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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Die Entwicklung des sozialdemokratischen Programms

Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie
Entwicklung aller ist. Das Manifest schließt mit dem berühmt gewordenen Satz:
Proletarier aller Länder, vereinigt euchl

Diese von dem deutschen Juden Karl Marx und seinem treuen Archeits-
genossen Friedrich Engels, der einer rheinischen germanischen Kaufmannsfamilie
entstammte, gemeinschaftlich verfaßte Kundgebung wurde alsbald in mehrere
Sprachen übersetzt und hat in allen Ländern eine gewaltige Wirkung ausgeübt.
Sie gilt auch heute noch bei der radikalen Linken als nur in einzelnen Forde¬
rungen, nicht aber ihrem Geiste nach überholt. Rücken wir also, um uns ihre
heuiige programmatische Bedeutung klar zu machen, Ausgangs- und vorläufigen
Schlußpunkt der Entwicklung nebeneinander und untersuchen, welche Beziehungen
zum Kommunistischen Manifest das heutige offizielle Programm der Sozialdemokratie
aufweist, wie es auf dem Erfurter Parteitage 1891 zum letztenmal eine umfassende
Formulierung gefunden hat. Schon in der ganzen Anlage und Gliederung ist
die bestimmende Einwirkung des Kommunistischen Manifestes unverkennbar. Auch
im Erfurter Programm wird mit geschichtsphilosophischen Ausführungen begonnen
und am Schlüsse zur Formulierung bestimmter nächster Forderungen vorgeschritten.
Die Einzelpunkte dieses Programmes werden wir später ausführlich zu betrachten
haben. Hier sei nur angemerkt, daß in ihm die allgemeine Doktrin des Kommu¬
nistischen Manifestes im allgemeinen erhalten geblieben ist, während die konkreten
Folgerungen jetzt viel mehr ins einzelne gehen, ihre ursprünglich wesentlich soziale
Färbung mit einer politischeren vertauscht und sich der besonderen politischen Lage
in stärkerem Maße angepaßt haben. Die extremsten Forderungen der Abschaffung
des Erbrechtes, des allgemeinen Arbeitszwanges und der öffentlichen Kinder-
erziehung sind fallen gelassen; die deutsche Sozialdemokratie hat sich also immerhin
mit den bestehenden Gesellschaftszuständen in stärkerem Maße ausgesöhnt, als es
der Grundrichtung des Kommunistischen Manifestes entspricht.

Die politische Arbeiterbewegung selbst stand damals in Deutschland noch in
ihren allerersten Anfängen. Das Elend des Proletariats in den ersten Jahr,
zehnten der Industrialisierung war groß. Die Hungeraufstände der schlesischen
Handweber in den vierziger Jahren sind allgemein bekannt. Seltsame Er¬
scheinungen wie der Schneidergeselle Wilhelm Weitling mit seinen kommunistischen
Schriften bilden die ersten Vorläufer einer Jntellektualisierung des Proletariats
selber. Im allgemeinen werden die Anfänge der sozialistischen Lehre von der
bürgerlichen Intelligenz getragen. Insbesondere ist der Staatssozialismus von
Rodbertus eine bedeutsame Erscheinung. Das Wort Sozialismus hatte damals
geradezu einen stark bürgerlichen Beigeschmack, während die revolutionäre In-
telligenz sich als kommunistisch bezeichnete. Ihren Ursprung nahm diese Be¬
wegung aus dem Westen. Insbesondere bildete Belgien Ende der vierziger Jahre,
als Marx sich dort aufhielt, einen Mittelpunkt des internationalen Kommunismus.
Zwei Kongresse des Bundes der Kommunisten in London im Jahre 1847 führten
dann zur Abfassung des Kommunistischen Manifestes, der ersten Zusammenfassung
der neuen Parteidoktrin.

Vorläufig aber stand hinter dieser Bewegung nur ein winziges Häuflein
Agitatoren, das noch dazu auf aller Herren Länder verstreut war. Das Programm
der deutschen äußersten Linken von 1848 zeigt zwar einige Berührungen mit dem
Kommunistischen Manifest, trägt aber deutlich seine kleinbürgerlichen Züge zur
Schau. Ein Handels- und sozialpolitisches Arbeiterprogramm erschien am
10. Juni 1848 in der dreimal wöchentlich vom Zentralkomitee für Arbeiter
herausgebrachten Zeitung "Das Volk". Leiter dieser Organisation war der
Schriftsetzer Born, der in Brüssel und Paris dem Bunde der Kommunisten an¬
gehört hatte, woraus die Beziehungen dieser Arbeiterbewegung zu dem westlichen
internationalen Kommunismus hervorgehen. In diesem Programm werden
noch die Forderungen für die FaMkanten, die kleinen Meister und die Arbeiter
gesondert. Das Verlangen nach erweiterter Ausfuhr, nach Ausfuhrprämien und
freier Einfuhr von Rohstoffen weist entschieden lauf mer-kantilistischen Ursprung.


