Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Tremiung von Airche und Staat

die zielbewußte Verwendung der kirchliche!! Mittel für seine politischen Zwecke ist
.,eine Grundlage seiner ganzen Politik gewesen. Inzwischen war aber in der
Kirche selbst eine neue Macht hochgekommen, die in der Folgezeit für das Vor-
hältnis von .Kirche und Staat maßgebend ward, das Pays'einen. Seine stetig
und mit einer unerbittlichen inneren Logik gesteigerten Ansprüche, die den kirch¬
lichen Rahmen bald überschritten, und den Papst zum Lehnsherrn des Kaisers
erhoben, haben dem ganzen Mittelalter das Gepräge eines Kampfes zwischen
"Staat und Kirche gegeben, aus dem die.Kirche, nicht ohne eigens Wunden, als
"Siegerin hervorgegangen. Niemals ist die Machtfttlle ihres Oberhauptes aus-
schweifender verkündigt worden als am Ausging des Mitielalters. Doch wäre
es falsch, wollte man diese Periode nur unter diesem Gesichtspunkt des Kampfes
ansehen: in Wirklichkeit ist damals zwischen .Kirche und Staat oder Volk die
engste Verbindung vorhanden gewesen. Niemals war Staat und Gesellschaft, das
ganze Kultur-, Geistes- und Volksleben so verkircklicht, wie in jener einheitlichsten
Epoche unserer Geschichte, um deretwillen sie vielen als die eigentlich klassische
kirchliche Zeit erscheint.

Die Reformation machte dieser Ehe, in der die Kirche tonangebend war'
in den evangelischen Ländern ein Ende. Luther hat eine neue Verbindung
zwischen Staat und Kirche begründet. Bezeichnend ist für ihn. der garnicht
willens war, eine neue Kirche aufzurichten, die verhältnismäßig geringe Ein¬
schätzung, die er den Dingen der äußeren sichtbaren Kirche, der kirchlichen Organi¬
sation, hat zuteil werden lassen. Das sind für ihn, zumal in seiner Blütezeit,
Fragen zweiter Ordnung, denen er mit einer fast kindlichen Unbekümmertheit
begegnen kann. Bezeichnend ist weiter die hohe Schätzung des Staates, die ihm
eigen ist, wobei nmürlich nicht an den Staat in unsern: Sinne zu denken ist,
sondern an die Obrigkeit als einen der drei alten Stände, die den Körper des
christlichen Volkes ausmachen. In paulinischen Bahnen hat er den göttlichen
Beruf und das eigene Recht der Obrigkeit stark betont, den "Stand der lieben
Obrigkeit gerettet". Er hat denn auch beide. .Kirche und Staat, miteinander in
Verbindung gebracht, als er die Notwendigkeit einsah, die Sache des Evangeliums
durch eine neue kirchliche Ordnung zu sichern. Die einzige Macht, die sich ihm
dafür darbot, war die der evangelischen Sache geneigte landesfürstliche Staats¬
gewalt, und unbedenklich hat er sie für diesen Schutzdienst des Evangeliums in
Anspruch genommen. So sind die lutherischen Landeskirchen in Deutschland ent-
standen, in denen wieder eine enge Verbindung zwischen Staat und Kirche vor¬
handen ist. aber so, daß der Staat das Heft ganz in der Hand hat. Er regiert
die Kirche, meistens durch besondere Behörden, Konsistorien genannt, die ganz ihm
angehören, auch wenn natürlich Geistliche darin sind. Aus dem anfänglichen
Notbehelf, den Luther noch empfunden hat. ward bald eine Tugend gemacht; es
fehlte nicht an Theorien zu seiner Rechtfertigung. Der Landesherr ward als
Lummus episcopus ausgegeben, auf den die kirchliche Gewalt übergegangen, der
bekannte Satz: cujus reZio, ejus isligio gab den Religionsstand der Untertanen
in seine Hand. Man wird sich doch vor einem zu schnellen Urteil über diese
Entwicklung hüten müssen. Schwerlich blieb damals etwas anderes übrig, wenn
überhaupt eine neue kirchliche Ordnung sich festigen sollt". Auch beweist die
Geschichte, daß diese alten lutherischen Landeskirchen in politisch und moralisch
schwer gefährdeten Zeiten als Voltserziehsr Tüchtiges geleistet haben. Freilich,
je mehr es auis den fürstlichen Absolutismus hinausging, desto unangenehmer tritt
rach in der Krche ein serviler Geist zu Tage/ der sie oft als würdelose Dienerin
fürstlicher Laune erscheinen läßt.

