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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Der Wöchnerinnenschutz in dem neuen deutschen Entwurf eines intern. Arbeiterrechteg

ebenso wichtig wie der Wöchnerinnenschutz im engeren Sinne. Er ist geboten
vor allen Dingen mit Rücksicht auf die Frucht, die unter der anstrengenden Arbeit
der hochschwangeren Mutter schwer leidet.

Es waren namentlich französische Autoren, welche sich zuerst mit dem Ein-
flusz der mütterlichen Erwerbsarbeit auf Schwangerschaftsdauer und Gewicht der
Neugeborenen beschäftigten. So stellte Mme. Bernson^) fest, daß ermüdende
Beschäftigungen der Mutter nachteiliger auf das Geburtsgewicht der Kinder ein-
wirken als leichte. N Irinnen und Korsettarbeiterinnen, welche an der Maschine
arbeiten, bringen schwächlichere Kinder zur Welt als andere sitzende Arbeiterinnen
mit leichterer Tätigkeit. Landarbeiterinnen, deren robuste Konstitution kräftige
Kinder erwarten läßt, gebären häufig Früchte mit unternormalem Gewicht. Hat
Mme. Vernson es bei ihrer Untersuchung auch vielfach an kritischem Sinn fehlen
lassen, so ist das Resultat derselben doch mehrfach von anderer Seite bestätigt
worden und darf deshalb als feststehend gelten. Karl Fuchs' entgegengesetzte ver¬
meintliche Feststellung-), daß das Durchschnittsgewicht der Kinder, deren Mütter
in anstrengender Berufsarbeit stehen, um ca. 110 Gramm größer ist, als das
Gewicht jener Neugeborenen, deren Mütter körperlich nicht anstrengende Arbeit
leisten, ließe sich einfach aus der Verschiedenheit der erblichen Veranlagung erklären.
Berufslose oder leichte Arbeit verrichtende Frauen sind im allgemeinen von zarterer
Konsumtion als Dienstmädchen, und die Kinder der letzieren deshalb von erb-
wegen robuster und schwerer als diejenigen der ersteren. Von Merletto-Ferrara")
ist deshalb das mütterliche Gewicht gleichzeitig berücksichtigt worden und da hat
sich eine deutliche Einwirkung der mütterlichen Schonzeit auf das Geburtsgewicht
der Kinder bei annähernd gleich schweren Müttern gezeigt.

Auch E, und L. Oberwarth konnten einen solchen deutlichen Einfluß bei
dreiwöchiger vorgeburtlicher Schonung der Mutter feststellen, Gazzoni hat den¬
selben sogar schon bei nur zehntägiger Ruhe beobachtet. Kann man im großen
ganzen sägen, daß der Vorteil für das Kind wächst mit der Dauer der mütter¬
lichen Arbeitsruhe, so zeigen doch die sehr sorgfältigen Untersuchungen von Pellet),
daß die letzten Wochen vor der Niederkunft die ausschlaggebenden sind. "Durch
eine sich auf die letzten Schwangerschaftsperioden erstreckende bessere Verpflegung
und relative Ruhe wird bewirkt, daß das Gewicht der Kinder der sonst sozial am
ungünstigsten gestellten Mütter dem der Neugeborenen der sozial am günstigsten
stehenden Mütter nahe kommt." > ^ ! u>

