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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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tausig nur in einem ersten leichten Anfall, Er wird sich unzweifelhaft weiter
ausbreiten und dürste von den feindlichen Ländern zuerst Italien, dann Frank¬
reich und zuletzt auch England ergreifen. Die Vereinigten Staaten und Japan,
wenngleich weit vom Schuß, dürften auf die Dauer gleichfalls schwerlich ganz
imnw'n bleiben. Dasz selbst bei ihnen der Boden für sozialistische Regungen
emMnglich ist, zeigten in letzter Zeit die "Neisunruhen" in Japan, zeigte ebenso
die Ankündigung des amerikanischen Arbeiterführers Gompers, daß die Arbeiter
auch für die Friedenszeit die ungeheuren Kriegslöhne nebst der kurzen Arbeits¬
zeit zu fordern gedächten -- eine Ankündigung, die bei den Arbeitgebern Helles
Entsetzen und scharfen Widerspruch hervorrief.

In den ersten Tagen nach Ausbruch der deutschen Revolution waren Ge¬
rüchte verbreitet, daß in Frankreich sozialistische Aufstünde bereits ausgebrochen
seien. Es war freilich von vornherein psychologisch unglaubhaft, daß im Augen¬
blick des Sieges politische Umwälzungen über ein Land kommen könnten. Die
Gerüchte, die offenbar nur zum Zwecke der Stimmungsmache verbreitet wurden,
waren in der Tat entweder gegenstandslos oder haben aus einzelnen unbedeutenden
Vorkommnissen, wie den Verbrüderungen an der Front, übertreibende Schlu߬
folgerungen gezogen. Dennoch dürften sie den Tatsachen nnr um einige Monate
vorausgeeilt sein. Bemerkenswerterweise ist dies nicht nur deutsche, sondern
auch neutrale Auffassung, wie folgendes Zitat aus der holländischen Zeitung
"Nieuws van den Dag" vom 15. November 1918 beweist:

"Es ist durchaus nicht unmöglich, daß der revolutionäre Wind in Frank¬
reich jetzt einsetzt, wenn die gewaltige Nervenspannung von vier Kriegsjahren
erschlafft und der Kriegstaumel vorüber ist. Der aufgepeitschte Chauvinismus
^alt die revolutionäre Idee zurückgedrängt, jetzt wird sie mit erneuter Kraft auf¬
geben. Das unterliegt keinem Zweifel."

l Auch dänische Auffassungen decken sich hiermit. Folgende Äußerung der
Kopenhagens "Finanstideude" vom 13. November ist hierfür bezeichnend:

"Alle .müssen wünschen, daß der russische Bolschewismus nicht auch die Ver¬
bandsländer ansteckt. Italien-scheint bereits bedroht zu sein. Ebenso wie die
Vergeltung über Deutschland gekommen ist, kann sie die Imperialisten in den
Verbandsländern treffen."

Daß diese Erwartung keineswegs in der Luft schwebt, daß ein Hinübel -
springen der revolutionären Bewegung auf die feindlichen Länder nur durch sehr
beträchtliche Zugeständnisse der Kapitalisten an die Arbeiter wird unterbunden
werden können, beweist ein Aufsatz Marcel Sembats in der "Hünauld6" vom
14. November 1918, aus dem zugleich die sehr lehrreiche Tatsache zu ersehen ist,
daß man in Frankreich große Besorgnis hat, dem Lande die Wahrheit über die
deutsche Revolution mitzuteilen. Sembat schreibt nämlich:

- "Wir werden in vollkommener Unwissenheit über die wunderbaren Ereig¬
nisse gehalten, die Deutschland umgestalteten. Ich verstehe wohl: man fürchtet
die Rückwirkungen, die Ansteckung! Gegen die Grippe können solche Absperrungen
vielleicht wirksam sein, aber wo es sich um soziale Umwälzungen ha bald. kann
uns nur die Erkenntnis der Wahrheit zu den notwendigen Entschlüssen führen.
"Glauben Sie," sagte mir in den Wandelgängen der Kanuner ein Mann von
klarer und kühler Intelligenz, "daß sich das französische Volk lange bescheiden
würde, wenn unsere Republik inmitten der überall entstehenden neuen Republiken
als die rückständigste erschiene?" Er setzte mir auseinander, daß in der Tat die
deutsche Republik, als Nachfolgerin eines Kaiserreiches, das interessanten sozialen
Reformen zugetan war, sozusagen nur zu bestehen brauche, um der unsrigen in
dieser Hinsicht weit voraus zu sein. Man wird das sogleich bemerken, wenn
Elsaß Lothringen wieder französisch wird. Man wird den Arbeitern dieser Gegenden
eine ganz besondere Behandlung zuteil werden lassen müssen, hinsichtlich der
Arbeiterpensionen, wenn man ihre erworbenen Rechte nicht verletzen will.') Denn



Einen eigenartigen Kommentar hierzu bietet Sie Meldung, daß die Franzosen
sofort nach ihrem Einzug in Strciszburg den Achtstunden-Arbeitstag wieder abgeschafft hult".

