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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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auch die anderer wichtiger Bedarfsartikel, vor allem Kohle, insbesondere Gas¬
kohle, nickt nur die Sperre der Ausfuhr, sondern auch die der Durchfuhr aus dem
Deutschen Reich wird von den Tschechen als Mittel politischen Druckes auf die-
Wiener Regierung und auf die Verwaltungen der einzelnen deutschösterreichischen
Länder verwendet. Sie droht die Industrie brachzulegen, die uns die Austausch¬
objekte für die wirtschaftlichen Verhandlungen mit Ungarn und den Südslawen
liefern muß und sie erschwert das Aushalten und bedroht dadurch die innere Ord¬
nung. Die Gasbeleuchtung von Städten, wie etwa Graz mit mehr als ISO WO
Einwohnern, ist seit einiger Zeit eingestellt, die Beleuchtung und der Straßeu-
bahnverkehr der Millionenstadt Wien bedroht. Ungarn antwortet auf die schüch¬
terne Forderung nach Angliederung der deutschen Komitate (Haidebeueru und
Heanzen) in Westungarn -- die für 'Wien als Hinterland erwünscht erscheinen --
mit der Drohung der Ausfuhrsperre und nötigt den Staatsrat zu einer gewunde¬
nen Erklärung vorläufigen Verzichts. Und bei den Südslawen schwindet die Nei¬
gung zur Verständigung in dem Maße, als der serbische Einfluß bei ihnen das
Übergewicht erlangt. Nichteinhalten zugesagter Lieferungen, Absperrung gegen
Aus- und Durchfuhr wird auch von unserer Südgrenze immer häufiger berichtet.
Und wie zum Hohne schickt die Entente den Tschechen 45 Waggons Lebensmittel,
denen Rohstoffe folgen sollen, durch Deutschösterreich. Der Staatssekretär erklärt
auf eine Mahnung empörter Beamter, er könne das nicht hindern, da die
Tschechen Bundesgenossen der Feinde seien und diesen der freie Transport im
Waffenstillstand zugesagt sei. Und während die Not steigt, folgt ein Protest und
eine Borstellung den andern, ohne auch nur beantwortet zu werden. Noch hat ja
die Entente und Wilson unsern Staat nicht einmal anerkannt.

Aber man wartet nicht lab, bis derlei Zwangsmittel die Wirkung erzielen,
die in der Abtretung beanspruchter Gebietsteile oder in dem freiwilligen Anschluß
ihrer notleidenden Bevölkerung liegen soll, man greift mit fröhlicher Gewalttat
auf das deutsche Gebiet. Nicht nur'Sprachinseln und Sprachgrenzorte, nein auch
mitten im geschlossenen Sprachgebiet liegende Städte -- selbst Warnsdorf, Außig
u. a. -- werden von Tschechenbanden, Sokoln, Truppen und entlassenen feind¬
lichen Kriegsgefangenen überfallen, -- wenn nicht behauptet, so doch geplündert
oder mit Kontributionen bedacht. Auch hierin sind die Südslawen gelehrige
Schüler. Bis ins geschlossene deutsche Sprachgebiet der Steiermark sind sie vor¬
gedrungen, die deutschen Schutzwehren Kärntens haben sie auf das Nordufer der
Drau zurückgedrängt und erklären nun, mit dem Landesausschusse -über eine vor¬
läufige Abgrenzung verhandeln zu wollen, wenn die Deutschen anch viles slowe¬
nische Sprachgebiet im Norden der Drau ihnen zur Besetzung überlassen. Nach
südslawischer Ansicht sind aber die "germanischen" Landesteile, die teils seit länge¬
rem deutsch geworden, teils von beiden Völkern in friedlichem Zusammenleben
und zweisprachigem oder sprachmischendem Verkehr bewohnt sind ("Gogganesisch"
bezeichnet der Volkswitz als dritte Landessprache), slowenisches Gebiet; die
extremen Forderungen erstrecken sich nicht nur auf die willkürlich als "Sprach¬
insel" bezeichnete Landeshauptstadt Klagenfurt, sondern ans ganz Körnten! Bei
den Südslawen ist das Bestreben, die Teutschen durch getrennte Verhandlungen
mit Steiermark und Körnten zu spalten und sich dadurch Zugeständnisse zu sichern,,
die ein Präjudiz für die Entscheidungen des Friedenskongresses bilden sollen, mit
dem den Tschechen abgelernten Grundsatz verbunden, "ol^ l^c-ti" deutsches Ge¬
biet an sich zu reißen, dessen Bevölkerung mit den bewährten Mitteln der Krainer
Gewaltpolitik für eine eventuelle Volksabstimmung "präpariert" werden soll. So
ergäben sich drei "Rechtstitel", erpreßte Zustimmung der Nachbarländer, faktischer
territorialer Besitz und Anschlußbcreitschaft der eingeschüchterten Bevölkerung!
