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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Bismarck's vclmäcklnis

Während seiner Amtszeit hat Bismarck Stunden gehabt, ,in denen er sich für
den Fall eines deutsch-russischen Zusammenstoßes mit dem Gedanken einer Los¬
trennung Kongreßpolens von Rußland beschäftigte. Das stärkste Zeugnis dafür
liefert eine Stelle in den Hohenloheschen Denkwürdigkeiten (II, S. 343) aus dem
Jahre 1833. Danach äußerte Fürst Bismarck: Ein Krieg mit Rußland, bei dem
Mir Osterreich unterstützen, müßten, sei ein Unglück, denn wir könnten ja nichts
gewinnen, nicht einmal die Kriegskosten bekommen. Bei günstigem Verlauf
"lichten wir Polen bis an die Dura und den Tnjepr Herstellen. Wir würden
zwar Polen nicht revolutionieren, aber Österreich-Ungarn gewähren lassen, das
dann einen Erzherzog zum König von Polen machen würde. Gegen das neue
Königreich würde sich dann wieder ein Drei-Kaiser-Bündnis bilden. Im
Oktober 1887 warf Bismarck zu seinem Friedrichsruher Gast Crispi die Be¬
merkung hin: Wenn man den Polen "in wenig hülfe, sich zu erheben, könnten
sie ihr Joch abschütteln und unter einem österreichischen Erzherzoge einen selb¬
ständigen Staat bilden. Drei Jahre später, kurz noch seiner Entlassung, sagte
er zu einem russischen Zeitungsmann: Betaue Deutschland in einem Kriege mit
Rußland die Oberhand, so müßte es die Polen nehmen, deren wir schon genug
hätten. Gewiß, der erste und dritte Ausspruch richteten sich gegen das Unglück
eines Krieges mit Rußland. Aber für den schlimmsten Fall 'hi'ete sich der Alt¬
meister doch-den Weg zu einer vollständig veränderten Behandlung der Polen¬
frage offen.

Hermann Oncken, der sich in seiner erwähnten Schrift über das alte und
das neue Mitteleuropa ausführlicher mit der Polenpolitik beschäftigt, beruft sich
auch auf das Buch: "Bismarck. Zwölf Jahre deutscher Politik 1871 bis 1833",
erschienen in Leipzig 1884, in dem ein wundersames Gespräch Bismarcks mit
dem Grafen Se. Ballier (von 1878 bis 1882 französischer Botschafter in Berlin)
wiedergegeben ist. Die Unterredung sollte nichts Geringeres zum Gegenstand
gehabt haben, als einen Freundschaftsbund zwischen den Großstaaten Mittel¬
europas (Teutschland, Frankreich, Österreich-Ungarn), der an Innigkeit alle
Allianzen übertreffen, die Teilung der Türkei zwischen Rußland und England
verhindern, dem gegenseitigen Zerfleischen von Deutschland und Frankreich ein
Ende machen und durch seine weltpolitische Bedeutung den Streit um Elsaß-
Lothringen zu einer Winzigkeit Herabdrücken würde. Dabei sollte Fürst Bis¬
marck auch die wegen der steten Gefahr am Rhein notwendige russische Rücken¬
deckung beklagt haben, die dazu geführt hätte, daß die deutschen Mächte mit ge¬
bundenen Händen zusehen mußten, wie das Nachbarland Polen ruiniert wurde,
und daß sich Preußen wie ein wachsamer Hund vor die polnischen Tore Ru߬
lands legte.

