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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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curcunnng von Airche und Staat

Gemeinde, kann der Zutunftsbau der Kirche ausgeführt werden. Es ist nicht zu
erwarten, daß der Übergang in die synodale Selbstverwaltung der evangelischen
Kirche ganz leicht werden wird, die das Regiertwerden doch mehr gewöhnt war.
Aber auch hier wird die Notwendigkeit bald die Fähigkeit schaffen. Was in so
viel andern Ländern, England, Amerika, Schweiz, Norwegen, bereits seit langem
erreicht ist, wird im Sicunmland der Reformation keine Unmöglichkeit sein.

Für diese selbständige.Kirche aber ist die Form der Volks-, nicht der Frei¬
kirche festzuhalten. Unter Freikirche wird hier nicht eine staatsfreie Kirche ver¬
standen, sondern eine solche, in die man nicht hineingeboren wird, sondern -- in
der ersten Generation jedenfalls -- durch ausdrückliche Willenserklärung eintritt. So
haben sich seinerzeit die AUlutheraner in Preußen als Freikirche organisi-n't. Auch
jetzt ist vorgeschlagen worden, es sollten durch Sammlung von Beitrittserklärungen
die Kircheulreuen in hin Gemeinden zusammengebracht werden, die dann den
Kern der zukünftigen Gemeinden bilden würden. Blieben dann auch viele Gleich¬
gültige zurück, so wäre damit die Kirche nur von einem längst empfundenen
hemmenden Ballast befreit: eine kleine lebendige Gemeinde würde in viel höherem
Maße ein Salz und ein Licht sein können, als eine größere unlebendige. Trotz
des Vorbildes der amerikanischen Freikirchen, auf das man sich gern beruft,
bestehen gegen die freitirchlichc Form doch ernste Bedenken. Man kann die
amerikanischen Verhältnisse, die völlig anders liegen, nicht einfach auf die unseren
anwenden; die freikirchlichen Versuche in Deutschland locken nicht zur Nachfolge,
sie haben sich als wenig lebensfähig erwiesen und kaum ihren ursprünglichen
Bestand behauptet. Auch wohnt der Freikirche eine starke Tendenz zur Spaltung
inne. Verliefe die Entwicklung in dieser Richtung, so ist nicht anzunehmen, daß
die bisherige Landeskirche in eine einheitliche Freikirche übergehen würde, es
würden verschiedene Bildungen hervortreten, mindestens voraussichtlich zwei, eine
positive und eine liberale, worauf schon manche hinauswollen. Daß eine solche
Zerklüftung der Kirche für ihre Sache und deren Vertretung im Volk wirklich ein
Gewinn wäre, ist schwer zu glauben. Auch würden die Schattenseiten der Frei"
kirche, die das amerikanische Vorbild nicht verbirgt, z. B. das Übergewicht der
Begüterten, die Abhängigkeit der Geistlichen und ähnliches auch bei uns sich
zeigen, und ob die Einwirkung auf die Außenstehenden so viel größer sein würde,
ist fraglich; Freikirchen Pflegen gerade sehr exklusiv zu sein.

Wir glauben also, daß, so lang es geht, das Prinzip der Volkskirche fest-
zuhalten sei, d. h. die vorhandenenen Gemeinden sind zu Grunde zu legen, ohne
ausdrücklich geforderte Beitrittserklärung des einzelnen. Nur der Austritt müßte,
wie bisher, durch Anzeige geschehen; der Modus dafür wird allerdings vereinfacht
werden müssen. Es ist anzunehmen, daß so auch die Ferne" stehenden in erheblich
größerer Zahl im Verband der Kirche vel bleiben werden. Denn es wird mancher,
der es nicht zu einer ausdrücklichen Beitrittserklärung bringt, doch auch den Aus-
tritt nicht erklären. Man sage nicht, daß dann nur durch das Gesetz der Träg¬
heit ein lediglich papierner Gewinn für die Kirche erreicht werde. Gewiß bedeutet
auch dies etwas in pekuniärer Hinsicht, aber das Band, das die Fernerstehenden
mit der Kirche verbindet, hat doch auch inneren Wert für beide Teile und gibt
der Kirche Wirkungsmöglichkeiten, die sie ihrerseits nicht aufgeben sollte. Können
nicht auch w diesen Kreisen Uniwandlungen eintreten, wenn vielleicht sür das
ganze Geistesleben nach dem materialistisch-nionistischen Zeitalter ein anders ge-
stimmtes anbräche? Jedenfalls wäre das künftige Auseinanderfallen des Volles
in eine christliche und eine bewußt entchristlichte Hälfte, die dann nur als ein
neues Heidentum angesehen werden könnte, von großer und bedenklicher Trag-
weite. Unsere Geisteskultur würde noch zerrissener, als sie es schon ist, wenn
ein großer Teil des Volkes garnicht, mehr vom Strome des Christentums erreicht
würde. Wir denken dabei besonders auch an die Jugend. Wir wünschen, daß
ihr in den Staatsschulen auch künftig christlicher Religionsunterricht zuteil werde,
>aß nicht "in Geschlecht heranwachse, das mit einem so eminent bedeutungsvollen
r"it unserer überlieferten nationalen Bildung, wie daS Christentum es ist, keine


curcunnng von Airche und Staat

Gemeinde, kann der Zutunftsbau der Kirche ausgeführt werden. Es ist nicht zu
erwarten, daß der Übergang in die synodale Selbstverwaltung der evangelischen
Kirche ganz leicht werden wird, die das Regiertwerden doch mehr gewöhnt war.
Aber auch hier wird die Notwendigkeit bald die Fähigkeit schaffen. Was in so
viel andern Ländern, England, Amerika, Schweiz, Norwegen, bereits seit langem
erreicht ist, wird im Sicunmland der Reformation keine Unmöglichkeit sein.

