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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Zusammenbruch?

Die nächste wichtige Kundgebung Wilsons ist jene Rede, die er zur Feier des
4. Juli am Grabe Washingtons gehalten hat. Sie gipfelt in der Aufstellung von
vier Punkten, die, wie Wilson sagte, verwirklicht werden müßten, ehe
Friede werden kann. Die vier Punkte lauten:

1. Vernichtung jeder Willkür und Macht, die für sich Mein und heimlich den
Frieden der Welt stören kann, und wenn ihre Vernichtung jetzt nicht möglich ist, mindestens
ihre Herabdrückung zu tatsächlicher Machtlosigkeit.
2. Regelung aller Fragen, sowohl der territorialen, wie der Souveränitätsfragen,
der wirtschaftlichen und politischen Fragen auf der Grundlage einer freien Annahme dieser
Regelung durch das Volk, das unmittelbar dabei betroffen ist, und nicht auf der Grund¬
lage des materiellen Interesses oder Vorteiles irgendeines anderen Volkes, das eine andere
Regelung zur Ausbreitung seines Einflusses oder seiner Herrschaft wünscht.
3. Einwilligung aller Völker, in ihren Verhältnissen zueinander sich von denselben
Grundsätzen der Ehre und Achtung vor dem Gewohnheitsrecht der zivilisierten Gesellschaft
leiten zu lassen, wie sie für die einzelnen Bürger moderner Staaten gelten, dergestalt, daß
alle Versprechungen und Verträge gewissenhaft beobachtet, daß keine Sonderanschläge und
Verschwörungen angezettelt werden, und daß wechselseitiges Vertrauen geschaffen wird, auf
der Basis wechselseitiger Achtung vor dem Recht.
4. Schaffung einer Friedensorganisation, die verbürgt, daß die gesamte Macht der
freien Nationen jede Rechtsverletzung verhüten wird, und die ein Schiedsgericht einrichtet,
dem alle internationalen Gegensätze unterbreitet werden sollen.

Schließlich kommt die Rede in Betracht, die Herr Wilson am 27. September
gehalten hat, um für die jüngste amerikanische Kriegsanleihe zu wirken. Aus ihr
heben wir die folgenden fünf Punkte hervor.

1. Die unparteiische Gerechtigkeit darf keine Unterscheidung zwischen denen ein¬
schließen, gegen die wir gerecht zu sein wünschen, und denen, gegen die wir nicht gerecht
zu sein wünschen. ES muß eine Gerechtigkeit sein, die keine Begünstigten kennt und keine
verschiedenen Maßstäbe, sondern gleiche Rechte für die verschiedenen in Betracht kommen¬
den Völker.
2. Kein besonderes oder abgetrenntes Interesse irgendeiner einzelnen Nation oder
einer Gruppe von Nationen, das mit dem gemeinsamen Interesse aller unverträglich ist,
kann zur Grundlage irgendeines Teiles des Abkommens gemacht werden.
3. Es kann in der allgemeinen gemeinsamen Familie des Völkerbundes keine Ver¬
bände, Bündnisse oder besondere Abmachungen und Verstänoigungem!geben.
4. Es kann, und das geht nichr ins einzelne, keine besonderen wirtschaftlichen
Kombinationen innerhalb des Bundes geben, keine Anwendung irgendeiner Form wirt¬
schaftlichen Boykotts oder Ausschusses, abgesehen von der im Völkerbund selbst als Straf-
maszregel verhängten Ausschließung von den Weltmärkten, die als Mittel der Disziplin
und der Kontrolle dient. "
ö. Alle internationalen Abmachungen und Verträge jeder Art müssen der ganzen
übrigen Welt bekanntgegeben werden.

Es wird zugegeben, daß die vierzehn Punkte Wilsons, vom allgemein
menschlichen Standpunkte aus gesehen, mancherlei Verlockendes enthalten. Es ist
vieles in ihnen, worum Generationen ringen und wofür manch edler Mensch sich
geopfert hat. Aber alle leiden an dem Fehler, daß Deutschland und das Deutschtum
sich bereit erklären sollen, sich im ganzen für ihre Durchsetzung zu opfern. Wir
sollen nicht nur die besetzten Gebiete räumen -- dieser Forderung steht in der
Tat nach Abschluß des Friedens nur die Wahl des Zeitpunktes entgegen --, wir
sollen Elsaß-Lothringen, Posen, Westpreußen und andere Gebiete aus dem Reichs-


Zusammenbruch?

