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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Der Todesgang unserer Volkswirtschaft

So liegen die Verhältnisse auf allen Gebieten unseres Ausfuhrhandels.
Bleiben die augenblicklich ungesunden Zustände noch weiter bestehen, dann wird
unser Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz ausgeschaltet, dann werden
die Grundlagen unserer Industrie untergraben, dann hört die Zukunft unserer
Arbeiterschaft auf. schmähliche Knechtschaft und Lohnsklaverei für Rechnung des
Auslandes werden die Folgen sein. Wir müssen deshalb unsere Produktions¬
bedingungen an die Erfordernisse des Weltmarktes anpassen; nur dann können
wir, die wir doch .zu sehr erheblichem Teil vom Export leben, die Konkurrenz¬
fähigkeit wieder erlangen. Produzieren wir aber wie jetzt infolge der exorbitanten
Lob> e und Materialpreise zu teuer, dann wird uns der Markt bei der Auslands-
rundschaft, dem wir 1913 für reichlich 10000 Millionen Mark Waren lieferten,
verloren gehen und das Ausland überschwemmt mit seinen billigeren Waren
Deutschland. Wir benötigen die Ausfuhr aber auch für unsere Valuta und Kauf¬
kraft im Ausland. Bedarf herrscht an einer ungeheuren Menge ausländischer
Artikel, und zwar neben Lebensmitteln an Wolle. Baumwolle, Eisenerzen, Häuten
und Fellen, Jute, Kautschuk, Balata. Guttapercha, Kupfer, Seide. Bei der
Bewertung unserer Mark im Auslande auf 40 Pfennig müssen wir aber unter
allen Umständen mit Massenausfuhr zu bezahlen trachten.

Lohnerhöhung, Geldentwertung und Papiersülle befinden sich in einem
Wettlauf, bei dem die Geldentwertung immer die Spitze behält, weil die Kredit¬
mittel steigen, das Geld immer schneller umläuft und somit immer größere Geld-
summen auf jede Wareneinheit entfallen. Die Preise müssen nach dem volks¬
wirtschaftlichen Grundgesetz steigen, bis entweder ein größeres Warenangebot oder
eine zwangsweise Stabilisierung des Finanzwesens eintritt. Die verheerende
Folge der Markenlwertung veranschaulicht nachstehendes kleines Rechemxempel:
19l3 führten wir an Rohstoffen aus den Staaten der Alliierten für 3500 Millionen
Mark ein; bei dem augenblicklichen Kursstand der Mark, der noch weiter zu
sinken droht, müßten wir aber 6600 Millionen Mark zahlen. Dies ist das Kenn-
zeichen des "papiernen Wohlstandes", der Assignatenwirtschaft. Das rechnerische
Einkommen des einzelnen Arbeiters ist ungemein hoch, infolge des bei den hohen
Lohnforderungen gesteigerten Bedarfs an Zahlungsmitteln ist aber der Wert des
Geldes, also seine Kauftraft, gesunken und somit der Warenpreis gestiegen.

Nach dem Jahresausweis der Reichsbank für 1918 erreichte der gesamte
Notenumlauf die gewaliige Summe von 22188 Millionen Mark gegenüber
11468 Millionen Mark am 31. Dezember 1917. Allein in 5er letzten Dezember-
Woche bi lief sich die Neuausgabe an Banknoten auf 1064 Millionen Mark gegen
442 Millionen Mark in der letzten Dezemberwoche 1917, wobei ich allerdings
bemerken möchte, daß ein bedeutender Betrag zur Erfüllung der im Waffenstill¬
standsabkommen übernommenen Verpflichtungen zur Verfügung gestellt werden
mußte. An Darlehnskassenscheinen wurden 41 Millionen Mink gegen 166 Millionen
Mark vor einem Jahre neu in den Verkehr gegeben, so daß die Gesamtsumme
der im freien Verkehr befindlichen Darlelmskasseuscheine Ende Dezember 1918 auf
10109 Millionen Mark anschwoll. Wohin diese Finanzverwirrung führt, sehen
Wir in Nußland, wo die Arbeiter monatlich 300 - 400 Ruliel, rechnerisch das
Zehnfache der Löhne von 1914 verdienen, dagegen an Preisen meist das Fünf-
zehnfache vor dem Krieg bezahlen müssen.-

