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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Die kulturelle Bedeutung lvions

Deutsch-Österreich bleiben könnten. Denn Vorbedingung für ein festes Staats¬
wesen ist die Verbindung seiner Teile; diese Verbindung aber ist weder nach
Deuischböhmen, noch nach Schlesien und die großen deutscken Sprachinseln
Mährens möglich. Überall schiebt sich der tschecho-slowcttische Staat dazwischen.
Nur Südmähren steht mit der jungen Republik in unmittelbarer Verbindung.
Deutschböhmen und Schlesien müssen daher den unmittelbaren Anschluß an das
deutsche Reich suchen, und werden es auch in der Zukunft tun, selbst wenn die
Friedensbedingungen sie in den tschecho-slowakischen Staat zwingen würden. Für
Deutsch-Österreich aber sind es ebenso verlorene Gebiete, wie die Sprachinseln
Mährens. Anders steht es mit den Alpenländern. Von dort führen die einzigen
Verbindungswege über Wien. Nur Tirol findet seinen natürlichen Anschluß an
Bayern und noch ist es zweifelhaft, ob dieses Land dem künftigen Staate Deutsch-
Österreich angehören wird. Jedenfalls aber, umschließt das künftige Land durch¬
weg eine Bevölkerung von ähnlicher Veranlagung und ähnlichem Wesen. Damit,
ist bereits eine geistige Einheit gegeben. Wien wird aber auch nicht mehr der
Anziehungspunkt fiir die entgegengesetztesten Elemente fremder Nationen sein. Mit
dem Verschwinden der Dynastie und dem Machiverlust des Adels, dem Untergang
der hohen Generalität ist eine größere Freiheit des individuellen Auslebens
ermöglicht. Die Auflösung der Zentralämter befreit die C-labt überdies von der
Überzahl einer Beamtenschaft, die nur kulturhemmend gewirkt hat; diese Befreiung
kann umso befreiender werden, als der Staatsrat bereits die Pensionierung der
dazu Berechtigten und sechzigjährigen verfügt hat. Ein verminderter Beamten-
stand mit jungen .Kräften verspricht größere Leistungsfähigkeit. Bürgerschaft und
Arbeiter sind heute auf sich selbst gestellt. Wien ist der Mittelpunkt eines kleinen
Staates geworden mit einer Bevölkerung von ähnlichen Eigenschaften. Es ist ein
armer Staat, der unbedingt der Anlehnung an einen größeren Nachbar bedarf.
Er ist ringsum von fremden Völkern umgeben, die dem deutschen Volke alles
andere als wohlgesinnt sind. Sein einziger Rückenschutz bildet das deutsche Reich.
Inmitten dieser deutschen Landzunge liegt nun Wien. Auch weiterhin werden die
Wege von Westen nach Osten über Wien führen. Kulturell aber, ist es der Aus-
ftrahlungspunkt für Deutsch-Osterreich. Seine Aufgabe wird es daher sein, die
Kräfte dieses geringeren Landes in sich zusammenzufassen. Und dazu dürfte seine
Kraft reichen. Aber seine Bedeutung ist eine tiefere. Eben weil Deutsch-Österreich
eine deutsche Landzunge und rings von anderen Nationen umgeben ist, steigt seine
Bedeutung. Wie die alte Ostmark ist es wieder das deutsche Bollwerk nach Osten,
aber auch die Vermittlerin deutschen Wesens an die Völker des Ostens. Und
Wien als Mittelpunkt dieses Staatenwesens ist der Kernpunkt dieser gewaltigen
Kulturarbeit. Vermittlerin kann keine Stadt sein, die Herrennalnren in sich birgt.
Kulturen übertragen sich unbewußt. Freunde gewinnt man nicht durch herrisches
Auftreten; nur die tiefe, abgeklärte, in sich einheitliche Persönlichkeit strahlt ihr
Wesen befruchtend und gewinnend auf andere Menschen über. Und so ist es mit
Städten und Völkern. Wien, befreit von den hemmenden Elementen der Residenz¬
stadt und Großstadt, kann seine alte Wesenheit wiederfinden; denn tot ist sie noch
nicht. Nur das Hetzen und Jagen der Zeit vertrug die Stadt nicht. Sie ist eine
Stadt der Gärten und Fröhlichkeit, der ureigensten Eigenschaft des Süddeutschen.
Darin liegt ihre kulturbringende Stärke. Wenn sie den Anschluß um das deutsche
Reich findet und die verstandesmäßig gefundenen Errungenschaften des Westens in
heiterer Form dem Osten weitergibt, wird sie ihre große Aufgabe lösen. Die
inneren kulturpolitischen Aufgaben sind leichter zu erfüllen, da die widerstrebenden
Elemente sich abgesondert haben und für die Zukunft kein Grund des Mißtrauens
mehr vorhanden ist. Ob sich aber die geringen notwendigen Kräfte nach den
folgenden schweren Jahren finden werden, muß sich zeigen. Die Mechanisierung
der Arbeit hat hoffentlich das Grundwesen nicht ganz verdorben.




