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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Auf den Pfaden der Sozicilisicvung

Aufrechterhaltung ferner einer Kontrolle über den auswärtigen Handel erschien
wenigstens aus so lange unerläßlich, wie die Mißhandlung der deutschen Valuta
im Auslande anhielt. Eine Annäherung dagegen an die Ziele sozialistischer
Wirtschaftsumwälzung stand nicht in Frage. Die im sozialdemokratischen Partei¬
programm grundsätzlich geforderte Verwandlung des kapitalistischen Privat¬
eigentums an den Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum konnte nicht
diskutabel in einer Zeit sein, die vor allem auf das Aufbauen, nicht auf ein
Niederreißen bedacht sein mußte. Die Sozialisierung durch eine Verstaatlichung in
engen Grenzen sollte das bisherige Wirtschaftssystem stützen, während der
Sozialismus dem verhaßten Kapitalismus einen tödlichen Streich zugunsten der
Arbeiterklasse versetzen wollte.

Die führenden Geister der Sozialdemokratie sahen sehr Wohl ein, daß die
Aussichten für den Klassensozialismus trotz der souveränen Herrschaft der
Allgemeinheit über das Wirtschaftsleben nichts weniger als günstig waren. Der
von einem Weltkrieg erhoffte Umsturz in dem politischen und wirtschaftlichen
Verhältnissen war zunächst nicht eingetreten. Im Gegenteil, der nationale Staat
bekundete beim Ausbruch des Krieges und in den ersten Kriegsjahren eine
Festigkeit, die von der Sozialdemokratie als eine Schwächung ihrer eigenen Macht
empfunden wurde. Der Klafsenkcimpf drohte infolge der Hinwendung des größten
Teils der deutschen Arbeiterschaft zu den vaterländischen Pflichten zu versumpfen.
Die von der Regierung teils durchgeführten, teils für die Zukunft in Aussicht
gestellten wirtschaftlichen Maßnahmen sozialistischer Färbung konnten die
Arbeitermassen irreführen und dem wirklichen Sozialismus das Wasser abgraben.
Trotzdem mußte man den Kriegssozialismus billigen, nicht nur weil er über die
Schwierigkeiten einigermaßen hinweghalf, sondern auch weil er dem privat¬
wirtschaftlichen Eigennutz Schranken zog. Der immer heftiger auftretende Zwie¬
spalt im sozialdemvkratisch>en Lager mahnte außerdem die Genossen zu vor¬
sichtiger Zurückhaltung. Noch war nicht aller Tage Abend. Man mußte sich
vorläufig mit dem Gedanken an eine Sozialisierung abfinden, die durch An¬
spannung der Erwerbskräfte die Ergiebigkeit der ZukunftsWirtschaft zu steigern
versprach, und mußte versuchen, durch eine gemeinwirMaftliche Organisation
der Volkswirtschaft allen Volksklassen den größtmöglichen Nutzen zuzuwenden.
Diesen Anschauungen der einsichtigeren Genossen unter den Mehrheitssozialisten
gab der sozialdemokratische Abgeordnete Blos, der zurzeit die Stellung eines
Ministerpräsidenten in Württemberg einnimmt, in einer Flugschrift, betitelt "Die
neue Ära" (Verlag der "Internationalen Korrespondenz"), wie folgt Ausdruck:

"Die Anhänger der alten Revolutionsromamik levnn in der Hoffnung,, eine
Revolution oder ein Weltkrieg werde eines schönen Tages eine Republik bringen
und in dieser werde man alsdann die kapitalistische Produktionsform leicht in eine
sozialistische verwandeln. Diese Hoffnung ist nun für alle, die nicht mit Scheu¬
klappen behaftet sind, für absehbare Zeit .geschwunden. Wer den Gang der
Politischen und sozialökonomischen Entwicklung weniger oberflächlich betrachtete,
der mußte leicht zu der Überzeugung kommen, daß der Weg zum demokratischen
Sozialismus durch eine staatssozialistische Epoche hindurchgehen werde. Der
Massenstaat hat sich gegen den Stqatssozialismus heftig gesträubt. Der Weltkrieg
aber hat ihn zur Notwendigkeit gemacht." Abg. Blos bespricht alsdann die Ge-
fahren, die für die Arbeiterschaft aus dem Staatssozialismus entstehen können:
direkte Abhängigkeit von der Staatsgewalt und allzu fiskalische Ausnutzung der
Monopole. Demgegenüber empfiehlt Blos die Ausgestaltung der Staatsbetriebe
AU Musterwerken, die Schaffung neuer Verwaltungsbehörden, zu denen auch
Arbeiter heranzuziehen wären, und Unterstellung der Löhne, Arbeitszeit. Waren-
Preise usw. unter eine parlamentarische Kontrolle.

Heute hat eine ganz und gar nicht romantische Revolution uns die Republik
gebracht und die Produktion soll demnächst nach sozialistischen Muster "um¬
gewandelt" werden. Die jetzt geplante Sozialisierung hat ihr bürgerliches Gewand
abgestreift und greift nach der Toga sozialistischer Zuschneider. Solange die
bürgerliche Regierung aber noch am Steuerruder saß, war die Sozialisierung em


Auf den Pfaden der Sozicilisicvung

Aufrechterhaltung ferner einer Kontrolle über den auswärtigen Handel erschien
wenigstens aus so lange unerläßlich, wie die Mißhandlung der deutschen Valuta
im Auslande anhielt. Eine Annäherung dagegen an die Ziele sozialistischer
Wirtschaftsumwälzung stand nicht in Frage. Die im sozialdemokratischen Partei¬
programm grundsätzlich geforderte Verwandlung des kapitalistischen Privat¬
eigentums an den Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum konnte nicht
diskutabel in einer Zeit sein, die vor allem auf das Aufbauen, nicht auf ein
Niederreißen bedacht sein mußte. Die Sozialisierung durch eine Verstaatlichung in
engen Grenzen sollte das bisherige Wirtschaftssystem stützen, während der
Sozialismus dem verhaßten Kapitalismus einen tödlichen Streich zugunsten der
Arbeiterklasse versetzen wollte.

Die führenden Geister der Sozialdemokratie sahen sehr Wohl ein, daß die
Aussichten für den Klassensozialismus trotz der souveränen Herrschaft der
Allgemeinheit über das Wirtschaftsleben nichts weniger als günstig waren. Der
von einem Weltkrieg erhoffte Umsturz in dem politischen und wirtschaftlichen
Verhältnissen war zunächst nicht eingetreten. Im Gegenteil, der nationale Staat
bekundete beim Ausbruch des Krieges und in den ersten Kriegsjahren eine
Festigkeit, die von der Sozialdemokratie als eine Schwächung ihrer eigenen Macht
empfunden wurde. Der Klafsenkcimpf drohte infolge der Hinwendung des größten
Teils der deutschen Arbeiterschaft zu den vaterländischen Pflichten zu versumpfen.
Die von der Regierung teils durchgeführten, teils für die Zukunft in Aussicht
gestellten wirtschaftlichen Maßnahmen sozialistischer Färbung konnten die
Arbeitermassen irreführen und dem wirklichen Sozialismus das Wasser abgraben.
Trotzdem mußte man den Kriegssozialismus billigen, nicht nur weil er über die
Schwierigkeiten einigermaßen hinweghalf, sondern auch weil er dem privat¬
wirtschaftlichen Eigennutz Schranken zog. Der immer heftiger auftretende Zwie¬
spalt im sozialdemvkratisch>en Lager mahnte außerdem die Genossen zu vor¬
sichtiger Zurückhaltung. Noch war nicht aller Tage Abend. Man mußte sich
vorläufig mit dem Gedanken an eine Sozialisierung abfinden, die durch An¬
spannung der Erwerbskräfte die Ergiebigkeit der ZukunftsWirtschaft zu steigern
versprach, und mußte versuchen, durch eine gemeinwirMaftliche Organisation
der Volkswirtschaft allen Volksklassen den größtmöglichen Nutzen zuzuwenden.
Diesen Anschauungen der einsichtigeren Genossen unter den Mehrheitssozialisten
gab der sozialdemokratische Abgeordnete Blos, der zurzeit die Stellung eines
Ministerpräsidenten in Württemberg einnimmt, in einer Flugschrift, betitelt „Die
neue Ära" (Verlag der „Internationalen Korrespondenz"), wie folgt Ausdruck:

„Die Anhänger der alten Revolutionsromamik levnn in der Hoffnung,, eine
Revolution oder ein Weltkrieg werde eines schönen Tages eine Republik bringen
und in dieser werde man alsdann die kapitalistische Produktionsform leicht in eine
sozialistische verwandeln. Diese Hoffnung ist nun für alle, die nicht mit Scheu¬
klappen behaftet sind, für absehbare Zeit .geschwunden. Wer den Gang der
Politischen und sozialökonomischen Entwicklung weniger oberflächlich betrachtete,
der mußte leicht zu der Überzeugung kommen, daß der Weg zum demokratischen
Sozialismus durch eine staatssozialistische Epoche hindurchgehen werde. Der
Massenstaat hat sich gegen den Stqatssozialismus heftig gesträubt. Der Weltkrieg
aber hat ihn zur Notwendigkeit gemacht." Abg. Blos bespricht alsdann die Ge-
fahren, die für die Arbeiterschaft aus dem Staatssozialismus entstehen können:
direkte Abhängigkeit von der Staatsgewalt und allzu fiskalische Ausnutzung der
Monopole. Demgegenüber empfiehlt Blos die Ausgestaltung der Staatsbetriebe
AU Musterwerken, die Schaffung neuer Verwaltungsbehörden, zu denen auch
Arbeiter heranzuziehen wären, und Unterstellung der Löhne, Arbeitszeit. Waren-
Preise usw. unter eine parlamentarische Kontrolle.

Heute hat eine ganz und gar nicht romantische Revolution uns die Republik
gebracht und die Produktion soll demnächst nach sozialistischen Muster „um¬
gewandelt" werden. Die jetzt geplante Sozialisierung hat ihr bürgerliches Gewand
abgestreift und greift nach der Toga sozialistischer Zuschneider. Solange die
bürgerliche Regierung aber noch am Steuerruder saß, war die Sozialisierung em


