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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Posens oder gar Danzigs und des anhängenden Teiles von Westpreußen nicht
nur das Schicksal der dort seit Generationen und Jahrhunderten ansässigen
Deutschen, sondern daneben und darüber hinaus die Wirtschaft und Ernährung
des Reiches, die Sicherheit seiner Hauptstadt aufs schwerste bedroht. Aber es
ist die tragische Folge unseres Zusammenbruches, daß alle diese Überlegungen
mehr oder minder theoretischen Charakter tragen, daß die ausschlaggebende Ent¬
scheidung, ohne daß wir dem wehren können, von unseren Feinden nach Gesichts¬
punkten getroffen werden kann, in denen aller Völker Interessen mitsprechen, in
denen allein des deutschen Volkes Lebensnotwendigkeiten mit Füßen getreten
werden.

Dies dunrpfe Bewußtsein machtlosen Ausgeliefertseins legt sich wie ein
lähmender Druck auf all unser Tun und Trachten in ven Dingen der großen
Politik. Gewiß dürfen wir nicht im Protestieren ermatten und müssen unermüd¬
lich wenigstens mit Worten gegen die Vertragsbrüchigen .Vergewaltigungsversuche
unserer Feinde Einspruch erheben. Mögen die augenblicklichen Machthaber der
feindlichen Reiche, mögen die Herren Clemenceau und Fons, Lloyd George und
selbst Wilson sich noch so hartnäckig taub stellen, ihre Völker werden die Not¬
schreie eines gequälten Volkes auf die Dauer nicht überhören können. Im Lärm
der Stunde mögen sie verhallen, in der Weltgeschichte werden sie als Klage und
Anklage forttönen. Die politische Taktik aber darf sich mit diesem einen Mittel
nicht begnügen. Könnte es nicht sein, daß durch jenes Prinzip, das die
Philosophen die Heterogonie der Zwecke, das Umschlagen des menschlichen Willens
in völlig ungewollte Ziele nennen, daß auf diesem Wege auch der über unsere
deutschen Sonderinteressen hinwegschrertende Wille unserer Feinde durch unent¬
rinnbare europäische und weltpolitische Motivationszusammenhänge in Bahnen
gelenkt würde, die letztlich doch auch mit unseren Interessen parallel gehen? In
der Tat bestehen solche Möglichkeiten, und es ist die Aufgabe unserer Unter¬
händler, sie kühl zu errechnen und geschickt in positive Posten unserer politischen
Bilanz umzuformen.

Es ist des öfteren in der letzten Zeit auf eine Stufenleiter der feindlichen
Sympathien für die nationalen Ansprüche der Polen hingewiesen worden. Es
ist kein Zweifel, daß diese in den französischen Sympathien am besten aufgehoben
sind, daß England ihnen schon kühler und kritischer gegenübersteht, und daß
vollends Amerika die polnische Frage am Vorurteilsfreiesten als kleinen Teil-
ssktor des weltpolitischen Problems Europa einschätzt. Die kühle Logik der
Interessen verflicht sich hier mit den Folgewirkungen altüberkommener
Sympathien und gewissermaßen rein zufälliger Stimmungen und Beeinflussungen
leitender Persönlichkeiten. Eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt dabei die inter¬
nationale Judenheit, jene einflußreiche und doch bei keiner Regierung offiziell
beglaubigte Großmacht, die durch ihr starkes Solidaritätsgefühl mit ihren Volks¬
und Glaubensgenossen in den polnischen Gebieten an der Lösung der polnischen
Frage vital interessiert ist. Es sind da ferner Erinnerungen an die liberale
Polenbegeisterung der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, Erinnerungen,
die selbst beim deutschen Liberalismus noch nicht ganz erloschen, die vollends im
reaktionär erstarrenden Frankreich noch sehr lebendig sind. Wir werden also
damit rechnen müssen, daß im Wettlaufe der nationalen Sonderinteressen auf der
Friedenskonferenz dem nackten Nationalegoismus der Polen ohne Zweifel ein
Vorsprung vor den deutschen Lebensinteressen wenigstens durch Frankreichs
Nachsicht gewährt werden wird. Es wird ein nicht uninteressantes Schauspiel
sein, welche Geltung sich gegenübler diesen traditionellen Sympathien die ebenso
traditionellen und übrigens durch tatsächliche Erfahrungen wesentlich besser unter¬
handelt Antipathien der Weltjudenheit zu dem durch seine unverbesserliche Unduld¬
samkeit berüchtigten Polentmne werden verschaffen können.