Zum Teil erklärt sich der günstige Einfluß der mütterlichen Ruhe auf das
Geburtsgewicht der Kinder zweifellos daraus, daß anstrengende Arbeit die
Schwangerschaftsdauer abkürzt. Im Gegensatz zu den Kindern der sich schonenden
Mütter werden diejenigen der angestrengt arbeitenden nicht voll ausgetragen. Sie
sind also bei der Geburt jünger und deshalb weniger groß und schwer als die
ersteren. Nach den Untersuchungen von Roger°) (an Pinards Material) kann an
der Abkürzung der Schwangerschaft durch anstrengende Berufsarbeit nicht mehr
gezweifelt werden. Daß nach der den Gausschwangeren obliegenden sonnabend-
lichen Hausreinigung die Meldungen auf dem Kreißsaal sich häufen, ist eine allen
in Entbindungsanstalten tätigen Ärzten bekannte Tatsache. Aus der amtlichen
Statistik der Leipziger Ortskrankenkasse geht hervor, daß in gewissen Berufen die
vorzeitigen Entbindungen der freiwilligen Mitglieder diejenigen der Pflichtmitglieder
an Zahl übertreffen. Diese mit obigem anscheinend in Widerspruch stehende
Erscheinung findet ihre Erklärung dadurch, daß es sich um solche Berufe handelt,
in denen die Heimarbeit eine große Rolle spielt. Hier hat nicht wie anderswo







!) T'böZs ete Paris. Kevue piatigue et'obstStricius von. 1903.
2) Wie bereits von Sigismund Peller gezeigt wurde, ist das Fuchs'sche DissertationS-
materinl (1889) teils an sich ungenügend, teils unkritisch bearbeitet worden.
Zit. nach Grotjahn: Soziale Pathologie 1912.
Der Einfluß sozialer Momente auf den körperlichen Entwicklungszustand der Neu¬
geborenen. Das österreichische Saniiätswesen. 1913, Ur. 38.
'
°) Iböse alö ?ans, zit. nach ^rmsles äti^loue publ. 1903, Heft 3.
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ebenso wichtig wie der Wöchnerinnenschutz im engeren Sinne. Er ist geboten
vor allen Dingen mit Rücksicht auf die Frucht, die unter der anstrengenden Arbeit
der hochschwangeren Mutter schwer leidet.

Es waren namentlich französische Autoren, welche sich zuerst mit dem Ein-
flusz der mütterlichen Erwerbsarbeit auf Schwangerschaftsdauer und Gewicht der
Neugeborenen beschäftigten. So stellte Mme. Bernson^) fest, daß ermüdende
Beschäftigungen der Mutter nachteiliger auf das Geburtsgewicht der Kinder ein-
wirken als leichte. N Irinnen und Korsettarbeiterinnen, welche an der Maschine
arbeiten, bringen schwächlichere Kinder zur Welt als andere sitzende Arbeiterinnen
mit leichterer Tätigkeit. Landarbeiterinnen, deren robuste Konstitution kräftige
Kinder erwarten läßt, gebären häufig Früchte mit unternormalem Gewicht. Hat
Mme. Vernson es bei ihrer Untersuchung auch vielfach an kritischem Sinn fehlen
lassen, so ist das Resultat derselben doch mehrfach von anderer Seite bestätigt
worden und darf deshalb als feststehend gelten. Karl Fuchs' entgegengesetzte ver¬
meintliche Feststellung-), daß das Durchschnittsgewicht der Kinder, deren Mütter
in anstrengender Berufsarbeit stehen, um ca. 110 Gramm größer ist, als das
Gewicht jener Neugeborenen, deren Mütter körperlich nicht anstrengende Arbeit
leisten, ließe sich einfach aus der Verschiedenheit der erblichen Veranlagung erklären.
Berufslose oder leichte Arbeit verrichtende Frauen sind im allgemeinen von zarterer
Konsumtion als Dienstmädchen, und die Kinder der letzieren deshalb von erb-
wegen robuster und schwerer als diejenigen der ersteren. Von Merletto-Ferrara»)
ist deshalb das mütterliche Gewicht gleichzeitig berücksichtigt worden und da hat
sich eine deutliche Einwirkung der mütterlichen Schonzeit auf das Geburtsgewicht
der Kinder bei annähernd gleich schweren Müttern gezeigt.