Mit der den kirchlichen Gebilden eigenen Zähigkeit haben sich die lutherischen
Landeskirchen in ihren Grundzügen durch allen Wechsel der Zeiten bis heute er¬
halten. Sie sind noch immer Staatskirchen: vom Staate regiert, der die Mit¬
glieder der kirchlichen Vertvaltnngsbehörden ernennt, und von ihm, nachdem er
sich freilich reichlich an früherem Kirchengut schadlos gehalten, auch pekuniär
subventioniert (in Preußen für die gesamten evangelischen Landeskirchen jährlich


3*
Tremiung von Airche und Staat

die zielbewußte Verwendung der kirchliche!! Mittel für seine politischen Zwecke ist
.,eine Grundlage seiner ganzen Politik gewesen. Inzwischen war aber in der
Kirche selbst eine neue Macht hochgekommen, die in der Folgezeit für das Vor-
hältnis von .Kirche und Staat maßgebend ward, das Pays'einen. Seine stetig
und mit einer unerbittlichen inneren Logik gesteigerten Ansprüche, die den kirch¬
lichen Rahmen bald überschritten, und den Papst zum Lehnsherrn des Kaisers
erhoben, haben dem ganzen Mittelalter das Gepräge eines Kampfes zwischen
«Staat und Kirche gegeben, aus dem die.Kirche, nicht ohne eigens Wunden, als
«Siegerin hervorgegangen. Niemals ist die Machtfttlle ihres Oberhauptes aus-
schweifender verkündigt worden als am Ausging des Mitielalters. Doch wäre
es falsch, wollte man diese Periode nur unter diesem Gesichtspunkt des Kampfes
ansehen: in Wirklichkeit ist damals zwischen .Kirche und Staat oder Volk die
engste Verbindung vorhanden gewesen. Niemals war Staat und Gesellschaft, das
ganze Kultur-, Geistes- und Volksleben so verkircklicht, wie in jener einheitlichsten
Epoche unserer Geschichte, um deretwillen sie vielen als die eigentlich klassische
kirchliche Zeit erscheint.

Die Reformation machte dieser Ehe, in der die Kirche tonangebend war'
in den evangelischen Ländern ein Ende. Luther hat eine neue Verbindung
zwischen Staat und Kirche begründet. Bezeichnend ist für ihn. der garnicht
willens war, eine neue Kirche aufzurichten, die verhältnismäßig geringe Ein¬
schätzung, die er den Dingen der äußeren sichtbaren Kirche, der kirchlichen Organi¬
sation, hat zuteil werden lassen. Das sind für ihn, zumal in seiner Blütezeit,
Fragen zweiter Ordnung, denen er mit einer fast kindlichen Unbekümmertheit
begegnen kann. Bezeichnend ist weiter die hohe Schätzung des Staates, die ihm
eigen ist, wobei nmürlich nicht an den Staat in unsern: Sinne zu denken ist,
sondern an die Obrigkeit als einen der drei alten Stände, die den Körper des
christlichen Volkes ausmachen. In paulinischen Bahnen hat er den göttlichen
Beruf und das eigene Recht der Obrigkeit stark betont, den „Stand der lieben
Obrigkeit gerettet". Er hat denn auch beide. .Kirche und Staat, miteinander in
Verbindung gebracht, als er die Notwendigkeit einsah, die Sache des Evangeliums
durch eine neue kirchliche Ordnung zu sichern. Die einzige Macht, die sich ihm
dafür darbot, war die der evangelischen Sache geneigte landesfürstliche Staats¬
gewalt, und unbedenklich hat er sie für diesen Schutzdienst des Evangeliums in
Anspruch genommen. So sind die lutherischen Landeskirchen in Deutschland ent-
standen, in denen wieder eine enge Verbindung zwischen Staat und Kirche vor¬
handen ist. aber so, daß der Staat das Heft ganz in der Hand hat. Er regiert
die Kirche, meistens durch besondere Behörden, Konsistorien genannt, die ganz ihm
angehören, auch wenn natürlich Geistliche darin sind. Aus dem anfänglichen
Notbehelf, den Luther noch empfunden hat. ward bald eine Tugend gemacht; es
fehlte nicht an Theorien zu seiner Rechtfertigung. Der Landesherr ward als
Lummus episcopus ausgegeben, auf den die kirchliche Gewalt übergegangen, der
bekannte Satz: cujus reZio, ejus isligio gab den Religionsstand der Untertanen
in seine Hand. Man wird sich doch vor einem zu schnellen Urteil über diese
Entwicklung hüten müssen. Schwerlich blieb damals etwas anderes übrig, wenn
überhaupt eine neue kirchliche Ordnung sich festigen sollt«. Auch beweist die
Geschichte, daß diese alten lutherischen Landeskirchen in politisch und moralisch
schwer gefährdeten Zeiten als Voltserziehsr Tüchtiges geleistet haben. Freilich,
je mehr es auis den fürstlichen Absolutismus hinausging, desto unangenehmer tritt
rach in der Krche ein serviler Geist zu Tage/ der sie oft als würdelose Dienerin
fürstlicher Laune erscheinen läßt.

