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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Nachfolger noch eine verschiffte Behandlung der - polnischen Jrredenta in Preußen,
nicht bloß in Foeur von Schutzmaßregeln für die in Posen und Westpreußen
.mener mehr zilrückgedrängte deutsche Besiedelung, sondem auch auf dein Gebiete
*ver Kirche und Schule vor. Nach dein Tode des Erzbischofs Dinder wurde das
Eizbistum Gncson wieder mit einem Siockpolen in der Person des Prälaten
von Stablewsli bes'tzr. cer als Abgeordneter in der Kulturkampfzeit einer der hef¬
tigsten Redner gewesen, nun aber zu einer versöhnlicheren Haltung bereit our.
Der Kultusminister Graf Zedlitz-TrützschZer. vorher Oberprändent ner Provinz
Posen, erließ alsbald tiach ieiner Ernennung eine Verfügung (vom 11, April 1891),
die den Voüsjckullchrerüi die Erteilung von Privatunterricht im polnischen Lej.n
-lind Schreiben im SchuIgebmiZe gestattete. Die Neuerung besiaud iiur darin,
daß der polnische Pnvaiunienicht im Lisen und Schreiben alles in öffenilichcn
Schülgebiuiden abgeyalien werden durste. Trotzdem erregte sie damals schcufe
D vatieii. bei denen Anhänger des alten Kurses so taten, als ob die Hergabe von
Samlhäusern . zur Erleichterung des PnvatunterncktS in den Elementen der
Muüeisproche in s der Perwirilichiino in vßpolinstber Träume näher oiächie.

Beide Maßregeln, die Wahl eines Polnischen Erzbischofs und der Schul¬
erlaß -des Kultusministers, hatten -zunächst den günstigen Erfolg, -daß die polnische
Fraktion im Reichstage ihren reinen Proteststandpunkt verließ und begann, an
den Reichsangelegenheiten, namentlich den militärischen und maritimen, mitzu¬
arbeiten. Tös dauerte aber nicht lange. Gegen die sog.' Hospartei des .Herrn
v. Koscielski (spottweise Admiralski genannt) erhob sich das -demokratisch gerichtete
polnische Bürgertum in den Städten, zum Teil mit Unterstützung von Kanzel
und Beichtstuhl, und bei der hundertjährigen Wiederkehr des Tage's der zweiten
Teilung Polens (1M5) erschienen in der polnischen Provinzpresse Artikel, in
denen die Wiederaufrichtung des alten Polenre-ichs, womöglich von Meer zu
Meer, d. h. von der "Ostsee bis zum Pontus Euxinus, gefordert wurde. Auch
fehlte es in den Ostmarken nicht an brutalen Ausschreitungen sanat-isierten
Volkes gegen preußische Beamte.

Fürst Bismcirck hielt die Tendenz des von Caprivi begonnenen
und vom Fürsten Hohenlohe fortgesetzten versöhnlichleren Polenkurses
von vornherein für verfehlt und schädlich: für verfehlt, weil sie doch
ihr Ziel, die deutschen Polen zufriedener zu machen, als die geknechte¬
ten russischen waren, nicht erreichen würde, für schädlich, weil- das
zarische Rußland Anlaß hätte, daran zum Nachteil der alten freundnachbarlichen
Beziehungen Ärgernis zu nehmen. Schon im Juli 1892 ließ er in den "Ham¬
burger Nachrichten" schreiben: die Verschärfung der Gegensätze zwischen Berlin
und Petersburg sei -hauptsächlich durch die Politik erfolgt, die von preußischer
Seite in den polnischen Fragen unter den Einflüssen des Zentrums ausgeführt
werde, die Aussicht, daß wiederum Borbereitungen zur Revolutionierung des
russischen Polens getroffen würden, könnte unmöglich das Vertrauen zwischen
den beiden Nachbarreichen fördern. Diese und ähnliche Äußerungen stimmten
weder mit der Tatsache überein, daß sich schon -in den letzten drei Jahren der
Bismarckschen Kanzlerschaft die russisch-deutschen Gegensätze verschärft hatten,
noch trafen sie den wahren Sinn der neuen Polenpolitik. Ebenso merkwürdig
war die wiederholtvom Fürsten B-ismarck im Ruhestande ausgesprochene Auf¬
fassung, die Panslawisten seien nicht so gefährlich, die schlimmsten Kriegshetzer
seien Polen, Juden, Nihilisten und Franzosen, besonders der Pole mit seiner
höheren Bildung und seiner Meisterschaft im Verschwörerwesen mache die
russische Presse gegen Deutschland mobil. Richtig daran mochte sein, daß die pol¬
nischen Beamten und Journalisten eine bessere .Kenntnis der inneren russischen
Schwäche besaßen und hauptsächlich darauf ihre Zukunftshoffnnngen stellten.



' Z. B. zu Haus Blum, 30. Okt. 1892: "Es sind nur drei Elemente, die in
Rußland zur Kriege hetzten: die Presse, die Polen "tut -die Juden. Die Presse nur
insoweit, vis sie vom Ausland", von Polen und Juden .beeinflußt ist oder von Polen
und Juden -bedient wird."