Auch E, und L. Oberwarth konnten einen solchen deutlichen Einfluß bei
dreiwöchiger vorgeburtlicher Schonung der Mutter feststellen, Gazzoni hat den¬
selben sogar schon bei nur zehntägiger Ruhe beobachtet. Kann man im großen
ganzen sägen, daß der Vorteil für das Kind wächst mit der Dauer der mütter¬
lichen Arbeitsruhe, so zeigen doch die sehr sorgfältigen Untersuchungen von Pellet),
daß die letzten Wochen vor der Niederkunft die ausschlaggebenden sind. „Durch
eine sich auf die letzten Schwangerschaftsperioden erstreckende bessere Verpflegung
und relative Ruhe wird bewirkt, daß das Gewicht der Kinder der sonst sozial am
ungünstigsten gestellten Mütter dem der Neugeborenen der sozial am günstigsten
stehenden Mütter nahe kommt." > ^ ! u>

Zum Teil erklärt sich der günstige Einfluß der mütterlichen Ruhe auf das
Geburtsgewicht der Kinder zweifellos daraus, daß anstrengende Arbeit die
Schwangerschaftsdauer abkürzt. Im Gegensatz zu den Kindern der sich schonenden
Mütter werden diejenigen der angestrengt arbeitenden nicht voll ausgetragen. Sie
sind also bei der Geburt jünger und deshalb weniger groß und schwer als die
ersteren. Nach den Untersuchungen von Roger°) (an Pinards Material) kann an
der Abkürzung der Schwangerschaft durch anstrengende Berufsarbeit nicht mehr
gezweifelt werden. Daß nach der den Gausschwangeren obliegenden sonnabend-
lichen Hausreinigung die Meldungen auf dem Kreißsaal sich häufen, ist eine allen
in Entbindungsanstalten tätigen Ärzten bekannte Tatsache. Aus der amtlichen
Statistik der Leipziger Ortskrankenkasse geht hervor, daß in gewissen Berufen die
vorzeitigen Entbindungen der freiwilligen Mitglieder diejenigen der Pflichtmitglieder
an Zahl übertreffen. Diese mit obigem anscheinend in Widerspruch stehende
Erscheinung findet ihre Erklärung dadurch, daß es sich um solche Berufe handelt,
in denen die Heimarbeit eine große Rolle spielt. Hier hat nicht wie anderswo







