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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Bismarcks Vermächtnis

schließungen bewirkt hätten und heute von dem ieu sncrö der Revanche ergriffen ^
wären, ein neuer, diesmal ein letzter, weil mit einem saiZner ä blanc endigender
Wassergang drohe. Italien und England werden nur der Vollstnnd gien halber
erwähnt, weil kein Grund vorliege, daß wir für beide Regierungen und sie für
uns gegenseitig nicht das größte Wohlwollen haben sollten. Die zweite, die von
allen Bismarckceden berühmteste,- vom 6, Februar 1888, ist auf einen anderen Ton
gestimmt. Da kommt die Klage über unsere geographische Lage, daß Gott uns
die kriegerischste und unruhigste Nation, die Franzosen, an ti>> eine Seite gesetzt
und auf der anderen, der russischen, kriegerische Neigungen hat grosz werden
lassen. Da wird zum eisten Male von dem mit turor teutonicus geführten
Volkskriege gegen zwei Fronten gesprochen, und da sprudeln nach hittoriichen
Erinnerungen die markigen Worte hervor: "Um Liebe werben wir nicht mehr,
weder in Frankreich noch in Rußland. Wir drängen uns nicht auf. Wir haben
versucht, das alte vertraute Verhältnis (zu Rußland) wieder zu gewinnen, aber
wir laufen niemand nach l" . Italien und England kommen nur noch 'in ein paar
historischen Betrachtungen vor.

Zwischen der ersten und der zweiten Rede liegt die Verlängerung des Ver¬
trags mit Italien, zu dem nach dem Besuche Cnspis in Friedrichs! us noch eme
Mitttärkonventivn hinzukam, liegt anch der Brief Bismarcks an Sotisbiuu vom
W, November 1887. In ihm wurde England zu einem Zusammenschluß mit dem
Dreibund gegen Rußland eingeladen und anf die panslawistischen Umtriebe und
inneren Anstünde des russischen Reichs hingewiesen, wo Reaktion und Revoluiion
gleicherweise ihr Ziel durch Krieg zu erreichen suchten'). Lord Salislmry gab
eine ausweichende Antwort. Ebenso wie sich Bismarck so lange alT möglich die
freie Hand bewahren wollte, scheute Solisbmy vor einer formellen Bindung
zurück. Was er leisten wollte, war allenfalls moralischer Beistand iür den Drei¬
bund, den Bismarck mit der Abwehr wiederholter russisch französischer Versuche,
der englischen Okkupation in Ägypten Schwierigkeiten machen zu helfen, vergalt
und zugleich befestigtes).

Am letzien Ende kam es immer darauf an/ die eigene Kraft des Reiches so
sehr als möglich zu stärken. Mit der Vorbereitung einer neuen, vom Kriegs¬
minister von Verdy und dem Nachfolger Moltkes, dem Grafen Waldersee, aus¬
gearbeiteten Wehrvorlage schloß seine Minister- und Kanzlerzeit ab S e endete,
wie sie ochtundzwanzig Jahre vorher begonnen hatte: mit dem Schanden nnli-
tärischer Waffen zu Schutz und Trutz als Rückhalt für die Führung der auswör-
tigen Politik.

Das ist in groben Umrissen das Bub. das die Taten des großen Realisten
uns liefern. Wir sehen ihn groß in der Konzeption seiner Ziele, ebenso groß im
Wechsel der geeigneten Mittel' und Wege. In der ersten Hälfte seines polnischen
Lebens tritt mehr die Kühnheit der Gedanken und Einschlüsse, in der zweiten mehr
das kluge Maßhalten und die stets wache Umsicht hervor. Mag sein, daß die
Zeichnung banal ist und keinen neuen Zug enthält. Dos Einfache sieht immer
banal aus, und das Ganze im Wirken gottbegnadeter Persönlichkeiten ist nicht