Nachfolger noch eine verschiffte Behandlung der - polnischen Jrredenta in Preußen,
nicht bloß in Foeur von Schutzmaßregeln für die in Posen und Westpreußen
.mener mehr zilrückgedrängte deutsche Besiedelung, sondem auch auf dein Gebiete
*ver Kirche und Schule vor. Nach dein Tode des Erzbischofs Dinder wurde das
Eizbistum Gncson wieder mit einem Siockpolen in der Person des Prälaten
von Stablewsli bes'tzr. cer als Abgeordneter in der Kulturkampfzeit einer der hef¬
tigsten Redner gewesen, nun aber zu einer versöhnlicheren Haltung bereit our.
Der Kultusminister Graf Zedlitz-TrützschZer. vorher Oberprändent ner Provinz
Posen, erließ alsbald tiach ieiner Ernennung eine Verfügung (vom 11, April 1891),
die den Voüsjckullchrerüi die Erteilung von Privatunterricht im polnischen Lej.n
-lind Schreiben im SchuIgebmiZe gestattete. Die Neuerung besiaud iiur darin,
daß der polnische Pnvaiunienicht im Lisen und Schreiben alles in öffenilichcn
Schülgebiuiden abgeyalien werden durste. Trotzdem erregte sie damals schcufe
D vatieii. bei denen Anhänger des alten Kurses so taten, als ob die Hergabe von
Samlhäusern . zur Erleichterung des PnvatunterncktS in den Elementen der
Muüeisproche in s der Perwirilichiino in vßpolinstber Träume näher oiächie.

Beide Maßregeln, die Wahl eines Polnischen Erzbischofs und der Schul¬
erlaß -des Kultusministers, hatten -zunächst den günstigen Erfolg, -daß die polnische
Fraktion im Reichstage ihren reinen Proteststandpunkt verließ und begann, an
den Reichsangelegenheiten, namentlich den militärischen und maritimen, mitzu¬
arbeiten. Tös dauerte aber nicht lange. Gegen die sog.' Hospartei des .Herrn
v. Koscielski (spottweise Admiralski genannt) erhob sich das -demokratisch gerichtete
polnische Bürgertum in den Städten, zum Teil mit Unterstützung von Kanzel
und Beichtstuhl, und bei der hundertjährigen Wiederkehr des Tage's der zweiten
Teilung Polens (1M5) erschienen in der polnischen Provinzpresse Artikel, in
denen die Wiederaufrichtung des alten Polenre-ichs, womöglich von Meer zu
Meer, d. h. von der "Ostsee bis zum Pontus Euxinus, gefordert wurde. Auch
fehlte es in den Ostmarken nicht an brutalen Ausschreitungen sanat-isierten
Volkes gegen preußische Beamte.

Fürst Bismcirck hielt die Tendenz des von Caprivi begonnenen
und vom Fürsten Hohenlohe fortgesetzten versöhnlichleren Polenkurses
von vornherein für verfehlt und schädlich: für verfehlt, weil sie doch
ihr Ziel, die deutschen Polen zufriedener zu machen, als die geknechte¬
ten russischen waren, nicht erreichen würde, für schädlich, weil- das
zarische Rußland Anlaß hätte, daran zum Nachteil der alten freundnachbarlichen
Beziehungen Ärgernis zu nehmen. Schon im Juli 1892 ließ er in den „Ham¬
burger Nachrichten" schreiben: die Verschärfung der Gegensätze zwischen Berlin
und Petersburg sei -hauptsächlich durch die Politik erfolgt, die von preußischer
Seite in den polnischen Fragen unter den Einflüssen des Zentrums ausgeführt
werde, die Aussicht, daß wiederum Borbereitungen zur Revolutionierung des
russischen Polens getroffen würden, könnte unmöglich das Vertrauen zwischen
den beiden Nachbarreichen fördern. Diese und ähnliche Äußerungen stimmten
weder mit der Tatsache überein, daß sich schon -in den letzten drei Jahren der
Bismarckschen Kanzlerschaft die russisch-deutschen Gegensätze verschärft hatten,
noch trafen sie den wahren Sinn der neuen Polenpolitik. Ebenso merkwürdig
war die wiederholtvom Fürsten B-ismarck im Ruhestande ausgesprochene Auf¬
fassung, die Panslawisten seien nicht so gefährlich, die schlimmsten Kriegshetzer
seien Polen, Juden, Nihilisten und Franzosen, besonders der Pole mit seiner
höheren Bildung und seiner Meisterschaft im Verschwörerwesen mache die
russische Presse gegen Deutschland mobil. Richtig daran mochte sein, daß die pol¬
nischen Beamten und Journalisten eine bessere .Kenntnis der inneren russischen
Schwäche besaßen und hauptsächlich darauf ihre Zukunftshoffnnngen stellten.



