Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

?!ordböhmen. Nordmährer und österreichischen Schlesier ihren sächsischen und
schlesischen Nachbarn. Eine ebensolche Brücke nach dein Südosten bildete das
Südslawentum und es ist das tragische Verhängnis der Monarchie geworden, daß
man diese Brücke nicht ausbauen wollte und konnte, weil einerseits das russophile
Großserbentum, andererseits Ungarn und der Dualismus eine Zusammenfassung
der Jugoslawen in der Monarchie und eine für beide Teile befiiediqende Ver¬
kündigung zwischen ihnen und den Deutschen verhinderte. Aber nicht davon soll
hier die Rede sein: was ich hier in Kürze hervorheben wollte, ist die Eingliederung
der ehemals österreichisch-ungarischen, aber auch der südöstlich angrenzenden Gebiete
in das größere Ganze. Mitteleuropas.') Die geographisch,! Lage von Wien war
stark genng zu bewirken, daß sich hier, wie vor Jahrzehnten gesagt wurde, "um
eine Stadt ein Staat gebildet hat". Aber ihre Anziehungskraft erstreckt sich nicht
über das Ganze Mitteleuropas', innerhalb dieses Gebietes finden sich auch andere
mögliche Ansatzpunkte für eine Großstaatbildung. So ist der Traum Kossuths,
Ungarn und Budapest zum Mittelpunkt eines südostenropäischen Bundes oder
Reiches erwachsen zu sehen, nur aus ethnographischen Gründen, nicht aus geo¬
graphischen unerfüllbar geblieben. Und Böhmen hätte -- namentlich, wenn es
nicht überwiegend tschechisch wäre -- ebensowohl die Zentralfeste eines mittel¬
europäischen Reiches, wie eine Grenzfestung Österreichs werden können. Prag als
Residenz deutscher Kaiser hatte eine für das alle Römische Reich, aber auch für
die von einzelnen dieser Herrjcher erworbenen östlichen und südöstlichen Länder
zentrale Lage nud von dort ans hätte sich wohl der politische Dualismus in der
deutschen Geschichte, die Folge der zweiseitigen Abdachung Mitteleuropas, eher
überwinden lassen, als von Wien oder Berlin uns. Als eine Art Zentrum
Mitteleuropas kommt es gelegentlich bei Lagcirde. Nauman n. a. zur Erwähnung.-)
-Das widerspricht nicht der Tatsache, daß es für das engere Böhmen kein unbo-
strittenes wirischaftlicheS Zentrum ist. Wir wollen aber nicht geschichtliche
Phantasiebilder an Stelle der Wirklichkeit setzen; Tatsachen, wie die verkehrs¬
geographische Ausstattung, insbesondere das naturgemäße Bahnnetz der Gegenwart
stempeln Berlin und Wien zu den Brennpunkten des weiteren Mitteleuropa, und
solche Lagen verschieben sich langsam. Was unsere beiden Beispiele besagen sollten,
ist nicht mehr und nicht weniger, als daß die kleineren geographischen Jndivi-
dualuäten innerhalb Mitteleuropas auch andere geographisch lebensfähige Kombi¬
nationen eingehen können, als die historisch gegebenen. Daß gerade diese besonders
naturgemäß waren, ist allerdings meine Meinung. Aber die Tatsache, daß das
eine Reich zerschmettert, der Fortbestand des andern zur Zeit, da ich dies schreibe
(Anfang November 1918). noch keineswegs gesichert ist, lenkt unseren Blick auf
die kleineren natürlichen Provinzen.

Diese aufzuzählen, namentlich soweit sie auf dem Boden Deutschlands und
dem der Südosthalbinsel liegen, würde zu weit führen. Einzelne. wie die Nieder¬
lande und die Schweiz sind altuuabhängige Kleinstaaten-, andere weniger aus¬
gesprochene dürften gruppenweise, leidlich geographischen Einheiten entsprechend,
aber nach nationalen Gesichtspunkten, sich zu staa'licher Einheit zusammenschließen,
wie die südslawischen Länder oder der deutsche Ostmarkenstaat.°) Wieder andere
müssen entweder -in Kampf mit dem nationalen Prinzip "natürliche" Grenzen
erzwingen oder in Nationalgebiete ohne solche zerfallen, wie gerade die aus-





') Vergl. darüber neuerlich Hassingers Studie "Das geographische Wesen Mittel-'
"uropas", Mill. der k. l. geogx. Geh. Wien 19t7, 43? ff.
