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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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"In tausend Zungen"

Scharen freier und waffenfähiger Volksgenossen, also ausschließlich Land¬
besitzer, umschlossen, und daß da kein anderer etwas mitzureden hatte. Die
Geschichte bezeugt ebenso, daß diese Volksversammlungen mit dem Schwinden
der Zahl der Freibauern und mit der Herausbildung anderer Berufsstände,
namentlich eines besonderen Kriegerstandes, mehr und mehr zur Unmöglichkeit
wurden. Also eine Unterstützung des heutigen Demokratisierungsplanes durch
derartige ganz unhistorisch behandelte historische Erinnerungen ist intellektuelle
Phantastik.

Die ausgegebenen Stichworte aber entstammen gar nicht unserer eigenen
Entwicklung, sondern derjenigen der europäischen West- und Südvölker. Sie alle
sind unsere Feinde mit Ausnahme Spaniens bis jetzt, und daher denn auch der
sogenannte "Landesverrat", und die nicht wegzuleugnende Empfindung, daß der
Feind in unserem eigenen Lande am Werke sei. Das braucht durchaus nicht in
der rohen Form des Geldes und der Geldbestechung der Fall zu sein, es kann auch
der Fall fein in der Art, daß eine fast hundertjährige Suggestion heute unbewußt
in unserer Gesinnung und in unserem Urteile wirksam ist und uns für die
Tatsachen unseres eigenen Werdens blind gemacht hat, während wir das Werden¬
sollende, das Dentbild, das Ideal jener Völker auf unsere Altäre hoben und nun
durch die Verehrung dieser fremden Götter die Sache unserer Feinde gegen die
Sache unseres eigenen Volkes und Landes betreiben. Daß eine solche Suggestion
stattgefunden hat, hat uicht uur Chamberlain und Treitschke bewiesen, sondern
das weiß die "Frankfurter Zeitung" auch selbst durchaus. Wohl aber kann man
von diefer Seite erwidern: Gut, sie hat stattgefunden, aber es war nicht eine
Suggestion im feindlichen Sinne, fondern eine solche der Wahrheit, eine Lehre und
Vermittelung einer besseren Erkenntnis, wofür wir Dank, nicht aber den Vorwurf
des Landesverrates verdienen.

Auf solchem Meinuugsstandpunkte kann man stehen. Und da fragt sich's
denn, ob eine solche Meinung berechtigt, ob eine solche Überzeugung richtig ist.
Also sehen wir hinaus.

England, das sein Volk am meisten entbauert hat, wurde aus dem Grunde
gezwungen, den größten Teil seiner Nahrungsmittel aus der Arbeit anderer
Völker zu beziehen. Dadurch aber, daß es die meisten Kräfte des eigenen Volkes
seiner Industrie zutrieb, wuchs diese derart, daß ihr bald die notwendigen Roh¬
stoffe zu mangeln begannen. Also suchte England in aller Welt nicht etwa Boden
und Landbesitz zur Unterbringung seiner eigenen Bevölkernngsüberschüsse, sondern
es suchte die Herrschaft über Boden und Land, um also die Bevölkerungen dieser
Länder zwingen zu können, ihm Nahrungsmittel für das englische Volk und Roh¬
stoffe für die englische Industrie zu liefern. Auf diesem Wege ward das Jnselvolk
gezwungen, sich des Meeres zu bemächtigen. Es warf Spaniens Seemacht
nieder, wie es diejenige der Niederlande bezwang, und als Frankreich sich
anschickte, die "Freiheit der Meere" gegen England zur Wirklichkeit zu machen,
warf England auch Frankreich mit Hilfe der europäischen Koalition zu Boden.
Da ist es nun sehr lehrreich für heute, sich der Darstellung Treitschkes zu
erinnern, der schreibt: "Gleich beim Beginne des Kongresses' von Chatillon
benutzte England die Geldverlegenheit seiner Bundesgenossen, um einen Meister¬
streich feiner Handelspolitik zu vollführen. War irgend einer von Napoleons
Plänen berechtigt gewesen, fo doch sicherlich sein Kampf für die Freiheit der Meere.
Jenes Gleichgewicht der Mächte, wonach die ermüdete Welt verlangte, war nicht
gesichert, fo lange ein einziger Staat auf allen Meeren nach Willkür und Laune
schaltete, und der Seekrieg, zur Schande der Menschheit, noch den Charakter des
privilegierten Raubes trug. Preußen und Rußland hatten feit dem Bunde der
bewaffneten Neutralität allezeit die Grundsätze eines menschlichen, dem Handel
der Neutralen unbeschwerlicher Seerechts vertreten; sie hofften jetzt diese
Gedanken Friedrichs und Katharinas durch einen Beschluß des gesamten Europas
anerkannt zu sehen. England aber fühlte sich dadurch in den Grundfesten seiner
Macht bedroht. Lord Cathcart erklärte rund heraus: Hätten wir je die Grund¬
sätze der bewaffneten Neutralität anerkannt, so wäre der französische Handel nicht


„In tausend Zungen"

Scharen freier und waffenfähiger Volksgenossen, also ausschließlich Land¬
besitzer, umschlossen, und daß da kein anderer etwas mitzureden hatte. Die
Geschichte bezeugt ebenso, daß diese Volksversammlungen mit dem Schwinden
der Zahl der Freibauern und mit der Herausbildung anderer Berufsstände,
namentlich eines besonderen Kriegerstandes, mehr und mehr zur Unmöglichkeit
wurden. Also eine Unterstützung des heutigen Demokratisierungsplanes durch
derartige ganz unhistorisch behandelte historische Erinnerungen ist intellektuelle
Phantastik.