7) Siehe meine Schrift: "Der neue Kurs", Berlin 1918, S. SS, t9S. Den Wort¬
laut des Briefes findet der Leser am Ende des Buches,
") Noch im Oktober 1889, ein hollies Jahr vor dem Rücktritt und dreiviertel Jahr
vor dem Ablauf des Rückversicherungsvertrags, machte Bismnick zu der damals schwebenden
Frage der Annexion von Wien den Raiidvermerk auf ein Aktenstück des Auswärtigen Amts,
man niüsse erst prüfen, ob England nicht ältere Rechte dort hätte, das Verbleiben Lord
Salisburhs auf seinem Posten sei ihm wichtiger als ganz Wien. Als sich Capnvi im Fe¬
bruar 1891 hieraus gegen den Vorwurf berief, Fürst Bismarck würde nicht auf Wien ver¬
zichtet haben, suchten die "Hamburger Nachrichten" das Zitat mit der Bemerkung abzu¬
schwächen, das Margmal in den, veriraulichen Akten hätte nur den Zweck haben können, die
arbeitenden Kräfte in Berlin zu orientieren, nicht aber ein polnisches Prmrramm sür'die
Zukunft aufzustellen. Gleichwohl läht doch gerade der vertrauliche Charakter der Fnedrichs-
ruher Direktive sür den inneren Dienst darauf schlichen, daß in ihr eine natürlich nur für
die damalige Zeit gellende esoterische Ansicht Bismarcks ausgesprochen war.
Bismarcks Vermächtnis

schließungen bewirkt hätten und heute von dem ieu sncrö der Revanche ergriffen ^
wären, ein neuer, diesmal ein letzter, weil mit einem saiZner ä blanc endigender
Wassergang drohe. Italien und England werden nur der Vollstnnd gien halber
erwähnt, weil kein Grund vorliege, daß wir für beide Regierungen und sie für
uns gegenseitig nicht das größte Wohlwollen haben sollten. Die zweite, die von
allen Bismarckceden berühmteste,- vom 6, Februar 1888, ist auf einen anderen Ton
gestimmt. Da kommt die Klage über unsere geographische Lage, daß Gott uns
die kriegerischste und unruhigste Nation, die Franzosen, an ti>> eine Seite gesetzt
und auf der anderen, der russischen, kriegerische Neigungen hat grosz werden
lassen. Da wird zum eisten Male von dem mit turor teutonicus geführten
Volkskriege gegen zwei Fronten gesprochen, und da sprudeln nach hittoriichen
Erinnerungen die markigen Worte hervor: „Um Liebe werben wir nicht mehr,
weder in Frankreich noch in Rußland. Wir drängen uns nicht auf. Wir haben
versucht, das alte vertraute Verhältnis (zu Rußland) wieder zu gewinnen, aber
wir laufen niemand nach l" . Italien und England kommen nur noch 'in ein paar
historischen Betrachtungen vor.

Zwischen der ersten und der zweiten Rede liegt die Verlängerung des Ver¬
trags mit Italien, zu dem nach dem Besuche Cnspis in Friedrichs! us noch eme
Mitttärkonventivn hinzukam, liegt anch der Brief Bismarcks an Sotisbiuu vom
W, November 1887. In ihm wurde England zu einem Zusammenschluß mit dem
Dreibund gegen Rußland eingeladen und anf die panslawistischen Umtriebe und
inneren Anstünde des russischen Reichs hingewiesen, wo Reaktion und Revoluiion
gleicherweise ihr Ziel durch Krieg zu erreichen suchten'). Lord Salislmry gab
eine ausweichende Antwort. Ebenso wie sich Bismarck so lange alT möglich die
freie Hand bewahren wollte, scheute Solisbmy vor einer formellen Bindung
zurück. Was er leisten wollte, war allenfalls moralischer Beistand iür den Drei¬
bund, den Bismarck mit der Abwehr wiederholter russisch französischer Versuche,
der englischen Okkupation in Ägypten Schwierigkeiten machen zu helfen, vergalt
und zugleich befestigtes).

