Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
"In tausend Zungen"

hervorgewachsen, während das deutsche Volk hinter ihm sich mehr und mehr
"individualisierte", d. h. seinen völkischen Zusammenhang verlor und seine Staats--
völkische Aufgabe preisgab. Ohne Preußen wäre Deutschland vom Westen he"
der Französierung, vom Osten her der Nussifizierung oder Slawisierunz
verfallen. Die Vorstöße Ludwigs des Vierzehnten, der Jakobiner,
Napoleons des Ersten zeigten an, was vom Westen her zu er¬
warten war, und schon stieg der intellektuelle Einfluß des
Franzosentums bis zum preußischen Throne hinauf, während in Sachsen-Polen
das seltsame Gemisch der französisch-slawischen Kultur zum Ausdrucke kam, wie
wir es bis zum Kriege in den oberen Schichten Westrußlands vorfinden.
"

In jene West- und südwärts von Preußen "individualisierten, das heißt
sich zersetzenden deutschen Volkselemente, von denen jedes für sich zu schwach
geworden war, sich selbständig zu, erhalten, griff nun das preußische Wachstum
mit seiner Wurzelerstreckung mehr und mehr hinein. Ein großer Teil dieser
Elemente assimilierte sich dem preußischen Wesen ziemlich rasch und verwuchs
mit ihm zu einer völkischen Einheit. Ein anderer Teil, vor allem in Süd¬
deutschland, und namentlich dort, wo sich noch ein starkes Bauerntum erhalten
hatte, -das dem eigenen Volke und der eigenen Art die Sicherung einer Zukunft
zu bieten schien, schloß sich dem Preußenvolke nur an und suchte und sand
verstärkten Schutz der Eigenart in solchem Bunde. In diesen angeschlossenen
Teilen des deutschen Volkes lebt nun noch eine ganze Menge des alten deutschen
Volks neben dem neuen Willen. Und dieses Altdeutschland trägt seinen
Jndividualisierungsdrang, die Neigung zur Zersetzung und Auflösung in daS
neue Gebilde, in das Deutsche Reich, mit hinein. Es ist nun die Frage: wird
das neue Reich die jugendliche Kraft in sich haben, diese Zersetzungskeime in sich
selbst zum Absterben zu bringen? Oder wird die Urbanisierung und
Industrialisierung Preußens, das heißt seine allmähliche Entbauerung jenen
zersetzenden Elementen rascher oder langsamer zu Hilfe kommen und sie in der
Zersetzung Preußen-Deutschlands unterstützen?

Um einem Mißverständnisse hier von vornherein vorzubeugen, sei betont:
nicht die "Jndustralisierung" an sich hat diesen, wie Marx/glaubte, volk¬
vernichtenden Einfluß. Nicht die Arbeitsteilung, die die einen zum Handel, die
andern zum Handwerk und zur Industrie, die dritten zu geistiger Arbeit auf
wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen Gebieten oder auf dem Felde der
Verwaltung und des Heeres führte, ist Ursache jener Zersetzung, auch nicht jene
Arbeitsteilung, die ganze Massen der körperlichen Lohnarbeit zutrieb. Wohl aber
muß jener zersetzende und isolierende Einfluß überall da stark werden, wo eine
solche Entwicklung "den Boden" verlor, den vaterländischen Grund und Boden,
wo sie mit ihrem Wachstum herausgerissen wurde aus dem Gesamtwachstum
des im heimatlichen Boden wurzelnden, und aus ihm seine Lebenskraft stets
erneuernden Volkes.

Denn außer der Blutsverwandtschaft ist das Land, das ein Volk bewohnt
und Pflegt, das es mit seinem Blute erwarb und mit seinem Schweiße düngte,
das die Gräber und Erinnerungen seiner Vorfahren wie die blühende Kindheit
und die Hoffnungen seiner Zukunft umschließt, das Wohl am stärksten alle Volks¬
genossen umschlingende Band. Setzt der Feind den Fuß auf Preußens Erde, so
stehen alle Preußen wie einer ans, ihn zu vertreiben, und jeder wartet nicht etwa
mit dem Aufstehen, bis der Feind auch den Fuß auf sein besonderes Stückchen
Land setzt. Und wie in Preußen, so in der Schweiz, in Frankreich, überall --
mit einer Ausnahme.

