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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Umgestaltung Oesterreich - Ungarns

staatlicher Unabhängigkeit fortschreitenden Programme verkannte man
insbesondere in Hofkreisen so sehr, daß man glaubte, mit Versprechungen und
Gnadenbeweisen die Erregung "beschwichtigen" zu können. So gelangten
schließlich von den beiden einzigen internationalen Parteien die eine, der reine
Ultramontanismus, ganz ins Hintertreffen, und die andere, die deutsche Sozial¬
demokratie, ins nationale Fahrwasser. Diese hatte lange die nationale Personal¬
autonomie als Allheilmittel angesehen und ihr weitere Anhänger gewonnen,
scheinbar überraschend, ober im Zuge einer folgerichtigen Entwicklung (die zudem
auch dem Anwachsen ihres vor allem gegen das monarchische Deutsche Reich
ankämpfenden linken Flügels entsprach), gelangte sie nun auf den Standpunkt des
"uneingeschränkten Selbstbestimmungsreclites der Volker auf ihrem Volksboden"
<oder "in ihrem Siedlungsgebiet") und damit auch zur Forderung des deutsch-
österreichischen Nationalstaats. Da folbst die klerikale deutsche Bauernschaft auf
denselben Standpunkt kam -- nicht ohne Mühe wirkt ein Teil ihrer Führer
wenigstens dem Eindringen der republikanischen Idee in sie entgegen --, fo war
der Sieg des Nationalitätenprinzips ein allgemeiner. Und aus ihm ergab sich
dreierlei: das Zurücktreten der Bestrebungen, welche die "unabhängigen National¬
staaten" zu einem österreichischen Bundesstaat zusammenzufassen, ja auch nur
einen Staatenbund auf dem Boden des bisherigen Österreich zu sichern suchten,
und in denen das erwachte Mißtrauen der Völker Versuche zur Rettung des
Einheitsstaats erblickt, die Ausdehnung der nationalen Gebietsansprüche auf
ungarischen Staatsboden, auch von deutscher Seite, endlich das Anschwellen der
republikanischen Bewegung.

Das Selbftändigkeitsgefühl der Völker widerstrebt immer mehr nicht nur
der Real-, sondern auch der Personalunion und das offensichtliche Bestreben des
Monarchen, sich den Titel und Schein der Herrschaft über alle die auseinander¬
strebenden Gebiete durch die Abkehr vom Deutschen Reich und aus der Hand
Wilsons zu sichern, entfremdete ihm auch überzeugte Monarchisten. Vollends
nachdem der Waffenstillstand auch den Südslawen drückende Bedingungen auf¬
erlegte und sie bezweifeln müssen, ob sie aus der Hand Englands, Frankreichs oder
Amerikas zurückerhalten können, was ihnen Italien "vorläufig" nimmt, dürfte
auch bei den Kroaten das Bemühen jener "katholischen" Politiker vergeblich sein,
die ihnen wie den Tschechen die Aussicht zeigen, durch die Wiederaufrichtung.
Föderalisierung und slawische Orientierung der österreichischen Monarchie
Deutfchösterreich vergewaltigen und ausnutzen zu können. Man hat Lammafch
und feine Regierung nur als Liquidationsverwaltung anerkannt und die Friedens¬
konferenz der Völker für alleinbestimmend erklärt. Immerhin schart sich um
diese Gruppe eine nicht unbeträchtliche Zahl von solchen, die mit dem alten
Gesamtstaat ideale und materielle Werte zu verlieren fürchten, Hofmänner und
Feudaladelige, hohe Beamte und Militärs, national farblos erzogene Offiziere
und Geistliche, Geldmänner u. a. in. Je weniger die nichtdeutschen Völker aus
dem Inventar des alten Österreich zu übernehmen geneigt sind, desto mehr davon
suchen diese "schwarzgelben" ("alt"- und "neuösterreichischen") Kreise dem
"deutschösterreichischen" Staat aufzuhalsen, der unter dieser Fülle von Lasten und
Verpflichtungen ersticken müßte, nur um den Namen Österreichs und den Ansatz
zu dessen Neubildung zu retten. Das ist der Grund, weshalb die Deutschen
immer entschiedener erklären, sie wollten keinen "Reststaat", sondern ein neues
politisches Gebilde darstellen. Ja wachsende Kreise in der Provinz lehnen des¬
halb auch den Namen "Deutschösterreich" und die babenbergischen Farben
Rotweißrot als Staatsfarben ab; sie verlangen "Ostmark" und Schwarzrotgold.
Die Besorgnis vor den Bestrebungen der "schwarzgelben", die mit allen Mitteln
sich zu kräftigen und zu sammeln und auf die Entente und Wilson einzuwirken
suchen, verstärkt einerseits die republikanische Bewegung, anderseits aber das
Verlangen nach vollem Anschluß an das Deutsche Reich, das aus dem nationalen
Gefühl und der bittern Erinnerung an die unbedankte Selbstaufopferung unseres
Volks erwachsen ist. Während man darüber streitet, ob es taktisch angezeigt sei,
dieses auszusprechen oder nicht, während die Meinung der Politiker auch über die