Am letzien Ende kam es immer darauf an/ die eigene Kraft des Reiches so
sehr als möglich zu stärken. Mit der Vorbereitung einer neuen, vom Kriegs¬
minister von Verdy und dem Nachfolger Moltkes, dem Grafen Waldersee, aus¬
gearbeiteten Wehrvorlage schloß seine Minister- und Kanzlerzeit ab S e endete,
wie sie ochtundzwanzig Jahre vorher begonnen hatte: mit dem Schanden nnli-
tärischer Waffen zu Schutz und Trutz als Rückhalt für die Führung der auswör-
tigen Politik.

Das ist in groben Umrissen das Bub. das die Taten des großen Realisten
uns liefern. Wir sehen ihn groß in der Konzeption seiner Ziele, ebenso groß im
Wechsel der geeigneten Mittel' und Wege. In der ersten Hälfte seines polnischen
Lebens tritt mehr die Kühnheit der Gedanken und Einschlüsse, in der zweiten mehr
das kluge Maßhalten und die stets wache Umsicht hervor. Mag sein, daß die
Zeichnung banal ist und keinen neuen Zug enthält. Dos Einfache sieht immer
banal aus, und das Ganze im Wirken gottbegnadeter Persönlichkeiten ist nicht




7) Siehe meine Schrift: „Der neue Kurs", Berlin 1918, S. SS, t9S. Den Wort¬
laut des Briefes findet der Leser am Ende des Buches,
«) Noch im Oktober 1889, ein hollies Jahr vor dem Rücktritt und dreiviertel Jahr
vor dem Ablauf des Rückversicherungsvertrags, machte Bismnick zu der damals schwebenden
Frage der Annexion von Wien den Raiidvermerk auf ein Aktenstück des Auswärtigen Amts,
man niüsse erst prüfen, ob England nicht ältere Rechte dort hätte, das Verbleiben Lord
Salisburhs auf seinem Posten sei ihm wichtiger als ganz Wien. Als sich Capnvi im Fe¬
bruar 1891 hieraus gegen den Vorwurf berief, Fürst Bismarck würde nicht auf Wien ver¬
zichtet haben, suchten die „Hamburger Nachrichten" das Zitat mit der Bemerkung abzu¬
schwächen, das Margmal in den, veriraulichen Akten hätte nur den Zweck haben können, die
arbeitenden Kräfte in Berlin zu orientieren, nicht aber ein polnisches Prmrramm sür'die
Zukunft aufzustellen. Gleichwohl läht doch gerade der vertrauliche Charakter der Fnedrichs-
ruher Direktive sür den inneren Dienst darauf schlichen, daß in ihr eine natürlich nur für
die damalige Zeit gellende esoterische Ansicht Bismarcks ausgesprochen war.
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[0286] Bismarcks Vermächtnis schließungen bewirkt hätten und heute von dem ieu sncrö der Revanche ergriffen ^ wären, ein neuer, diesmal ein letzter, weil mit einem saiZner ä blanc endigender Wassergang drohe. Italien und England werden nur der Vollstnnd gien halber erwähnt, weil kein Grund vorliege, daß wir für beide Regierungen und sie für uns gegenseitig nicht das größte Wohlwollen haben sollten. Die zweite, die von allen Bismarckceden berühmteste,- vom 6, Februar 1888, ist auf einen anderen Ton gestimmt. Da kommt die Klage über unsere geographische Lage, daß Gott uns die kriegerischste und unruhigste Nation, die Franzosen, an ti>> eine Seite gesetzt und auf der anderen, der russischen, kriegerische Neigungen hat grosz werden lassen. Da wird zum eisten Male von dem mit turor teutonicus geführten Volkskriege gegen zwei Fronten gesprochen, und da sprudeln nach hittoriichen Erinnerungen die markigen Worte hervor: „Um Liebe werben wir nicht mehr, weder in Frankreich noch in Rußland. Wir drängen uns nicht auf. Wir haben versucht, das alte vertraute Verhältnis (zu Rußland) wieder zu