Als im alten Deutschland der Feind an die Reichsgrenze rückte und sie
überschritt, standen besonders Stadtrepubliken noch lange nicht sofort auf, ihm
entgegenzutreten, sondern es gab Städte, die mit ihm Handel trieben, die, näherte
er sich ihren Mauern, ihm die Schlüssel der Stadt entgegentrugen und sich seiner
Herrschaft unterwarfen. Die Isolierung der Städte war so weit vorgeschritten,
daß ihre Bevölkerung fast das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit mit dem
Lande und seiner Bevölkerung verloren hatte. So eng war die Geschlossenheit


„In tausend Zungen"

hervorgewachsen, während das deutsche Volk hinter ihm sich mehr und mehr
„individualisierte", d. h. seinen völkischen Zusammenhang verlor und seine Staats--
völkische Aufgabe preisgab. Ohne Preußen wäre Deutschland vom Westen he«
der Französierung, vom Osten her der Nussifizierung oder Slawisierunz
verfallen. Die Vorstöße Ludwigs des Vierzehnten, der Jakobiner,
Napoleons des Ersten zeigten an, was vom Westen her zu er¬
warten war, und schon stieg der intellektuelle Einfluß des
Franzosentums bis zum preußischen Throne hinauf, während in Sachsen-Polen
das seltsame Gemisch der französisch-slawischen Kultur zum Ausdrucke kam, wie
wir es bis zum Kriege in den oberen Schichten Westrußlands vorfinden.
"

In jene West- und südwärts von Preußen „individualisierten, das heißt
sich zersetzenden deutschen Volkselemente, von denen jedes für sich zu schwach
geworden war, sich selbständig zu, erhalten, griff nun das preußische Wachstum
mit seiner Wurzelerstreckung mehr und mehr hinein. Ein großer Teil dieser
Elemente assimilierte sich dem preußischen Wesen ziemlich rasch und verwuchs
mit ihm zu einer völkischen Einheit. Ein anderer Teil, vor allem in Süd¬
deutschland, und namentlich dort, wo sich noch ein starkes Bauerntum erhalten
hatte, -das dem eigenen Volke und der eigenen Art die Sicherung einer Zukunft
zu bieten schien, schloß sich dem Preußenvolke nur an und suchte und sand
verstärkten Schutz der Eigenart in solchem Bunde. In diesen angeschlossenen
Teilen des deutschen Volkes lebt nun noch eine ganze Menge des alten deutschen
Volks neben dem neuen Willen. Und dieses Altdeutschland trägt seinen
Jndividualisierungsdrang, die Neigung zur Zersetzung und Auflösung in daS
neue Gebilde, in das Deutsche Reich, mit hinein. Es ist nun die Frage: wird
das neue Reich die jugendliche Kraft in sich haben, diese Zersetzungskeime in sich
selbst zum Absterben zu bringen? Oder wird die Urbanisierung und
Industrialisierung Preußens, das heißt seine allmähliche Entbauerung jenen
zersetzenden Elementen rascher oder langsamer zu Hilfe kommen und sie in der
Zersetzung Preußen-Deutschlands unterstützen?

Um einem Mißverständnisse hier von vornherein vorzubeugen, sei betont:
nicht die „Jndustralisierung" an sich hat diesen, wie Marx/glaubte, volk¬
vernichtenden Einfluß. Nicht die Arbeitsteilung, die die einen zum Handel, die
andern zum Handwerk und zur Industrie, die dritten zu geistiger Arbeit auf
wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen Gebieten oder auf dem Felde der
Verwaltung und des Heeres führte, ist Ursache jener Zersetzung, auch nicht jene
Arbeitsteilung, die ganze Massen der körperlichen Lohnarbeit zutrieb. Wohl aber
muß jener zersetzende und isolierende Einfluß überall da stark werden, wo eine
solche Entwicklung „den Boden" verlor, den vaterländischen Grund und Boden,
wo sie mit ihrem Wachstum herausgerissen wurde aus dem Gesamtwachstum
des im heimatlichen Boden wurzelnden, und aus ihm seine Lebenskraft stets
erneuernden Volkes.