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Umgestaltung Oesterreich - Ungarns

staatlicher Unabhängigkeit fortschreitenden Programme verkannte man
insbesondere in Hofkreisen so sehr, daß man glaubte, mit Versprechungen und
Gnadenbeweisen die Erregung „beschwichtigen" zu können. So gelangten
schließlich von den beiden einzigen internationalen Parteien die eine, der reine
Ultramontanismus, ganz ins Hintertreffen, und die andere, die deutsche Sozial¬
demokratie, ins nationale Fahrwasser. Diese hatte lange die nationale Personal¬
autonomie als Allheilmittel angesehen und ihr weitere Anhänger gewonnen,
scheinbar überraschend, ober im Zuge einer folgerichtigen Entwicklung (die zudem
auch dem Anwachsen ihres vor allem gegen das monarchische Deutsche Reich
ankämpfenden linken Flügels entsprach), gelangte sie nun auf den Standpunkt des
„uneingeschränkten Selbstbestimmungsreclites der Volker auf ihrem Volksboden"
<oder „in ihrem Siedlungsgebiet") und damit auch zur Forderung des deutsch-
österreichischen Nationalstaats. Da folbst die klerikale deutsche Bauernschaft auf
denselben Standpunkt kam — nicht ohne Mühe wirkt ein Teil ihrer Führer
wenigstens dem Eindringen der republikanischen Idee in sie entgegen —, fo war
der Sieg des Nationalitätenprinzips ein allgemeiner. Und aus ihm ergab sich
dreierlei: das Zurücktreten der Bestrebungen, welche die „unabhängigen National¬
staaten" zu einem österreichischen Bundesstaat zusammenzufassen, ja auch nur
einen Staatenbund auf dem Boden des bisherigen Österreich zu sichern suchten,
und in denen das erwachte Mißtrauen der Völker Versuche zur Rettung des
Einheitsstaats erblickt, die Ausdehnung der nationalen Gebietsansprüche auf
ungarischen Staatsboden, auch von deutscher Seite, endlich das Anschwellen der
republikanischen Bewegung.

Das Selbftändigkeitsgefühl der Völker widerstrebt immer mehr nicht nur
der Real-, sondern auch der Personalunion und das offensichtliche Bestreben des
Monarchen, sich den Titel und Schein der Herrschaft über alle die auseinander¬
strebenden Gebiete durch die Abkehr vom Deutschen Reich und aus der Hand
Wilsons zu sichern, entfremdete ihm auch überzeugte Monarchisten. Vollends
nachdem der Waffenstillstand auch den Südslawen drückende Bedingungen auf¬
erlegte und sie bezweifeln müssen, ob sie aus der Hand Englands, Frankreichs oder
Amerikas zurückerhalten können, was ihnen Italien „vorläufig" nimmt, dürfte
auch bei den Kroaten das Bemühen jener „katholischen" Politiker vergeblich sein,
die ihnen wie den Tschechen die Aussicht zeigen, durch die Wiederaufrichtung.
Föderalisierung und slawische Orientierung der österreichischen Monarchie
Deutfchösterreich vergewaltigen und ausnutzen zu können. Man hat Lammafch
und feine Regierung nur als Liquidationsverwaltung anerkannt und die Friedens¬
konferenz der Völker für alleinbestimmend erklärt. Immerhin schart sich um
diese Gruppe eine nicht unbeträchtliche Zahl von solchen, die mit dem alten
Gesamtstaat ideale und materielle Werte zu verlieren fürchten, Hofmänner und
Feudaladelige, hohe Beamte und Militärs, national farblos erzogene Offiziere
und Geistliche, Geldmänner u. a. in. Je weniger die nichtdeutschen Völker aus
dem Inventar des alten Österreich zu übernehmen geneigt sind, desto mehr davon
suchen diese „schwarzgelben" („alt"- und „neuösterreichischen") Kreise dem
„deutschösterreichischen" Staat aufzuhalsen, der unter dieser Fülle von Lasten und
Verpflichtungen ersticken müßte, nur um den Namen Österreichs und den Ansatz
zu dessen Neubildung zu retten. Das ist der Grund, weshalb die Deutschen
immer entschiedener erklären, sie wollten keinen „Reststaat", sondern ein neues
politisches Gebilde darstellen. Ja wachsende Kreise in der Provinz lehnen des¬
halb auch den Namen „Deutschösterreich" und die babenbergischen Farben
Rotweißrot als Staatsfarben ab; sie verlangen „Ostmark" und Schwarzrotgold.
Die Besorgnis vor den Bestrebungen der „schwarzgelben", die mit allen Mitteln
sich zu kräftigen und zu sammeln und auf die Entente und Wilson einzuwirken
suchen, verstärkt einerseits die republikanische Bewegung, anderseits aber das
Verlangen nach vollem Anschluß an das Deutsche Reich, das aus dem nationalen
Gefühl und der bittern Erinnerung an die unbedankte Selbstaufopferung unseres
Volks erwachsen ist. Während man darüber streitet, ob es taktisch angezeigt sei,
dieses auszusprechen oder nicht, während die Meinung der Politiker auch über die