Und doch ist mit diesen Gefühlsgründen das Entscheidende noch nicht
getroffen. Letzten Endes steht in der polnischen Frage ein vom französischen
Nationalegoismus genährter Gesichtspunkt bornierter Kontinentalpolitil gegen
den vornehmlich vom Präsidenten Wilson -wenigstens angestrebten Gedanken einer


'Frankreich und die Deutschxolen

Posens oder gar Danzigs und des anhängenden Teiles von Westpreußen nicht
nur das Schicksal der dort seit Generationen und Jahrhunderten ansässigen
Deutschen, sondern daneben und darüber hinaus die Wirtschaft und Ernährung
des Reiches, die Sicherheit seiner Hauptstadt aufs schwerste bedroht. Aber es
ist die tragische Folge unseres Zusammenbruches, daß alle diese Überlegungen
mehr oder minder theoretischen Charakter tragen, daß die ausschlaggebende Ent¬
scheidung, ohne daß wir dem wehren können, von unseren Feinden nach Gesichts¬
punkten getroffen werden kann, in denen aller Völker Interessen mitsprechen, in
denen allein des deutschen Volkes Lebensnotwendigkeiten mit Füßen getreten
werden.

Dies dunrpfe Bewußtsein machtlosen Ausgeliefertseins legt sich wie ein
lähmender Druck auf all unser Tun und Trachten in ven Dingen der großen
Politik. Gewiß dürfen wir nicht im Protestieren ermatten und müssen unermüd¬
lich wenigstens mit Worten gegen die Vertragsbrüchigen .Vergewaltigungsversuche
unserer Feinde Einspruch erheben. Mögen die augenblicklichen Machthaber der
feindlichen Reiche, mögen die Herren Clemenceau und Fons, Lloyd George und
selbst Wilson sich noch so hartnäckig taub stellen, ihre Völker werden die Not¬
schreie eines gequälten Volkes auf die Dauer nicht überhören können. Im Lärm
der Stunde mögen sie verhallen, in der Weltgeschichte werden sie als Klage und
Anklage forttönen. Die politische Taktik aber darf sich mit diesem einen Mittel
nicht begnügen. Könnte es nicht sein, daß durch jenes Prinzip, das die
Philosophen die Heterogonie der Zwecke, das Umschlagen des menschlichen Willens
in völlig ungewollte Ziele nennen, daß auf diesem Wege auch der über unsere
deutschen Sonderinteressen hinwegschrertende Wille unserer Feinde durch unent¬
rinnbare europäische und weltpolitische Motivationszusammenhänge in Bahnen
gelenkt würde, die letztlich doch auch mit unseren Interessen parallel gehen? In
der Tat bestehen solche Möglichkeiten, und es ist die Aufgabe unserer Unter¬
händler, sie kühl zu errechnen und geschickt in positive Posten unserer politischen
Bilanz umzuformen.

Es ist des öfteren in der letzten Zeit auf eine Stufenleiter der feindlichen
Sympathien für die nationalen Ansprüche der Polen hingewiesen worden. Es
ist kein Zweifel, daß diese in den französischen Sympathien am besten aufgehoben
sind, daß England ihnen schon kühler und kritischer gegenübersteht, und daß
vollends Amerika die polnische Frage am Vorurteilsfreiesten als kleinen Teil-
ssktor des weltpolitischen Problems Europa einschätzt. Die kühle Logik der
Interessen verflicht sich hier mit den Folgewirkungen altüberkommener
Sympathien und gewissermaßen rein zufälliger Stimmungen und Beeinflussungen
leitender Persönlichkeiten. Eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt dabei die inter¬
nationale Judenheit, jene einflußreiche und doch bei keiner Regierung offiziell
beglaubigte Großmacht, die durch ihr starkes Solidaritätsgefühl mit ihren Volks¬
und Glaubensgenossen in den polnischen Gebieten an der Lösung der polnischen
Frage vital interessiert ist. Es sind da ferner Erinnerungen an die liberale
Polenbegeisterung der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, Erinnerungen,
die selbst beim deutschen Liberalismus noch nicht ganz erloschen, die vollends im
reaktionär erstarrenden Frankreich noch sehr lebendig sind. Wir werden also
damit rechnen müssen, daß im Wettlaufe der nationalen Sonderinteressen auf der
Friedenskonferenz dem nackten Nationalegoismus der Polen ohne Zweifel ein
Vorsprung vor den deutschen Lebensinteressen wenigstens durch Frankreichs
Nachsicht gewährt werden wird. Es wird ein nicht uninteressantes Schauspiel
sein, welche Geltung sich gegenübler diesen traditionellen Sympathien die ebenso
traditionellen und übrigens durch tatsächliche Erfahrungen wesentlich besser unter¬
handelt Antipathien der Weltjudenheit zu dem durch seine unverbesserliche Unduld¬
samkeit berüchtigten Polentmne werden verschaffen können.