In der Annahme, daß diese Veröffentlichung amtlicher oder halbamtlicher
Herkunft gewesen sei, folgt Oncken dem 1892 anonym erschienenen Werke "Ber-
lin-Wien-Nom" von Julius von Eckardt. Dieser vortreffliche Schriftsteller von
Welterfahrung, politischer Schulung und reichem Wissen war, aus seiner balti¬
schen Heimat wegen seiner deutscheu Gesinnung verdrängt, zuerst in Hamburg
tätig und wurde baun unter Bismarck, der sich für ihn interessierte, in den aus¬
wärtigen Dienst übernommen. Unter Caprivi kam er von dem Konsulat in
Marseille auf .den Posten des Generalkonsuls in Stockholm. Sein Berlin-Wien-
Rom wurde von dem Strudel, der bei der Wiener Reise des Fürsten Bismarck
und durch die Veröffentlichung des Uriasbriefes entstand, verschlungen, ist aber
heute noch lesenswert. Die Annahme jedoch, daß jene "Zwölf Jahre auswärti¬
ger Politik" unter amtlicher Billigung erschienen seien, unterliegt starkem
Zweifel.

Die Schrift rührte von dem Journalisten Hermann Robolskh her. Er
war zu jener Zeit schon in reifen Jahren, ich kannte ihn oberflächlich und er¬
innere mich noch seiner heiter-gutmütigen Augen. Sein Brot verdiente er mit
leicht geschriebenen Artikeln und Berichten, hauptsächlich aber mit der Her¬
stellung von Büchern. AIs Bücherfabrikant war er ein Proteus. Bald verbarg
er sich unter drei Sternen,, bald erschien er unter dem Namen Wiermcmn, bald


Bismarck's vclmäcklnis

Während seiner Amtszeit hat Bismarck Stunden gehabt, ,in denen er sich für
den Fall eines deutsch-russischen Zusammenstoßes mit dem Gedanken einer Los¬
trennung Kongreßpolens von Rußland beschäftigte. Das stärkste Zeugnis dafür
liefert eine Stelle in den Hohenloheschen Denkwürdigkeiten (II, S. 343) aus dem
Jahre 1833. Danach äußerte Fürst Bismarck: Ein Krieg mit Rußland, bei dem
Mir Osterreich unterstützen, müßten, sei ein Unglück, denn wir könnten ja nichts
gewinnen, nicht einmal die Kriegskosten bekommen. Bei günstigem Verlauf
«lichten wir Polen bis an die Dura und den Tnjepr Herstellen. Wir würden
zwar Polen nicht revolutionieren, aber Österreich-Ungarn gewähren lassen, das
dann einen Erzherzog zum König von Polen machen würde. Gegen das neue
Königreich würde sich dann wieder ein Drei-Kaiser-Bündnis bilden. Im
Oktober 1887 warf Bismarck zu seinem Friedrichsruher Gast Crispi die Be¬
merkung hin: Wenn man den Polen «in wenig hülfe, sich zu erheben, könnten
sie ihr Joch abschütteln und unter einem österreichischen Erzherzoge einen selb¬
ständigen Staat bilden. Drei Jahre später, kurz noch seiner Entlassung, sagte
er zu einem russischen Zeitungsmann: Betaue Deutschland in einem Kriege mit
Rußland die Oberhand, so müßte es die Polen nehmen, deren wir schon genug
hätten. Gewiß, der erste und dritte Ausspruch richteten sich gegen das Unglück
eines Krieges mit Rußland. Aber für den schlimmsten Fall 'hi'ete sich der Alt¬
meister doch-den Weg zu einer vollständig veränderten Behandlung der Polen¬
frage offen.