Die ausgegebenen Stichworte aber entstammen gar nicht unserer eigenen
Entwicklung, sondern derjenigen der europäischen West- und Südvölker. Sie alle
sind unsere Feinde mit Ausnahme Spaniens bis jetzt, und daher denn auch der
sogenannte „Landesverrat", und die nicht wegzuleugnende Empfindung, daß der
Feind in unserem eigenen Lande am Werke sei. Das braucht durchaus nicht in
der rohen Form des Geldes und der Geldbestechung der Fall zu sein, es kann auch
der Fall fein in der Art, daß eine fast hundertjährige Suggestion heute unbewußt
in unserer Gesinnung und in unserem Urteile wirksam ist und uns für die
Tatsachen unseres eigenen Werdens blind gemacht hat, während wir das Werden¬
sollende, das Dentbild, das Ideal jener Völker auf unsere Altäre hoben und nun
durch die Verehrung dieser fremden Götter die Sache unserer Feinde gegen die
Sache unseres eigenen Volkes und Landes betreiben. Daß eine solche Suggestion
stattgefunden hat, hat uicht uur Chamberlain und Treitschke bewiesen, sondern
das weiß die „Frankfurter Zeitung" auch selbst durchaus. Wohl aber kann man
von diefer Seite erwidern: Gut, sie hat stattgefunden, aber es war nicht eine
Suggestion im feindlichen Sinne, fondern eine solche der Wahrheit, eine Lehre und
Vermittelung einer besseren Erkenntnis, wofür wir Dank, nicht aber den Vorwurf
des Landesverrates verdienen.

Auf solchem Meinuugsstandpunkte kann man stehen. Und da fragt sich's
denn, ob eine solche Meinung berechtigt, ob eine solche Überzeugung richtig ist.
Also sehen wir hinaus.

England, das sein Volk am meisten entbauert hat, wurde aus dem Grunde
gezwungen, den größten Teil seiner Nahrungsmittel aus der Arbeit anderer
Völker zu beziehen. Dadurch aber, daß es die meisten Kräfte des eigenen Volkes
seiner Industrie zutrieb, wuchs diese derart, daß ihr bald die notwendigen Roh¬
stoffe zu mangeln begannen. Also suchte England in aller Welt nicht etwa Boden
und Landbesitz zur Unterbringung seiner eigenen Bevölkernngsüberschüsse, sondern
es suchte die Herrschaft über Boden und Land, um also die Bevölkerungen dieser
Länder zwingen zu können, ihm Nahrungsmittel für das englische Volk und Roh¬
stoffe für die englische Industrie zu liefern. Auf diesem Wege ward das Jnselvolk
gezwungen, sich des Meeres zu bemächtigen. Es warf Spaniens Seemacht
nieder, wie es diejenige der Niederlande bezwang, und als Frankreich sich
anschickte, die „Freiheit der Meere" gegen England zur Wirklichkeit zu machen,
warf England auch Frankreich mit Hilfe der europäischen Koalition zu Boden.
Da ist es nun sehr lehrreich für heute, sich der Darstellung Treitschkes zu
erinnern, der schreibt: „Gleich beim Beginne des Kongresses' von Chatillon
benutzte England die Geldverlegenheit seiner Bundesgenossen, um einen Meister¬
streich feiner Handelspolitik zu vollführen. War irgend einer von Napoleons
Plänen berechtigt gewesen, fo doch sicherlich sein Kampf für die Freiheit der Meere.
Jenes Gleichgewicht der Mächte, wonach die ermüdete Welt verlangte, war nicht
gesichert, fo lange ein einziger Staat auf allen Meeren nach Willkür und Laune
schaltete, und der Seekrieg, zur Schande der Menschheit, noch den Charakter des
privilegierten Raubes trug. Preußen und Rußland hatten feit dem Bunde der
bewaffneten Neutralität allezeit die Grundsätze eines menschlichen, dem Handel
der Neutralen unbeschwerlicher Seerechts vertreten; sie hofften jetzt diese
Gedanken Friedrichs und Katharinas durch einen Beschluß des gesamten Europas
anerkannt zu sehen. England aber fühlte sich dadurch in den Grundfesten seiner
Macht bedroht. Lord Cathcart erklärte rund heraus: Hätten wir je die Grund¬
sätze der bewaffneten Neutralität anerkannt, so wäre der französische Handel nicht


