Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.den kirchenpolitischen Plänen eines Stöcker. Zu tief wurden im ganzen evan¬ Das Verhältnis von Staat und Kirche, das heute in Frage steht, ist eines Es mag untunlich scheinen, hier Jesum selbst, deu historischen, heranzuziehen, Kaiser Konstantin hat das Aschenbrödel der Kirche aus dem Staub zur Im Abendland trat in den neuentstehenden germanischen Reichen gleichfalls den kirchenpolitischen Plänen eines Stöcker. Zu tief wurden im ganzen evan¬ Das Verhältnis von Staat und Kirche, das heute in Frage steht, ist eines Es mag untunlich scheinen, hier Jesum selbst, deu historischen, heranzuziehen, Kaiser Konstantin hat das Aschenbrödel der Kirche aus dem Staub zur Im Abendland trat in den neuentstehenden germanischen Reichen gleichfalls <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335224"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_182" prev="#ID_181"> den kirchenpolitischen Plänen eines Stöcker. Zu tief wurden im ganzen evan¬<lb/> gelischen Lager die Schäden des Staatskirchentums empfunden, als daß man<lb/> nicht immer wieder auf die Trennung von Kirche und Staat als den Weg zur<lb/> kirchlichen Selbständigkeit hinausgesehen hätte. Allerdings war daS gerade in<lb/> der letzten Zeit vor dem Kriege doch mehr eine ideale Forderung geworden. Man<lb/> erkannte deuilich genug auch die Schwierigkeiten der Sache und die Vorzüge des<lb/> herrschenden Systems, das durch die anfänglichen Erfahrungen während der<lb/> Kriegszsit gestärkt erschien. So arbeiteten auch die, die es für unvermeidlich<lb/> hielten, auf jenes Ziel nicht direkt hin; man behielt es im Auge, aber man<lb/> glaubte sein Kommen abwarten zu sollen. Und gewiß wäre es, wie im Staats¬<lb/> leben, so auch hier das Erwünschtere gewesen, wenn wir nicht durch einen ge¬<lb/> waltsamen Bruch, sondern auf dem Wege ruhiger Entwicklung dahin gelangt<lb/> wären. Wieder einmal aber hat die Wirklichkeit alle Erwartungen weit hinter<lb/> sich gelassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_183"> Das Verhältnis von Staat und Kirche, das heute in Frage steht, ist eines<lb/> der wirksamsten Motive der Kirchen- und Weltgeschichte, dessen Wandlungen durch<lb/> die Jahrhunverte zu verfolgen lehrreich bleibt, auch wenn wir das Gefühl haben,<lb/> uns heute vor einer ganz neuen Lage zu befiaden.</p><lb/> <p xml:id="ID_184"> Es mag untunlich scheinen, hier Jesum selbst, deu historischen, heranzuziehen,<lb/> zu dessen Zeit es noch keine Kirche gab und der sie, nach manchen Forschern,<lb/> überhaupt selbst nicht gewollt hat. Doch läßt sich soviel sagen, daß er die Auto¬<lb/> nomie der religiösen Gemeinschaft allen anderen Gemeinschaften, auch der staatlich-<lb/> nationalen, gegenüber klar erkannt und festgestellt hat. Das folgt nicht so sehr<lb/> aus einzelnen Warten, wie aus dem an Pilatus: Mein Reich ist nicht von dies«<lb/> Welt, als ans der ganzen Art. wie er seinen Messiasberuf aufgefaßt hat, die ihn<lb/> zu der Verquickung von politischen und religiösen Tendenzen im Judentum seiner<lb/> Zeit in schärfsten Gegensatz- brachte. Auf der anderen Seite hat er offenbar die<lb/> NechtmWgkeit der bestehenden Staatsordnung in ihren Grenzen anerkannt-, dahin<lb/> deutet das bekannte Wort: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott,<lb/> was Gottes ist. Die alte Kirche hat sich zunächst zu einem Staat, der ganz auf<lb/> heidnischen Grundlagen ruhte, durchaus im Gegensatz gefühlt, und der Staat zu<lb/> ihm. der die Kirche bald mit Verdächtigungen und Verfolgungen zu unterdrücken<lb/> suchte. So ergab sich für die Kirche Scheidung und Zurückhaltung, die im<lb/> Konfliktsfall zu passiver Gehorsamsverweigerung im Märtyrertum, aber nicht zu<lb/> aktiven Widerstand geführt hat. Doch findet sich daneben schon bei Paulus eine<lb/> positive Würdigung der Staatsordnung in den bekannten Ausführungen von<lb/> Römer 13: Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat . . .,<lb/> die direkt bis in unsere Gegenwart fortwirken. Auch auf ihn wird die frühe<lb/> Praxis der christlichen Gemeinden zurückgehen, in ihrem offiziellen Kirchengebet<lb/> der Obrigkeit zu gedenken.</p><lb/> <p xml:id="ID_185"> Kaiser Konstantin hat das Aschenbrödel der Kirche aus dem Staub zur<lb/> Königswürde erhoben und den folgenschweren Bund zwischen Staat und Kirche<lb/> geschlossen, aber so viel die Kirche dabei an äußerem Glanz gewann, so viel hat<lb/> sie an innerem Werte verloren. Alle Schattenseiten des Staatskirchentums traten<lb/> sofort in den übelsten Erscheinungen zu Tage, der Staat mißbrauchte geistliche<lb/> Mittel für seine Zwecke, die Kirche ward nur allzuschnell Meisterin in der um¬<lb/> gekehrten Kunst. Die Ehe war so, daß der Staat die unbedingte Herrschaft<lb/> hatte; durch die Übernahme der kirchlichen Gewalt vollendete er sich zum Cäsaro-<lb/> papismus, der bekanntlich in der byzantinischen Kirche noch ein volles Jahr¬<lb/> tausend fortbestanden und in dem russischen Zartum eine späte Nachfolge ge-<lb/> funden hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_186" next="#ID_187"> Im Abendland trat in den neuentstehenden germanischen Reichen gleichfalls<lb/> «me enge Verbindung zwischen Staat und Kirche ein, deren schon vorhandene<lb/> Organisation die Stürme der Völkerwanderung überdauerte. Auch hier, so be¬<lb/> sonders im Frankenreich, hatte die politische Macht, der König, die Führung.<lb/> Ein Karl der Große gebot ebenso unbedingt in der Kirche wie im Staate, und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