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[0187] Umgestaltung Oesterreich - Ungarns staatlicher Unabhängigkeit fortschreitenden Programme verkannte man insbesondere in Hofkreisen so sehr, daß man glaubte, mit Versprechungen und Gnadenbeweisen die Erregung „beschwichtigen" zu können. So gelangten schließlich von den beiden einzigen internationalen Parteien die eine, der reine Ultramontanismus, ganz ins Hintertreffen, und die andere, die deutsche Sozial¬ demokratie, ins nationale Fahrwasser. Diese hatte lange die nationale Personal¬ autonomie als Allheilmittel angesehen und ihr weitere Anhänger gewonnen, scheinbar überraschend, ober im Zuge einer folgerichtigen Entwicklung (die zudem auch dem Anwachsen ihres vor allem gegen das monarchische Deutsche Reich ankämpfenden linken Flügels entsprach), gelangte sie nun auf den Standpunkt des „uneingeschränkten Selbstbestimmungsreclites der Volker auf ihrem Volksboden" <oder „in ihrem Siedlungsgebiet") und damit auch zur Forderung des deutsch- österreichischen Nationalstaats. Da folbst die klerikale deutsche Bauernschaft auf denselben Standpunkt kam — nicht ohne Mühe wirkt ein Teil ihrer Führer wenigstens dem Eindringen der republikanischen Idee in sie entgegen —, fo war der Sieg des Nationalitätenprinzips ein allgemeiner. Und aus ihm ergab sich dreierlei: das Zurücktreten der Bestrebungen, welche die „unabhängigen National¬ staaten" zu einem österreichischen Bundesstaat zusammenzufassen, ja auch nur einen Staatenbund auf dem Boden des bisherigen Österreich zu sichern suchten, und in denen das erwachte Mißtrauen der Völker Versuche zur Rettung des Einheitsstaats erblickt, die Ausdehnung der nationalen Gebietsansprüche auf ungarischen Staatsboden, auch von deutscher Seite, endlich das Anschwellen der republikanischen Bewegung. Das Selbftändigkeitsgefühl der Völker widerstrebt immer mehr nicht nur der Real-, sondern auch der Personalunion und das offensichtliche Bestreben des Monarchen, sich den Titel und Schein der Herrschaft über alle die auseinander¬ strebenden Gebiete durch die Abkehr vom Deutschen Reich und aus der Hand Wilsons zu sichern, entfremdete ihm auch überzeugte Monarchisten. Vollends nachdem der Waffenstillstand auch den Südslawen drückende Bedingungen auf¬ erlegte und sie bezweifeln müssen, ob sie aus der Hand Englands, Frankreichs oder Amerikas zurückerhalten können, was ihnen Italien „vorläufig" nimmt, dürfte auch bei den Kroaten das Bemühen jener „katholischen" Politiker vergeblich sein, die ihnen wie den Tschechen die Aussicht zeigen, durch die Wiederaufrichtung. Föderalisierung und slawische Orientierung der österreichischen Monarchie Deutfchösterreich vergewaltigen und ausnutzen zu können. Man hat Lammafch und feine Regierung nur als Liquidationsverwaltung anerkannt und die Friedens¬ konferenz der Völker für alleinbestimmend erklärt. Immerhin schart sich um diese Gruppe eine nicht unbeträchtliche Zahl von solchen, die mit dem alten Gesamtstaat ideale und materielle Werte zu verlieren fürchten, Hofmänner und Feudaladelige, hohe Beamte und Militärs, national farblos erzogene Offiziere und Geistliche, Geldmänner u. a. in. Je weniger die nichtdeutschen Völker aus dem Inventar des alten Österreich zu übernehmen geneigt sind, desto mehr davon suchen diese „schwarzgelben" („alt"- und „neuösterreichischen") Kreise dem „deutschösterreichischen" Staat aufzuhalsen, der unter dieser Fülle von Lasten und Verpflichtungen ersticken müßte, nur um den Namen Österreichs und den Ansatz zu dessen Neubildung zu retten. Das ist der Grund, weshalb die Deutschen immer entschiedener erklären, sie wollten keinen „Reststaat", sondern ein neues politisches Gebilde darstellen. Ja wachsende Kreise in der Provinz lehnen des¬ halb auch den Namen „Deutschösterreich" und die babenbergischen Farben Rotweißrot als Staatsfarben ab; sie verlangen „Ostmark" und Schwarzrotgold. Die Besorgnis vor den Bestrebungen der „schwarzgelben", die mit allen Mitteln sich zu kräftigen und zu sammeln und auf die Entente und Wilson einzuwirken suchen, verstärkt einerseits die republikanische Bewegung, anderseits aber das Verlangen nach vollem Anschluß an das Deutsche Reich, das aus dem nationalen Gefühl und der bittern Erinnerung an die unbedankte Selbstaufopferung unseres Volks erwachsen ist. Während man darüber streitet, ob es taktisch angezeigt sei, dieses auszusprechen oder nicht, während die Meinung der Politiker auch über die 15*

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/187>, abgerufen am 24.11.2024.