tausig nur in einem ersten leichten Anfall, Er wird sich unzweifelhaft weiter
ausbreiten und dürste von den feindlichen Ländern zuerst Italien, dann Frank¬
reich und zuletzt auch England ergreifen. Die Vereinigten Staaten und Japan,
wenngleich weit vom Schuß, dürften auf die Dauer gleichfalls schwerlich ganz
imnw'n bleiben. Dasz selbst bei ihnen der Boden für sozialistische Regungen
emMnglich ist, zeigten in letzter Zeit die „Neisunruhen" in Japan, zeigte ebenso
die Ankündigung des amerikanischen Arbeiterführers Gompers, daß die Arbeiter
auch für die Friedenszeit die ungeheuren Kriegslöhne nebst der kurzen Arbeits¬
zeit zu fordern gedächten — eine Ankündigung, die bei den Arbeitgebern Helles
Entsetzen und scharfen Widerspruch hervorrief.

In den ersten Tagen nach Ausbruch der deutschen Revolution waren Ge¬
rüchte verbreitet, daß in Frankreich sozialistische Aufstünde bereits ausgebrochen
seien. Es war freilich von vornherein psychologisch unglaubhaft, daß im Augen¬
blick des Sieges politische Umwälzungen über ein Land kommen könnten. Die
Gerüchte, die offenbar nur zum Zwecke der Stimmungsmache verbreitet wurden,
waren in der Tat entweder gegenstandslos oder haben aus einzelnen unbedeutenden
Vorkommnissen, wie den Verbrüderungen an der Front, übertreibende Schlu߬
folgerungen gezogen. Dennoch dürften sie den Tatsachen nnr um einige Monate
vorausgeeilt sein. Bemerkenswerterweise ist dies nicht nur deutsche, sondern
auch neutrale Auffassung, wie folgendes Zitat aus der holländischen Zeitung
„Nieuws van den Dag" vom 15. November 1918 beweist:

„Es ist durchaus nicht unmöglich, daß der revolutionäre Wind in Frank¬
reich jetzt einsetzt, wenn die gewaltige Nervenspannung von vier Kriegsjahren
erschlafft und der Kriegstaumel vorüber ist. Der aufgepeitschte Chauvinismus
^alt die revolutionäre Idee zurückgedrängt, jetzt wird sie mit erneuter Kraft auf¬
geben. Das unterliegt keinem Zweifel."

l Auch dänische Auffassungen decken sich hiermit. Folgende Äußerung der
Kopenhagens „Finanstideude" vom 13. November ist hierfür bezeichnend:

„Alle .müssen wünschen, daß der russische Bolschewismus nicht auch die Ver¬
bandsländer ansteckt. Italien-scheint bereits bedroht zu sein. Ebenso wie die
Vergeltung über Deutschland gekommen ist, kann sie die Imperialisten in den
Verbandsländern treffen."

Daß diese Erwartung keineswegs in der Luft schwebt, daß ein Hinübel -
springen der revolutionären Bewegung auf die feindlichen Länder nur durch sehr
beträchtliche Zugeständnisse der Kapitalisten an die Arbeiter wird unterbunden
werden können, beweist ein Aufsatz Marcel Sembats in der „Hünauld6" vom
14. November 1918, aus dem zugleich die sehr lehrreiche Tatsache zu ersehen ist,
daß man in Frankreich große Besorgnis hat, dem Lande die Wahrheit über die
deutsche Revolution mitzuteilen. Sembat schreibt nämlich:

- „Wir werden in vollkommener Unwissenheit über die wunderbaren Ereig¬
nisse gehalten, die Deutschland umgestalteten. Ich verstehe wohl: man fürchtet
die Rückwirkungen, die Ansteckung! Gegen die Grippe können solche Absperrungen
vielleicht wirksam sein, aber wo es sich um soziale Umwälzungen ha bald. kann
uns nur die Erkenntnis der Wahrheit zu den notwendigen Entschlüssen führen.
„Glauben Sie," sagte mir in den Wandelgängen der Kanuner ein Mann von
klarer und kühler Intelligenz, „daß sich das französische Volk lange bescheiden
würde, wenn unsere Republik inmitten der überall entstehenden neuen Republiken
als die rückständigste erschiene?" Er setzte mir auseinander, daß in der Tat die
deutsche Republik, als Nachfolgerin eines Kaiserreiches, das interessanten sozialen
Reformen zugetan war, sozusagen nur zu bestehen brauche, um der unsrigen in
dieser Hinsicht weit voraus zu sein. Man wird das sogleich bemerken, wenn
Elsaß Lothringen wieder französisch wird. Man wird den Arbeitern dieser Gegenden
eine ganz besondere Behandlung zuteil werden lassen müssen, hinsichtlich der
Arbeiterpensionen, wenn man ihre erworbenen Rechte nicht verletzen will.') Denn



