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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Religion und Politik

liebe Beimengung von Politik, die möglichst auszurotten wäre. Während, die
einen die Trennung von Staat und Religion wollen, um die Religion zu ver¬
tiefen, wollen die andern dieselbe Trennung, aber um die Religion völlig auf-
zu chalten als Kulturfaktor.'-




Prüfen wir nun unbefangen die gekennzeichneten Positionen, so läßt sich
für die Auflassung der politischen Religiosität die Tatsache anführen, daß historisch
die Religion fast immer, wo sie lebendig gewesen ist. auch stark politisch gefärbt
war. Die Gegner aber werden anführen, gerade die historische Entwicklung be¬
weise die Notwendigkeit einer sauberen Scheidung zwischen Politik und Religion.
Was also der ersteren Anschauung als ein Zeichen des Niedergangs erscheint,
dünkt der zweiten gerade als Ziel der Entwicklung.

Das ist nun gewiß mit allen Entwicklungen so, daß sie nur relativ zu nehmen
sind, daß sie verschieden bewertet werden je nach dem Standpunkt des Beurteilers.
Präzisi.ren wir die beiden Standpunkte, um die es sich hier handelt, genauer, so
läßt sich auch sagen: der eine, der Religion u> d Politik vereinigen will, strebt
nickt so sehr auf Isolation und möglichste Reinheit der Religion hin, als gerade
auf die Verqu ckung der Religion mit den übrigen Kullurgebieten, um durch solche
Bündnisse die Religion recht einflußreich zu gestalten und so, dank dieser Hilfen,
auch die Religion selber wieder zu stärken. Der andere Standpunkt jedoch ver¬
wirft dies Bestreben als falsch: von hier aus gesehen, scheint die Religion als
solche nur zu leiden durch derartige Verbindungen mit wesensfremden Gebieten,
an Stelle des lauteren Goldes winden minderwertige Legierungen in Kurs
gegeben, und die Religion höre zuletzt, beim Übe"wuchern dieser Verbindung mit
Nicht, eligiösem, auf, überhaupt Religion zu sein. Steht die eine Partei auf dem
Standpunkt, die reine Religiosität, also etwa ein lyrisches Einheitsbewußtsein mit
der transzendenten N ete, ,sei ganz aus sich allein gestellt kraftlos und lebens¬
unfähig, sie erhalte vielmehr wie etwa das chemisch reine Wasser ihren Lebens¬
wert erst durch Beimischung anderer Bestandteile, so beharrt die andere Partei
dabei, daß die Religion ihren Daseinswert nicht erst durch nichtreligiöse Wert-
Wirkungen zu erweisen habe, daß sie in sich ein letzter, eigenster Wert sei.
*




Man steht, die Sachlage ist nicht so einfach, daß sie durch kultusministerielle
Erlasse entschieden werden könnte. Auf diese Weise läßt sich vielleicht eine gewalt¬
same Scheidung vollziehen, aber eine Entscheidung der hinter dem Gegen'atz
PoUtik und Religion sich drängenden Probleme ist damit nicht erbracht. Der
Streit wird nicht zur Ruhe kommen, weil der Begriff Religion, über den ent¬
schieden werden soll, unendlich wandelbar ist und, wenn er in der einen Form
ausgeschaltet wird, in neuer Form wieder erwächst. Denn die Sachlage ist nicht
so. daß die Religion bloß darum stark oder schwach ist, weil sie mit der Politik
sich ve> bindet, sondern umgekehrt kann man auch sagen, daß dort, wo das religiöse
Leben von sich aus stark und lebendig ist, es auch auszustrahlen sucht auf andere
Kul>urg> biete und auf die Politik. Es läßt sich gegen diejenigen, die eine rein¬
liche Scheidung wollen, erwidern, daß diese sich vielleicht zeitweilig machen, aber
nicht dauernd halten läßt, da die einzelnen Kulturbestrebungen der Menschen
unterei ander so eng verbunden sind, daß sie immer wieder ineinander gerinnen,
so sorgfältig man sie auch abdämmen mag. Und mögen die Puristen in der
Religion noch so sehr die Besonderheit des religiösen Lebens betonen, sie werden
doch anerkennen müssen, daß eine starke Religiosität stets danach strebt, über sich
s iber h naus zu wachsen und einzugreifen in das gesamte übrige Leben, als ein
Sauerteig zu wirken, der alles durchdringt. Und wenn das eintritt, was manche
hoffen, daß i> folge der Loslösung der Religion vom Staate ein neues und
stärkeres religiöses Leben erblüht, so wird die Folge sein, daß es auch von neuem
stark an die Pforten des verschlossenen Gebietes pochen und Einlaß begehren wird,
so daß der alte Zustand nur in neuer Form sich wieder einführen würde. Aus
allen diesen Gründen müssen wir zur Erkenntnis kommen, daß Religion und
Politik dauernd gar nicht zu trennen sind, daß vielmehr nur neue Arten ihrer


