Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? sich entwickelte, sondern sich ihm widersetzte. Wir haben ja eine Selbstverwaltung Da gilt es, Wandel zu schaffen. -- In letzter Stunde Wandel zu Meine Damen und Herren! Was ich Ihnen predige ist nicht Revolution, Hier im Osten, wo uns der äußere Feind in Gestalt der Polen, und der Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? sich entwickelte, sondern sich ihm widersetzte. Wir haben ja eine Selbstverwaltung Da gilt es, Wandel zu schaffen. — In letzter Stunde Wandel zu Meine Damen und Herren! Was ich Ihnen predige ist nicht Revolution, Hier im Osten, wo uns der äußere Feind in Gestalt der Polen, und der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0196" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335378"/> <fw type="header" place="top"> Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte?</fw><lb/> <p xml:id="ID_881" prev="#ID_880"> sich entwickelte, sondern sich ihm widersetzte. Wir haben ja eine Selbstverwaltung<lb/> gehabt und unsere großen städtisch n Selbstve! waltungen waren mustergültig.<lb/> Aber, die Provinz, die kleinen Städte und die gewaltigen Vororte der Groß-<lb/> und Mittelstädte, mit anderen Worten, die großen Massen des Volkes kamen<lb/> in der Selbstverwaltung zu kurz. Sie mußten aridere Organe haben, um sich<lb/> mit ihren Interessen durchzusetzen. Und weil dieser Mangel an Organisation<lb/> vorhanden war in dem großen Augenblick des 9. November 19t8, als die<lb/> Armee hinten zusammenbrach, als die feindlichen Mächte im Einverständnis<lb/> mit unsern Linkssozialisten daran gingen, unsere Armee zu zertrümmern, darum<lb/> fehlte der Regierung die Kraft, um das in Trümmer gehende Gebäude zu<lb/> halten und zu stützen. Darum haben wir das klägliche Schauspiel gehabt,<lb/> daß alle Regierungsbehörden von der untersten bis zur obersten, daß die<lb/> meisten militärischen Behörden versagten und zusammenklappten, und an dem<lb/> einen Tage vor Spartakisten, in Posen vor den Polen und weiß Gott<lb/> vor wem noch kapitulierten. Wir wollen diesen Zusammenhang nie und<lb/> nimmer vergessenl Das mußte geschehen, weil der deutschen, der preußischen<lb/> Regierung die moralische Unterstützung aus dem Volke fehlte, die moralische<lb/> Unterstützung eines selbstbewußten, seiner Aufgabe bewußten Volkes, des deutschen<lb/> Volkes. Warum mußte der Oberpräsident in Posen alles ausführen, was die<lb/> Polen wollten? Warum konnte Herr von Gerlach., der Vertreter der deutschen<lb/> Regierung in Posen nach der Revolution, erklären, er kann nur das gutheißen,<lb/> was die Polen wollen? Warum mußte die sozialistische Regierung nachher in<lb/> Berlin erklären, das, was in Posen geschieht, sei immer noch besser als manches<lb/> andere. Das konnte geschehen, weil die Polen organisiert waren und der<lb/> Regierung und allen ihren Vertretern ihren organisierten Willen diktieren<lb/> konnten, während das Deutschtum nicht organisiert war und nicht imstande<lb/> war zu sagen: „Wir wollen, daß Du das und das für das Deutschtum tust!"</p><lb/> <p xml:id="ID_882"> Da gilt es, Wandel zu schaffen. — In letzter Stunde Wandel zu<lb/> schaffen I Diese stunde ist angebrochen! Jetzt, wo die Polen und Bolsche-<lb/> wisten die Hand ausstrecken nach Posen, nach Ost- und Westpreußen und nach<lb/> Schlesien, da gilt es noch einmal, daß das Deutschtum sich zusammenraffe und<lb/> erkenne, was es für eine Kraft hat, wenn es einig und geschlossen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_883"> Meine Damen und Herren! Was ich Ihnen predige ist nicht Revolution,<lb/> sondern das ist Ausnutzung der Freiheit, das bleibende Gute, das uns die Re¬<lb/> volution neben vielem vorübergehendem Schlechten gebracht hat. Denn die<lb/> Revolution hat uns gebracht, daß jeder 20jähiige, ob Mann oder Frau, gleich<lb/> sei vor dem Gesetze. Sie hat uns das R^ehe gebracht, mitzuwirken Tu der Politik<lb/> in einem Maße, das wir nötig haben, um uns zu behaupten, d. h. durch alle<lb/> Organe der Öffentlichkeit frei unsere Meinung und unsern Willen zu äußern<lb/> und zur Knintnis der Regierung zu bringn,. Denn nur wenn die Regierung<lb/> zu jeder Stunde und genau weiß, was das Volk will, kann sie im Sinne des<lb/> Volkes handeln. Da es aber unmöglich ist, daß jeder einzelne sich an die Re¬<lb/> gierung wendet, bedürfen wir der Organisation, des Zusammenschlusses, der<lb/> Einigkeit, der Vereinigung des Volkes.</p><lb/> <p xml:id="ID_884" next="#ID_885"> Hier im Osten, wo uns der äußere Feind in Gestalt der Polen, und der<lb/> innere Feind in Gestalt der Anarchie, der Hungersnot, die uns droht, entgegen¬<lb/> getreten ist, hier im Osten wird es uns leichter eine Basis zu finden, als in<lb/> den Westgebieten, wo die Deutschen einander um wirtschaftliche Fragen die<lb/> Köpfe einschlagen. Wir haben hier das deutsche Land gegen die Polen zu<lb/> verteidigen. Wir können es nur verteidigen, wenn wir einig sind in dem Willen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0196]
Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte?
