Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Ans den Pfaden der Lozialisierung traurigen Ausgang unser Ringen gegen die feindliche Übermacht führen würde, In schärfster Ausprägung kamen die gegensätzlichen Ausfassungen zur Professor Liefmann gab in seiner Erwiderung zu, daß die Unterordnung Beim flüchtigen Auffrischen der Erinnerung an die Gelehrtendispute, die Ans den Pfaden der Lozialisierung traurigen Ausgang unser Ringen gegen die feindliche Übermacht führen würde, In schärfster Ausprägung kamen die gegensätzlichen Ausfassungen zur Professor Liefmann gab in seiner Erwiderung zu, daß die Unterordnung Beim flüchtigen Auffrischen der Erinnerung an die Gelehrtendispute, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335360"/> <fw type="header" place="top"> Ans den Pfaden der Lozialisierung</fw><lb/> <p xml:id="ID_823" prev="#ID_822"> traurigen Ausgang unser Ringen gegen die feindliche Übermacht führen würde,<lb/> welche politische Umwälzungen und wirtschaftliche Erschütterungen uns bevor¬<lb/> ständen. Die literarischen Scharmützel befaßten sich demnach vorwiegend mir<lb/> den Bedingungen für die Erneuerung und Aufrichtung des deutschen Wirtschafts¬<lb/> körpers nach den furchtbaren Strazapen und Opfern, die ihn in mehrjährigen!<lb/> Kampfe zermürbt hatten. Die Meinungen der Gelehrtenwelt gingen weit aus¬<lb/> einander. Auch diejenigen Professoren, welche die Rückkehr zu, der Wirtschafts¬<lb/> freiheit, wie sie vor dem Kriege bestanden, für gegeben -und wahrscheinlich<lb/> ansahen, räumten ein, daß die bürgerliche Regierung die, Bordelle einer<lb/> strafferen Organisation der Industrie späterhin sich zunutze machen müsse, schon<lb/> um die erschlaffte Produktivkraft aufzumuntern, vor allem aber um durch<lb/> monopoliiu'rde Stcmlsveiriebe iure eng mitgenommenen Finanzen lin>zu Äffern.<lb/> Von anderer Seite wurde auf die Unfähigkeit des kapitalistischen Wirtschafts¬<lb/> systems, den Anfechtungen der Kriegszeit 'standzuhalten, hingewiesen und dem¬<lb/> gemäß eine stärkere Untermauerung der wankenden Wirtschaftspfciler durch<lb/> orgainsatorische Maßnahmen gefordert. Der Gemeinschaftsgeist sollte den<lb/> Sonderwillen im Zaume halten, die Wirthes-aftsgesinnung die Wirtschafts¬<lb/> ordnung veredeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_824"> In schärfster Ausprägung kamen die gegensätzlichen Ausfassungen zur<lb/> Aussprache zwischen den Professoren J-affS und Liefmann. Ersterer trat für<lb/> eine Sozialisierung des Wirtschaftslebens ein, denn die wirtschaftliche Freiheit,<lb/> die vor einem Jahrhundert zur Entfesselung der Erwerbstriebe angebracht<lb/> gewesen, habe sich mehr und mehr als ein Schädling unserer sozialen Entwicklung<lb/> erwiesen. Die Zeitströmung verlange die Abkehr vom freien Spiel der wirt¬<lb/> schaftlichen Potenzen, die höhere Bewertung des Faktors Arbeit gegenüber der<lb/> Bereicherung des kapitalistischen Unternehmers. Das private Erwerbsstreben<lb/> müsse vor den Interessen der Allgemeinheit Zurücktreten. Kurzum, das<lb/> Jndividualprinzip habe sich überlebt und müsse durch eine zielbewußte Förderung<lb/> des Sozialprinzips abgelöst werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_825"> Professor Liefmann gab in seiner Erwiderung zu, daß