Religion und Politik

liebe Beimengung von Politik, die möglichst auszurotten wäre. Während, die
einen die Trennung von Staat und Religion wollen, um die Religion zu ver¬
tiefen, wollen die andern dieselbe Trennung, aber um die Religion völlig auf-
zu chalten als Kulturfaktor.'-




Prüfen wir nun unbefangen die gekennzeichneten Positionen, so läßt sich
für die Auflassung der politischen Religiosität die Tatsache anführen, daß historisch
die Religion fast immer, wo sie lebendig gewesen ist. auch stark politisch gefärbt
war. Die Gegner aber werden anführen, gerade die historische Entwicklung be¬
weise die Notwendigkeit einer sauberen Scheidung zwischen Politik und Religion.
Was also der ersteren Anschauung als ein Zeichen des Niedergangs erscheint,
dünkt der zweiten gerade als Ziel der Entwicklung.

Das ist nun gewiß mit allen Entwicklungen so, daß sie nur relativ zu nehmen
sind, daß sie verschieden bewertet werden je nach dem Standpunkt des Beurteilers.
Präzisi.ren wir die beiden Standpunkte, um die es sich hier handelt, genauer, so
läßt sich auch sagen: der eine, der Religion u> d Politik vereinigen will, strebt
nickt so sehr auf Isolation und möglichste Reinheit der Religion hin, als gerade
auf die Verqu ckung der Religion mit den übrigen Kullurgebieten, um durch solche
Bündnisse die Religion recht einflußreich zu gestalten und so, dank dieser Hilfen,
auch die Religion selber wieder zu stärken. Der andere Standpunkt jedoch ver¬
wirft dies Bestreben als falsch: von hier aus gesehen, scheint die Religion als
solche nur zu leiden durch derartige Verbindungen mit wesensfremden Gebieten,
an Stelle des lauteren Goldes winden minderwertige Legierungen in Kurs
gegeben, und die Religion höre zuletzt, beim Übe»wuchern dieser Verbindung mit
Nicht, eligiösem, auf, überhaupt Religion zu sein. Steht die eine Partei auf dem
Standpunkt, die reine Religiosität, also etwa ein lyrisches Einheitsbewußtsein mit
der transzendenten N ete, ,sei ganz aus sich allein gestellt kraftlos und lebens¬
unfähig, sie erhalte vielmehr wie etwa das chemisch reine Wasser ihren Lebens¬
wert erst durch Beimischung anderer Bestandteile, so beharrt die andere Partei
dabei, daß die Religion ihren Daseinswert nicht erst durch nichtreligiöse Wert-
Wirkungen zu erweisen habe, daß sie in sich ein letzter, eigenster Wert sei.
*




Man steht, die Sachlage ist nicht so einfach, daß sie durch kultusministerielle
Erlasse entschieden werden könnte. Auf diese Weise läßt sich vielleicht eine gewalt¬
same Scheidung vollziehen, aber eine Entscheidung der hinter dem Gegen'atz
PoUtik und Religion sich drängenden Probleme ist damit nicht erbracht. Der
Streit wird nicht zur Ruhe kommen, weil der Begriff Religion, über den ent¬
schieden werden soll, unendlich wandelbar ist und, wenn er in der einen Form
ausgeschaltet wird, in neuer Form wieder erwächst. Denn die Sachlage ist nicht
so. daß die Religion bloß darum stark oder schwach ist, weil sie mit der Politik
sich ve> bindet, sondern umgekehrt kann man auch sagen, daß dort, wo das religiöse
Leben von sich aus stark und lebendig ist, es auch auszustrahlen sucht auf andere
Kul>urg> biete und auf die Politik. Es läßt sich gegen diejenigen, die eine rein¬
liche Scheidung wollen, erwidern, daß diese sich vielleicht zeitweilig machen, aber
nicht dauernd halten läßt, da die einzelnen Kulturbestrebungen der Menschen
unterei ander so eng verbunden sind, daß sie immer wieder ineinander gerinnen,
so sorgfältig man sie auch abdämmen mag. Und mögen die Puristen in der
Religion noch so sehr die Besonderheit des religiösen Lebens betonen, sie werden
doch anerkennen müssen, daß eine starke Religiosität stets danach strebt, über sich
s iber h naus zu wachsen und einzugreifen in das gesamte übrige Leben, als ein
Sauerteig zu wirken, der alles durchdringt. Und wenn das eintritt, was manche
hoffen, daß i> folge der Loslösung der Religion vom Staate ein neues und
stärkeres religiöses Leben erblüht, so wird die Folge sein, daß es auch von neuem
stark an die Pforten des verschlossenen Gebietes pochen und Einlaß begehren wird,
so daß der alte Zustand nur in neuer Form sich wieder einführen würde. Aus
allen diesen Gründen müssen wir zur Erkenntnis kommen, daß Religion und
Politik dauernd gar nicht zu trennen sind, daß vielmehr nur neue Arten ihrer