sich entwickelte, sondern sich ihm widersetzte. Wir haben ja eine Selbstverwaltung
gehabt und unsere großen städtisch n Selbstve! waltungen waren mustergültig.
Aber, die Provinz, die kleinen Städte und die gewaltigen Vororte der Groß-
und Mittelstädte, mit anderen Worten, die großen Massen des Volkes kamen
in der Selbstverwaltung zu kurz. Sie mußten aridere Organe haben, um sich
mit ihren Interessen durchzusetzen. Und weil dieser Mangel an Organisation
vorhanden war in dem großen Augenblick des 9. November 19t8, als die
Armee hinten zusammenbrach, als die feindlichen Mächte im Einverständnis
mit unsern Linkssozialisten daran gingen, unsere Armee zu zertrümmern, darum
fehlte der Regierung die Kraft, um das in Trümmer gehende Gebäude zu
halten und zu stützen. Darum haben wir das klägliche Schauspiel gehabt,
daß alle Regierungsbehörden von der untersten bis zur obersten, daß die
meisten militärischen Behörden versagten und zusammenklappten, und an dem
einen Tage vor Spartakisten, in Posen vor den Polen und weiß Gott
vor wem noch kapitulierten. Wir wollen diesen Zusammenhang nie und
nimmer vergessenl Das mußte geschehen, weil der deutschen, der preußischen
Regierung die moralische Unterstützung aus dem Volke fehlte, die moralische
Unterstützung eines selbstbewußten, seiner Aufgabe bewußten Volkes, des deutschen
Volkes. Warum mußte der Oberpräsident in Posen alles ausführen, was die
Polen wollten? Warum konnte Herr von Gerlach., der Vertreter der deutschen
Regierung in Posen nach der Revolution, erklären, er kann nur das gutheißen,
was die Polen wollen? Warum mußte die sozialistische Regierung nachher in
Berlin erklären, das, was in Posen geschieht, sei immer noch besser als manches
andere. Das konnte geschehen, weil die Polen organisiert waren und der
Regierung und allen ihren Vertretern ihren organisierten Willen diktieren
konnten, während das Deutschtum nicht organisiert war und nicht imstande
war zu sagen: „Wir wollen, daß Du das und das für das Deutschtum tust!"
Da gilt es, Wandel zu schaffen. — In letzter Stunde Wandel zu
schaffen I Diese stunde ist angebrochen! Jetzt, wo die Polen und Bolsche-
wisten die Hand ausstrecken nach Posen, nach Ost- und Westpreußen und nach
Schlesien, da gilt es noch einmal, daß das Deutschtum sich zusammenraffe und
erkenne, was es für eine Kraft hat, wenn es einig und geschlossen ist.
Meine Damen und Herren! Was ich Ihnen predige ist nicht Revolution,
sondern das ist Ausnutzung der Freiheit, das bleibende Gute, das uns die Re¬
volution neben vielem vorübergehendem Schlechten gebracht hat. Denn die
Revolution hat uns gebracht, daß jeder 20jähiige, ob Mann oder Frau, gleich
sei vor dem Gesetze. Sie hat uns das R^ehe gebracht, mitzuwirken Tu der Politik
in einem Maße, das wir nötig haben, um uns zu behaupten, d. h. durch alle
Organe der Öffentlichkeit frei unsere Meinung und unsern Willen zu äußern
und zur Knintnis der Regierung zu bringn,. Denn nur wenn die Regierung
zu jeder Stunde und genau weiß, was das Volk will, kann sie im Sinne des
Volkes handeln. Da es aber unmöglich ist, daß jeder einzelne sich an die Re¬
gierung wendet, bedürfen wir der Organisation, des Zusammenschlusses, der
Einigkeit, der Vereinigung des Volkes.
Hier im Osten, wo uns der äußere Feind in Gestalt der Polen, und der
innere Feind in Gestalt der Anarchie, der Hungersnot, die uns droht, entgegen¬
getreten ist, hier im Osten wird es uns leichter eine Basis zu finden, als in
den Westgebieten, wo die Deutschen einander um wirtschaftliche Fragen die
Köpfe einschlagen. Wir haben hier das deutsche Land gegen die Polen zu
verteidigen. Wir können es nur verteidigen, wenn wir einig sind in dem Willen,
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