!) T'böZs ete Paris. Kevue piatigue et'obstStricius von. 1903.
2) Wie bereits von Sigismund Peller gezeigt wurde, ist das Fuchs'sche DissertationS-
materinl (1889) teils an sich ungenügend, teils unkritisch bearbeitet worden.
Zit. nach Grotjahn: Soziale Pathologie 1912.
Der Einfluß sozialer Momente auf den körperlichen Entwicklungszustand der Neu¬
geborenen. Das österreichische Saniiätswesen. 1913, Ur. 38.
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°) Iböse alö ?ans, zit. nach ^rmsles äti^loue publ. 1903, Heft 3.
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[0125] Der Wöchnerinnenschutz in dem neuen deutschen Entwurf eines intern. Arbeiterrechteg ebenso wichtig wie der Wöchnerinnenschutz im engeren Sinne. Er ist geboten vor allen Dingen mit Rücksicht auf die Frucht, die unter der anstrengenden Arbeit der hochschwangeren Mutter schwer leidet. Es waren namentlich französische Autoren, welche sich zuerst mit dem Ein- flusz der mütterlichen Erwerbsarbeit auf Schwangerschaftsdauer und Gewicht der Neugeborenen beschäftigten. So stellte Mme. Bernson^) fest, daß ermüdende Beschäftigungen der Mutter nachteiliger auf das Geburtsgewicht der Kinder ein- wirken als leichte. N Irinnen und Korsettarbeiterinnen, welche an der Maschine arbeiten, bringen schwächlichere Kinder zur Welt als andere sitzende Arbeiterinnen mit leichterer Tätigkeit. Landarbeiterinnen, deren robuste Konstitution kräftige Kinder erwarten läßt, gebären häufig Früchte mit unternormalem Gewicht. Hat Mme. Vernson es bei ihrer Untersuchung auch vielfach an kritischem Sinn fehlen lassen, so ist das Resultat derselben doch mehrfach von anderer Seite bestätigt worden und darf deshalb als feststehend gelten. Karl Fuchs' entgegengesetzte ver¬ meintliche Feststellung-), daß das Durchschnittsgewicht der Kinder, deren Mütter in anstrengender Berufsarbeit stehen, um ca. 110 Gramm größer ist, als das Gewicht jener Neugeborenen, deren Mütter körperlich nicht anstrengende Arbeit leisten, ließe sich einfach aus der Verschiedenheit der erblichen Veranlagung erklären. Berufslose oder leichte Arbeit verrichtende Frauen sind im allgemeinen von zarterer Konsumtion als Dienstmädchen, und die Kinder der letzieren deshalb von erb- wegen robuster und schwerer als diejenigen der ersteren. Von Merletto-Ferrara») ist deshalb das mütterliche Gewicht gleichzeitig berücksichtigt worden und da hat sich eine deutliche Einwirkung der mütterlichen Schonzeit auf das Geburtsgewicht der Kinder bei annähernd gleich schweren Müttern gezeigt. Auch E, und L. Oberwarth konnten einen solchen deutlichen Einfluß bei dreiwöchiger vorgeburtlicher Schonung der Mutter feststellen, Gazzoni hat den¬ selben sogar schon bei nur zehntägiger Ruhe beobachtet. Kann man im großen ganzen sägen, daß der Vorteil für das Kind wächst mit der Dauer der mütter¬ lichen Arbeitsruhe, so zeigen doch die sehr sorgfältigen Untersuchungen von Pellet), daß die letzten Wochen vor der Niederkunft die ausschlaggebenden sind. „Durch eine sich auf die letzten Schwangerschaftsperioden erstreckende bessere Verpflegung und relative Ruhe wird bewirkt, daß das Gewicht der Kinder der sonst sozial am ungünstigsten gestellten Mütter dem der Neugeborenen der sozial am günstigsten stehenden Mütter nahe kommt." > ^ ! u> Zum Teil erklärt sich der günstige Einfluß der mütterlichen Ruhe auf das Geburtsgewicht der Kinder zweifellos daraus, daß anstrengende Arbeit die Schwangerschaftsdauer abkürzt. Im Gegensatz zu den Kindern der sich schonenden Mütter werden diejenigen der angestrengt arbeitenden nicht voll ausgetragen. Sie sind also bei der Geburt jünger und deshalb weniger groß und schwer als die ersteren. Nach den Untersuchungen von Roger°) (an Pinards Material) kann an der Abkürzung der Schwangerschaft durch anstrengende Berufsarbeit nicht mehr gezweifelt werden. Daß nach der den Gausschwangeren obliegenden sonnabend- lichen Hausreinigung die Meldungen auf dem Kreißsaal sich häufen, ist eine allen in Entbindungsanstalten tätigen Ärzten bekannte Tatsache. Aus der amtlichen Statistik der Leipziger Ortskrankenkasse geht hervor, daß in gewissen Berufen die vorzeitigen Entbindungen der freiwilligen Mitglieder diejenigen der Pflichtmitglieder an Zahl übertreffen. Diese mit obigem anscheinend in Widerspruch stehende Erscheinung findet ihre Erklärung dadurch, daß es sich um solche Berufe handelt, in denen die Heimarbeit eine große Rolle spielt. Hier hat nicht wie anderswo !) T'böZs ete Paris. Kevue piatigue et'obstStricius von. 1903. 2) Wie bereits von Sigismund Peller gezeigt wurde, ist das Fuchs'sche DissertationS- materinl (1889) teils an sich ungenügend, teils unkritisch bearbeitet worden. Zit. nach Grotjahn: Soziale Pathologie 1912. Der Einfluß sozialer Momente auf den körperlichen Entwicklungszustand der Neu¬ geborenen. Das österreichische Saniiätswesen. 1913, Ur. 38. ' °) Iböse alö ?ans, zit. nach ^rmsles äti^loue publ. 1903, Heft 3.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/125>, abgerufen am 11.02.2025.