Denn außer der Blutsverwandtschaft ist das Land, das ein Volk bewohnt
und Pflegt, das es mit seinem Blute erwarb und mit seinem Schweiße düngte,
das die Gräber und Erinnerungen seiner Vorfahren wie die blühende Kindheit
und die Hoffnungen seiner Zukunft umschließt, das Wohl am stärksten alle Volks¬
genossen umschlingende Band. Setzt der Feind den Fuß auf Preußens Erde, so
stehen alle Preußen wie einer ans, ihn zu vertreiben, und jeder wartet nicht etwa
mit dem Aufstehen, bis der Feind auch den Fuß auf sein besonderes Stückchen
Land setzt. Und wie in Preußen, so in der Schweiz, in Frankreich, überall —
mit einer Ausnahme.

Als im alten Deutschland der Feind an die Reichsgrenze rückte und sie
überschritt, standen besonders Stadtrepubliken noch lange nicht sofort auf, ihm
entgegenzutreten, sondern es gab Städte, die mit ihm Handel trieben, die, näherte
er sich ihren Mauern, ihm die Schlüssel der Stadt entgegentrugen und sich seiner
Herrschaft unterwarfen. Die Isolierung der Städte war so weit vorgeschritten,
daß ihre Bevölkerung fast das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit mit dem
Lande und seiner Bevölkerung verloren hatte. So eng war die Geschlossenheit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88257"/>
          <fw type="header" place="top"> &#x201E;In tausend Zungen"</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_29" prev="#ID_28"> hervorgewachsen, während das deutsche Volk hinter ihm sich mehr und mehr<lb/>
&#x201E;individualisierte", d. h. seinen völkischen Zusammenhang verlor und seine Staats--<lb/>
völkische Aufgabe preisgab. Ohne Preußen wäre Deutschland vom Westen he«<lb/>
der Französierung, vom Osten her der Nussifizierung oder Slawisierunz<lb/>
verfallen. Die Vorstöße Ludwigs des Vierzehnten, der Jakobiner,<lb/>
Napoleons des Ersten zeigten an, was vom Westen her zu er¬<lb/>
warten war, und schon stieg der intellektuelle Einfluß des<lb/>
Franzosentums bis zum preußischen Throne hinauf, während in Sachsen-Polen<lb/>
das seltsame Gemisch der französisch-slawischen Kultur zum Ausdrucke kam, wie<lb/>
wir es bis zum Kriege in den oberen Schichten Westrußlands vorfinden.<lb/>
"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_30"> In jene West- und südwärts von Preußen &#x201E;individualisierten, das heißt<lb/>
sich zersetzenden deutschen Volkselemente, von denen jedes für sich zu schwach<lb/>
geworden war, sich selbständig zu, erhalten, griff nun das preußische Wachstum<lb/>
mit seiner Wurzelerstreckung mehr und mehr hinein. Ein großer Teil dieser<lb/>
Elemente assimilierte sich dem preußischen Wesen ziemlich rasch und verwuchs<lb/>
mit ihm zu einer völkischen Einheit. Ein anderer Teil, vor allem in Süd¬<lb/>
deutschland, und namentlich dort, wo sich noch ein starkes Bauerntum erhalten<lb/>
hatte, -das dem eigenen Volke und der eigenen Art die Sicherung einer Zukunft<lb/>
zu bieten schien, schloß sich dem Preußenvolke nur an und suchte und sand<lb/>
verstärkten Schutz der Eigenart in solchem Bunde. In diesen angeschlossenen<lb/>
Teilen des deutschen Volkes lebt nun noch eine ganze Menge des alten deutschen<lb/>
Volks neben dem neuen Willen. Und dieses Altdeutschland trägt seinen<lb/>
Jndividualisierungsdrang, die Neigung zur Zersetzung und Auflösung in daS<lb/>
neue Gebilde, in das Deutsche Reich, mit hinein. Es ist nun die Frage: wird<lb/>
das neue Reich die jugendliche Kraft in sich haben, diese Zersetzungskeime in sich<lb/>
selbst zum Absterben zu bringen? Oder wird die Urbanisierung und<lb/>