die Unterordnung<lb/> der Individuen unter die Gemeinschaft im Kriege -in noch nicht dagewesenen<lb/> Maße sich offenbart habe, diese Unterdrückung der Gewinntriebe bedeute aber<lb/> keinen Fortschritt. Nach dem Kriege werde die individuelle Energie, um die<lb/> Arbeitserträge zu steigern, auss höchste angespornt werden müssen; die wirtschaft¬<lb/> lichen Gegensätze würden Wiederaufleben und müßten durch erweiterte soziale<lb/> Fürsorge gemildert werden. In seiner Schrift: „Bringt der Krieg uns dem<lb/> Sozialismus näher?" (Schriftenreihe „Deutscher Krieg", Heft 56) führt Liefmcmn<lb/> aus, wie das Wirtschaftsleben stets eine Kombination von Individualismus und<lb/> Sozialismus, freier Konkurrenz und monopolistischer Gebundenheit gewesen sei.<lb/> Das stärkere Hervortreten der sozialistischen Energieform im Kriege sei eine<lb/> vorübergehende Erscheinung und lasse die Grundlagen des kapitalistischen<lb/> Systems ungeschmälert.</p><lb/> <p xml:id="ID_826" next="#ID_827"> Beim flüchtigen Auffrischen der Erinnerung an die Gelehrtendispute, die<lb/> erst ein paar Jahre zurückliegen, im Lichte der Sozialisierungspläne aber, welche<lb/> gegenwärtig im Schwange sind, weit überholt erscheinen, erkennen wir, daß die<lb/> Blicke damals einzig auf eine gesteigerte Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft<lb/> gerichtet waren. Politische Momente kamen nicht in Betracht. Die Sozialisierung<lb/> wird zwar nicht einfach abgelehnt, hauptsächlich aber unter dem Gesichtswinkel<lb/> einer besseren Erfüllung der staatswirtschaftlichen Aufgaben beurteilt. Der<lb/> Kriegssozialismus war doch nicht mehr als ein ziemlich roh aufgerichteter Not¬<lb/> bau, dessen Fortdauer schon -wegen der obrigkeitlichen Zuteilung der Nahrungs¬<lb/> mittel ausgeschlossen war. Einzelstücke, wie die Konzentration in den verschiedenen<lb/> Industriezweigen, konnten für den Wiederaufbau der Volkswirtschaft verwendbar<lb/> sein, doch war man auf bürgerlicher Seite darüber einig, daß bei einem breiteren<lb/> Ausbau des StaatssozialisMus in -erster Linie die fiskalischen Momente berück¬<lb/> sichtigt werden müßten. Die Steigerung der staatlichen Einnahmen durch<lb/> Monopolisierung bestimmter Er-werbszweige stand im Vordergrunde. Die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0178]
Ans den Pfaden der Lozialisierung
traurigen Ausgang unser Ringen gegen die feindliche Übermacht führen würde,
welche politische Umwälzungen und wirtschaftliche Erschütterungen uns bevor¬
ständen. Die literarischen Scharmützel befaßten sich demnach vorwiegend mir
den Bedingungen für die Erneuerung und Aufrichtung des deutschen Wirtschafts¬
körpers nach den furchtbaren Strazapen und Opfern, die ihn in mehrjährigen!
Kampfe zermürbt hatten. Die Meinungen der Gelehrtenwelt gingen weit aus¬
einander. Auch diejenigen Professoren, welche die Rückkehr zu, der Wirtschafts¬
freiheit, wie sie vor dem Kriege bestanden, für gegeben -und wahrscheinlich
ansahen, räumten ein, daß die bürgerliche Regierung die, Bordelle einer
strafferen Organisation der Industrie späterhin sich zunutze machen müsse, schon
um die erschlaffte Produktivkraft aufzumuntern, vor allem aber um durch
monopoliiu'rde Stcmlsveiriebe iure eng mitgenommenen Finanzen lin>zu Äffern.