Die kulturelle Bedeutung lvions

Deutsch-Österreich bleiben könnten. Denn Vorbedingung für ein festes Staats¬
wesen ist die Verbindung seiner Teile; diese Verbindung aber ist weder nach
Deuischböhmen, noch nach Schlesien und die großen deutscken Sprachinseln
Mährens möglich. Überall schiebt sich der tschecho-slowcttische Staat dazwischen.
Nur Südmähren steht mit der jungen Republik in unmittelbarer Verbindung.
Deutschböhmen und Schlesien müssen daher den unmittelbaren Anschluß an das
deutsche Reich suchen, und werden es auch in der Zukunft tun, selbst wenn die
Friedensbedingungen sie in den tschecho-slowakischen Staat zwingen würden. Für
Deutsch-Österreich aber sind es ebenso verlorene Gebiete, wie die Sprachinseln
Mährens. Anders steht es mit den Alpenländern. Von dort führen die einzigen
Verbindungswege über Wien. Nur Tirol findet seinen natürlichen Anschluß an
Bayern und noch ist es zweifelhaft, ob dieses Land dem künftigen Staate Deutsch-
Österreich angehören wird. Jedenfalls aber, umschließt das künftige Land durch¬
weg eine Bevölkerung von ähnlicher Veranlagung und ähnlichem Wesen. Damit,
ist bereits eine geistige Einheit gegeben. Wien wird aber auch nicht mehr der
Anziehungspunkt fiir die entgegengesetztesten Elemente fremder Nationen sein. Mit
dem Verschwinden der Dynastie und dem Machiverlust des Adels, dem Untergang
der hohen Generalität ist eine größere Freiheit des individuellen Auslebens
ermöglicht. Die Auflösung der Zentralämter befreit die C-labt überdies von der
Überzahl einer Beamtenschaft, die nur kulturhemmend gewirkt hat; diese Befreiung
kann umso befreiender werden, als der Staatsrat bereits die Pensionierung der
dazu Berechtigten und sechzigjährigen verfügt hat. Ein verminderter Beamten-
stand mit jungen .Kräften verspricht größere Leistungsfähigkeit. Bürgerschaft und
Arbeiter sind heute auf sich selbst gestellt. Wien ist der Mittelpunkt eines kleinen
Staates geworden mit einer Bevölkerung von ähnlichen Eigenschaften. Es ist ein
armer Staat, der unbedingt der Anlehnung an einen größeren Nachbar bedarf.
Er ist ringsum von fremden Völkern umgeben, die dem deutschen Volke alles
andere als wohlgesinnt sind. Sein einziger Rückenschutz bildet das deutsche Reich.
Inmitten dieser deutschen Landzunge liegt nun Wien. Auch weiterhin werden die
Wege von Westen nach Osten über Wien führen. Kulturell aber, ist es der Aus-
ftrahlungspunkt für Deutsch-Osterreich. Seine Aufgabe wird es daher sein, die
Kräfte dieses geringeren Landes in sich zusammenzufassen. Und dazu dürfte seine
Kraft reichen. Aber seine Bedeutung ist eine tiefere. Eben weil Deutsch-Österreich
eine deutsche Landzunge und rings von anderen Nationen umgeben ist, steigt seine
Bedeutung. Wie die alte Ostmark ist es wieder das deutsche Bollwerk nach Osten,
aber auch die Vermittlerin deutschen Wesens an die Völker des Ostens. Und
Wien als Mittelpunkt dieses Staatenwesens ist der Kernpunkt dieser gewaltigen
Kulturarbeit. Vermittlerin kann keine Stadt sein, die Herrennalnren in sich birgt.
Kulturen übertragen sich unbewußt. Freunde gewinnt man nicht durch herrisches
Auftreten; nur die tiefe, abgeklärte, in sich einheitliche Persönlichkeit strahlt ihr
Wesen befruchtend und gewinnend auf andere Menschen über. Und so ist es mit
Städten und Völkern. Wien, befreit von den hemmenden Elementen der Residenz¬
stadt und Großstadt, kann seine alte Wesenheit wiederfinden; denn tot ist sie noch
nicht. Nur das Hetzen und Jagen der Zeit vertrug die Stadt nicht. Sie ist eine
Stadt der Gärten und Fröhlichkeit, der ureigensten Eigenschaft des Süddeutschen.
Darin liegt ihre kulturbringende Stärke. Wenn sie den Anschluß um das deutsche
Reich findet und die verstandesmäßig gefundenen Errungenschaften des Westens in
heiterer Form dem Osten weitergibt, wird sie ihre große Aufgabe lösen. Die
inneren kulturpolitischen Aufgaben sind leichter zu erfüllen, da die widerstrebenden
Elemente sich abgesondert haben und für die Zukunft kein Grund des Mißtrauens
mehr vorhanden ist. Ob sich aber die geringen notwendigen Kräfte nach den
folgenden schweren Jahren finden werden, muß sich zeigen. Die Mechanisierung
der Arbeit hat hoffentlich das Grundwesen nicht ganz verdorben.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/116>, abgerufen am 05.02.2025.