Die Südslawen haben übrigens ein besonderes Mittel, um deutsche Gegenwehr
bei ihren Überfällen, auszuschließen. Sie verwenden dazu serbische Kriegs¬
gefangene, die nun entlassen und bewaffnet sind, oder gehen mit serbischen Ab¬
zeichen oder unter Führung serbischer Offiziere vor. Sie treten also als Truppen
der Entente auf, denen der Waffenstillstand das Besetzungsrecht eingeräumt hat.

Der Widerstand der Deutschen in Böhmen und Mähren, wie in Südöster-


auch die anderer wichtiger Bedarfsartikel, vor allem Kohle, insbesondere Gas¬
kohle, nickt nur die Sperre der Ausfuhr, sondern auch die der Durchfuhr aus dem
Deutschen Reich wird von den Tschechen als Mittel politischen Druckes auf die-
Wiener Regierung und auf die Verwaltungen der einzelnen deutschösterreichischen
Länder verwendet. Sie droht die Industrie brachzulegen, die uns die Austausch¬
objekte für die wirtschaftlichen Verhandlungen mit Ungarn und den Südslawen
liefern muß und sie erschwert das Aushalten und bedroht dadurch die innere Ord¬
nung. Die Gasbeleuchtung von Städten, wie etwa Graz mit mehr als ISO WO
Einwohnern, ist seit einiger Zeit eingestellt, die Beleuchtung und der Straßeu-
bahnverkehr der Millionenstadt Wien bedroht. Ungarn antwortet auf die schüch¬
terne Forderung nach Angliederung der deutschen Komitate (Haidebeueru und
Heanzen) in Westungarn — die für 'Wien als Hinterland erwünscht erscheinen —
mit der Drohung der Ausfuhrsperre und nötigt den Staatsrat zu einer gewunde¬
nen Erklärung vorläufigen Verzichts. Und bei den Südslawen schwindet die Nei¬
gung zur Verständigung in dem Maße, als der serbische Einfluß bei ihnen das
Übergewicht erlangt. Nichteinhalten zugesagter Lieferungen, Absperrung gegen
Aus- und Durchfuhr wird auch von unserer Südgrenze immer häufiger berichtet.
Und wie zum Hohne schickt die Entente den Tschechen 45 Waggons Lebensmittel,
denen Rohstoffe folgen sollen, durch Deutschösterreich. Der Staatssekretär erklärt
auf eine Mahnung empörter Beamter, er könne das nicht hindern, da die
Tschechen Bundesgenossen der Feinde seien und diesen der freie Transport im
Waffenstillstand zugesagt sei. Und während die Not steigt, folgt ein Protest und
eine Borstellung den andern, ohne auch nur beantwortet zu werden. Noch hat ja
die Entente und Wilson unsern Staat nicht einmal anerkannt.

