Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Zage zuungunsten des deutschen Gedankens im Osten gewendet hat, sondern der Denn bekanntlich hat der Bolschewismus in Rußland und bei uns im Die Berliner Herren machen großzügige Weltpolitik und verschleudern die 4"
Zage zuungunsten des deutschen Gedankens im Osten gewendet hat, sondern der Denn bekanntlich hat der Bolschewismus in Rußland und bei uns im Die Berliner Herren machen großzügige Weltpolitik und verschleudern die 4"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335241"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_228" prev="#ID_227"> Zage zuungunsten des deutschen Gedankens im Osten gewendet hat, sondern der<lb/> Sieg des Bolschewismus im Baltikum ist die schwerste Bedrohung für unser aller<lb/> nächste Zukunft. Mit Recht ist die Anwesenheit Nadel-Sobelsohns und Joffes<lb/> in Berlin, die unsere schiwache Regierung nicht zu verhindern vermocht hat, mit<lb/> dem bolschewistischen Vorgehen im Baltikum in Zusammenhang gebracht worden.<lb/> Dieses Borgehen bedroht unser innerlich zerrüttetes Vaterland unmittelbar mit<lb/> einem Einfall der Bolschewisten in Ostpreußen. Ohne Zweifel wiegelt Nadel die<lb/> Spartakusleute auf, um gleichzeitig den Brand der Revolution im' Innern zum<lb/> Aufflammen zu bringen. Damit wäre nicht nur das Schicksal unseres gegen¬<lb/> wärtigen Regimes besiegelt, sondern es zöge für Deutschland ein Elend herauf,<lb/> das nur mit dem des Dreißigjährigen Krieges sich .an Furchtbarkeit messen könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_229"> Denn bekanntlich hat der Bolschewismus in Rußland und bei uns im<lb/> Gegensatz zu unserer außenpolitisch völlig halt- und richtungslosen Regierung ein<lb/> leidenschaftlich verfolgtes außenpolitisches Ziel: die Revolutionierung der Welt,<lb/> die Zertrümmerung der siegreichen westlichen Machtstaaten. Unsere verzweifelte<lb/> Lage könnte uns ja fast zu dem Wunsche drängen, daß es dem Bolschewismus<lb/> gelingen möchte, dies Ziel zu erreichen, das uns zugleich von dem Drucke der<lb/> unerträglichen Fviedensbeidingnngen befreien müßte. Nur -würde dieses Ziel<lb/> mit dem noch unermeßlicheren Elend der Massendiktatur im Innern und der<lb/> völligen Zertrümmerung unserer Wirtschaft und Kultur erkauft. Und darüber<lb/> hinaus würde Deutschland das fürchterliche Geschick zuteil, die weltpolitische<lb/> Bühne für diese militärische Auseinandersetzung zwischen dem östlichen<lb/> Bolschewismus und dem 'westlichen Imperialismus abzugeben'. Genau wie im<lb/> Dreißigjährigen Kriege unser herrliches Vaterland von Kämpfen zerwühlt wurde,<lb/> in denen Osterveich, Frankreich und Schweden ihre Machtstreitigkeiten auftrugen,<lb/> genau so würde Deutschland in dieser Weltrevolution, wie man mit glücklicher<lb/> Prägung gesagt hat, zur Barrikade des russischen Bolschewismus gegen den<lb/> Westen. Hier wie dort wären wir bloßer Schauplatz, in fürchterlichster Weise<lb/> innerlich hin- und hergezerrt, der völligen Verwüstung und Vernichtung preis¬<lb/> gegeben. ' , ></p><lb/> <p xml:id="ID_230" next="#ID_231"> Die Berliner Herren machen großzügige