2) Seitdem dies geschrieben, wurde, tritt der Anspruch der Tschechen deutlicher hervor,
daß ihrem Reich auf Grund seiner Lage eine führende Stellung gebühre.
"
->) Die amtliche Benennung "Deutschöswreich findet in der Bevölkerung selbst immer
mehr Widerstand. Sie hätte in der Tat nur innerhalb eines österreichischen Siaalenbundes
"der Bundesstaates vollen Sinn; sie bietet aber den naturgemäßen Übergang zu dem ein-
fachen Namen "Osterreich", der innerhalb des Deutschen Reiches den alpen- und doncm-
ländischen Bundesstaat am besten bezeichnet.

?!ordböhmen. Nordmährer und österreichischen Schlesier ihren sächsischen und
schlesischen Nachbarn. Eine ebensolche Brücke nach dein Südosten bildete das
Südslawentum und es ist das tragische Verhängnis der Monarchie geworden, daß
man diese Brücke nicht ausbauen wollte und konnte, weil einerseits das russophile
Großserbentum, andererseits Ungarn und der Dualismus eine Zusammenfassung
der Jugoslawen in der Monarchie und eine für beide Teile befiiediqende Ver¬
kündigung zwischen ihnen und den Deutschen verhinderte. Aber nicht davon soll
hier die Rede sein: was ich hier in Kürze hervorheben wollte, ist die Eingliederung
der ehemals österreichisch-ungarischen, aber auch der südöstlich angrenzenden Gebiete
in das größere Ganze. Mitteleuropas.') Die geographisch,! Lage von Wien war
stark genng zu bewirken, daß sich hier, wie vor Jahrzehnten gesagt wurde, „um
eine Stadt ein Staat gebildet hat". Aber ihre Anziehungskraft erstreckt sich nicht
über das Ganze Mitteleuropas', innerhalb dieses Gebietes finden sich auch andere
mögliche Ansatzpunkte für eine Großstaatbildung. So ist der Traum Kossuths,
Ungarn und Budapest zum Mittelpunkt eines südostenropäischen Bundes oder
Reiches erwachsen zu sehen, nur aus ethnographischen Gründen, nicht aus geo¬
graphischen unerfüllbar geblieben. Und Böhmen hätte — namentlich, wenn es
nicht überwiegend tschechisch wäre — ebensowohl die Zentralfeste eines mittel¬
europäischen Reiches, wie eine Grenzfestung Österreichs werden können. Prag als
Residenz deutscher Kaiser hatte eine für das alle Römische Reich, aber auch für
die von einzelnen dieser Herrjcher erworbenen östlichen und südöstlichen Länder
zentrale Lage nud von dort ans hätte sich wohl der politische Dualismus in der
deutschen Geschichte, die Folge der zweiseitigen Abdachung Mitteleuropas, eher
überwinden lassen, als von Wien oder Berlin uns. Als eine Art Zentrum
Mitteleuropas kommt es gelegentlich bei Lagcirde. Nauman n. a. zur Erwähnung.-)
-Das widerspricht nicht der Tatsache, daß es für das engere Böhmen kein unbo-
strittenes wirischaftlicheS Zentrum ist. Wir wollen aber nicht geschichtliche
Phantasiebilder an Stelle der Wirklichkeit setzen; Tatsachen, wie die verkehrs¬
geographische Ausstattung, insbesondere das naturgemäße Bahnnetz der Gegenwart
stempeln Berlin und Wien zu den Brennpunkten des weiteren Mitteleuropa, und
solche Lagen verschieben sich langsam. Was unsere beiden Beispiele besagen sollten,
ist nicht mehr und nicht weniger, als daß die kleineren geographischen Jndivi-
dualuäten innerhalb Mitteleuropas auch andere geographisch lebensfähige Kombi¬
nationen eingehen können, als die historisch gegebenen. Daß gerade diese besonders
naturgemäß waren, ist allerdings meine Meinung. Aber die Tatsache, daß das
eine Reich zerschmettert, der Fortbestand des andern zur Zeit, da ich dies schreibe
(Anfang November 1918). noch keineswegs gesichert ist, lenkt unseren Blick auf
die kleineren natürlichen Provinzen.