Die Entwicklung des sozialdemokratischen Programms

Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie
Entwicklung aller ist. Das Manifest schließt mit dem berühmt gewordenen Satz:
Proletarier aller Länder, vereinigt euchl

Diese von dem deutschen Juden Karl Marx und seinem treuen Archeits-
genossen Friedrich Engels, der einer rheinischen germanischen Kaufmannsfamilie
entstammte, gemeinschaftlich verfaßte Kundgebung wurde alsbald in mehrere
Sprachen übersetzt und hat in allen Ländern eine gewaltige Wirkung ausgeübt.
Sie gilt auch heute noch bei der radikalen Linken als nur in einzelnen Forde¬
rungen, nicht aber ihrem Geiste nach überholt. Rücken wir also, um uns ihre
heuiige programmatische Bedeutung klar zu machen, Ausgangs- und vorläufigen
Schlußpunkt der Entwicklung nebeneinander und untersuchen, welche Beziehungen
zum Kommunistischen Manifest das heutige offizielle Programm der Sozialdemokratie
aufweist, wie es auf dem Erfurter Parteitage 1891 zum letztenmal eine umfassende
Formulierung gefunden hat. Schon in der ganzen Anlage und Gliederung ist
die bestimmende Einwirkung des Kommunistischen Manifestes unverkennbar. Auch
im Erfurter Programm wird mit geschichtsphilosophischen Ausführungen begonnen
und am Schlüsse zur Formulierung bestimmter nächster Forderungen vorgeschritten.
Die Einzelpunkte dieses Programmes werden wir später ausführlich zu betrachten
haben. Hier sei nur angemerkt, daß in ihm die allgemeine Doktrin des Kommu¬
nistischen Manifestes im allgemeinen erhalten geblieben ist, während die konkreten
Folgerungen jetzt viel mehr ins einzelne gehen, ihre ursprünglich wesentlich soziale
Färbung mit einer politischeren vertauscht und sich der besonderen politischen Lage
in stärkerem Maße angepaßt haben. Die extremsten Forderungen der Abschaffung
des Erbrechtes, des allgemeinen Arbeitszwanges und der öffentlichen Kinder-
erziehung sind fallen gelassen; die deutsche Sozialdemokratie hat sich also immerhin
mit den bestehenden Gesellschaftszuständen in stärkerem Maße ausgesöhnt, als es
der Grundrichtung des Kommunistischen Manifestes entspricht.

Die politische Arbeiterbewegung selbst stand damals in Deutschland noch in
ihren allerersten Anfängen. Das Elend des Proletariats in den ersten Jahr,
zehnten der Industrialisierung war groß. Die Hungeraufstände der schlesischen
Handweber in den vierziger Jahren sind allgemein bekannt. Seltsame Er¬
scheinungen wie der Schneidergeselle Wilhelm Weitling mit seinen kommunistischen
Schriften bilden die ersten Vorläufer einer Jntellektualisierung des Proletariats
selber. Im allgemeinen werden die Anfänge der sozialistischen Lehre von der
bürgerlichen Intelligenz getragen. Insbesondere ist der Staatssozialismus von
Rodbertus eine bedeutsame Erscheinung. Das Wort Sozialismus hatte damals
geradezu einen stark bürgerlichen Beigeschmack, während die revolutionäre In-
telligenz sich als kommunistisch bezeichnete. Ihren Ursprung nahm diese Be¬
wegung aus dem Westen. Insbesondere bildete Belgien Ende der vierziger Jahre,
als Marx sich dort aufhielt, einen Mittelpunkt des internationalen Kommunismus.
Zwei Kongresse des Bundes der Kommunisten in London im Jahre 1847 führten
dann zur Abfassung des Kommunistischen Manifestes, der ersten Zusammenfassung
der neuen Parteidoktrin.

Vorläufig aber stand hinter dieser Bewegung nur ein winziges Häuflein
Agitatoren, das noch dazu auf aller Herren Länder verstreut war. Das Programm
der deutschen äußersten Linken von 1848 zeigt zwar einige Berührungen mit dem
Kommunistischen Manifest, trägt aber deutlich seine kleinbürgerlichen Züge zur
Schau. Ein Handels- und sozialpolitisches Arbeiterprogramm erschien am
10. Juni 1848 in der dreimal wöchentlich vom Zentralkomitee für Arbeiter
herausgebrachten Zeitung „Das Volk". Leiter dieser Organisation war der
Schriftsetzer Born, der in Brüssel und Paris dem Bunde der Kommunisten an¬
gehört hatte, woraus die Beziehungen dieser Arbeiterbewegung zu dem westlichen
internationalen Kommunismus hervorgehen. In diesem Programm werden
noch die Forderungen für die FaMkanten, die kleinen Meister und die Arbeiter
gesondert. Das Verlangen nach erweiterter Ausfuhr, nach Ausfuhrprämien und
freier Einfuhr von Rohstoffen weist entschieden lauf mer-kantilistischen Ursprung.