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[0186] Religion und Politik liebe Beimengung von Politik, die möglichst auszurotten wäre. Während, die einen die Trennung von Staat und Religion wollen, um die Religion zu ver¬ tiefen, wollen die andern dieselbe Trennung, aber um die Religion völlig auf- zu chalten als Kulturfaktor.'- Prüfen wir nun unbefangen die gekennzeichneten Positionen, so läßt sich für die Auflassung der politischen Religiosität die Tatsache anführen, daß historisch die Religion fast immer, wo sie lebendig gewesen ist. auch stark politisch gefärbt war. Die Gegner aber werden anführen, gerade die historische Entwicklung be¬ weise die Notwendigkeit einer sauberen Scheidung zwischen Politik und Religion. Was also der ersteren Anschauung als ein Zeichen des Niedergangs erscheint, dünkt der zweiten gerade als Ziel der Entwicklung. Das ist nun gewiß mit allen Entwicklungen so, daß sie nur relativ zu nehmen sind, daß sie verschieden bewertet werden je nach dem Standpunkt des Beurteilers. Präzisi.ren wir die beiden Standpunkte, um die es sich hier handelt, genauer, so läßt sich auch sagen: der eine, der Religion u> d Politik vereinigen will, strebt nickt so sehr auf Isolation und möglichste Reinheit der Religion hin, als gerade auf die Verqu ckung der Religion mit den übrigen Kullurgebieten, um durch solche Bündnisse die Religion recht einflußreich zu gestalten und so, dank dieser Hilfen, auch die Religion selber wieder zu stärken. Der andere Standpunkt jedoch ver¬ wirft dies Bestreben als falsch: von hier aus gesehen, scheint die Religion als solche nur zu leiden durch derartige Verbindungen mit wesensfremden Gebieten, an Stelle des lauteren Goldes winden minderwertige Legierungen in Kurs gegeben, und die Religion höre zuletzt, beim Übe»wuchern dieser Verbindung mit Nicht, eligiösem, auf, überhaupt Religion zu sein. Steht die eine Partei auf dem Standpunkt, die reine Religiosität, also etwa ein lyrisches Einheitsbewußtsein mit der transzendenten N ete, ,sei ganz aus sich allein gestellt kraftlos und lebens¬ unfähig, sie erhalte vielmehr wie etwa das chemisch reine Wasser ihren Lebens¬ wert erst durch Beimischung anderer Bestandteile, so beharrt die andere Partei dabei, daß die Religion ihren Daseinswert nicht erst durch nichtreligiöse Wert- Wirkungen zu erweisen habe, daß sie in sich ein letzter, eigenster Wert sei. * Man steht, die Sachlage ist nicht so einfach, daß sie durch kultusministerielle Erlasse entschieden werden könnte. Auf diese Weise läßt sich vielleicht eine gewalt¬ same Scheidung vollziehen, aber eine Entscheidung der hinter dem Gegen'atz PoUtik und Religion sich drängenden Probleme ist damit nicht erbracht. Der Streit wird nicht zur Ruhe kommen, weil der Begriff Religion, über den ent¬ schieden werden soll, unendlich wandelbar ist und, wenn er in der einen Form ausgeschaltet wird, in neuer Form wieder erwächst. Denn die Sachlage ist nicht so. daß die Religion bloß darum stark oder schwach ist, weil sie mit der Politik sich ve> bindet, sondern umgekehrt kann man auch sagen, daß dort, wo das religiöse Leben von sich aus stark und lebendig ist, es auch auszustrahlen sucht auf andere Kul>urg> biete und auf die Politik. Es läßt sich gegen diejenigen, die eine rein¬ liche Scheidung wollen, erwidern, daß diese sich vielleicht zeitweilig machen, aber nicht dauernd halten läßt, da die einzelnen Kulturbestrebungen der Menschen unterei ander so eng verbunden sind, daß sie immer wieder ineinander gerinnen, so sorgfältig man sie auch abdämmen mag. Und mögen die Puristen in der Religion noch so sehr die Besonderheit des religiösen Lebens betonen, sie werden doch anerkennen müssen, daß eine starke Religiosität stets danach strebt, über sich s iber h naus zu wachsen und einzugreifen in das gesamte übrige Leben, als ein Sauerteig zu wirken, der alles durchdringt. Und wenn das eintritt, was manche hoffen, daß i> folge der Loslösung der Religion vom Staate ein neues und stärkeres religiöses Leben erblüht, so wird die Folge sein, daß es auch von neuem stark an die Pforten des verschlossenen Gebietes pochen und Einlaß begehren wird, so daß der alte Zustand nur in neuer Form sich wieder einführen würde. Aus allen diesen Gründen müssen wir zur Erkenntnis kommen, daß Religion und Politik dauernd gar nicht zu trennen sind, daß vielmehr nur neue Arten ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/186>, abgerufen am 05.02.2025.