Diese aufzuzählen, namentlich soweit sie auf dem Boden Deutschlands und
dem der Südosthalbinsel liegen, würde zu weit führen. Einzelne. wie die Nieder¬
lande und die Schweiz sind altuuabhängige Kleinstaaten-, andere weniger aus¬
gesprochene dürften gruppenweise, leidlich geographischen Einheiten entsprechend,
aber nach nationalen Gesichtspunkten, sich zu staa'licher Einheit zusammenschließen,
wie die südslawischen Länder oder der deutsche Ostmarkenstaat.°) Wieder andere
müssen entweder -in Kampf mit dem nationalen Prinzip „natürliche" Grenzen
erzwingen oder in Nationalgebiete ohne solche zerfallen, wie gerade die aus-





') Vergl. darüber neuerlich Hassingers Studie „Das geographische Wesen Mittel-'
»uropas", Mill. der k. l. geogx. Geh. Wien 19t7, 43? ff.
2) Seitdem dies geschrieben, wurde, tritt der Anspruch der Tschechen deutlicher hervor,
daß ihrem Reich auf Grund seiner Lage eine führende Stellung gebühre.
"
->) Die amtliche Benennung „Deutschöswreich findet in der Bevölkerung selbst immer
mehr Widerstand. Sie hätte in der Tat nur innerhalb eines österreichischen Siaalenbundes
«der Bundesstaates vollen Sinn; sie bietet aber den naturgemäßen Übergang zu dem ein-
fachen Namen „Osterreich", der innerhalb des Deutschen Reiches den alpen- und doncm-
ländischen Bundesstaat am besten bezeichnet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0051" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335233"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_208" prev="#ID_207"> ?!ordböhmen.  Nordmährer und österreichischen Schlesier ihren sächsischen und<lb/>
schlesischen Nachbarn.  Eine ebensolche Brücke nach dein Südosten bildete das<lb/>
Südslawentum und es ist das tragische Verhängnis der Monarchie geworden, daß<lb/>
man diese Brücke nicht ausbauen wollte und konnte, weil einerseits das russophile<lb/>
Großserbentum, andererseits Ungarn und der Dualismus eine Zusammenfassung<lb/>
der Jugoslawen in der Monarchie und eine für beide Teile befiiediqende Ver¬<lb/>
kündigung zwischen ihnen und den Deutschen verhinderte.  Aber nicht davon soll<lb/>
hier die Rede sein: was ich hier in Kürze hervorheben wollte, ist die Eingliederung<lb/>
der ehemals österreichisch-ungarischen, aber auch der südöstlich angrenzenden Gebiete<lb/>
in das größere Ganze. Mitteleuropas.') Die geographisch,! Lage von Wien war<lb/>
stark genng zu bewirken, daß sich hier, wie vor Jahrzehnten gesagt wurde, &#x201E;um<lb/>
eine Stadt ein Staat gebildet hat".  Aber ihre Anziehungskraft erstreckt sich nicht<lb/>
über das Ganze Mitteleuropas', innerhalb dieses Gebietes finden sich auch andere<lb/>
mögliche Ansatzpunkte für eine Großstaatbildung.  So ist der Traum Kossuths,<lb/>
Ungarn und Budapest zum Mittelpunkt eines südostenropäischen Bundes oder<lb/>
Reiches erwachsen zu sehen, nur aus ethnographischen Gründen, nicht aus geo¬<lb/>
graphischen unerfüllbar geblieben.  Und Böhmen hätte &#x2014; namentlich, wenn es<lb/>
nicht überwiegend tschechisch wäre &#x2014; ebensowohl die Zentralfeste eines mittel¬<lb/>
europäischen Reiches, wie eine Grenzfestung Österreichs werden können. Prag als<lb/>
Residenz deutscher Kaiser hatte eine für das alle Römische Reich, aber auch für<lb/>
die von einzelnen dieser Herrjcher erworbenen östlichen und südöstlichen Länder<lb/>
zentrale Lage nud von dort ans hätte sich wohl der politische Dualismus in der<lb/>
deutschen Geschichte, die Folge der zweiseitigen Abdachung Mitteleuropas, eher<lb/>
überwinden lassen, als von Wien oder Berlin uns.  Als eine Art Zentrum<lb/>
Mitteleuropas kommt es gelegentlich bei Lagcirde. Nauman n. a. zur Erwähnung.-)<lb/>