Industrialisierung Preußens, das heißt seine allmähliche Entbauerung jenen<lb/>
zersetzenden Elementen rascher oder langsamer zu Hilfe kommen und sie in der<lb/>
Zersetzung Preußen-Deutschlands unterstützen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_31"> Um einem Mißverständnisse hier von vornherein vorzubeugen, sei betont:<lb/>
nicht die &#x201E;Jndustralisierung" an sich hat diesen, wie Marx/glaubte, volk¬<lb/>
vernichtenden Einfluß. Nicht die Arbeitsteilung, die die einen zum Handel, die<lb/>
andern zum Handwerk und zur Industrie, die dritten zu geistiger Arbeit auf<lb/>
wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen Gebieten oder auf dem Felde der<lb/>
Verwaltung und des Heeres führte, ist Ursache jener Zersetzung, auch nicht jene<lb/>
Arbeitsteilung, die ganze Massen der körperlichen Lohnarbeit zutrieb. Wohl aber<lb/>
muß jener zersetzende und isolierende Einfluß überall da stark werden, wo eine<lb/>
solche Entwicklung &#x201E;den Boden" verlor, den vaterländischen Grund und Boden,<lb/>
wo sie mit ihrem Wachstum herausgerissen wurde aus dem Gesamtwachstum<lb/>
des im heimatlichen Boden wurzelnden, und aus ihm seine Lebenskraft stets<lb/>
erneuernden Volkes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_32"> Denn außer der Blutsverwandtschaft ist das Land, das ein Volk bewohnt<lb/>
und Pflegt, das es mit seinem Blute erwarb und mit seinem Schweiße düngte,<lb/>
das die Gräber und Erinnerungen seiner Vorfahren wie die blühende Kindheit<lb/>
und die Hoffnungen seiner Zukunft umschließt, das Wohl am stärksten alle Volks¬<lb/>
genossen umschlingende Band. Setzt der Feind den Fuß auf Preußens Erde, so<lb/>
stehen alle Preußen wie einer ans, ihn zu vertreiben, und jeder wartet nicht etwa<lb/>
mit dem Aufstehen, bis der Feind auch den Fuß auf sein besonderes Stückchen<lb/>
Land setzt. Und wie in Preußen, so in der Schweiz, in Frankreich, überall &#x2014;<lb/>
mit einer Ausnahme.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_33" next="#ID_34"> Als im alten Deutschland der Feind an die Reichsgrenze rückte und sie<lb/>
überschritt, standen besonders Stadtrepubliken noch lange nicht sofort auf, ihm<lb/>
entgegenzutreten, sondern es gab Städte, die mit ihm Handel trieben, die, näherte<lb/>
er sich ihren Mauern, ihm die Schlüssel der Stadt entgegentrugen und sich seiner<lb/>
Herrschaft unterwarfen. Die Isolierung der Städte war so weit vorgeschritten,<lb/>
daß ihre Bevölkerung fast das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit mit dem<lb/>
Lande und seiner Bevölkerung verloren hatte. So eng war die Geschlossenheit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0019] „In tausend Zungen" hervorgewachsen, während das deutsche Volk hinter ihm sich mehr und mehr „individualisierte", d. h. seinen völkischen Zusammenhang verlor und seine Staats-- völkische Aufgabe preisgab. Ohne Preußen wäre Deutschland vom Westen he« der Französierung, vom Osten her der Nussifizierung oder Slawisierunz verfallen. Die Vorstöße Ludwigs des Vierzehnten, der Jakobiner, Napoleons des Ersten zeigten an, was vom Westen her zu er¬ warten war, und schon stieg der intellektuelle Einfluß des Franzosentums bis zum preußischen Throne hinauf, während in Sachsen-Polen das seltsame Gemisch der französisch-slawischen Kultur zum Ausdrucke kam, wie wir es bis zum Kriege in den oberen Schichten Westrußlands vorfinden. " In jene West- und südwärts von Preußen „individualisierten, das heißt sich zersetzenden deutschen