Die nächste wichtige Kundgebung Wilsons ist jene Rede, die er zur Feier des
4. Juli am Grabe Washingtons gehalten hat. Sie gipfelt in der Aufstellung von
vier Punkten, die, wie Wilson sagte, verwirklicht werden müßten, ehe
Friede werden kann. Die vier Punkte lauten:

1. Vernichtung jeder Willkür und Macht, die für sich Mein und heimlich den
Frieden der Welt stören kann, und wenn ihre Vernichtung jetzt nicht möglich ist, mindestens
ihre Herabdrückung zu tatsächlicher Machtlosigkeit.
2. Regelung aller Fragen, sowohl der territorialen, wie der Souveränitätsfragen,
der wirtschaftlichen und politischen Fragen auf der Grundlage einer freien Annahme dieser
Regelung durch das Volk, das unmittelbar dabei betroffen ist, und nicht auf der Grund¬
lage des materiellen Interesses oder Vorteiles irgendeines anderen Volkes, das eine andere
Regelung zur Ausbreitung seines Einflusses oder seiner Herrschaft wünscht.
3. Einwilligung aller Völker, in ihren Verhältnissen zueinander sich von denselben
Grundsätzen der Ehre und Achtung vor dem Gewohnheitsrecht der zivilisierten Gesellschaft
leiten zu lassen, wie sie für die einzelnen Bürger moderner Staaten gelten, dergestalt, daß
alle Versprechungen und Verträge gewissenhaft beobachtet, daß keine Sonderanschläge und
Verschwörungen angezettelt werden, und daß wechselseitiges Vertrauen geschaffen wird, auf
der Basis wechselseitiger Achtung vor dem Recht.
4. Schaffung einer Friedensorganisation, die verbürgt, daß die gesamte Macht der
freien Nationen jede Rechtsverletzung verhüten wird, und die ein Schiedsgericht einrichtet,
dem alle internationalen Gegensätze unterbreitet werden sollen.

Schließlich kommt die Rede in Betracht, die Herr Wilson am 27. September
gehalten hat, um für die jüngste amerikanische Kriegsanleihe zu wirken. Aus ihr
heben wir die folgenden fünf Punkte hervor.

1. Die unparteiische Gerechtigkeit darf keine Unterscheidung zwischen denen ein¬
schließen, gegen die wir gerecht zu sein wünschen, und denen, gegen die wir nicht gerecht
zu sein wünschen. ES muß eine Gerechtigkeit sein, die keine Begünstigten kennt und keine
verschiedenen Maßstäbe, sondern gleiche Rechte für die verschiedenen in Betracht kommen¬
den Völker.
2. Kein besonderes oder abgetrenntes Interesse irgendeiner einzelnen Nation oder
einer Gruppe von Nationen, das mit dem gemeinsamen Interesse aller unverträglich ist,
kann zur Grundlage irgendeines Teiles des Abkommens gemacht werden.
3. Es kann in der allgemeinen gemeinsamen Familie des Völkerbundes keine Ver¬
bände, Bündnisse oder besondere Abmachungen und Verstänoigungem!geben.
4. Es kann, und das geht nichr ins einzelne, keine besonderen wirtschaftlichen
Kombinationen innerhalb des Bundes geben, keine Anwendung irgendeiner Form wirt¬
schaftlichen Boykotts oder Ausschusses, abgesehen von der im Völkerbund selbst als Straf-
maszregel verhängten Ausschließung von den Weltmärkten, die als Mittel der Disziplin
und der Kontrolle dient. "
ö. Alle internationalen Abmachungen und Verträge jeder Art müssen der ganzen
übrigen Welt bekanntgegeben werden.

Es wird zugegeben, daß die vierzehn Punkte Wilsons, vom allgemein
menschlichen Standpunkte aus gesehen, mancherlei Verlockendes enthalten. Es ist
vieles in ihnen, worum Generationen ringen und wofür manch edler Mensch sich
geopfert hat. Aber alle leiden an dem Fehler, daß Deutschland und das Deutschtum
sich bereit erklären sollen, sich im ganzen für ihre Durchsetzung zu opfern. Wir
sollen nicht nur die besetzten Gebiete räumen — dieser Forderung steht in der
Tat nach Abschluß des Friedens nur die Wahl des Zeitpunktes entgegen —, wir
sollen Elsaß-Lothringen, Posen, Westpreußen und andere Gebiete aus dem Reichs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/50>, abgerufen am 24.11.2024.