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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliche" "ut Unmaßgebliches

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Verdächtigungen der autzerpreutzischen Bundes"
Staaten nur so strotzte und -- wohlgemerkt --
in Bayern weiteste Verbreitung gefunden hat.
Unterschrieben ist das Machwerk von reprä¬
sentativen Namen "es "Bundes der Kaiser¬
treuen" und des PreutzenbundeS. Diese Ver¬
einigungen haben sich manche hitzige Ent¬
gleisungen geleistet -- die böseste letzthin
gegenüber der Sozialdemokratie ^ trotzdem,
jene Giftmischerei konnte man ihnen schwer¬
lich zutrauen. Und in der Tat ist das Flug¬
blatt von dieser Seite sowie von bayerischen
und preußischen amtlichen Stellen bereits als
Fälschung entlarvt worden, für deren Ursprung
im feindlichen Propagandalager "bestimmte
Beweise" ("Nordd. Allg. Ztg.") vorliegen.

Diesmal hätte es also Northclisse and
Company herzlich dumm angefangen, wenn
nicht doch der zugrunde liegende Gedanke
verwünscht gescheit wäre. Es hat keinen
Zweck, mit Tatsachen hinter dem Berge zu
halten, damit das Geramie nur immer stärker
werde. Wir wollen aussprechen was ist, da¬
mit wir uns selber in unseren Schwächen er¬
kennen und, wo wir können, siebesfern. Also:
der Partikularismus steht wieder mal in
geiler Blüte. Für seine historisch-politische
"Notwendigkeit" und guten Seiten sind mit
echt deutscher Objektivität genug Lanzen ge¬
brochen worden. Wir brauchen nun gewisz
keine öde Zentralisierung und Uniformierung.
Auch das ist richtig: die Gegensätze zwischen
Nord und Süd finden sich woanders ebenso
stark entwickelt wie bei uns. Wer in diesem
Kriege Gelegenheit hatte, in Tagebüchern
französischer Gefangener die Herzensergüsse
über die "mauäits merictionaux" zu lesen,
wird das bestätigen können. Endlich mag
die kurze Zeit des nationalen Zusammen¬
schlusses manches erklären. Aber schon hier
hapert es. Denn einmal muß doch auch eine
"Nation" aus den Kinderschuhen heraus.
Beim deutschen Michel aber scheint dieser
Prozeß unendlich langwierig, ja sogar mit
Rückfällen verbunden zu sein. Die bayerische
Briefmarke und die "Aschingerlitze" sind wirk¬
lich nicht bloß harmlose Sondervergnügen,
über die man beide Augen zudrücken kann,
sondern -- in der gewaltigen Prüfung des
Weltkrieges zumal -- Symbole für inner-
Politische Atavismen und Rückstände, die dem

[Spaltenumbruch]

Volkskörper auf die Dauer nicht mehr taugeq.
Ferne sei eS, nur den einen Teil zu bezich¬
tigen. ?een"tur extra et mer". Genug de"
Unerfreulichen hat man sich in jüngster Z"H
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leistet. Wir alle sollten uns drum zusammen¬
nehmen; Behörden und "Partikuliers", wen"
sie die Grenzpfähle ihrer engeren Heimat
hinter sich lassen, durch ihr Benehmen nicht
innere Grenzen aufrichten, die schroffer schei¬
den und trennen als die bunte Mannig¬
faltigkeit unserer Landkarte. Auch hier
heißt es: principiis obstal Wehre den un¬
scheinbaren Anfängen! Dadurch schlagen wir
am ehesten dem Feinde die Waffe der Ver¬
leumdung aus der Hand und ersticken die
blödsinnigen Gerüchte von überlaufenden
bayerischen Divisionen, Landesverrat der
"katholischen Höfe Dresden und München",
Zweikampf HindenburgS mit einem bayerischen
Offizier usw. in ihrer eigenen Lächerlichkeit.
Wenn wir dagegen selber Wind säen, in über¬
mütigen Vertrauen auf die Sicherheit unsere"
nationalen Verbandes uns den Luxus Parti"
kularistischer Zwietracht und Hechelei leisten,
werden wir -- jene Beispiele zeigen es --
Sturm ernten, und dann hüte dich, Vater¬
land, daß dieser Sturm nicht dein Lebens¬
mark versehre. -- Gedenke, daß du el"
Deutscher biset Dieses Wort des Großen
Kurfürsten hat heute noch mehr Bedeutung,
als ihm der mitleidig auf die Tage natio¬
naler Zerrissenheit und Demütigung zurück¬
blickende Epigone zuweisen möchte.