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[0023] „In tausend Zungen" Scharen freier und waffenfähiger Volksgenossen, also ausschließlich Land¬ besitzer, umschlossen, und daß da kein anderer etwas mitzureden hatte. Die Geschichte bezeugt ebenso, daß diese Volksversammlungen mit dem Schwinden der Zahl der Freibauern und mit der Herausbildung anderer Berufsstände, namentlich eines besonderen Kriegerstandes, mehr und mehr zur Unmöglichkeit wurden. Also eine Unterstützung des heutigen Demokratisierungsplanes durch derartige ganz unhistorisch behandelte historische Erinnerungen ist intellektuelle Phantastik. Die ausgegebenen Stichworte aber entstammen gar nicht unserer eigenen Entwicklung, sondern derjenigen der europäischen West- und Südvölker. Sie alle sind unsere Feinde mit Ausnahme Spaniens bis jetzt, und daher denn auch der sogenannte „Landesverrat", und die nicht wegzuleugnende Empfindung, daß der Feind in unserem eigenen Lande am Werke sei. Das braucht durchaus nicht in der rohen Form des Geldes und der Geldbestechung der Fall zu sein, es kann auch der Fall fein in der Art, daß eine fast hundertjährige Suggestion heute unbewußt in unserer Gesinnung und in unserem Urteile wirksam ist und uns für die Tatsachen unseres eigenen Werdens blind gemacht hat, während wir das Werden¬ sollende, das Dentbild, das Ideal jener Völker auf unsere Altäre hoben und nun durch die Verehrung dieser fremden Götter die Sache unserer Feinde gegen die Sache unseres eigenen Volkes und Landes betreiben. Daß eine solche Suggestion stattgefunden hat, hat uicht uur Chamberlain und Treitschke bewiesen, sondern das weiß die „Frankfurter Zeitung" auch selbst durchaus. Wohl aber kann man von diefer Seite erwidern: Gut, sie hat stattgefunden, aber es war nicht eine Suggestion im feindlichen Sinne, fondern eine solche der Wahrheit, eine Lehre und Vermittelung einer besseren Erkenntnis, wofür wir Dank, nicht aber den Vorwurf des Landesverrates verdienen. Auf solchem Meinuugsstandpunkte kann man stehen. Und da fragt sich's denn, ob eine solche Meinung berechtigt, ob eine solche Überzeugung richtig ist. Also sehen wir hinaus. England, das sein Volk am meisten entbauert hat, wurde aus dem Grunde gezwungen, den größten Teil seiner Nahrungsmittel aus der Arbeit anderer Völker zu beziehen. Dadurch aber, daß es die meisten Kräfte des eigenen Volkes seiner Industrie zutrieb, wuchs diese derart, daß ihr bald die notwendigen Roh¬ stoffe zu mangeln begannen. Also suchte England in aller Welt nicht etwa Boden und Landbesitz zur Unterbringung seiner eigenen Bevölkernngsüberschüsse, sondern es suchte die Herrschaft über Boden und Land, um also die Bevölkerungen dieser Länder zwingen zu können, ihm Nahrungsmittel für das englische Volk und Roh¬ stoffe für die englische Industrie zu liefern. Auf diesem Wege ward das Jnselvolk gezwungen, sich des Meeres zu bemächtigen. Es warf Spaniens Seemacht nieder, wie es diejenige der Niederlande bezwang, und als Frankreich sich anschickte, die „Freiheit der Meere" gegen England zur Wirklichkeit zu machen, warf England auch Frankreich mit Hilfe der europäischen Koalition zu Boden. Da ist es nun sehr lehrreich für heute, sich der Darstellung Treitschkes zu erinnern, der schreibt: „Gleich beim Beginne des Kongresses' von Chatillon benutzte England die Geldverlegenheit seiner Bundesgenossen, um einen Meister¬ streich feiner Handelspolitik zu vollführen. War irgend einer von Napoleons Plänen berechtigt gewesen, fo doch sicherlich sein Kampf für die Freiheit der Meere. Jenes Gleichgewicht der Mächte, wonach die ermüdete Welt verlangte, war nicht gesichert, fo lange ein einziger Staat auf allen Meeren nach Willkür und Laune schaltete, und der Seekrieg, zur Schande der Menschheit, noch den Charakter des privilegierten Raubes trug. Preußen und Rußland hatten feit dem Bunde der bewaffneten Neutralität allezeit die Grundsätze eines menschlichen, dem Handel der Neutralen unbeschwerlicher Seerechts vertreten; sie hofften jetzt diese Gedanken Friedrichs und Katharinas durch einen Beschluß des gesamten Europas anerkannt zu sehen. England aber fühlte sich dadurch in den Grundfesten seiner Macht bedroht. Lord Cathcart erklärte rund heraus: Hätten wir je die Grund¬ sätze der bewaffneten Neutralität anerkannt, so wäre der französische Handel nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/23>, abgerufen am 24.11.2024.