den kirchenpolitischen Plänen eines Stöcker. Zu tief wurden im ganzen evan¬
gelischen Lager die Schäden des Staatskirchentums empfunden, als daß man
nicht immer wieder auf die Trennung von Kirche und Staat als den Weg zur
kirchlichen Selbständigkeit hinausgesehen hätte. Allerdings war daS gerade in
der letzten Zeit vor dem Kriege doch mehr eine ideale Forderung geworden. Man
erkannte deuilich genug auch die Schwierigkeiten der Sache und die Vorzüge des
herrschenden Systems, das durch die anfänglichen Erfahrungen während der
Kriegszsit gestärkt erschien. So arbeiteten auch die, die es für unvermeidlich
hielten, auf jenes Ziel nicht direkt hin; man behielt es im Auge, aber man
glaubte sein Kommen abwarten zu sollen. Und gewiß wäre es, wie im Staats¬
leben, so auch hier das Erwünschtere gewesen, wenn wir nicht durch einen ge¬
waltsamen Bruch, sondern auf dem Wege ruhiger Entwicklung dahin gelangt
wären. Wieder einmal aber hat die Wirklichkeit alle Erwartungen weit hinter
sich gelassen.
Das Verhältnis von Staat und Kirche, das heute in Frage steht, ist eines
der wirksamsten Motive der Kirchen- und Weltgeschichte, dessen Wandlungen durch
die Jahrhunverte zu verfolgen lehrreich bleibt, auch wenn wir das Gefühl haben,
uns heute vor einer ganz neuen Lage zu befiaden.
Es mag untunlich scheinen, hier Jesum selbst, deu historischen, heranzuziehen,
zu dessen Zeit es noch keine Kirche gab und der sie, nach manchen Forschern,
überhaupt selbst nicht gewollt hat. Doch läßt sich soviel sagen, daß er die Auto¬
nomie der religiösen Gemeinschaft allen anderen Gemeinschaften, auch der staatlich-
nationalen, gegenüber klar erkannt und festgestellt hat. Das folgt nicht so sehr
aus einzelnen Warten, wie aus dem an Pilatus: Mein Reich ist nicht von dies«
Welt, als ans der ganzen Art. wie er seinen Messiasberuf aufgefaßt hat, die ihn
zu der Verquickung von politischen und religiösen Tendenzen im Judentum seiner
Zeit in schärfsten Gegensatz- brachte. Auf der anderen Seite hat er offenbar die
NechtmWgkeit der bestehenden Staatsordnung in ihren Grenzen anerkannt-, dahin
deutet das bekannte Wort: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott,
was Gottes ist. Die alte Kirche hat sich zunächst zu einem Staat, der ganz auf
heidnischen Grundlagen ruhte, durchaus im Gegensatz gefühlt, und der Staat zu
ihm. der die Kirche bald mit Verdächtigungen und Verfolgungen zu unterdrücken
suchte. So ergab sich für die Kirche Scheidung und Zurückhaltung, die im
Konfliktsfall zu passiver Gehorsamsverweigerung im Märtyrertum, aber nicht zu
aktiven Widerstand geführt hat. Doch findet sich daneben schon bei Paulus eine
positive Würdigung der Staatsordnung in den bekannten Ausführungen von
Römer 13: Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat . . .,
die direkt bis in unsere Gegenwart fortwirken. Auch auf ihn wird die frühe
Praxis der christlichen Gemeinden zurückgehen, in ihrem offiziellen Kirchengebet
der Obrigkeit zu gedenken.
Kaiser Konstantin hat das Aschenbrödel der Kirche aus dem Staub zur
Königswürde erhoben und den folgenschweren Bund zwischen Staat und Kirche
geschlossen, aber so viel die Kirche dabei an äußerem Glanz gewann, so viel hat
sie an innerem Werte verloren. Alle Schattenseiten des Staatskirchentums traten
sofort in den übelsten Erscheinungen zu Tage, der Staat mißbrauchte geistliche
Mittel für seine Zwecke, die Kirche ward nur allzuschnell Meisterin in der um¬
gekehrten Kunst. Die Ehe war so, daß der Staat die unbedingte Herrschaft
hatte; durch die Übernahme der kirchlichen Gewalt vollendete er sich zum Cäsaro-
papismus, der bekanntlich in der byzantinischen Kirche noch ein volles Jahr¬
tausend fortbestanden und in dem russischen Zartum eine späte Nachfolge ge-
funden hat.
Im Abendland trat in den neuentstehenden germanischen Reichen gleichfalls
«me enge Verbindung zwischen Staat und Kirche ein, deren schon vorhandene
Organisation die Stürme der Völkerwanderung überdauerte. Auch hier, so be¬
sonders im Frankenreich, hatte die politische Macht, der König, die Führung.
Ein Karl der Große gebot ebenso unbedingt in der Kirche wie im Staate, und
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