' Z. B. zu Haus Blum, 30. Okt. 1892: „Es sind nur drei Elemente, die in
Rußland zur Kriege hetzten: die Presse, die Polen »tut -die Juden. Die Presse nur
insoweit, vis sie vom Ausland«, von Polen und Juden .beeinflußt ist oder von Polen
und Juden -bedient wird."
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[0291] Nachfolger noch eine verschiffte Behandlung der - polnischen Jrredenta in Preußen, nicht bloß in Foeur von Schutzmaßregeln für die in Posen und Westpreußen .mener mehr zilrückgedrängte deutsche Besiedelung, sondem auch auf dein Gebiete *ver Kirche und Schule vor. Nach dein Tode des Erzbischofs Dinder wurde das Eizbistum Gncson wieder mit einem Siockpolen in der Person des Prälaten von Stablewsli bes'tzr. cer als Abgeordneter in der Kulturkampfzeit einer der hef¬ tigsten Redner gewesen, nun aber zu einer versöhnlicheren Haltung bereit our. Der Kultusminister Graf Zedlitz-TrützschZer. vorher Oberprändent ner Provinz Posen, erließ alsbald tiach ieiner Ernennung eine Verfügung (vom 11, April 1891), die den Voüsjckullchrerüi die Erteilung von Privatunterricht im polnischen Lej.n -lind Schreiben im SchuIgebmiZe gestattete. Die Neuerung besiaud iiur darin, daß der polnische Pnvaiunienicht im Lisen und Schreiben alles in öffenilichcn Schülgebiuiden abgeyalien werden durste. Trotzdem erregte sie damals schcufe D vatieii. bei denen Anhänger des alten Kurses so taten, als ob die Hergabe von Samlhäusern . zur Erleichterung des PnvatunterncktS in den Elementen der Muüeisproche in s der Perwirilichiino in vßpolinstber Träume näher oiächie. Beide Maßregeln, die Wahl eines Polnischen Erzbischofs und der Schul¬ erlaß -des Kultusministers, hatten -zunächst den günstigen Erfolg, -daß die polnische Fraktion im Reichstage ihren reinen Proteststandpunkt verließ und begann, an den Reichsangelegenheiten, namentlich den militärischen und maritimen, mitzu¬ arbeiten. Tös dauerte aber nicht lange. Gegen die sog.' Hospartei des .Herrn v. Koscielski (spottweise Admiralski genannt) erhob sich das -demokratisch gerichtete polnische Bürgertum in den Städten, zum Teil mit Unterstützung von Kanzel und Beichtstuhl, und bei der hundertjährigen Wiederkehr des Tage's der zweiten Teilung Polens (1M5) erschienen in der polnischen Provinzpresse Artikel, in denen die Wiederaufrichtung des alten Polenre-ichs, womöglich von Meer zu Meer, d. h. von der "Ostsee bis zum Pontus Euxinus, gefordert wurde. Auch fehlte es in den Ostmarken nicht an brutalen Ausschreitungen sanat-isierten Volkes gegen preußische Beamte. Fürst Bismcirck hielt die Tendenz des von Caprivi begonnenen und vom Fürsten Hohenlohe fortgesetzten versöhnlichleren Polenkurses von vornherein für verfehlt und schädlich: für verfehlt, weil sie doch ihr Ziel, die deutschen Polen zufriedener zu machen, als die geknechte¬ ten russischen waren, nicht erreichen würde, für schädlich, weil- das zarische Rußland Anlaß hätte, daran zum Nachteil der alten freundnachbarlichen Beziehungen Ärgernis zu nehmen. Schon im Juli 1892 ließ er in den „Ham¬ burger Nachrichten" schreiben: die Verschärfung der Gegensätze zwischen Berlin und Petersburg sei -hauptsächlich durch die Politik erfolgt, die von preußischer Seite in den polnischen Fragen unter den Einflüssen des Zentrums ausgeführt werde, die Aussicht, daß wiederum Borbereitungen zur Revolutionierung des russischen Polens getroffen würden, könnte unmöglich das Vertrauen zwischen den beiden Nachbarreichen fördern. Diese und ähnliche Äußerungen stimmten weder mit der Tatsache überein, daß sich schon -in den letzten drei Jahren der Bismarckschen Kanzlerschaft die russisch-deutschen Gegensätze verschärft hatten, noch trafen sie den wahren Sinn der neuen Polenpolitik. Ebenso merkwürdig war die wiederholtvom Fürsten B-ismarck im Ruhestande ausgesprochene Auf¬ fassung, die Panslawisten seien nicht so gefährlich, die schlimmsten Kriegshetzer seien Polen, Juden, Nihilisten und Franzosen, besonders der Pole mit seiner höheren Bildung und seiner Meisterschaft im Verschwörerwesen mache die russische Presse gegen Deutschland mobil. Richtig daran mochte sein, daß die pol¬ nischen Beamten und Journalisten eine bessere .Kenntnis der inneren russischen Schwäche besaßen und hauptsächlich darauf ihre Zukunftshoffnnngen stellten. ' Z. B. zu Haus Blum, 30. Okt. 1892: „Es sind nur drei Elemente, die in Rußland zur Kriege hetzten: die Presse, die Polen »tut -die Juden. Die Presse nur insoweit, vis sie vom Ausland«, von Polen und Juden .beeinflußt ist oder von Polen und Juden -bedient wird."

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/291>, abgerufen am 22.07.2024.