-Das widerspricht nicht der Tatsache, daß es für das engere Böhmen kein unbo-<lb/>
strittenes wirischaftlicheS Zentrum ist.  Wir wollen  aber nicht geschichtliche<lb/>
Phantasiebilder an Stelle der Wirklichkeit setzen; Tatsachen, wie die verkehrs¬<lb/>
geographische Ausstattung, insbesondere das naturgemäße Bahnnetz der Gegenwart<lb/>
stempeln Berlin und Wien zu den Brennpunkten des weiteren Mitteleuropa, und<lb/>
solche Lagen verschieben sich langsam. Was unsere beiden Beispiele besagen sollten,<lb/>
ist nicht mehr und nicht weniger, als daß die kleineren geographischen Jndivi-<lb/>
dualuäten innerhalb Mitteleuropas auch andere geographisch lebensfähige Kombi¬<lb/>
nationen eingehen können, als die historisch gegebenen. Daß gerade diese besonders<lb/>
naturgemäß waren, ist allerdings meine Meinung.  Aber die Tatsache, daß das<lb/>
eine Reich zerschmettert, der Fortbestand des andern zur Zeit, da ich dies schreibe<lb/>
(Anfang November 1918). noch keineswegs gesichert ist, lenkt unseren Blick auf<lb/>
die kleineren natürlichen Provinzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_209" next="#ID_210"> Diese aufzuzählen, namentlich soweit sie auf dem Boden Deutschlands und<lb/>
dem der Südosthalbinsel liegen, würde zu weit führen. Einzelne. wie die Nieder¬<lb/>
lande und die Schweiz sind altuuabhängige Kleinstaaten-, andere weniger aus¬<lb/>
gesprochene dürften gruppenweise, leidlich geographischen Einheiten entsprechend,<lb/>
aber nach nationalen Gesichtspunkten, sich zu staa'licher Einheit zusammenschließen,<lb/>
wie die südslawischen Länder oder der deutsche Ostmarkenstaat.°) Wieder andere<lb/>
müssen entweder -in Kampf mit dem nationalen Prinzip &#x201E;natürliche" Grenzen<lb/>
erzwingen oder in Nationalgebiete ohne solche zerfallen, wie gerade die aus-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_12" place="foot"> ') Vergl. darüber neuerlich Hassingers Studie &#x201E;Das geographische Wesen Mittel-'<lb/>
»uropas", Mill. der k. l. geogx. Geh. Wien 19t7, 43? ff.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_13" place="foot"> 2) Seitdem dies geschrieben, wurde, tritt der Anspruch der Tschechen deutlicher hervor,<lb/>
daß ihrem Reich auf Grund seiner Lage eine führende Stellung gebühre.<lb/>
"</note><lb/>
          <note xml:id="FID_14" place="foot"> -&gt;) Die amtliche Benennung &#x201E;Deutschöswreich findet in der Bevölkerung selbst immer<lb/>
mehr Widerstand. Sie hätte in der Tat nur innerhalb eines österreichischen Siaalenbundes<lb/>
«der Bundesstaates vollen Sinn; sie bietet aber den naturgemäßen Übergang zu dem ein-<lb/>
fachen Namen &#x201E;Osterreich", der innerhalb des Deutschen Reiches den alpen- und doncm-<lb/>
ländischen Bundesstaat am besten bezeichnet.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0051] ?!ordböhmen. Nordmährer und österreichischen Schlesier ihren sächsischen und schlesischen Nachbarn. Eine ebensolche Brücke nach dein Südosten bildete das Südslawentum und es ist das tragische Verhängnis der Monarchie geworden, daß man diese Brücke nicht ausbauen wollte und konnte, weil einerseits das russophile Großserbentum, andererseits Ungarn und der Dualismus eine Zusammenfassung der Jugoslawen in der Monarchie und eine für beide Teile befiiediqende Ver¬ kündigung zwischen ihnen und den Deutschen verhinderte. Aber nicht davon soll hier die Rede sein: was ich hier in Kürze hervorheben wollte, ist die Eingliederung der ehemals österreichisch-ungarischen, aber auch der südöstlich angrenzenden Gebiete in das größere Ganze. Mitteleuropas.') Die geographisch,! Lage von Wien war stark