Mit der den kirchlichen Gebilden eigenen Zähigkeit haben sich die lutherischen
Landeskirchen in ihren Grundzügen durch allen Wechsel der Zeiten bis heute er¬
halten. Sie sind noch immer Staatskirchen: vom Staate regiert, der die Mit¬
glieder der kirchlichen Vertvaltnngsbehörden ernennt, und von ihm, nachdem er
sich freilich reichlich an früherem Kirchengut schadlos gehalten, auch pekuniär
subventioniert (in Preußen für die gesamten evangelischen Landeskirchen jährlich


3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0043" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335225"/>
          <fw type="header" place="top"> Tremiung von Airche und Staat</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_187" prev="#ID_186"> die zielbewußte Verwendung der kirchliche!! Mittel für seine politischen Zwecke ist<lb/>
.,eine Grundlage seiner ganzen Politik gewesen. Inzwischen war aber in der<lb/>
Kirche selbst eine neue Macht hochgekommen, die in der Folgezeit für das Vor-<lb/>
hältnis von .Kirche und Staat maßgebend ward, das Pays'einen. Seine stetig<lb/>
und mit einer unerbittlichen inneren Logik gesteigerten Ansprüche, die den kirch¬<lb/>
lichen Rahmen bald überschritten, und den Papst zum Lehnsherrn des Kaisers<lb/>
erhoben, haben dem ganzen Mittelalter das Gepräge eines Kampfes zwischen<lb/>
«Staat und Kirche gegeben, aus dem die.Kirche, nicht ohne eigens Wunden, als<lb/>
«Siegerin hervorgegangen. Niemals ist die Machtfttlle ihres Oberhauptes aus-<lb/>
schweifender verkündigt worden als am Ausging des Mitielalters. Doch wäre<lb/>
es falsch, wollte man diese Periode nur unter diesem Gesichtspunkt des Kampfes<lb/>
ansehen: in Wirklichkeit ist damals zwischen .Kirche und Staat oder Volk die<lb/>
engste Verbindung vorhanden gewesen. Niemals war Staat und Gesellschaft, das<lb/>
ganze Kultur-, Geistes- und Volksleben so verkircklicht, wie in jener einheitlichsten<lb/>
Epoche unserer Geschichte, um deretwillen sie vielen als die eigentlich klassische<lb/>
kirchliche Zeit erscheint.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_188"> Die Reformation machte dieser Ehe, in der die Kirche tonangebend war'<lb/>
in den evangelischen Ländern ein Ende. Luther hat eine neue Verbindung<lb/>
zwischen Staat und Kirche begründet. Bezeichnend ist für ihn. der garnicht<lb/>
willens war, eine neue Kirche aufzurichten, die verhältnismäßig geringe Ein¬<lb/>
schätzung, die er den Dingen der äußeren sichtbaren Kirche, der kirchlichen Organi¬<lb/>
sation, hat zuteil werden lassen. Das sind für ihn, zumal in seiner Blütezeit,<lb/>
Fragen zweiter Ordnung, denen er mit einer fast kindlichen Unbekümmertheit<lb/>
begegnen kann. Bezeichnend ist weiter die hohe Schätzung des Staates, die ihm<lb/>
eigen ist, wobei nmürlich nicht an den Staat in unsern: Sinne zu denken ist,<lb/>
sondern an die Obrigkeit als einen der drei alten Stände, die den Körper des<lb/>
christlichen Volkes ausmachen. In paulinischen Bahnen hat er den göttlichen<lb/>
Beruf und das eigene Recht der Obrigkeit stark betont, den &#x201E;Stand der lieben<lb/>
Obrigkeit gerettet". Er hat denn auch beide. .Kirche und Staat, miteinander in<lb/>
Verbindung gebracht, als er die Notwendigkeit einsah, die Sache des Evangeliums<lb/>
durch eine neue kirchliche Ordnung zu sichern. Die einzige Macht, die sich ihm<lb/>
