muß, ihre außerhäusliche Tätigkeit auf dem Lande lange nicht so zersetzend auf die Familie wirkt, wie etwa die Fabrikarbeit der Frau in der Stadt Natürlich geschieht auch auf dem Lande die Lohnarbeit der Frau zum Nachteil der eigenen Häuslichkeit, zumal wenn Eigenwirtschaft betrieben wird, aber die JiNeressengemeinschaft der Familie bleibt erhalten, die Mitglieder haben die gleichen Arbeitspausen und bleiben in den langen, freien Winterabenden bei¬ einander. Wenn sich Beruf und Mutterschaft somit selbst für die Lvhnarbeiterin auf dem Lande immerhin vereinigen lassen, so erst recht für die Frau, die land¬ wirtschaftliche Arbeit lediglich in eigener Wirtschaft leistet. Eine tüchtige Bauern kann ihren Hof für ihre Kinder zur „vollkommensten Bildungsstätte der Welt" gestalten, als die ihn Friedrich Paulsen, der friesische Bauernsohn, einst bezeichnet hat. Soll nun der, insbesondere auch bei der weiblichen ländlichen Bevölkerung durchaus unerwünschten Neigung, die angestammte Umgebung zu verlassen, die nicht nur der Landwirtschaft notwendige .Kräfte entzieht, sondern auch die städtischen Arbeitsverhältnisse drückt und verwirrt, letzten Endes aber die körperliche und seelische Volksgesundheit untergräbt, entgegengetreten werden, so muß man sich entschließen, die ländlichen Verhältnisse im Geiste moderner Kultnrerrungenschaften zu gestalten und die Frau sowohl in ihrem individuellen Berufsverhültuis als auch als Mutter so zu fördern, daß sie sür die Bedeutung und Größe ihrer Auf¬ gaben Verständnis gewinnt. Der Fran auf dem Lande fehlte bisher beinahe alles, worüber der Mann, wenn auch noch nicht in ausreichendem Maße, bereits verfügte: Ausbildungsmöglichkeiten für ihren Beruf, Eingliederung in den Berufs- stand, Vertretung ihrer Interessen. Wenn für die Frau derartiges verlangt wird,
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ihr begünstigt, daß sie im Schutze des Elternhauses bleibt, aber auch sie strebt
wie die Magd hinaus, weil sie zu wenig Selbständigkeit genießt. Ihr Lohn wird
vom Vater, dem Jnstmann, der verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine Arbeitskraft
zur Verfügung zu stellen, in Empfang genommen. Daß aber das schulentlassene
Mädchen selbständig sparen und verfügen will, ist ihr gewiß nicht zu verargen.
Überdies ist die Arbeitsdauer auch für sie zu reichlich bemessen. Die Tochter des
Kleinbauern ist im Grunde noch schlimmer dran als sie. weil sie die unbezahlte
Magd im Elternhause ist, ohne daß die Vorteile der Sozialgesetzgebung für sie
gelten. Deshalb will sie fort, um sich bei eigenem Verdienst eine eigene Spar¬
kasse anlegen zu können und auch um etwas zu lernen, denn die Mutter auf
dem Lande versteht es meistens ebenso wenig wie die städtische Mutter, die Tochter
systematisch anzulernen, das Nähen vermag sie ihr ost überhaupt nicht beizubnngen
und gerade hiernach steht der Sinn vieler Mädchen. Zudem sehen diese, daß das
Los ihrer Mütter kein beneidenswertes ist und es wird daher nicht zur Richt¬
schnur für ihre Zukunftsträume. Die Kleinbäuerin muß nämlich von allen
Landarbeiterinnen am längsten und am schärfsten arbeiten, sie wird nach der
Niederkunft am wenigsten geschont, ihr bleibt am wenigsten Zeit für die Pflege
des Kindes. Da ersteht denn in der Tochter naturgemäß der Wunsch, in ein
Hauswesen ohne Landwirtschaft zu heiraten, wenn auch nur die Frau eines
abhängigen Lohnarbeiters zu werden. Als solche sind ihre Lebensverhältnisse
nicht ungünstig. Die Gepflogenheit, die Ehefrau durch den Arbeitsvertrag des
Mannes zu binden, tritt immer mehr zurück, wie denn überhaupt der Umfang
der eheweiblichen Lohnarbeit abgenommen hat, freilich unter zeitweiser Verstärkung
der Intensität. Familien ohne Besitz, wie sie sich ja auch vielfach unter
den Taglöhnern finden, fühlen sich aber am wenigsten an die Scholle gefesselt
und so stoßen wir auch hier wieder auf Zugänglichkeit für Anreize zur
Abwanderung in die Stadt. Die Frau macht sich nicht klar, was eine
Übersiedelung in die Stadt für sie bedeutet, daß schon ihre Stellung
als Frau dort eine weniger gesicherte und im Grunde auch niedrigere ist. Als
städtische Frau lebt sie in größerer Abhängigkeit vom Manne, denn sie erhält
nunmehr nach seinem Ermessen ein bestimmtes Haushaltungsgeld, während sie auf
dem Lande die Einnahmen.verwaltet — eine Gepflogenheit, die aus der Zeit der
Naturalwirtschaft stammt. Sie macht sich auch nicht klar, daß in dein Falle, daß
sie mitverdienen muß, ihre außerhäusliche Tätigkeit auf dem Lande lange nicht
so zersetzend auf die Familie wirkt, wie etwa die Fabrikarbeit der Frau in der
Stadt Natürlich geschieht auch auf dem Lande die Lohnarbeit der Frau zum
Nachteil der eigenen Häuslichkeit, zumal wenn Eigenwirtschaft betrieben wird,
aber die JiNeressengemeinschaft der Familie bleibt erhalten, die Mitglieder haben
die gleichen Arbeitspausen und bleiben in den langen, freien Winterabenden bei¬
einander. Wenn sich Beruf und Mutterschaft somit selbst für die Lvhnarbeiterin
auf dem Lande immerhin vereinigen lassen, so erst recht für die Frau, die land¬
wirtschaftliche Arbeit lediglich in eigener Wirtschaft leistet. Eine tüchtige Bauern
kann ihren Hof für ihre Kinder zur „vollkommensten Bildungsstätte der Welt"
gestalten, als die ihn Friedrich Paulsen, der friesische Bauernsohn, einst bezeichnet
hat. Soll nun der, insbesondere auch bei der weiblichen ländlichen Bevölkerung
durchaus unerwünschten Neigung, die angestammte Umgebung zu verlassen, die
nicht nur der Landwirtschaft notwendige .Kräfte entzieht, sondern auch die städtischen
Arbeitsverhältnisse drückt und verwirrt, letzten Endes aber die körperliche und
seelische Volksgesundheit untergräbt, entgegengetreten werden, so muß man sich
entschließen, die ländlichen Verhältnisse im Geiste moderner Kultnrerrungenschaften
zu gestalten und die Frau sowohl in ihrem individuellen Berufsverhültuis als
auch als Mutter so zu fördern, daß sie sür die Bedeutung und Größe ihrer Auf¬
gaben Verständnis gewinnt. Der Fran auf dem Lande fehlte bisher beinahe
alles, worüber der Mann, wenn auch noch nicht in ausreichendem Maße, bereits
verfügte: Ausbildungsmöglichkeiten für ihren Beruf, Eingliederung in den Berufs-
stand, Vertretung ihrer Interessen. Wenn für die Frau derartiges verlangt wird,
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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/122>, abgerufen am 19.12.2024.
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