Hermann Oncken, der sich in seiner erwähnten Schrift über das alte und
das neue Mitteleuropa ausführlicher mit der Polenpolitik beschäftigt, beruft sich
auch auf das Buch: „Bismarck. Zwölf Jahre deutscher Politik 1871 bis 1833",
erschienen in Leipzig 1884, in dem ein wundersames Gespräch Bismarcks mit
dem Grafen Se. Ballier (von 1878 bis 1882 französischer Botschafter in Berlin)
wiedergegeben ist. Die Unterredung sollte nichts Geringeres zum Gegenstand
gehabt haben, als einen Freundschaftsbund zwischen den Großstaaten Mittel¬
europas (Teutschland, Frankreich, Österreich-Ungarn), der an Innigkeit alle
Allianzen übertreffen, die Teilung der Türkei zwischen Rußland und England
verhindern, dem gegenseitigen Zerfleischen von Deutschland und Frankreich ein
Ende machen und durch seine weltpolitische Bedeutung den Streit um Elsaß-
Lothringen zu einer Winzigkeit Herabdrücken würde. Dabei sollte Fürst Bis¬
marck auch die wegen der steten Gefahr am Rhein notwendige russische Rücken¬
deckung beklagt haben, die dazu geführt hätte, daß die deutschen Mächte mit ge¬
bundenen Händen zusehen mußten, wie das Nachbarland Polen ruiniert wurde,
und daß sich Preußen wie ein wachsamer Hund vor die polnischen Tore Ru߬
lands legte.

In der Annahme, daß diese Veröffentlichung amtlicher oder halbamtlicher
Herkunft gewesen sei, folgt Oncken dem 1892 anonym erschienenen Werke „Ber-
lin-Wien-Nom" von Julius von Eckardt. Dieser vortreffliche Schriftsteller von
Welterfahrung, politischer Schulung und reichem Wissen war, aus seiner balti¬
schen Heimat wegen seiner deutscheu Gesinnung verdrängt, zuerst in Hamburg
tätig und wurde baun unter Bismarck, der sich für ihn interessierte, in den aus¬
wärtigen Dienst übernommen. Unter Caprivi kam er von dem Konsulat in
Marseille auf .den Posten des Generalkonsuls in Stockholm. Sein Berlin-Wien-
Rom wurde von dem Strudel, der bei der Wiener Reise des Fürsten Bismarck
und durch die Veröffentlichung des Uriasbriefes entstand, verschlungen, ist aber
heute noch lesenswert. Die Annahme jedoch, daß jene „Zwölf Jahre auswärti¬
ger Politik" unter amtlicher Billigung erschienen seien, unterliegt starkem
Zweifel.

Die Schrift rührte von dem Journalisten Hermann Robolskh her. Er
war zu jener Zeit schon in reifen Jahren, ich kannte ihn oberflächlich und er¬
innere mich noch seiner heiter-gutmütigen Augen. Sein Brot verdiente er mit
leicht geschriebenen Artikeln und Berichten, hauptsächlich aber mit der Her¬
stellung von Büchern. AIs Bücherfabrikant war er ein Proteus. Bald verbarg
er sich unter drei Sternen,, bald erschien er unter dem Namen Wiermcmn, bald