Einen eigenartigen Kommentar hierzu bietet Sie Meldung, daß die Franzosen
sofort nach ihrem Einzug in Strciszburg den Achtstunden-Arbeitstag wieder abgeschafft hult".
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[0238] tausig nur in einem ersten leichten Anfall, Er wird sich unzweifelhaft weiter ausbreiten und dürste von den feindlichen Ländern zuerst Italien, dann Frank¬ reich und zuletzt auch England ergreifen. Die Vereinigten Staaten und Japan, wenngleich weit vom Schuß, dürften auf die Dauer gleichfalls schwerlich ganz imnw'n bleiben. Dasz selbst bei ihnen der Boden für sozialistische Regungen emMnglich ist, zeigten in letzter Zeit die „Neisunruhen" in Japan, zeigte ebenso die Ankündigung des amerikanischen Arbeiterführers Gompers, daß die Arbeiter auch für die Friedenszeit die ungeheuren Kriegslöhne nebst der kurzen Arbeits¬ zeit zu fordern gedächten — eine Ankündigung, die bei den Arbeitgebern Helles Entsetzen und scharfen Widerspruch hervorrief. In den ersten Tagen nach Ausbruch der deutschen Revolution waren Ge¬ rüchte verbreitet, daß in Frankreich sozialistische Aufstünde bereits ausgebrochen seien. Es war freilich von vornherein psychologisch unglaubhaft, daß im Augen¬ blick des Sieges politische Umwälzungen über ein Land kommen könnten. Die Gerüchte, die offenbar nur zum Zwecke der Stimmungsmache verbreitet wurden, waren in der Tat entweder gegenstandslos oder haben aus einzelnen unbedeutenden Vorkommnissen, wie den Verbrüderungen an der Front, übertreibende Schlu߬ folgerungen gezogen. Dennoch dürften sie den Tatsachen nnr um einige Monate vorausgeeilt sein. Bemerkenswerterweise ist dies nicht nur deutsche, sondern auch neutrale Auffassung, wie folgendes Zitat aus der holländischen Zeitung „Nieuws van den Dag" vom 15. November 1918 beweist: „Es ist durchaus nicht unmöglich, daß der revolutionäre Wind in Frank¬ reich jetzt einsetzt, wenn die gewaltige Nervenspannung von vier Kriegsjahren erschlafft und der Kriegstaumel vorüber ist. Der aufgepeitschte Chauvinismus ^alt die revolutionäre Idee zurückgedrängt, jetzt wird sie mit erneuter Kraft auf¬ geben. Das unterliegt keinem Zweifel." l Auch dänische Auffassungen decken sich hiermit. Folgende Äußerung der Kopenhagens „Finanstideude" vom 13. November ist hierfür bezeichnend: „Alle .müssen wünschen, daß der russische Bolschewismus nicht auch die Ver¬ bandsländer ansteckt. Italien-scheint bereits bedroht zu sein. Ebenso wie die Vergeltung über Deutschland gekommen ist, kann sie die Imperialisten in den Verbandsländern treffen." Daß diese Erwartung keineswegs in der Luft schwebt, daß ein Hinübel - springen der revolutionären Bewegung auf die feindlichen Länder nur durch sehr beträchtliche Zugeständnisse der Kapitalisten an die Arbeiter wird unterbunden werden können, beweist ein Aufsatz Marcel Sembats in der „Hünauld6" vom 14. November 1918, aus dem zugleich die sehr lehrreiche Tatsache zu ersehen ist, daß man in Frankreich große Besorgnis hat, dem Lande die Wahrheit über die deutsche Revolution mitzuteilen. Sembat schreibt nämlich: - „Wir werden in vollkommener Unwissenheit über die wunderbaren Ereig¬ nisse gehalten, die Deutschland umgestalteten. Ich verstehe wohl: man fürchtet die Rückwirkungen, die Ansteckung! Gegen die Grippe können solche Absperrungen vielleicht wirksam sein, aber wo es sich um soziale Umwälzungen ha bald. kann uns nur die Erkenntnis der Wahrheit zu den notwendigen Entschlüssen führen. „Glauben Sie," sagte mir in den Wandelgängen der Kanuner ein Mann von klarer und kühler Intelligenz, „daß sich das französische Volk lange bescheiden würde, wenn unsere Republik inmitten der überall entstehenden neuen Republiken als die rückständigste erschiene?" Er setzte mir auseinander, daß in der Tat die deutsche Republik, als Nachfolgerin eines Kaiserreiches, das interessanten sozialen Reformen zugetan war, sozusagen nur zu bestehen brauche, um der unsrigen in dieser Hinsicht weit voraus zu sein. Man wird das sogleich bemerken, wenn Elsaß Lothringen wieder französisch wird. Man wird den Arbeitern dieser Gegenden eine ganz besondere Behandlung zuteil werden lassen müssen, hinsichtlich der Arbeiterpensionen, wenn man ihre erworbenen Rechte nicht verletzen will.') Denn Einen eigenartigen Kommentar hierzu bietet Sie Meldung, daß die Franzosen sofort nach ihrem Einzug in Strciszburg den Achtstunden-Arbeitstag wieder abgeschafft hult".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/238>, abgerufen am 25.08.2024.