dafür darbot, war die der evangelischen Sache geneigte landesfürstliche Staats¬<lb/>
gewalt, und unbedenklich hat er sie für diesen Schutzdienst des Evangeliums in<lb/>
Anspruch genommen. So sind die lutherischen Landeskirchen in Deutschland ent-<lb/>
standen, in denen wieder eine enge Verbindung zwischen Staat und Kirche vor¬<lb/>
handen ist. aber so, daß der Staat das Heft ganz in der Hand hat. Er regiert<lb/>
die Kirche, meistens durch besondere Behörden, Konsistorien genannt, die ganz ihm<lb/>
angehören, auch wenn natürlich Geistliche darin sind. Aus dem anfänglichen<lb/>
Notbehelf, den Luther noch empfunden hat. ward bald eine Tugend gemacht; es<lb/>
fehlte nicht an Theorien zu seiner Rechtfertigung. Der Landesherr ward als<lb/>
Lummus episcopus ausgegeben, auf den die kirchliche Gewalt übergegangen, der<lb/>
bekannte Satz: cujus reZio, ejus isligio gab den Religionsstand der Untertanen<lb/>
in seine Hand. Man wird sich doch vor einem zu schnellen Urteil über diese<lb/>
Entwicklung hüten müssen. Schwerlich blieb damals etwas anderes übrig, wenn<lb/>
überhaupt eine neue kirchliche Ordnung sich festigen sollt«. Auch beweist die<lb/>
Geschichte, daß diese alten lutherischen Landeskirchen in politisch und moralisch<lb/>
schwer gefährdeten Zeiten als Voltserziehsr Tüchtiges geleistet haben. Freilich,<lb/>
je mehr es auis den fürstlichen Absolutismus hinausging, desto unangenehmer tritt<lb/>
rach in der Krche ein serviler Geist zu Tage/ der sie oft als würdelose Dienerin<lb/>
fürstlicher Laune erscheinen läßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_189" next="#ID_190"> Mit der den kirchlichen Gebilden eigenen Zähigkeit haben sich die lutherischen<lb/>
Landeskirchen in ihren Grundzügen durch allen Wechsel der Zeiten bis heute er¬<lb/>
halten. Sie sind noch immer Staatskirchen: vom Staate regiert, der die Mit¬<lb/>
glieder der kirchlichen Vertvaltnngsbehörden ernennt, und von ihm, nachdem er<lb/>
sich freilich reichlich an früherem Kirchengut schadlos gehalten, auch pekuniär<lb/>
subventioniert (in Preußen für die gesamten evangelischen Landeskirchen jährlich</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 3*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0043] Tremiung von Airche und Staat die zielbewußte Verwendung der kirchliche!! Mittel für seine politischen Zwecke ist .,eine Grundlage seiner ganzen Politik gewesen. Inzwischen war aber in der Kirche selbst eine neue Macht hochgekommen, die in der Folgezeit für das Vor- hältnis von .Kirche und Staat maßgebend ward, das Pays'einen. Seine stetig und mit einer unerbittlichen inneren Logik gesteigerten Ansprüche, die den kirch¬ lichen Rahmen bald überschritten, und den Papst zum Lehnsherrn des Kaisers erhoben, haben dem ganzen Mittelalter das Gepräge eines Kampfes zwischen «Staat und Kirche gegeben, aus dem die.Kirche, nicht ohne eigens Wunden, als «Siegerin hervorgegangen. Niemals ist die Machtfttlle ihres Oberhauptes aus- schweifender verkündigt worden als am Ausging des Mitielalters. Doch wäre es falsch, wollte man diese Periode nur unter diesem Gesichtspunkt des Kampfes ansehen: in Wirklichkeit ist damals zwischen .Kirche und Staat oder Volk die engste Verbindung vorhanden gewesen. Niemals war Staat und Gesellschaft, das ganze Kultur-, Geistes- und Volksleben so verkircklicht, wie in jener einheitlichsten