Und doch ist mit diesen Gefühlsgründen das Entscheidende noch nicht
getroffen. Letzten Endes steht in der polnischen Frage ein vom französischen
Nationalegoismus genährter Gesichtspunkt bornierter Kontinentalpolitil gegen
den vornehmlich vom Präsidenten Wilson -wenigstens angestrebten Gedanken einer


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[0172] 'Frankreich und die Deutschxolen Posens oder gar Danzigs und des anhängenden Teiles von Westpreußen nicht nur das Schicksal der dort seit Generationen und Jahrhunderten ansässigen Deutschen, sondern daneben und darüber hinaus die Wirtschaft und Ernährung des Reiches, die Sicherheit seiner Hauptstadt aufs schwerste bedroht. Aber es ist die tragische Folge unseres Zusammenbruches, daß alle diese Überlegungen mehr oder minder theoretischen Charakter tragen, daß die ausschlaggebende Ent¬ scheidung, ohne daß wir dem wehren können, von unseren Feinden nach Gesichts¬ punkten getroffen werden kann, in denen aller Völker Interessen mitsprechen, in denen allein des deutschen Volkes Lebensnotwendigkeiten mit Füßen getreten werden. Dies dunrpfe Bewußtsein machtlosen Ausgeliefertseins legt sich wie ein lähmender Druck auf all unser Tun und Trachten in ven Dingen der großen Politik. Gewiß dürfen wir nicht im Protestieren ermatten und müssen unermüd¬ lich wenigstens mit Worten gegen die Vertragsbrüchigen .Vergewaltigungsversuche unserer Feinde Einspruch erheben. Mögen die augenblicklichen Machthaber der feindlichen Reiche, mögen die Herren Clemenceau und Fons, Lloyd George und selbst Wilson sich noch so hartnäckig taub stellen, ihre Völker werden die Not¬ schreie eines gequälten Volkes auf die Dauer nicht überhören können. Im Lärm der Stunde mögen sie verhallen, in der Weltgeschichte werden sie als Klage und Anklage forttönen. Die politische Taktik aber darf sich mit diesem einen Mittel nicht begnügen. Könnte es nicht sein, daß durch jenes Prinzip, das die Philosophen die Heterogonie der Zwecke, das Umschlagen des menschlichen Willens in völlig ungewollte Ziele nennen, daß auf diesem Wege auch der über unsere deutschen Sonderinteressen hinwegschrertende Wille unserer Feinde durch unent¬ rinnbare europäische und weltpolitische Motivationszusammenhänge in Bahnen gelenkt würde, die letztlich doch auch mit unseren Interessen parallel gehen? In der Tat bestehen solche Möglichkeiten, und es ist die Aufgabe unserer Unter¬ händler, sie kühl zu errechnen und geschickt in positive Posten unserer politischen Bilanz umzuformen. Es ist des öfteren in der letzten Zeit auf eine Stufenleiter der feindlichen Sympathien für die nationalen Ansprüche der Polen hingewiesen worden. Es ist kein Zweifel, daß diese in den französischen Sympathien am besten aufgehoben sind, daß England ihnen schon kühler und kritischer gegenübersteht, und daß vollends Amerika die polnische Frage am Vorurteilsfreiesten als kleinen Teil- ssktor des weltpolitischen Problems Europa einschätzt. Die kühle Logik der Interessen verflicht sich hier mit den Folgewirkungen altüberkommener Sympathien und gewissermaßen rein zufälliger Stimmungen und Beeinflussungen leitender Persönlichkeiten. Eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt dabei die inter¬ nationale Judenheit, jene einflußreiche und doch bei keiner Regierung offiziell beglaubigte Großmacht, die durch ihr starkes Solidaritätsgefühl mit ihren Volks¬ und Glaubensgenossen in den polnischen Gebieten an der Lösung der polnischen Frage vital interessiert ist. Es sind da ferner Erinnerungen an die liberale Polenbegeisterung der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, Erinnerungen, die selbst beim deutschen Liberalismus noch nicht ganz erloschen, die vollends im reaktionär erstarrenden Frankreich noch sehr lebendig sind. Wir werden also damit rechnen müssen, daß im Wettlaufe der nationalen Sonderinteressen auf der Friedenskonferenz dem nackten Nationalegoismus der Polen ohne Zweifel ein Vorsprung vor den deutschen Lebensinteressen wenigstens durch Frankreichs Nachsicht gewährt werden wird. Es wird ein nicht uninteressantes Schauspiel sein, welche Geltung sich gegenübler diesen traditionellen Sympathien die ebenso traditionellen und übrigens durch tatsächliche Erfahrungen wesentlich besser unter¬ handelt Antipathien der Weltjudenheit zu dem durch seine unverbesserliche Unduld¬ samkeit berüchtigten Polentmne werden verschaffen können. Und doch ist mit diesen Gefühlsgründen das Entscheidende noch nicht getroffen. Letzten Endes steht in der polnischen Frage ein vom französischen Nationalegoismus genährter Gesichtspunkt bornierter Kontinentalpolitil gegen den vornehmlich vom Präsidenten Wilson -wenigstens angestrebten Gedanken einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/172>, abgerufen am 06.02.2025.