Was kann nun im Interesse unserer Wirtschafts und Sozialpolitik geschehen,
um diese schädliche Finanzgebahrung in gesunde Bahnen zu lenken? Zunächst
müssen die Kosten der Lebenshaltunc, herabgedrückt werden; dies ist allein möglich
durch energisches Abwärisführen der Lohnkurve, Verminderung der im Umlauf befind¬
lichen Zahlungsmittel, insbesondere schnelle Beseitigung der Darlehuskassenscheine..
Die Arbeitnehmerschc-si aber muß ihrerseits darauf bedacht'sein, die Unternehmungen
zu stützen und leistungsfähig zu erhalten. Tut ne das nicht, dann untergräbt sie. wie
bewiesen, ihre eigene Existenz. Unser Wirischaflsleben bricht zusammen und Abertau¬
sende von deutschen Familien müssen im Auslande zu schmählichen Bedingungen Arbeit
suchen. Deshalb mit Arbeitsamkeit und Sparsamkeit einer glücklichen Zukunft entgegen!




Der Todesgang unserer Volkswirtschaft

So liegen die Verhältnisse auf allen Gebieten unseres Ausfuhrhandels.
Bleiben die augenblicklich ungesunden Zustände noch weiter bestehen, dann wird
unser Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz ausgeschaltet, dann werden
die Grundlagen unserer Industrie untergraben, dann hört die Zukunft unserer
Arbeiterschaft auf. schmähliche Knechtschaft und Lohnsklaverei für Rechnung des
Auslandes werden die Folgen sein. Wir müssen deshalb unsere Produktions¬
bedingungen an die Erfordernisse des Weltmarktes anpassen; nur dann können
wir, die wir doch .zu sehr erheblichem Teil vom Export leben, die Konkurrenz¬
fähigkeit wieder erlangen. Produzieren wir aber wie jetzt infolge der exorbitanten
Lob> e und Materialpreise zu teuer, dann wird uns der Markt bei der Auslands-
rundschaft, dem wir 1913 für reichlich 10000 Millionen Mark Waren lieferten,
verloren gehen und das Ausland überschwemmt mit seinen billigeren Waren
Deutschland. Wir benötigen die Ausfuhr aber auch für unsere Valuta und Kauf¬
kraft im Ausland. Bedarf herrscht an einer ungeheuren Menge ausländischer
Artikel, und zwar neben Lebensmitteln an Wolle. Baumwolle, Eisenerzen, Häuten
und Fellen, Jute, Kautschuk, Balata. Guttapercha, Kupfer, Seide. Bei der
Bewertung unserer Mark im Auslande auf 40 Pfennig müssen wir aber unter
allen Umständen mit Massenausfuhr zu bezahlen trachten.

Lohnerhöhung, Geldentwertung und Papiersülle befinden sich in einem
Wettlauf, bei dem die Geldentwertung immer die Spitze behält, weil die Kredit¬
mittel steigen, das Geld immer schneller umläuft und somit immer größere Geld-
summen auf jede Wareneinheit entfallen. Die Preise müssen nach dem volks¬
wirtschaftlichen Grundgesetz steigen, bis entweder ein größeres Warenangebot oder
eine zwangsweise Stabilisierung des Finanzwesens eintritt. Die verheerende
Folge der Markenlwertung veranschaulicht nachstehendes kleines Rechemxempel:
19l3 führten wir an Rohstoffen aus den Staaten der Alliierten für 3500 Millionen
Mark ein; bei dem augenblicklichen Kursstand der Mark, der noch weiter zu
sinken droht, müßten wir aber 6600 Millionen Mark zahlen. Dies ist das Kenn-
zeichen des „papiernen Wohlstandes", der Assignatenwirtschaft. Das rechnerische
Einkommen des einzelnen Arbeiters ist ungemein hoch, infolge des bei den hohen
Lohnforderungen gesteigerten Bedarfs an Zahlungsmitteln ist aber der Wert des
Geldes, also seine Kauftraft, gesunken und somit der Warenpreis gestiegen.