Von anderer Seite wurde auf die Unfähigkeit des kapitalistischen Wirtschafts¬
systems, den Anfechtungen der Kriegszeit 'standzuhalten, hingewiesen und dem¬
gemäß eine stärkere Untermauerung der wankenden Wirtschaftspfciler durch
orgainsatorische Maßnahmen gefordert. Der Gemeinschaftsgeist sollte den
Sonderwillen im Zaume halten, die Wirthes-aftsgesinnung die Wirtschafts¬
ordnung veredeln.
In schärfster Ausprägung kamen die gegensätzlichen Ausfassungen zur
Aussprache zwischen den Professoren J-affS und Liefmann. Ersterer trat für
eine Sozialisierung des Wirtschaftslebens ein, denn die wirtschaftliche Freiheit,
die vor einem Jahrhundert zur Entfesselung der Erwerbstriebe angebracht
gewesen, habe sich mehr und mehr als ein Schädling unserer sozialen Entwicklung
erwiesen. Die Zeitströmung verlange die Abkehr vom freien Spiel der wirt¬
schaftlichen Potenzen, die höhere Bewertung des Faktors Arbeit gegenüber der
Bereicherung des kapitalistischen Unternehmers. Das private Erwerbsstreben
müsse vor den Interessen der Allgemeinheit Zurücktreten. Kurzum, das
Jndividualprinzip habe sich überlebt und müsse durch eine zielbewußte Förderung
des Sozialprinzips abgelöst werden.
Professor Liefmann gab in seiner Erwiderung zu, daß die Unterordnung
der Individuen unter die Gemeinschaft im Kriege -in noch nicht dagewesenen
Maße sich offenbart habe, diese Unterdrückung der Gewinntriebe bedeute aber
keinen Fortschritt. Nach dem Kriege werde die individuelle Energie, um die
Arbeitserträge zu steigern, auss höchste angespornt werden müssen; die wirtschaft¬
lichen Gegensätze würden Wiederaufleben und müßten durch erweiterte soziale
Fürsorge gemildert werden. In seiner Schrift: „Bringt der Krieg uns dem
Sozialismus näher?" (Schriftenreihe „Deutscher Krieg", Heft 56) führt Liefmcmn
aus, wie das Wirtschaftsleben stets eine Kombination von Individualismus und
Sozialismus, freier Konkurrenz und monopolistischer Gebundenheit gewesen sei.
Das stärkere Hervortreten der sozialistischen Energieform im Kriege sei eine
vorübergehende Erscheinung und lasse die Grundlagen des kapitalistischen
Systems ungeschmälert.
Beim flüchtigen Auffrischen der Erinnerung an die Gelehrtendispute, die
erst ein paar Jahre zurückliegen, im Lichte der Sozialisierungspläne aber, welche
gegenwärtig im Schwange sind, weit überholt erscheinen, erkennen wir, daß die
Blicke damals einzig auf eine gesteigerte Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft
gerichtet waren. Politische Momente kamen nicht in Betracht. Die Sozialisierung
wird zwar nicht einfach abgelehnt, hauptsächlich aber unter dem Gesichtswinkel
einer besseren Erfüllung der staatswirtschaftlichen Aufgaben beurteilt. Der
Kriegssozialismus war doch nicht mehr als ein ziemlich roh aufgerichteter Not¬
bau, dessen Fortdauer schon -wegen der obrigkeitlichen Zuteilung der Nahrungs¬
mittel ausgeschlossen war. Einzelstücke, wie die Konzentration in den verschiedenen
Industriezweigen, konnten für den Wiederaufbau der Volkswirtschaft verwendbar
sein, doch war man auf bürgerlicher Seite darüber einig, daß bei einem breiteren
Ausbau des StaatssozialisMus in -erster Linie die fiskalischen Momente berück¬
sichtigt werden müßten. Die Steigerung der staatlichen Einnahmen durch
Monopolisierung bestimmter Er-werbszweige stand im Vordergrunde. Die
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