Für diese selbständige.Kirche aber ist die Form der Volks-, nicht der Frei¬
kirche festzuhalten. Unter Freikirche wird hier nicht eine staatsfreie Kirche ver¬
standen, sondern eine solche, in die man nicht hineingeboren wird, sondern — in
der ersten Generation jedenfalls — durch ausdrückliche Willenserklärung eintritt. So
haben sich seinerzeit die AUlutheraner in Preußen als Freikirche organisi-n't. Auch
jetzt ist vorgeschlagen worden, es sollten durch Sammlung von Beitrittserklärungen
die Kircheulreuen in hin Gemeinden zusammengebracht werden, die dann den
Kern der zukünftigen Gemeinden bilden würden. Blieben dann auch viele Gleich¬
gültige zurück, so wäre damit die Kirche nur von einem längst empfundenen
hemmenden Ballast befreit: eine kleine lebendige Gemeinde würde in viel höherem
Maße ein Salz und ein Licht sein können, als eine größere unlebendige. Trotz
des Vorbildes der amerikanischen Freikirchen, auf das man sich gern beruft,
bestehen gegen die freitirchlichc Form doch ernste Bedenken. Man kann die
amerikanischen Verhältnisse, die völlig anders liegen, nicht einfach auf die unseren
anwenden; die freikirchlichen Versuche in Deutschland locken nicht zur Nachfolge,
sie haben sich als wenig lebensfähig erwiesen und kaum ihren ursprünglichen
Bestand behauptet. Auch wohnt der Freikirche eine starke Tendenz zur Spaltung
inne. Verliefe die Entwicklung in dieser Richtung, so ist nicht anzunehmen, daß
die bisherige Landeskirche in eine einheitliche Freikirche übergehen würde, es
würden verschiedene Bildungen hervortreten, mindestens voraussichtlich zwei, eine
positive und eine liberale, worauf schon manche hinauswollen. Daß eine solche
Zerklüftung der Kirche für ihre Sache und deren Vertretung im Volk wirklich ein
Gewinn wäre, ist schwer zu glauben. Auch würden die Schattenseiten der Frei»
kirche, die das amerikanische Vorbild nicht verbirgt, z. B. das Übergewicht der
Begüterten, die Abhängigkeit der Geistlichen und ähnliches auch bei uns sich
zeigen, und ob die Einwirkung auf die Außenstehenden so viel größer sein würde,
ist fraglich; Freikirchen Pflegen gerade sehr exklusiv zu sein.

Wir glauben also, daß, so lang es geht, das Prinzip der Volkskirche fest-
zuhalten sei, d. h. die vorhandenenen Gemeinden sind zu Grunde zu legen, ohne
ausdrücklich geforderte Beitrittserklärung des einzelnen. Nur der Austritt müßte,
wie bisher, durch Anzeige geschehen; der Modus dafür wird allerdings vereinfacht
werden müssen. Es ist anzunehmen, daß so auch die Ferne» stehenden in erheblich
größerer Zahl im Verband der Kirche vel bleiben werden. Denn es wird mancher,
der es nicht zu einer ausdrücklichen Beitrittserklärung bringt, doch auch den Aus-
tritt nicht erklären. Man sage nicht, daß dann nur durch das Gesetz der Träg¬
heit ein lediglich papierner Gewinn für die Kirche erreicht werde. Gewiß bedeutet
auch dies etwas in pekuniärer Hinsicht, aber das Band, das die Fernerstehenden
mit der Kirche verbindet, hat doch auch inneren Wert für beide Teile und gibt
der Kirche Wirkungsmöglichkeiten, die sie ihrerseits nicht aufgeben sollte. Können
nicht auch w diesen Kreisen Uniwandlungen eintreten, wenn vielleicht sür das
ganze Geistesleben nach dem materialistisch-nionistischen Zeitalter ein anders ge-
stimmtes anbräche? Jedenfalls wäre das künftige Auseinanderfallen des Volles
in eine christliche und eine bewußt entchristlichte Hälfte, die dann nur als ein
neues Heidentum angesehen werden könnte, von großer und bedenklicher Trag-
weite. Unsere Geisteskultur würde noch zerrissener, als sie es schon ist, wenn
ein großer Teil des Volkes garnicht, mehr vom Strome des Christentums erreicht
würde. Wir denken dabei besonders auch an die Jugend. Wir wünschen, daß
ihr in den Staatsschulen auch künftig christlicher Religionsunterricht zuteil werde,
>aß nicht «in Geschlecht heranwachse, das mit einem so eminent bedeutungsvollen
r«it unserer überlieferten nationalen Bildung, wie daS Christentum es ist, keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/47>, abgerufen am 10.02.2025.