Weltpolitik und verschleudern die<lb/> letzten Reserven an Machtmitteln, die uns noch übrig geblieben sind. Aus<lb/> schlotteriger Angst'vor dem Popanz der Gegenrevolution dulden sie es, daß<lb/> demokratischer Doktrinarismus die Manneszucht im Heere völlig auflöst. Der<lb/> schwächliche Widerstand gegen die Polen hat ebenso wie die traurigen Leistungen<lb/> der Eisernen Division die militärische Unbvauchbarkeit -unserer hochmodernen<lb/> Söldlingsarmee an den Tag gebracht. Den Polen ist das Vierdienst zuzuschreiben,<lb/> daß sie durch die Schamlosigkeit ihrer Übergriffe in den .Kreisen des ostmärkischen<lb/> Deutschtums den ckuror tvutomous selber zu wecken beginnen, den wir im Osten<lb/> noch bitter nötig haben werden. Für diese seelische Wendung sind Vorgänge<lb/> bezeichnend, die sich soeben in Bromberg abgespielt haben. Nachdem der bahn¬<lb/> technisch wichtige Punkt Nabel von einem ganzen Bataillon Grenzschutz schmählich<lb/> verlassen und darauf von sage -und schreibe 15 Mann Polen kampflos „erobert"<lb/> worden ist, hat sich der Eifenbahnerschaft in Bromberg eine elementare Erregung<lb/> bemächtigt, die in einem spontanen Streik ihren Ausdruck gefunden hat. Zwei¬<lb/> hundert Eisenbahner — Männer aus dem werktätigen Volke — ballten ehre<lb/> schwieligen Arbeiterfäuste, verließen ihre Lokomotiven und Schuppen und gingen<lb/> zum Präsidenten der Eisenbahudirektion. „Herr Präsident", sagte einer dieser<lb/> Zugführer, denen die Sorge um Weib und Kind und um die ostmärkische Mutter¬<lb/> erde das Blut zum Kochen gebracht hatte, „wir kommen nicht um Lohnerhöhung,<lb/> wir kommen nicht um Arbeitsverkürzung, Nur kommen mit der Forderung, daß<lb/> Sie uns bewaffnen und unsere Bahn und unsere Heimat damit unter tatkräftigen<lb/> militärischen Schutz stellen. Wir wollen es nicht länger mit ansehen, daß der<lb/> Pole -eine Stadt nach der anderen nimmt und unsere Heimat, für die wir Gut<lb/> und Blut gerne noch einmal zu Markte tragen wollen, in so schamloser Weise<lb/> bedrohen darf, ohne daß ihm die deutsche Faust zeigt, was die Stunde geschlagen<lb/> hat." Der Bahnschutz 'wurde durchgesetzt, die Postbeamten schlössen sich an. So</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 4"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Zage zuungunsten des deutschen Gedankens im Osten gewendet hat, sondern der
Sieg des Bolschewismus im Baltikum ist die schwerste Bedrohung für unser aller
nächste Zukunft. Mit Recht ist die Anwesenheit Nadel-Sobelsohns und Joffes
in Berlin, die unsere schiwache Regierung nicht zu verhindern vermocht hat, mit
dem bolschewistischen Vorgehen im Baltikum in Zusammenhang gebracht worden.
Dieses Borgehen bedroht unser innerlich zerrüttetes Vaterland unmittelbar mit
einem Einfall der Bolschewisten in Ostpreußen. Ohne Zweifel wiegelt Nadel die
Spartakusleute auf, um gleichzeitig den Brand der Revolution im' Innern zum
Aufflammen zu bringen. Damit wäre nicht nur das Schicksal unseres gegen¬
wärtigen Regimes besiegelt, sondern es zöge für Deutschland ein Elend herauf,
das nur mit dem des Dreißigjährigen Krieges sich .an Furchtbarkeit messen könnte.