genng zu bewirken, daß sich hier, wie vor Jahrzehnten gesagt wurde, „um eine Stadt ein Staat gebildet hat". Aber ihre Anziehungskraft erstreckt sich nicht über das Ganze Mitteleuropas', innerhalb dieses Gebietes finden sich auch andere mögliche Ansatzpunkte für eine Großstaatbildung. So ist der Traum Kossuths, Ungarn und Budapest zum Mittelpunkt eines südostenropäischen Bundes oder Reiches erwachsen zu sehen, nur aus ethnographischen Gründen, nicht aus geo¬ graphischen unerfüllbar geblieben. Und Böhmen hätte — namentlich, wenn es nicht überwiegend tschechisch wäre — ebensowohl die Zentralfeste eines mittel¬ europäischen Reiches, wie eine Grenzfestung Österreichs werden können. Prag als Residenz deutscher Kaiser hatte eine für das alle Römische Reich, aber auch für die von einzelnen dieser Herrjcher erworbenen östlichen und südöstlichen Länder zentrale Lage nud von dort ans hätte sich wohl der politische Dualismus in der deutschen Geschichte, die Folge der zweiseitigen Abdachung Mitteleuropas, eher überwinden lassen, als von Wien oder Berlin uns. Als eine Art Zentrum Mitteleuropas kommt es gelegentlich bei Lagcirde. Nauman n. a. zur Erwähnung.-) -Das widerspricht nicht der Tatsache, daß es für das engere Böhmen kein unbo- strittenes wirischaftlicheS Zentrum ist. Wir wollen aber nicht geschichtliche Phantasiebilder an Stelle der Wirklichkeit setzen; Tatsachen, wie die verkehrs¬ geographische Ausstattung, insbesondere das naturgemäße Bahnnetz der Gegenwart stempeln Berlin und Wien zu den Brennpunkten des weiteren Mitteleuropa, und solche Lagen verschieben sich langsam. Was unsere beiden Beispiele besagen sollten, ist nicht mehr und nicht weniger, als daß die kleineren geographischen Jndivi- dualuäten innerhalb Mitteleuropas auch andere geographisch lebensfähige Kombi¬ nationen eingehen können, als die historisch gegebenen. Daß gerade diese besonders naturgemäß waren, ist allerdings meine Meinung. Aber die Tatsache, daß das eine Reich zerschmettert, der Fortbestand des andern zur Zeit, da ich dies schreibe (Anfang November 1918). noch keineswegs gesichert ist, lenkt unseren Blick auf die kleineren natürlichen Provinzen. Diese aufzuzählen, namentlich soweit sie auf dem Boden Deutschlands und dem der Südosthalbinsel liegen, würde zu weit führen. Einzelne. wie die Nieder¬ lande und die Schweiz sind altuuabhängige Kleinstaaten-, andere weniger aus¬ gesprochene dürften gruppenweise, leidlich geographischen Einheiten entsprechend, aber nach nationalen Gesichtspunkten, sich zu staa'licher Einheit zusammenschließen, wie die südslawischen Länder oder der deutsche Ostmarkenstaat.°) Wieder andere müssen entweder -in Kampf mit dem nationalen Prinzip „natürliche" Grenzen erzwingen oder in Nationalgebiete ohne solche zerfallen, wie gerade die aus- ') Vergl. darüber neuerlich Hassingers Studie „Das geographische Wesen Mittel-' »uropas", Mill. der k. l. geogx. Geh. Wien 19t7, 43? ff. 2) Seitdem dies geschrieben, wurde, tritt der Anspruch der Tschechen deutlicher hervor, daß ihrem Reich auf Grund seiner Lage eine führende Stellung gebühre. " ->) Die amtliche Benennung „Deutschöswreich findet in der Bevölkerung selbst immer mehr Widerstand. Sie hätte in der Tat nur innerhalb eines österreichischen Siaalenbundes «der Bundesstaates vollen Sinn; sie bietet aber den naturgemäßen Übergang zu dem ein- fachen Namen „Osterreich", der innerhalb des Deutschen Reiches den alpen- und doncm- ländischen Bundesstaat am besten bezeichnet.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/51
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/51>, abgerufen am 20.06.2024.