Nach dem Jahresausweis der Reichsbank für 1918 erreichte der gesamte
Notenumlauf die gewaliige Summe von 22188 Millionen Mark gegenüber
11468 Millionen Mark am 31. Dezember 1917. Allein in 5er letzten Dezember-
Woche bi lief sich die Neuausgabe an Banknoten auf 1064 Millionen Mark gegen
442 Millionen Mark in der letzten Dezemberwoche 1917, wobei ich allerdings
bemerken möchte, daß ein bedeutender Betrag zur Erfüllung der im Waffenstill¬
standsabkommen übernommenen Verpflichtungen zur Verfügung gestellt werden
mußte. An Darlehnskassenscheinen wurden 41 Millionen Mink gegen 166 Millionen
Mark vor einem Jahre neu in den Verkehr gegeben, so daß die Gesamtsumme
der im freien Verkehr befindlichen Darlelmskasseuscheine Ende Dezember 1918 auf
10109 Millionen Mark anschwoll. Wohin diese Finanzverwirrung führt, sehen
Wir in Nußland, wo die Arbeiter monatlich 300 - 400 Ruliel, rechnerisch das
Zehnfache der Löhne von 1914 verdienen, dagegen an Preisen meist das Fünf-
zehnfache vor dem Krieg bezahlen müssen.-

Was kann nun im Interesse unserer Wirtschafts und Sozialpolitik geschehen,
um diese schädliche Finanzgebahrung in gesunde Bahnen zu lenken? Zunächst
müssen die Kosten der Lebenshaltunc, herabgedrückt werden; dies ist allein möglich
durch energisches Abwärisführen der Lohnkurve, Verminderung der im Umlauf befind¬
lichen Zahlungsmittel, insbesondere schnelle Beseitigung der Darlehuskassenscheine..
Die Arbeitnehmerschc-si aber muß ihrerseits darauf bedacht'sein, die Unternehmungen
zu stützen und leistungsfähig zu erhalten. Tut ne das nicht, dann untergräbt sie. wie
bewiesen, ihre eigene Existenz. Unser Wirischaflsleben bricht zusammen und Abertau¬
sende von deutschen Familien müssen im Auslande zu schmählichen Bedingungen Arbeit
suchen. Deshalb mit Arbeitsamkeit und Sparsamkeit einer glücklichen Zukunft entgegen!