Denn bekanntlich hat der Bolschewismus in Rußland und bei uns im
Gegensatz zu unserer außenpolitisch völlig halt- und richtungslosen Regierung ein
leidenschaftlich verfolgtes außenpolitisches Ziel: die Revolutionierung der Welt,
die Zertrümmerung der siegreichen westlichen Machtstaaten. Unsere verzweifelte
Lage könnte uns ja fast zu dem Wunsche drängen, daß es dem Bolschewismus
gelingen möchte, dies Ziel zu erreichen, das uns zugleich von dem Drucke der
unerträglichen Fviedensbeidingnngen befreien müßte. Nur -würde dieses Ziel
mit dem noch unermeßlicheren Elend der Massendiktatur im Innern und der
völligen Zertrümmerung unserer Wirtschaft und Kultur erkauft. Und darüber
hinaus würde Deutschland das fürchterliche Geschick zuteil, die weltpolitische
Bühne für diese militärische Auseinandersetzung zwischen dem östlichen
Bolschewismus und dem 'westlichen Imperialismus abzugeben'. Genau wie im
Dreißigjährigen Kriege unser herrliches Vaterland von Kämpfen zerwühlt wurde,
in denen Osterveich, Frankreich und Schweden ihre Machtstreitigkeiten auftrugen,
genau so würde Deutschland in dieser Weltrevolution, wie man mit glücklicher
Prägung gesagt hat, zur Barrikade des russischen Bolschewismus gegen den
Westen. Hier wie dort wären wir bloßer Schauplatz, in fürchterlichster Weise
innerlich hin- und hergezerrt, der völligen Verwüstung und Vernichtung preis¬
gegeben. ' , >
Die Berliner Herren machen großzügige Weltpolitik und verschleudern die
letzten Reserven an Machtmitteln, die uns noch übrig geblieben sind. Aus
schlotteriger Angst'vor dem Popanz der Gegenrevolution dulden sie es, daß
demokratischer Doktrinarismus die Manneszucht im Heere völlig auflöst. Der
schwächliche Widerstand gegen die Polen hat ebenso wie die traurigen Leistungen
der Eisernen Division die militärische Unbvauchbarkeit -unserer hochmodernen
Söldlingsarmee an den Tag gebracht. Den Polen ist das Vierdienst zuzuschreiben,
daß sie durch die Schamlosigkeit ihrer Übergriffe in den .Kreisen des ostmärkischen
Deutschtums den ckuror tvutomous selber zu wecken beginnen, den wir im Osten
noch bitter nötig haben werden. Für diese seelische Wendung sind Vorgänge
bezeichnend, die sich soeben in Bromberg abgespielt haben. Nachdem der bahn¬
technisch wichtige Punkt Nabel von einem ganzen Bataillon Grenzschutz schmählich
verlassen und darauf von sage -und schreibe 15 Mann Polen kampflos „erobert"
worden ist, hat sich der Eifenbahnerschaft in Bromberg eine elementare Erregung
bemächtigt, die in einem spontanen Streik ihren Ausdruck gefunden hat. Zwei¬
hundert Eisenbahner — Männer aus dem werktätigen Volke — ballten ehre
schwieligen Arbeiterfäuste, verließen ihre Lokomotiven und Schuppen und gingen
zum Präsidenten der Eisenbahudirektion. „Herr Präsident", sagte einer dieser
Zugführer, denen die Sorge um Weib und Kind und um die ostmärkische Mutter¬
erde das Blut zum Kochen gebracht hatte, „wir kommen nicht um Lohnerhöhung,
wir kommen nicht um Arbeitsverkürzung, Nur kommen mit der Forderung, daß
Sie uns bewaffnen und unsere Bahn und unsere Heimat damit unter tatkräftigen
militärischen Schutz stellen. Wir wollen es nicht länger mit ansehen, daß der
Pole -eine Stadt nach der anderen nimmt und unsere Heimat, für die wir Gut
und Blut gerne noch einmal zu Markte tragen wollen, in so schamloser Weise
bedrohen darf, ohne daß ihm die deutsche Faust zeigt, was die Stunde geschlagen
hat." Der Bahnschutz 'wurde durchgesetzt, die Postbeamten schlössen sich an. So
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