Der Preußenaufruf ist als Fälschung ent¬
hüllt; hat aber darum das System Northclisse
ganz versagt? Nein, denn leider arbeitete
ihm wie so oft -- ohne zu wollen natürlich
eine gewisse Presse bei uns in die Hände.
Das "Berliner Tageblatt" (Ur. 487) druckt
das Flugblatt in extenso ab und schickt
folgende Worte vorauf: "Preußenherzen hoch.
Ein mysteriöses Flugblatt des PreußenbundeS.
Der "Preußenbund" hat an eine Reihe von
Personen folgenden Aufruf "vertraulich ver¬
sendet". Jeder Mensch muß nach diesem
apodiktischen Perfektum die weiteren Aus¬
führungen als eine verbürgt feststehende Tat¬
sache betrachten. Mit diesem Gefühl geht er
an die Lektüre und seine hierbei aus triftigsten
Gründen rege werdende Empörung richtet sich

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Maßgebliche» «ut Unmaßgebliches

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Verdächtigungen der autzerpreutzischen Bundes»
Staaten nur so strotzte und — wohlgemerkt —
in Bayern weiteste Verbreitung gefunden hat.
Unterschrieben ist das Machwerk von reprä¬
sentativen Namen »es „Bundes der Kaiser¬
treuen" und des PreutzenbundeS. Diese Ver¬
einigungen haben sich manche hitzige Ent¬
gleisungen geleistet — die böseste letzthin
gegenüber der Sozialdemokratie ^ trotzdem,
jene Giftmischerei konnte man ihnen schwer¬
lich zutrauen. Und in der Tat ist das Flug¬
blatt von dieser Seite sowie von bayerischen
und preußischen amtlichen Stellen bereits als
Fälschung entlarvt worden, für deren Ursprung
im feindlichen Propagandalager „bestimmte
Beweise" („Nordd. Allg. Ztg.") vorliegen.

Diesmal hätte es also Northclisse and
Company herzlich dumm angefangen, wenn
nicht doch der zugrunde liegende Gedanke
verwünscht gescheit wäre. Es hat keinen
Zweck, mit Tatsachen hinter dem Berge zu
halten, damit das Geramie nur immer stärker
werde. Wir wollen aussprechen was ist, da¬
mit wir uns selber in unseren Schwächen er¬
kennen und, wo wir können, siebesfern. Also:
der Partikularismus steht wieder mal in
geiler Blüte. Für seine historisch-politische
„Notwendigkeit" und guten Seiten sind mit
echt deutscher Objektivität genug Lanzen ge¬
brochen worden. Wir brauchen nun gewisz
keine öde Zentralisierung und Uniformierung.
Auch das ist richtig: die Gegensätze zwischen
Nord und Süd finden sich woanders ebenso
stark entwickelt wie bei uns. Wer in diesem
Kriege Gelegenheit hatte, in Tagebüchern
französischer Gefangener die Herzensergüsse
über die „mauäits merictionaux" zu lesen,
wird das bestätigen können. Endlich mag
die kurze Zeit des nationalen Zusammen¬
schlusses manches erklären. Aber schon hier
hapert es. Denn einmal muß doch auch eine
„Nation" aus den Kinderschuhen heraus.
Beim deutschen Michel aber scheint dieser
Prozeß unendlich langwierig, ja sogar mit
Rückfällen verbunden zu sein. Die bayerische
Briefmarke und die „Aschingerlitze" sind wirk¬
lich nicht bloß harmlose Sondervergnügen,
über die man beide Augen zudrücken kann,
sondern — in der gewaltigen Prüfung des
Weltkrieges zumal — Symbole für inner-
Politische Atavismen und Rückstände, die dem

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Volkskörper auf die Dauer nicht mehr taugeq.
Ferne sei eS, nur den einen Teil zu bezich¬
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sie die Grenzpfähle ihrer engeren Heimat
hinter sich lassen, durch ihr Benehmen nicht
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den und trennen als die bunte Mannig¬
faltigkeit unserer Landkarte. Auch hier
heißt es: principiis obstal Wehre den un¬
scheinbaren Anfängen! Dadurch schlagen wir
am ehesten dem Feinde die Waffe der Ver¬
leumdung aus der Hand und ersticken die
blödsinnigen Gerüchte von überlaufenden
bayerischen Divisionen, Landesverrat der
„katholischen Höfe Dresden und München",
Zweikampf HindenburgS mit einem bayerischen
Offizier usw. in ihrer eigenen Lächerlichkeit.
Wenn wir dagegen selber Wind säen, in über¬
mütigen Vertrauen auf die Sicherheit unsere»
nationalen Verbandes uns den Luxus Parti«
kularistischer Zwietracht und Hechelei leisten,
werden wir — jene Beispiele zeigen es —
Sturm ernten, und dann hüte dich, Vater¬
land, daß dieser Sturm nicht dein Lebens¬
mark versehre. — Gedenke, daß du el«
Deutscher biset Dieses Wort des Großen
Kurfürsten hat heute noch mehr Bedeutung,
als ihm der mitleidig auf die Tage natio¬
naler Zerrissenheit und Demütigung zurück¬
blickende Epigone zuweisen möchte.

Der Preußenaufruf ist als Fälschung ent¬
hüllt; hat aber darum das System Northclisse
ganz versagt? Nein, denn leider arbeitete
ihm wie so oft — ohne zu wollen natürlich
eine gewisse Presse bei uns in die Hände.
Das „Berliner Tageblatt" (Ur. 487) druckt
das Flugblatt in extenso ab und schickt
folgende Worte vorauf: „Preußenherzen hoch.
Ein mysteriöses Flugblatt des PreußenbundeS.
Der „Preußenbund" hat an eine Reihe von
Personen folgenden Aufruf „vertraulich ver¬
sendet". Jeder Mensch muß nach diesem
apodiktischen Perfektum die weiteren Aus¬
führungen als eine verbürgt feststehende Tat¬
sache betrachten. Mit diesem Gefühl geht er
an die Lektüre und seine hierbei aus triftigsten
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/43>, abgerufen am 24.11.2024.