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[0292] Bismarck's vclmäcklnis Während seiner Amtszeit hat Bismarck Stunden gehabt, ,in denen er sich für den Fall eines deutsch-russischen Zusammenstoßes mit dem Gedanken einer Los¬ trennung Kongreßpolens von Rußland beschäftigte. Das stärkste Zeugnis dafür liefert eine Stelle in den Hohenloheschen Denkwürdigkeiten (II, S. 343) aus dem Jahre 1833. Danach äußerte Fürst Bismarck: Ein Krieg mit Rußland, bei dem Mir Osterreich unterstützen, müßten, sei ein Unglück, denn wir könnten ja nichts gewinnen, nicht einmal die Kriegskosten bekommen. Bei günstigem Verlauf «lichten wir Polen bis an die Dura und den Tnjepr Herstellen. Wir würden zwar Polen nicht revolutionieren, aber Österreich-Ungarn gewähren lassen, das dann einen Erzherzog zum König von Polen machen würde. Gegen das neue Königreich würde sich dann wieder ein Drei-Kaiser-Bündnis bilden. Im Oktober 1887 warf Bismarck zu seinem Friedrichsruher Gast Crispi die Be¬ merkung hin: Wenn man den Polen «in wenig hülfe, sich zu erheben, könnten sie ihr Joch abschütteln und unter einem österreichischen Erzherzoge einen selb¬ ständigen Staat bilden. Drei Jahre später, kurz noch seiner Entlassung, sagte er zu einem russischen Zeitungsmann: Betaue Deutschland in einem Kriege mit Rußland die Oberhand, so müßte es die Polen nehmen, deren wir schon genug hätten. Gewiß, der erste und dritte Ausspruch richteten sich gegen das Unglück eines Krieges mit Rußland. Aber für den schlimmsten Fall 'hi'ete sich der Alt¬ meister doch-den Weg zu einer vollständig veränderten Behandlung der Polen¬ frage offen. Hermann Oncken, der sich in seiner erwähnten Schrift über das alte und das neue Mitteleuropa ausführlicher mit der Polenpolitik beschäftigt, beruft sich auch auf das Buch: „Bismarck. Zwölf Jahre deutscher Politik 1871 bis 1833", erschienen in Leipzig 1884, in dem ein wundersames Gespräch Bismarcks mit dem Grafen Se. Ballier (von 1878 bis 1882 französischer Botschafter in Berlin) wiedergegeben ist. Die Unterredung sollte nichts Geringeres zum Gegenstand gehabt haben, als einen Freundschaftsbund zwischen den Großstaaten Mittel¬ europas (Teutschland, Frankreich, Österreich-Ungarn), der an Innigkeit alle Allianzen übertreffen, die Teilung der Türkei zwischen Rußland und England verhindern, dem gegenseitigen Zerfleischen von Deutschland und Frankreich ein Ende machen und durch seine weltpolitische Bedeutung den Streit um Elsaß- Lothringen zu einer Winzigkeit Herabdrücken würde. Dabei sollte Fürst Bis¬ marck auch die wegen der steten Gefahr am Rhein notwendige russische Rücken¬ deckung beklagt haben, die dazu geführt hätte, daß die deutschen Mächte mit ge¬ bundenen Händen zusehen mußten, wie das Nachbarland Polen ruiniert wurde, und daß sich Preußen wie ein wachsamer Hund vor die polnischen Tore Ru߬ lands legte. In der Annahme, daß diese Veröffentlichung amtlicher oder halbamtlicher Herkunft gewesen sei, folgt Oncken dem 1892 anonym erschienenen Werke „Ber- lin-Wien-Nom" von Julius von Eckardt. Dieser vortreffliche Schriftsteller von Welterfahrung, politischer Schulung und reichem Wissen war, aus seiner balti¬ schen Heimat wegen seiner deutscheu Gesinnung verdrängt, zuerst in Hamburg tätig und wurde baun unter Bismarck, der sich für ihn interessierte, in den aus¬ wärtigen Dienst übernommen. Unter Caprivi kam er von dem Konsulat in Marseille auf .den Posten des Generalkonsuls in Stockholm. Sein Berlin-Wien- Rom wurde von dem Strudel, der bei der Wiener Reise des Fürsten Bismarck und durch die Veröffentlichung des Uriasbriefes entstand, verschlungen, ist aber heute noch lesenswert. Die Annahme jedoch, daß jene „Zwölf Jahre auswärti¬ ger Politik" unter amtlicher Billigung erschienen seien, unterliegt starkem Zweifel. Die Schrift rührte von dem Journalisten Hermann Robolskh her. Er war zu jener Zeit schon in reifen Jahren, ich kannte ihn oberflächlich und er¬ innere mich noch seiner heiter-gutmütigen Augen. Sein Brot verdiente er mit leicht geschriebenen Artikeln und Berichten, hauptsächlich aber mit der Her¬ stellung von Büchern. AIs Bücherfabrikant war er ein Proteus. Bald verbarg er sich unter drei Sternen,, bald erschien er unter dem Namen Wiermcmn, bald

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/292>, abgerufen am 24.11.2024.