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[0179] Auf den Pfaden der Sozicilisicvung Aufrechterhaltung ferner einer Kontrolle über den auswärtigen Handel erschien wenigstens aus so lange unerläßlich, wie die Mißhandlung der deutschen Valuta im Auslande anhielt. Eine Annäherung dagegen an die Ziele sozialistischer Wirtschaftsumwälzung stand nicht in Frage. Die im sozialdemokratischen Partei¬ programm grundsätzlich geforderte Verwandlung des kapitalistischen Privat¬ eigentums an den Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum konnte nicht diskutabel in einer Zeit sein, die vor allem auf das Aufbauen, nicht auf ein Niederreißen bedacht sein mußte. Die Sozialisierung durch eine Verstaatlichung in engen Grenzen sollte das bisherige Wirtschaftssystem stützen, während der Sozialismus dem verhaßten Kapitalismus einen tödlichen Streich zugunsten der Arbeiterklasse versetzen wollte. Die führenden Geister der Sozialdemokratie sahen sehr Wohl ein, daß die Aussichten für den Klassensozialismus trotz der souveränen Herrschaft der Allgemeinheit über das Wirtschaftsleben nichts weniger als günstig waren. Der von einem Weltkrieg erhoffte Umsturz in dem politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen war zunächst nicht eingetreten. Im Gegenteil, der nationale Staat bekundete beim Ausbruch des Krieges und in den ersten Kriegsjahren eine Festigkeit, die von der Sozialdemokratie als eine Schwächung ihrer eigenen Macht empfunden wurde. Der Klafsenkcimpf drohte infolge der Hinwendung des größten Teils der deutschen Arbeiterschaft zu den vaterländischen Pflichten zu versumpfen. Die von der Regierung teils durchgeführten, teils für die Zukunft in Aussicht gestellten wirtschaftlichen Maßnahmen sozialistischer Färbung konnten die Arbeitermassen irreführen und dem wirklichen Sozialismus das Wasser abgraben. Trotzdem mußte man den Kriegssozialismus billigen, nicht nur weil er über die Schwierigkeiten einigermaßen hinweghalf, sondern auch weil er dem privat¬ wirtschaftlichen Eigennutz Schranken zog. Der immer heftiger auftretende Zwie¬ spalt im sozialdemvkratisch>en Lager mahnte außerdem die Genossen zu vor¬ sichtiger Zurückhaltung. Noch war nicht aller Tage Abend. Man mußte sich vorläufig mit dem Gedanken an eine Sozialisierung abfinden, die durch An¬ spannung der Erwerbskräfte die Ergiebigkeit der ZukunftsWirtschaft zu steigern versprach, und mußte versuchen, durch eine gemeinwirMaftliche Organisation der Volkswirtschaft allen Volksklassen den größtmöglichen Nutzen zuzuwenden. Diesen Anschauungen der einsichtigeren Genossen unter den Mehrheitssozialisten gab der sozialdemokratische Abgeordnete Blos, der zurzeit die Stellung eines Ministerpräsidenten in Württemberg einnimmt, in einer Flugschrift, betitelt „Die neue Ära" (Verlag der „Internationalen Korrespondenz"), wie folgt Ausdruck: „Die Anhänger der alten Revolutionsromamik levnn in der Hoffnung,, eine Revolution oder ein Weltkrieg werde eines schönen Tages eine Republik bringen und in dieser werde man alsdann die kapitalistische Produktionsform leicht in eine sozialistische verwandeln. Diese Hoffnung ist nun für alle, die nicht mit Scheu¬ klappen behaftet sind, für absehbare Zeit .geschwunden. Wer den Gang der Politischen und sozialökonomischen Entwicklung weniger oberflächlich betrachtete, der mußte leicht zu der Überzeugung kommen, daß der Weg zum demokratischen Sozialismus durch eine staatssozialistische Epoche hindurchgehen werde. Der Massenstaat hat sich gegen den Stqatssozialismus heftig gesträubt. Der Weltkrieg aber hat ihn zur Notwendigkeit gemacht." Abg. Blos bespricht alsdann die Ge- fahren, die für die Arbeiterschaft aus dem Staatssozialismus entstehen können: direkte Abhängigkeit von der Staatsgewalt und allzu fiskalische Ausnutzung der Monopole. Demgegenüber empfiehlt Blos die Ausgestaltung der Staatsbetriebe AU Musterwerken, die Schaffung neuer Verwaltungsbehörden, zu denen auch Arbeiter heranzuziehen wären, und Unterstellung der Löhne, Arbeitszeit. Waren- Preise usw. unter eine parlamentarische Kontrolle. Heute hat eine ganz und gar nicht romantische Revolution uns die Republik gebracht und die Produktion soll demnächst nach sozialistischen Muster „um¬ gewandelt" werden. Die jetzt geplante Sozialisierung hat ihr bürgerliches Gewand abgestreift und greift nach der Toga sozialistischer Zuschneider. Solange die bürgerliche Regierung aber noch am Steuerruder saß, war die Sozialisierung em

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/179>, abgerufen am 05.02.2025.