Volkselemente, von denen jedes für sich zu schwach geworden war, sich selbständig zu, erhalten, griff nun das preußische Wachstum mit seiner Wurzelerstreckung mehr und mehr hinein. Ein großer Teil dieser Elemente assimilierte sich dem preußischen Wesen ziemlich rasch und verwuchs mit ihm zu einer völkischen Einheit. Ein anderer Teil, vor allem in Süd¬ deutschland, und namentlich dort, wo sich noch ein starkes Bauerntum erhalten hatte, -das dem eigenen Volke und der eigenen Art die Sicherung einer Zukunft zu bieten schien, schloß sich dem Preußenvolke nur an und suchte und sand verstärkten Schutz der Eigenart in solchem Bunde. In diesen angeschlossenen Teilen des deutschen Volkes lebt nun noch eine ganze Menge des alten deutschen Volks neben dem neuen Willen. Und dieses Altdeutschland trägt seinen Jndividualisierungsdrang, die Neigung zur Zersetzung und Auflösung in daS neue Gebilde, in das Deutsche Reich, mit hinein. Es ist nun die Frage: wird das neue Reich die jugendliche Kraft in sich haben, diese Zersetzungskeime in sich selbst zum Absterben zu bringen? Oder wird die Urbanisierung und Industrialisierung Preußens, das heißt seine allmähliche Entbauerung jenen zersetzenden Elementen rascher oder langsamer zu Hilfe kommen und sie in der Zersetzung Preußen-Deutschlands unterstützen? Um einem Mißverständnisse hier von vornherein vorzubeugen, sei betont: nicht die „Jndustralisierung" an sich hat diesen, wie Marx/glaubte, volk¬ vernichtenden Einfluß. Nicht die Arbeitsteilung, die die einen zum Handel, die andern zum Handwerk und zur Industrie, die dritten zu geistiger Arbeit auf wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen Gebieten oder auf dem Felde der Verwaltung und des Heeres führte, ist Ursache jener Zersetzung, auch nicht jene Arbeitsteilung, die ganze Massen der körperlichen Lohnarbeit zutrieb. Wohl aber muß jener zersetzende und isolierende Einfluß überall da stark werden, wo eine solche Entwicklung „den Boden" verlor, den vaterländischen Grund und Boden, wo sie mit ihrem Wachstum herausgerissen wurde aus dem Gesamtwachstum des im heimatlichen Boden wurzelnden, und aus ihm seine Lebenskraft stets erneuernden Volkes. Denn außer der Blutsverwandtschaft ist das Land, das ein Volk bewohnt und Pflegt, das es mit seinem Blute erwarb und mit seinem Schweiße düngte, das die Gräber und Erinnerungen seiner Vorfahren wie die blühende Kindheit und die Hoffnungen seiner Zukunft umschließt, das Wohl am stärksten alle Volks¬ genossen umschlingende Band. Setzt der Feind den Fuß auf Preußens Erde, so stehen alle Preußen wie einer ans, ihn zu vertreiben, und jeder wartet nicht etwa mit dem Aufstehen, bis der Feind auch den Fuß auf sein besonderes Stückchen Land setzt. Und wie in Preußen, so in der Schweiz, in Frankreich, überall — mit einer Ausnahme. Als im alten Deutschland der Feind an die Reichsgrenze rückte und sie überschritt, standen besonders Stadtrepubliken noch lange nicht sofort auf, ihm entgegenzutreten, sondern es gab Städte, die mit ihm Handel trieben, die, näherte er sich ihren Mauern, ihm die Schlüssel der Stadt entgegentrugen und sich seiner Herrschaft unterwarfen. Die Isolierung der Städte war so weit vorgeschritten, daß ihre Bevölkerung fast das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit mit dem Lande und seiner Bevölkerung verloren hatte. So eng war die Geschlossenheit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/19
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/19>, abgerufen am 25.08.2024.