gewinnen, aber wir laufen niemand nach l" . Italien und England kommen nur noch 'in ein paar historischen Betrachtungen vor. Zwischen der ersten und der zweiten Rede liegt die Verlängerung des Ver¬ trags mit Italien, zu dem nach dem Besuche Cnspis in Friedrichs! us noch eme Mitttärkonventivn hinzukam, liegt anch der Brief Bismarcks an Sotisbiuu vom W, November 1887. In ihm wurde England zu einem Zusammenschluß mit dem Dreibund gegen Rußland eingeladen und anf die panslawistischen Umtriebe und inneren Anstünde des russischen Reichs hingewiesen, wo Reaktion und Revoluiion gleicherweise ihr Ziel durch Krieg zu erreichen suchten'). Lord Salislmry gab eine ausweichende Antwort. Ebenso wie sich Bismarck so lange alT möglich die freie Hand bewahren wollte, scheute Solisbmy vor einer formellen Bindung zurück. Was er leisten wollte, war allenfalls moralischer Beistand iür den Drei¬ bund, den Bismarck mit der Abwehr wiederholter russisch französischer Versuche, der englischen Okkupation in Ägypten Schwierigkeiten machen zu helfen, vergalt und zugleich befestigtes). Am letzien Ende kam es immer darauf an/ die eigene Kraft des Reiches so sehr als möglich zu stärken. Mit der Vorbereitung einer neuen, vom Kriegs¬ minister von Verdy und dem Nachfolger Moltkes, dem Grafen Waldersee, aus¬ gearbeiteten Wehrvorlage schloß seine Minister- und Kanzlerzeit ab S e endete, wie sie ochtundzwanzig Jahre vorher begonnen hatte: mit dem Schanden nnli- tärischer Waffen zu Schutz und Trutz als Rückhalt für die Führung der auswör- tigen Politik. Das ist in groben Umrissen das Bub. das die Taten des großen Realisten uns liefern. Wir sehen ihn groß in der Konzeption seiner Ziele, ebenso groß im Wechsel der geeigneten Mittel' und Wege. In der ersten Hälfte seines polnischen Lebens tritt mehr die Kühnheit der Gedanken und Einschlüsse, in der zweiten mehr das kluge Maßhalten und die stets wache Umsicht hervor. Mag sein, daß die Zeichnung banal ist und keinen neuen Zug enthält. Dos Einfache sieht immer banal aus, und das Ganze im Wirken gottbegnadeter Persönlichkeiten ist nicht 7) Siehe meine Schrift: „Der neue Kurs", Berlin 1918, S. SS, t9S. Den Wort¬ laut des Briefes findet der Leser am Ende des Buches, «) Noch im Oktober 1889, ein hollies Jahr vor dem Rücktritt und dreiviertel Jahr vor dem Ablauf des Rückversicherungsvertrags, machte Bismnick zu der damals schwebenden Frage der Annexion von Wien den Raiidvermerk auf ein Aktenstück des Auswärtigen Amts, man niüsse erst prüfen, ob England nicht ältere Rechte dort hätte, das Verbleiben Lord Salisburhs auf seinem Posten sei ihm wichtiger als ganz Wien. Als sich Capnvi im Fe¬ bruar 1891 hieraus gegen den Vorwurf berief, Fürst Bismarck würde nicht auf Wien ver¬ zichtet haben, suchten die „Hamburger Nachrichten" das Zitat mit der Bemerkung abzu¬ schwächen, das Margmal in den, veriraulichen Akten hätte nur den Zweck haben können, die arbeitenden Kräfte in Berlin zu orientieren, nicht aber ein polnisches Prmrramm sür'die Zukunft aufzustellen. Gleichwohl läht doch gerade der vertrauliche Charakter der Fnedrichs- ruher Direktive sür den inneren Dienst darauf schlichen, daß in ihr eine natürlich nur für die damalige Zeit gellende esoterische Ansicht Bismarcks ausgesprochen war.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/286>, abgerufen am 24.11.2024.