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[0192] Die Entwicklung des sozialdemokratischen Programms Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist. Das Manifest schließt mit dem berühmt gewordenen Satz: Proletarier aller Länder, vereinigt euchl Diese von dem deutschen Juden Karl Marx und seinem treuen Archeits- genossen Friedrich Engels, der einer rheinischen germanischen Kaufmannsfamilie entstammte, gemeinschaftlich verfaßte Kundgebung wurde alsbald in mehrere Sprachen übersetzt und hat in allen Ländern eine gewaltige Wirkung ausgeübt. Sie gilt auch heute noch bei der radikalen Linken als nur in einzelnen Forde¬ rungen, nicht aber ihrem Geiste nach überholt. Rücken wir also, um uns ihre heuiige programmatische Bedeutung klar zu machen, Ausgangs- und vorläufigen Schlußpunkt der Entwicklung nebeneinander und untersuchen, welche Beziehungen zum Kommunistischen Manifest das heutige offizielle Programm der Sozialdemokratie aufweist, wie es auf dem Erfurter Parteitage 1891 zum letztenmal eine umfassende Formulierung gefunden hat. Schon in der ganzen Anlage und Gliederung ist die bestimmende Einwirkung des Kommunistischen Manifestes unverkennbar. Auch im Erfurter Programm wird mit geschichtsphilosophischen Ausführungen begonnen und am Schlüsse zur Formulierung bestimmter nächster Forderungen vorgeschritten. Die Einzelpunkte dieses Programmes werden wir später ausführlich zu betrachten haben. Hier sei nur angemerkt, daß in ihm die allgemeine Doktrin des Kommu¬ nistischen Manifestes im allgemeinen erhalten geblieben ist, während die konkreten Folgerungen jetzt viel mehr ins einzelne gehen, ihre ursprünglich wesentlich soziale Färbung mit einer politischeren vertauscht und sich der besonderen politischen Lage in stärkerem Maße angepaßt haben. Die extremsten Forderungen der Abschaffung des Erbrechtes, des allgemeinen Arbeitszwanges und der öffentlichen Kinder- erziehung sind fallen gelassen; die deutsche Sozialdemokratie hat sich also immerhin mit den bestehenden Gesellschaftszuständen in stärkerem Maße ausgesöhnt, als es der Grundrichtung des Kommunistischen Manifestes entspricht. Die politische Arbeiterbewegung selbst stand damals in Deutschland noch in ihren allerersten Anfängen. Das Elend des Proletariats in den ersten Jahr, zehnten der Industrialisierung war groß. Die Hungeraufstände der schlesischen Handweber in den vierziger Jahren sind allgemein bekannt. Seltsame Er¬ scheinungen wie der Schneidergeselle Wilhelm Weitling mit seinen kommunistischen Schriften bilden die ersten Vorläufer einer Jntellektualisierung des Proletariats selber. Im allgemeinen werden die Anfänge der sozialistischen Lehre von der bürgerlichen Intelligenz getragen. Insbesondere ist der Staatssozialismus von Rodbertus eine bedeutsame Erscheinung. Das Wort Sozialismus hatte damals geradezu einen stark bürgerlichen Beigeschmack, während die revolutionäre In- telligenz sich als kommunistisch bezeichnete. Ihren Ursprung nahm diese Be¬ wegung aus dem Westen. Insbesondere bildete Belgien Ende der vierziger Jahre, als Marx sich dort aufhielt, einen Mittelpunkt des internationalen Kommunismus. Zwei Kongresse des Bundes der Kommunisten in London im Jahre 1847 führten dann zur Abfassung des Kommunistischen Manifestes, der ersten Zusammenfassung der neuen Parteidoktrin. Vorläufig aber stand hinter dieser Bewegung nur ein winziges Häuflein Agitatoren, das noch dazu auf aller Herren Länder verstreut war. Das Programm der deutschen äußersten Linken von 1848 zeigt zwar einige Berührungen mit dem Kommunistischen Manifest, trägt aber deutlich seine kleinbürgerlichen Züge zur Schau. Ein Handels- und sozialpolitisches Arbeiterprogramm erschien am 10. Juni 1848 in der dreimal wöchentlich vom Zentralkomitee für Arbeiter herausgebrachten Zeitung „Das Volk". Leiter dieser Organisation war der Schriftsetzer Born, der in Brüssel und Paris dem Bunde der Kommunisten an¬ gehört hatte, woraus die Beziehungen dieser Arbeiterbewegung zu dem westlichen internationalen Kommunismus hervorgehen. In diesem Programm werden noch die Forderungen für die FaMkanten, die kleinen Meister und die Arbeiter gesondert. Das Verlangen nach erweiterter Ausfuhr, nach Ausfuhrprämien und freier Einfuhr von Rohstoffen weist entschieden lauf mer-kantilistischen Ursprung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/192>, abgerufen am 26.06.2024.