Aber man wartet nicht lab, bis derlei Zwangsmittel die Wirkung erzielen,
die in der Abtretung beanspruchter Gebietsteile oder in dem freiwilligen Anschluß
ihrer notleidenden Bevölkerung liegen soll, man greift mit fröhlicher Gewalttat
auf das deutsche Gebiet. Nicht nur'Sprachinseln und Sprachgrenzorte, nein auch
mitten im geschlossenen Sprachgebiet liegende Städte — selbst Warnsdorf, Außig
u. a. — werden von Tschechenbanden, Sokoln, Truppen und entlassenen feind¬
lichen Kriegsgefangenen überfallen, — wenn nicht behauptet, so doch geplündert
oder mit Kontributionen bedacht. Auch hierin sind die Südslawen gelehrige
Schüler. Bis ins geschlossene deutsche Sprachgebiet der Steiermark sind sie vor¬
gedrungen, die deutschen Schutzwehren Kärntens haben sie auf das Nordufer der
Drau zurückgedrängt und erklären nun, mit dem Landesausschusse -über eine vor¬
läufige Abgrenzung verhandeln zu wollen, wenn die Deutschen anch viles slowe¬
nische Sprachgebiet im Norden der Drau ihnen zur Besetzung überlassen. Nach
südslawischer Ansicht sind aber die „germanischen" Landesteile, die teils seit länge¬
rem deutsch geworden, teils von beiden Völkern in friedlichem Zusammenleben
und zweisprachigem oder sprachmischendem Verkehr bewohnt sind („Gogganesisch"
bezeichnet der Volkswitz als dritte Landessprache), slowenisches Gebiet; die
extremen Forderungen erstrecken sich nicht nur auf die willkürlich als „Sprach¬
insel" bezeichnete Landeshauptstadt Klagenfurt, sondern ans ganz Körnten! Bei
den Südslawen ist das Bestreben, die Teutschen durch getrennte Verhandlungen
mit Steiermark und Körnten zu spalten und sich dadurch Zugeständnisse zu sichern,,
die ein Präjudiz für die Entscheidungen des Friedenskongresses bilden sollen, mit
dem den Tschechen abgelernten Grundsatz verbunden, „ol^ l^c-ti" deutsches Ge¬
biet an sich zu reißen, dessen Bevölkerung mit den bewährten Mitteln der Krainer
Gewaltpolitik für eine eventuelle Volksabstimmung „präpariert" werden soll. So
ergäben sich drei „Rechtstitel", erpreßte Zustimmung der Nachbarländer, faktischer
territorialer Besitz und Anschlußbcreitschaft der eingeschüchterten Bevölkerung!
Die Südslawen haben übrigens ein besonderes Mittel, um deutsche Gegenwehr
bei ihren Überfällen, auszuschließen. Sie verwenden dazu serbische Kriegs¬
gefangene, die nun entlassen und bewaffnet sind, oder gehen mit serbischen Ab¬
zeichen oder unter Führung serbischer Offiziere vor. Sie treten also als Truppen
der Entente auf, denen der Waffenstillstand das Besetzungsrecht eingeräumt hat.

Der Widerstand der Deutschen in Böhmen und Mähren, wie in Südöster-


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[0266] auch die anderer wichtiger Bedarfsartikel, vor allem Kohle, insbesondere Gas¬ kohle, nickt nur die Sperre der Ausfuhr, sondern auch die der Durchfuhr aus dem Deutschen Reich wird von den Tschechen als Mittel politischen Druckes auf die- Wiener Regierung und auf die Verwaltungen der einzelnen deutschösterreichischen Länder verwendet. Sie droht die Industrie brachzulegen, die uns die Austausch¬ objekte für die wirtschaftlichen Verhandlungen mit Ungarn und den Südslawen liefern muß und sie erschwert das Aushalten und bedroht dadurch die innere Ord¬ nung. Die Gasbeleuchtung von Städten, wie etwa Graz mit mehr als ISO WO Einwohnern, ist seit einiger Zeit eingestellt, die Beleuchtung und der Straßeu- bahnverkehr der Millionenstadt Wien bedroht. Ungarn antwortet auf die schüch¬ terne Forderung nach Angliederung der deutschen Komitate (Haidebeueru und Heanzen) in Westungarn — die für 'Wien als Hinterland erwünscht erscheinen — mit der Drohung der Ausfuhrsperre und nötigt den Staatsrat zu einer gewunde¬ nen Erklärung vorläufigen Verzichts. Und bei den Südslawen schwindet die Nei¬ gung zur Verständigung in dem Maße, als der serbische Einfluß bei ihnen das Übergewicht erlangt. Nichteinhalten zugesagter Lieferungen, Absperrung gegen Aus- und Durchfuhr wird auch von unserer Südgrenze immer häufiger berichtet. Und wie zum Hohne schickt die Entente den Tschechen 45 Waggons Lebensmittel, denen Rohstoffe folgen sollen, durch Deutschösterreich. Der Staatssekretär erklärt auf eine Mahnung empörter Beamter, er könne das nicht hindern, da die Tschechen Bundesgenossen der Feinde seien und diesen der freie Transport im Waffenstillstand zugesagt sei. Und während die Not steigt, folgt ein Protest und eine Borstellung den andern, ohne auch nur beantwortet zu werden. Noch hat ja die Entente und Wilson unsern Staat nicht einmal anerkannt. Aber man wartet nicht lab, bis derlei Zwangsmittel die Wirkung erzielen, die in der Abtretung beanspruchter Gebietsteile oder in dem freiwilligen Anschluß ihrer notleidenden Bevölkerung liegen soll, man greift mit fröhlicher Gewalttat auf das deutsche Gebiet. Nicht nur'Sprachinseln und Sprachgrenzorte, nein auch mitten im geschlossenen Sprachgebiet liegende Städte — selbst Warnsdorf, Außig u. a. — werden von Tschechenbanden, Sokoln, Truppen und entlassenen feind¬ lichen Kriegsgefangenen überfallen, — wenn nicht behauptet, so doch geplündert oder mit Kontributionen bedacht. Auch hierin sind die Südslawen gelehrige Schüler. Bis ins geschlossene deutsche Sprachgebiet der Steiermark sind sie vor¬ gedrungen, die deutschen Schutzwehren Kärntens haben sie auf das Nordufer der Drau zurückgedrängt und erklären nun, mit dem Landesausschusse -über eine vor¬ läufige Abgrenzung verhandeln zu wollen, wenn die Deutschen anch viles slowe¬ nische Sprachgebiet im Norden der Drau ihnen zur Besetzung überlassen. Nach südslawischer Ansicht sind aber die „germanischen" Landesteile, die teils seit länge¬ rem deutsch geworden, teils von beiden Völkern in friedlichem Zusammenleben und zweisprachigem oder sprachmischendem Verkehr bewohnt sind („Gogganesisch" bezeichnet der Volkswitz als dritte Landessprache), slowenisches Gebiet; die extremen Forderungen erstrecken sich nicht nur auf die willkürlich als „Sprach¬ insel" bezeichnete Landeshauptstadt Klagenfurt, sondern ans ganz Körnten! Bei den Südslawen ist das Bestreben, die Teutschen durch getrennte Verhandlungen mit Steiermark und Körnten zu spalten und sich dadurch Zugeständnisse zu sichern,, die ein Präjudiz für die Entscheidungen des Friedenskongresses bilden sollen, mit dem den Tschechen abgelernten Grundsatz verbunden, „ol^ l^c-ti" deutsches Ge¬ biet an sich zu reißen, dessen Bevölkerung mit den bewährten Mitteln der Krainer Gewaltpolitik für eine eventuelle Volksabstimmung „präpariert" werden soll. So ergäben sich drei „Rechtstitel", erpreßte Zustimmung der Nachbarländer, faktischer territorialer Besitz und Anschlußbcreitschaft der eingeschüchterten Bevölkerung! Die Südslawen haben übrigens ein besonderes Mittel, um deutsche Gegenwehr bei ihren Überfällen, auszuschließen. Sie verwenden dazu serbische Kriegs¬ gefangene, die nun entlassen und bewaffnet sind, oder gehen mit serbischen Ab¬ zeichen oder unter Führung serbischer Offiziere vor. Sie treten also als Truppen der Entente auf, denen der Waffenstillstand das Besetzungsrecht eingeräumt hat. Der Widerstand der Deutschen in Böhmen und Mähren, wie in Südöster-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/266>, abgerufen am 22.07.2024.