Epoche unserer Geschichte, um deretwillen sie vielen als die eigentlich klassische kirchliche Zeit erscheint. Die Reformation machte dieser Ehe, in der die Kirche tonangebend war' in den evangelischen Ländern ein Ende. Luther hat eine neue Verbindung zwischen Staat und Kirche begründet. Bezeichnend ist für ihn. der garnicht willens war, eine neue Kirche aufzurichten, die verhältnismäßig geringe Ein¬ schätzung, die er den Dingen der äußeren sichtbaren Kirche, der kirchlichen Organi¬ sation, hat zuteil werden lassen. Das sind für ihn, zumal in seiner Blütezeit, Fragen zweiter Ordnung, denen er mit einer fast kindlichen Unbekümmertheit begegnen kann. Bezeichnend ist weiter die hohe Schätzung des Staates, die ihm eigen ist, wobei nmürlich nicht an den Staat in unsern: Sinne zu denken ist, sondern an die Obrigkeit als einen der drei alten Stände, die den Körper des christlichen Volkes ausmachen. In paulinischen Bahnen hat er den göttlichen Beruf und das eigene Recht der Obrigkeit stark betont, den „Stand der lieben Obrigkeit gerettet". Er hat denn auch beide. .Kirche und Staat, miteinander in Verbindung gebracht, als er die Notwendigkeit einsah, die Sache des Evangeliums durch eine neue kirchliche Ordnung zu sichern. Die einzige Macht, die sich ihm dafür darbot, war die der evangelischen Sache geneigte landesfürstliche Staats¬ gewalt, und unbedenklich hat er sie für diesen Schutzdienst des Evangeliums in Anspruch genommen. So sind die lutherischen Landeskirchen in Deutschland ent- standen, in denen wieder eine enge Verbindung zwischen Staat und Kirche vor¬ handen ist. aber so, daß der Staat das Heft ganz in der Hand hat. Er regiert die Kirche, meistens durch besondere Behörden, Konsistorien genannt, die ganz ihm angehören, auch wenn natürlich Geistliche darin sind. Aus dem anfänglichen Notbehelf, den Luther noch empfunden hat. ward bald eine Tugend gemacht; es fehlte nicht an Theorien zu seiner Rechtfertigung. Der Landesherr ward als Lummus episcopus ausgegeben, auf den die kirchliche Gewalt übergegangen, der bekannte Satz: cujus reZio, ejus isligio gab den Religionsstand der Untertanen in seine Hand. Man wird sich doch vor einem zu schnellen Urteil über diese Entwicklung hüten müssen. Schwerlich blieb damals etwas anderes übrig, wenn überhaupt eine neue kirchliche Ordnung sich festigen sollt«. Auch beweist die Geschichte, daß diese alten lutherischen Landeskirchen in politisch und moralisch schwer gefährdeten Zeiten als Voltserziehsr Tüchtiges geleistet haben. Freilich, je mehr es auis den fürstlichen Absolutismus hinausging, desto unangenehmer tritt rach in der Krche ein serviler Geist zu Tage/ der sie oft als würdelose Dienerin fürstlicher Laune erscheinen läßt. Mit der den kirchlichen Gebilden eigenen Zähigkeit haben sich die lutherischen Landeskirchen in ihren Grundzügen durch allen Wechsel der Zeiten bis heute er¬ halten. Sie sind noch immer Staatskirchen: vom Staate regiert, der die Mit¬ glieder der kirchlichen Vertvaltnngsbehörden ernennt, und von ihm, nachdem er sich freilich reichlich an früherem Kirchengut schadlos gehalten, auch pekuniär subventioniert (in Preußen für die gesamten evangelischen Landeskirchen jährlich 3*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/43
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/43>, abgerufen am 05.02.2025.