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[0085] Der Todesgang unserer Volkswirtschaft So liegen die Verhältnisse auf allen Gebieten unseres Ausfuhrhandels. Bleiben die augenblicklich ungesunden Zustände noch weiter bestehen, dann wird unser Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz ausgeschaltet, dann werden die Grundlagen unserer Industrie untergraben, dann hört die Zukunft unserer Arbeiterschaft auf. schmähliche Knechtschaft und Lohnsklaverei für Rechnung des Auslandes werden die Folgen sein. Wir müssen deshalb unsere Produktions¬ bedingungen an die Erfordernisse des Weltmarktes anpassen; nur dann können wir, die wir doch .zu sehr erheblichem Teil vom Export leben, die Konkurrenz¬ fähigkeit wieder erlangen. Produzieren wir aber wie jetzt infolge der exorbitanten Lob> e und Materialpreise zu teuer, dann wird uns der Markt bei der Auslands- rundschaft, dem wir 1913 für reichlich 10000 Millionen Mark Waren lieferten, verloren gehen und das Ausland überschwemmt mit seinen billigeren Waren Deutschland. Wir benötigen die Ausfuhr aber auch für unsere Valuta und Kauf¬ kraft im Ausland. Bedarf herrscht an einer ungeheuren Menge ausländischer Artikel, und zwar neben Lebensmitteln an Wolle. Baumwolle, Eisenerzen, Häuten und Fellen, Jute, Kautschuk, Balata. Guttapercha, Kupfer, Seide. Bei der Bewertung unserer Mark im Auslande auf 40 Pfennig müssen wir aber unter allen Umständen mit Massenausfuhr zu bezahlen trachten. Lohnerhöhung, Geldentwertung und Papiersülle befinden sich in einem Wettlauf, bei dem die Geldentwertung immer die Spitze behält, weil die Kredit¬ mittel steigen, das Geld immer schneller umläuft und somit immer größere Geld- summen auf jede Wareneinheit entfallen. Die Preise müssen nach dem volks¬ wirtschaftlichen Grundgesetz steigen, bis entweder ein größeres Warenangebot oder eine zwangsweise Stabilisierung des Finanzwesens eintritt. Die verheerende Folge der Markenlwertung veranschaulicht nachstehendes kleines Rechemxempel: 19l3 führten wir an Rohstoffen aus den Staaten der Alliierten für 3500 Millionen Mark ein; bei dem augenblicklichen Kursstand der Mark, der noch weiter zu sinken droht, müßten wir aber 6600 Millionen Mark zahlen. Dies ist das Kenn- zeichen des „papiernen Wohlstandes", der Assignatenwirtschaft. Das rechnerische Einkommen des einzelnen Arbeiters ist ungemein hoch, infolge des bei den hohen Lohnforderungen gesteigerten Bedarfs an Zahlungsmitteln ist aber der Wert des Geldes, also seine Kauftraft, gesunken und somit der Warenpreis gestiegen. Nach dem Jahresausweis der Reichsbank für 1918 erreichte der gesamte Notenumlauf die gewaliige Summe von 22188 Millionen Mark gegenüber 11468 Millionen Mark am 31. Dezember 1917. Allein in 5er letzten Dezember- Woche bi lief sich die Neuausgabe an Banknoten auf 1064 Millionen Mark gegen 442 Millionen Mark in der letzten Dezemberwoche 1917, wobei ich allerdings bemerken möchte, daß ein bedeutender Betrag zur Erfüllung der im Waffenstill¬ standsabkommen übernommenen Verpflichtungen zur Verfügung gestellt werden mußte. An Darlehnskassenscheinen wurden 41 Millionen Mink gegen 166 Millionen Mark vor einem Jahre neu in den Verkehr gegeben, so daß die Gesamtsumme der im freien Verkehr befindlichen Darlelmskasseuscheine Ende Dezember 1918 auf 10109 Millionen Mark anschwoll. Wohin diese Finanzverwirrung führt, sehen Wir in Nußland, wo die Arbeiter monatlich 300 - 400 Ruliel, rechnerisch das Zehnfache der Löhne von 1914 verdienen, dagegen an Preisen meist das Fünf- zehnfache vor dem Krieg bezahlen müssen.- Was kann nun im Interesse unserer Wirtschafts und Sozialpolitik geschehen, um diese schädliche Finanzgebahrung in gesunde Bahnen zu lenken? Zunächst müssen die Kosten der Lebenshaltunc, herabgedrückt werden; dies ist allein möglich durch energisches Abwärisführen der Lohnkurve, Verminderung der im Umlauf befind¬ lichen Zahlungsmittel, insbesondere schnelle Beseitigung der Darlehuskassenscheine.. Die Arbeitnehmerschc-si aber muß ihrerseits darauf bedacht'sein, die Unternehmungen zu stützen und leistungsfähig zu erhalten. Tut ne das nicht, dann untergräbt sie. wie bewiesen, ihre eigene Existenz. Unser Wirischaflsleben bricht zusammen und Abertau¬ sende von deutschen Familien müssen im Auslande zu schmählichen Bedingungen Arbeit suchen. Deshalb mit Arbeitsamkeit und Sparsamkeit einer glücklichen Zukunft entgegen!

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/85>, abgerufen am 05.02.2025.